Samstag, 28. Februar 2015

28. Februar 1915


„Am 26. wird die 9. Kompagnie durch die erst vor zwei Tagen von Höhe 263 nach Varennes zurückgekehrte 6. abgelöst. Tags darauf wird das Feuer wieder lebhaft, und dann beginnt am 28. morgens 9.30 Uhr eine Beschießung von Vauquois, gegen die, wie Hauptmann Fetzer in einem Briefe schreibt, „alles bisher erlebte nur ein Kinderspiel war“. „Die 28,5er flogen dem Dutzend nach brüllend durch die Luft daher. Der ganze Berg sprühte Feuer wie ein Vulkan. Der Ausbruch des Vesuv, den ich im August 1897 oben auf dem Berg mitgemacht habe und der für mich bisher das Großartigste war, was ich gesehen habe, tritt zurück im Vergleich mit diesem Schauspiel. Droben riß es natürlich alle Schützengräben zusammen, legte fast die letzten Trümmerreste des Bergortes nieder, fegte den vorher zackigen Rücken glatt und riß haustiefe Löcher in das Plateau, eines am andern. Kein bombensicherer Unterstand fast bot mehr Schutz; in einem, den man für besonders sicher gehalten hatte, wurde nahezu ein Dutzend Offiziere auf einen Sitz erschlagen. Meine 6. Kompagnie verlor in einer Stunde alle Offiziere und die Hälfte der Mannschaften. Ein Bataillon des Regiments 144 verlor bis auf den Bataillonsführer und seinen Adjudanten alle Offiziere, noch 7, die das Bataillon aus den Argonnen herausgebracht hatte, 1 verwundet, 3 tot, 3 verrückt geworden. Auch von meiner 6. Kompagnie verloren 4 Mann den Verstand.

Nach dieser unerhörten Artilleriebeschießung schritten die Franzosen zum Infanterieangriff und drangen tatsächlich in Vauquois, d. h. die Trümmerstätte auf dem Plateau des Totenhügels, ein. Aber unsere bis zum Wahnsinn beschossenen Leute über den Nordhang des Berges hinüberzuwerfen, gelang ihnen nicht; ja nicht einmal das ganze Trümmerfeld oben vermochten sie zu erobern: Und selbst der nicht weniger furchtbaren Beschießung am folgenden Tage hielten unsere Braven noch immer stand.“

Die 6. Kompagnie, von der während dieser unerhört gewaltigen Beschießung ein Teil in vorderer Stellung war, zog die Grabenbesatzung bis auf einen Beobachtungsposten für jede Gruppe in die Unterstände zurück und, als der Graben schließlich völlig eingeebnet war, und auch die Posten sich nicht mehr halten konnten, wurde von dem Keller aus beobachtet, in dem sich der größte Teil der Stellungsbesatzung befand, bis der Gegner durch Maschinengewehrfeuer auf den Kellereingang jede Beobachtungsmöglichkeit unterband. Da sitzt man denn eng zusammengedrängt im Keller, ohne zu wissen, wie es draußen steht, ohne die Möglichkeit, sich zu wehren. Unaufhörlich krachen die schweren Granaten. Eisig wie Grabesluft weht der Luftdruck über die schweigend wartenden Männer. Da ein ohrenbetäubender Krach, Steine und Schutt rieseln herab, beengend legt sich der Staub auf Gesichter und Lungen. Der Eingang ist verschüttet, nur noch kriechend kann man ins Freie. Endlos scheinen die Stunden. Wann schlägt die nächste Riesengranate den Keller zusammen und begräbt die Insassen in einem Massengrab? Endlich, nach 6stündiger Beschießung wird das Feuer rückwärts verlegt. Aber noch ehe man sich aus dem Gefängnis herausarbeiten kann, schießen die Franzosen schon in den Keller hinein. Jeder Widerstand ist nutzlos. Leutnant Betzler verhandelt. Er fordert seine Leute auf, sich zu ergeben. Einzeln kriecht man aus dem Keller heraus. Leutnant Betzler wird als erster abgeführt, aber die Hinterdreinkommenden werden sofort niedergemacht. Nein, dann lieber lebendig begraben. Widerstand ist aussichtslos.  In den Winkeln des Kellers drückt man sich zusammen. Die Stimmung ist verzweifelt. Da plötzlich ein lautes Hurra. Die 120er haben die Franzosen im Kampf Mann gegen Mann geworfen. Aber noch ist’s unmöglich, aus dem Gefängnis herauszukommen, wider sperrt Maschinengewehrfeuer den Ausgang, und bis zur Dunkelheit müssen die Eingeschlossenen aushalten.“
 
aus: „Das Württembergische Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Freitag, 27. Februar 2015

27. Februar 1915


Musketier Georg Reutemann
XIV. Res.-Armeek., 54. Res.-Div., Inf.-Rgt. 247, 12. Komp.
gefallen 27. Februar 1915.

Der Bachstraße 7, früher Burachstraße 4 wohnhafte Maschinenschlosser Georg Reutemann ist hier geboren am 19. April 1894. Der Vater, Fidel Reutemann, ist Oberholzhauer, die Mutter, Viktoria, ist eine geborene Pechter. Nach 7-jährigem Schulbesuch lernte er in hiesiger Maschinenfabrik die Maschinenschlosserei und besuchte in dieser Zeit die gewerbliche Fortbildungsschule. Bis Kriegsausbruch verblieb er als Geselle bei genannter Firma. Im Septbr. 1914 wurde er zur Fahne einberufen und erhielt im Ersatzbataillon des Infanterie-Regiments 124 seine militärische Ausbildung. Am 18. Januar 1915 kam er ins Feld zum Infanterie-Regiment 247. 12. Kompagnie, wurde auf Vorposten vor Ypern schwer verwundet – Lungenschuß –, starb 2 Stunden darauf auf dem Rücktransport den Heldentod für das Vaterland und fand seine Ruhestätte im Soldatenfriedhof in Ledeghem in Flandern. Hinterbliebene: die Eltern und 2 Geschwister.“

aus: „Schwäbische Helden Weingarten (in Wttbg.) im Weltkrieg!“, Stuttgart 1920

Donnerstag, 26. Februar 2015

26. Februar 1915


„Die Wintermonate vergingen ohne ernstere Kämpfe; die feindliche Infanterie, abwechselnd Engländer und Franzosen, hielt sich ruhig in ihrer festen Stellung, dagegen zeigte sich die feindliche Artillerie dauernd sehr tätig, ja es vergingen nur wenige Tage, an denen das Regiment keine Verluste durch Artilleriefeuer hatte. Besonders schwer wurde es empfunden, daß die eigene Artillerie mit ihrer Munition sehr sparsam umgehen mußte, während der Feind, nach seinem Feuer zu schließen, über unbegrenzte Munitionsmengen verfügen konnte. Auch die Beschaffenheit der feindlichen Artilleriemunition besserte sich zusehends, die anfangs vielfach beobachteten Blindgänger nahmen rasch ab, auch Granaten mit Verzögerung kamen vom Dezember an in Gebrauch.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Mittwoch, 25. Februar 2015

25. Februar 1915


„Der Gegner lag uns in diesem Abschnitt mit seiner Hauptstellung, in der sich häufig Bewegung zeigte, auf 250–500 m gegenüber, wesentlich näher als in der Sucha-Stellung. Die beiderseitigen Horchposten waren 80–100 m von einander entfernt. Dem Musketier Hummler der 12. Kompagnie gelang es, durch Gefangennahme eines Russen sich die hierfür vom Generalkommando ausgesetzte Belohnung von 100 Mark zu verdienen. Der Gefangene, welcher dem 22. sibirischen Schützenregiment angehörte, machte wertvolle Angaben über Stellungen feindlicher Batterien und über Art und Zeit der Essensausgabe beim Gegner. Hummler fiel leider am Tag nach seiner erfolgreichen Patrouille.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußenׅ“ (7. Württ,) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Dienstag, 24. Februar 2015

24. Februar 1915


„In eintönigem Grabenkrieg vergingen so Tage und Wochen. Der Frühling kam. Noch immer hausten die Füsiliere in ihren „nassen“ Gräben an der Bzura. Man kannte sich allmählich an den Ufern dieses Flusses so gut aus wie irgend wo am Neckar. Planmäßig vollzogen sich die Ablösungen. Außer kleinen Patrouillenschießereien kam es zu keinerlei Kampfhandlungen. Einen weiteren Offizier mußte das Regiment leider in jenen Wochen zu Grabe tragen, Leutnant Wolf (Emil), der am 24. Februar in der Stellung am Fuchsbau von einem verirrten Geschoß tödlich getroffen wurde. Er ruht in der Nähe des Gutes Koszlow Szlachecki.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ,) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Montag, 23. Februar 2015

23. Februar 1915


„Am 22. Februar*) wurden weitere 30 Meter des feindlichen Grabens genommen. Hierbei fiel Feldwebelleutnant Mollenkopf, der erst wenige Tage zuvor ins Feld gekommen war, und am Tag darauf Leutnant Wambach vom Regiment 172, ein stiller, freundlicher, aber tatkräftiger Offizier.“

aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 Großherzog Friedrich von Baden im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

*) Feldwebelleutnant Wilhelm Mollenkopf fiel nach übereinstimmender Auskunft der Ehrentafel in der Regimentsgeschichte (s. o.) und des Ehrenbuches der Stadt Heilbronn – er war im Zivilberuf Kanzlist bei der Stadt Heilbronn – am 23 Februar 1915.

Sonntag, 22. Februar 2015

22. Februar 1915


„Die Gesamtverluste im Februar betrugen 38 Tote, 162 Verwundete.

Unter den Schwerverwundeten befand sich Eugen Allgaier, der als Aktiver mit der 9. Kompagnie ins Feld gezogen war. Beim Kampf um Mülhausen (10. August 1914) wurde er am linken Unterarm verwundet. Schon am 1. September meldete er sich freiwillig wieder zu seiner Kompagnie, bei der er in der Folgezeit an allen Kämpfen wacker Anteil nahm, bis er am 1. Oktober bei Bouconville von einem Querschläger am rechten Oberarm schwer verletzt wurde. Diesmal war er lange zur Felddienstunfähigkeit verurteilt. Aber Mitte Januar hielt es ihn nicht länger zu Hause. Er brach seinen Erholungsurlaub ab und kehrte am 2. Februar in den Schützengraben zurück. Da wurde er am 21. durch einen schweren Brustschuß von neuem verwundet und in das Feldlazarett 1 nach Meenen verbracht. Er war bei vollem Bewußtsein und ahnte nicht, daß er rettungslos dem Tode verfallen war. Schon mit röchelnder Brust diktierte er Briefe an Mutter und Braut. Seine letzten Worte vor dem Verscheiden aber waren: „Für die liebe Heimat – habe ich gekämpft – so lange ich gekonnt habe – bald geht es wieder!.““

aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 Großherzog Friedrich von Baden im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Samstag, 21. Februar 2015

21. Februar 1915


„Am 11. wurde mit dem Bau von zwei Minenschächten begonnen und gleichzeitig zwischen beiden eine offene Sappe vorgetrieben, um den Gegner über das Miniergeräusch zu täuschen. Der tapfere Unteroffizier Laurer der 1. Kompagnie, der mit einer Meßleine die Entfernung vom feindlichen Graben genau feststellen wollte, fiel leider bei diesem Unternehmen. Fünf Freiwillige eilten ihm zu Hilfe, mußten aber, nachdem drei von ihnen verwundet waren, unverrichteter Dinge wieder umkehren.

Im alten Hauptgraben wurden indessen Sturmleitern angebracht und Depots von Handgranaten, Sandsäcken und Stahlschilden angelegt. Die Mitwirkung der Artillerie wurde sichergestellt und die Sturmtruppe hinter der Front vorgeübt.

Am 16. nachmittags erhielt die Stellung rechts von der Schneise zum erstenmal Artilleriefeuer. Hochgehaltene Strohpuppen mit Helmen bekamen Infanteriefeuer aus dem feindlichen Graben; Beweis, daß der Gegner diesen nicht geräumt hatte.

Am 19. abends waren die Minenschächte nach manchen Hemmungen durch Grundwasser endlich bis unter den feindlichen Vorgraben geführt, am 20. wurden sie mit je 4½ Zentner Westphalit geladen und verdämmt und zwei geballte Ladungen mit elektrischer Zündung etwa 100 m südlich der Sprengstellen bei Nacht auf die feindliche Brustwehr gebracht. Der Sturm war auf den 21. festgesetzt.

Die Einzelanordnungen für den Sturm wurden durch den Abschnittskommandeur, Major Blezinger, in mustergültiger weise getroffen, während die technische Leitung in den Händen des stets bewährten Leutnants Busch lag, der für seine hiebei bewiesene Umsicht und Tatkraft später mit einem württembergischen Orden ausgezeichnet wurde. Aus 60 freiwilligen, zum großen Teil von der 7. Kompagnie, wurden drei Sturmtrupps gebildet. Den rechten Trupp führte Sergeant Steiner, den mittleren Offizierstellvertreter Carle, den linken Offizierstellvertreter Holz, alle drei ebenfalls von der 7. Kompagnie (Küffner); jedem Sturmtrupp waren fünf Pioniere beigegeben.

Als am 21. – einem Sonntag – der Tag zu grauen begann, standen die drei Trupps im Hauptgraben des rechten Flügels bereit, ebenda der Bataillonsstab und in einem kleinen Unterstand ein Fernsprechtrupp und Leutnant d. R. Busch bei seinen Zündleitungen, die für den Fall eines Versagens doppelt gelegt waren. Beide Bereitschaftskompagnien (9. und 12.) waren in den dahinterliegenden Gräben untergebracht; die Regimentsreserve (10. und 11.) unter dem Regimentskommandeur stand in den Gehöften nördlich Basseville-Cabt. bereit. Punkt 6.50 Uhr wurde, wie befohlen, gezündet, und schon im nächsten Augenblick ein gewaltiges Aufbrüllen und Dröhnen, der Erdböden schwankt, eine mächtige dunkle Wolke steigt empor, mit Krachen und Klatschen stürzen die emporgeschleuderten Erdmassen mit Baumstämmen, Ästen und Leichen wieder zu Boden; rollendes Infanterie- und Artilleriefeuer setzt ein und hinein in diese Trümmerwelt werfen sich die unverzagten Kämpfer.

Durch die Sprengung waren mitten in der feindlichen Vorstellung zwei Trichter entstanden, der eine 25, der andere 18 m im Durchmesser bei 5–6 m Tiefe.

Alle drei Stoßtrupps, gefolgt von Abteilungen mit Sandsäcken, Stahlschilden und Handgranaten in Säcken, gelangten in den feindlichen Vorgraben. Ein kurzer Kampf Mann gegen Mann, dann geht’s dem Hauptgraben zu. Der Gruppe Steiner schlägt jedoch in Front und rechter Flanke starkes Feuer entgegen; ein weiteres Vorgehen ist unmöglich; sie muß sich darauf beschränken, den rechten Trichter zu besetzen und zu halten. Carle und Holz erreichen unterdessen den Hauptgraben, räumen mit der Besatzung auf, soweit sie nicht geflohen ist und im Zurückgehen schwere Verluste erleidet. Dann wendet sich Holz nach links, um ein möglichst großes Stück des feindlichen Grabens in die Hand zu bekommen. M.-G.-Feuer setzt dem Vordringen ein Ziel. Leider fiel der tapfere Führer, Offizierstellvertreter Holz, nachdem er seine Aufgabe glänzend gelöst.

Der eroberte Graben (etwa 150 m lang) wird nun nach rechts und links abgedämmt und durch die Arbeitskolonnen zur Verteidigung eingerichtet. Und schon eilen, wie gerufen, die Unterstützungen herbei – zwei Züge der 7. ein Zug der 9. Kompagnie –, gerade recht, um den ersten feindlichen Gegenstoß (7.25 Uhr vorm.) mit großen Verlusten für den Gegner abzuweisen. Alles geht wie am Schnürchen; aber auch hier tritt ein schwerer Verlust ein: Hauptmann Miller von der 2. Ingenieur-Inspektion, der prächtige Führer der 9. Kompagnie, der bei uns eine seinem Wunsch nach Teilnahme am Kampf entsprechende Betätigung gefunden hatte, fiel durch Kopfschuß. Er war einer der Unsrigen geworden und wird bei uns weiterleben.

9.20 Uhr erfolgte der zweite, 11.15 Uhr der dritte Gegenstoß des Feindes. Trotzdem sie durch wirkungsvolles Minenwerferfeuer vorbereitet wurden, brachen sie in dem Feuer der Grabenbesatzung zusammen. Die eroberte Stellung war fest in unserer Hand. Die Verbindungsgräben waren bis Mittag bereits so weit gefördert, daß Verwundete und Tote zurückgebracht werden konnten. Unsere Verluste betrugen 20 Tote, 50 Verwundete. Die Verluste des Gegners wurden auf 200 bis 250 Tote und Schwerverwundete geschätzt; viele waren in ihren Unterständen verschüttet worden. Gefangene wurden nur wenige gemacht: 1 Offizier, 5 Mann vom 16. Queen-Lanciers-Regiment und 8 Mann der 8. Kompagnie 77. franz. Linien-Regiments. Unser Angriff war gerade auf die Naht zwischen Franzosen (rechts) und Engländern (links) gestoßen. Die englischen Gefangenen machten einen vortrefflichen militärischen Eindruck, was von den Franzosen, meist ältere Leute, nicht gesagt werden konnte.

Es dürfte von Interesse sein, auch die gegnerische Seite über unseren Minenangriff zu hören. Leutnant Herbert G. Archer berichtet in der „Times“:


Am 20. Februar erhielt unser Regiment den Befehl, Schützengräben nur 20 Yards von der deutschen Stellung zu besetzen. Ich wurde nebst anderen Offizieren hierfür bestimmt; aber Leutnant Patrick, der bisher noch keine Erfahrung im Schützengrabendienst hatte, bat so inständig, einen Coup gegen die Deutschen machen zu dürfen, daß er vom Regimentskommandeur an meiner Stelle dafür bestimmt wurde. Ich übernahm seinen Dienst, nach den Pferden zu sehen, die in einiger Entfernung hinter der Front untergebracht waren. Nur diesem Umstand verdanke ich meine Rettung; denn als der Schützengraben in die Höhe flog, wurde Mr. Patrick schwer verwundet. Der Schützengraben, den wir Befehl erhielten zu besetzen, scheint vom Feind unterminiert worden zu sein; aber die hinterhältigen Halunken ließen unsere Leute den Schützengraben volle 24 Stunden unbehelligt besetzen, ehe sie sprengten, wodurch sie möglichst viele von uns hineinbekamen. Am 21. bei Tagesanbruch gab es eine furchtbare Explosion, die 5 unserer Offiziere sofort tötete (ein anderer ist seither gestorben), 5 andere verwundete und eine große Anzahl von Unteroffizieren und Mannschaften außer Gefecht setzte. Der Schützengraben war vollständig verschüttet. Unmittelbar nach der Explosion griffen die Deutschen uns an. Unsere Reserven, denen ich zugeteilt war, wurden eingesetzt und halfen den armen Teufeln, die übrig geblieben waren, den Feind zurückzutreiben, was mit beträchtlichen Verlusten geschah. Wir mußten uns dann erneut eingraben und waren im Gefecht für weitere 48 Stunden, ehe wir abgelöst wurden. Wir bargen eine Anzahl von Toten und Verwundeten, aber 2 Offiziere und 5 Mann fehlten uns noch immer. Unser Regiment ist außerordentlich schwer betroffen worden, insbesondere in bezug auf Offiziere.“

 
 
 
aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 Großherzog Friedrich von Baden im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Freitag, 20. Februar 2015

20. Februar 1915


„Der 20. Februar. Major Breyer, der Führer unseres IV. Bataillons übernahm 4 Uhr morgens den Barrenkopfabschnitt an stelle des gefallenen bayrischen Kommandeurs, des Oberstleutnants Zenker. Wurden Barren- und Kleinkopf heute nicht genommen, so war die Schlacht im Gebiet nördlich Münster zu unsren Ungunsten entschieden. Nachdem ein Versuch des I.-R. 23 zusammen mit 14. und 15./L. 121, sich des Barrenkopfes in der Dunkelheit durch Handstreich zu bemächtigen, an der Wachsamkeit und Bereitschaft der Franzosen gescheitert war, entschloß sich die Division zu neuer Artillerievorbereitung der Angriffe, obschon bereits Mangel an Munition drohte; der Verbrauch namentlich an schweren Kalibern, überstieg alle Berechnungen. Die Infanterie mußte das Feld freimachen, das heißt: über die Hänge zurückgenommen werden, die tags zuvor mühsam genug erklommen worden waren.

Am Barrenkopf führte der Sturm kurz nach Mittag unter bedeutenden Verlusten beider Teile zum Ziel, und unsere Batterien verlegten ihr Feuer auf den Combe- und den Großhörnleskopf vor, die als nächste an die Reihe kommen sollten. Denn das ist das Höllische dieses Geländes: hinter jeder Höhe wachsen dem Grenzkamm zu neue, noch stattlichere Erhebungen auf, welche die vorhergehenden irgendwie beherrschen und infolgedessen genommen werden müssen. Auf dem Kleinkopf waren über Nacht neue Drahthindernisse entstanden. In der Morgendämmerung beobachteten und beschossen wir Alpenjägerzuzug auf dem Weg zur Kuppe; der Feind verstärkte sich. Dann hämmerten unsere Granaten wieder auf und Vor den Gipfel; leider schossen einige Batterien hartnäckig zu kurz in unsere eigenen Reihen und ruhten nicht, bis sie die Infanterie den Hang hinuntergedrängt und Major Föttinger, der Artilleriekommandeur, zum Abbruch des Vorbereitungsfeuers gezwungen hatten. Batterie nach Batterie durfte aufs neue beginnen und das Kurzschießen wurde ausgemerzt. 11 Uhr morgens gingen die Kompagnien dicht hinter dem aufs höchste verdichteten Artilleriefeuerschleier wieder vor, die Bayern von Osten, II./L. 121, das jetzt seine 6. Kompagnie zurückerhalten hatte, von Südosten; rote Flaggen markierten für die Geschütze hinten das Vorrücken unseres Bataillons, die von Freiwilligen über den kahlen Südhang vorgetragen uns toll beschossen wurden, denn die Bedeutung dieser Signaltücher konnte der Feind sich zusammenreimen. Nach einer bösen Kampfstunde hatte das II. Bataillon die vordersten Anlagen vor der Kuppe in seinen Besitz gebracht, während die Bayern rechts neben ihm noch nicht so weit waren. Frontal und aus westlicher Richtung flankierend wetterte das französische Feuer gegen diese Fortschritte, während unsere Artillerie sich wegen der zu großen Annäherung der Schützen an den frontalen Feind jetzt auf das Niederhalten der Flankierungsanlagen beschränken mußte; sie leistete hierin, was man nur verlangen konnte. Am besten bei Laune zeigte sich allerwege der bayrische Artilleriehauptmann Pickl, der alles sah und beschoß, mitunter vier verschiedene Gegner auf einmal mit seinen vier 15-cm-Haubitzen, jedes Rohr nach einer anderen Richtung gestellt, und zwischendurch noch Zeit für ein munteres Wort in den Fernsprecher fand. Abschnittsweise drängte dann auch das II./R. 23 von Osten heraufkommend die Franzosen zurück. Pulverdampf und Rauch hüllte die Kuppe ein, in dem wüster Gefechtslärm brodelte; immer enger schloß sich unsere Klammer und zuletzt waren die letzten Gräben und Stützunkte der Kuppe eingeschlossen. „Geballte Ladungen, Handgranaten, schnell!“ Und Abschnitt v. Sprösser ließ sie im Laufschritt aus dem nächsten Pionierlager hinaufschaffen. Da der Feind sich nicht ergab, wurde er mit Sprengmitteln still gemacht; einiges flog in die Luft. Fertig! 3 Uhr nachmittags nahmen II./L. 121 und die Bayern zu gleicher Zeit von der obersten Haube des Berges Besitz. „Grad‘ wie auf Schießplatz,“ dozierte zwischen Wehrmännern und Kriegsfreiwilligen ein bayrischer Leutnant auf der Kuppe zum Verfolgungsfeuer, „ruhig hinhalt’n a Handbreit unter die Haxen, sonst treffen’s nix!“ Gräben und Hindernisse entstanden in wenigen Stunden auf der feindwärtigen Seite des Kopfes, der bis zum  Abend vorläufig eingerichtet war.

Links daneben am Hörnleskopf war lebhaft geschanzt worden; zwischendurch bekam unser III. Bataillon hier wuchtige Artilleriefeuerüberfälle. Nachdem es Flanke und Rücken mit dem Kleinkopf gedeckt wußte, fühlte das III. mit Offizierspatrouillen vor; die drei wie Schwalbennester an den Steinhängen klebenden Flecken Hohrodberg wurden durchsucht, wobei aus den Kellern allerlei Alpenjäger ans Licht zu ziehen waren. Westlich der Linie „am Wald“–Ostseite des Eichwaldes (Höhe 795) wurde der Feind in einer rückwärtigen, ausgebauten Stellung erkundet; weiter südlich fand das Landsturm-Infanteriebataillon Karlsruhe die nächsten Franzosen im Wäldchen westlich Hohrod am Osthang der „Katzensteine“. Hier waren Nüsse zu knacken, das wußten wir, denn an den Katzensteinen war von jeher nachdrücklich gebaut worden. Die Dunkelheit schob weiteren Unternehmungen einen Riegel vor.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925

Donnerstag, 19. Februar 2015

19. Februar 1915




Die erste Schlacht bei Münster

„Deutscher Boden sollte vom Feind gesäubert werden, andere Brennpunkte der elsässischen Front waren zu entlasten. 17 Bataillone Infanterie waren zusammengezogen: die 4 bayrischen Infanterie-Regimenter, L. 121 und Landsturm-Infanteriebataillon Karlsruhe, an Artillerie das (bayrische) Res.-Feldart.-Regt. 9, mehrere 15-cm-Haubitzbatterien, 2 oder 3 weittragende 10. und 13-cm-Langrohre und ein paar 21-cm-Mörser, außerdem die 2 Landwehr- und die 2 überplanmäßigen Batterien des Münstertals; neben der 2. (badischen) Landwehr-Pionierkompagnie XIV. standen die Pioniere der 8. Reserve-Division zur Verfügung; die Armierungssoldaten waren auf die Pionierkompagnien, die Material- und Munitionsdepots und das Sanitätswesen verteilt. Die 6. (bayrische) Landwehr-Division befehligte den Abschnitt nördlich Münster, in dessen Nordteil die „Gruppe Jehlin“ (16. bayr. Res.-Inf.-Brigade mit R. 22, R. 23 und IV./L. 121 mit Feld-M.-G.-Zug Villinger zu 3 M.-G.) den Großhörnleskopf (1000 Meter), den Combekopf (983 Meter), den Barrenkopf (980 Meter) und den Kleinkopf (943 Meter) angriff, links anschließend „Gruppe v. Sprösser“ mit der Linie Wahlenstall–Hörnleskopf (841 Meter)–Höhen westlich Nordrand Münster als erstem Ziel. Angelehnt an den Westrand von Münster war „Brigade Pechmann“ (15. bayr. Res.-Inf.-Brigade) mit I./L. 121 nebst Feld-M.-G.-Abteilung „A“ (sechs M.-G., Führer Oberleutnant Naumann) gegen den Reichackerkopf und Mönchberg (771 Meter) angesetzt; links davon gingen R. 18 und 19 mit Front nach Nordwest aus dem Großtal den Sattel, den Sattelkopf (892 Meter), die Klitzersteine und den Altmattkopf an. In 10 Kilometer Breite faßte die 8. (bayr.) Reserve-Division, bei der die Oberleitung des Ganzen lag, neun in fünf Monaten stark befestigte Berge als ersten Kampfpreis an; welche Anlagen und Geheimnisse in deren Waldecken staken, konnte erst erkennen, wer unmittelbar davorstand.
Nicht ganz zwei Bataillone auf jeder Kuppe – viel war das nicht. Auf Überraschung und der Wucht des ersten Stoßes baute unsere Führung auf, da Reserven von Belang nicht zurückgehalten werden konnten; schon zum ersten Takt des Gefechts mußten sämtliche verfügbaren Kräfte eingeteilt werden. – Ob die Franzosen wirklich überrascht wurden? Aus dem Verlauf der Kämpfe und den Gefangenenaussagen ergab sich hernach kein  klares Bild; merkte der feind auf, so mußten ihn der verstärkte Patrouillengang, das Einschießen der Batterien und der zunehmende Verkehr im Münstertal stutzig machen, Begleiterscheinungen, die sich bei aller Vorsicht und Überlegtheit nicht ganz unterdrücken ließen.
Für unser Regiment war es das erste, in jeder Richtung mit peinlicher Sorgfalt vorbereitete Unternehmen. Gefechtsverbindung und Nachrichtenwesen waren studiert und organisiert, alle Einzelheiten in Besprechungen geregelt, die Abschnitte, die Nachbarn rechts und links und die Angriffsziele an Hand von Karten bekanntgegeben; jedermann wußte Bescheid. Jeder Infanteriekompagnie hatte Drahtscherenkommandos ausgerüstet, den Sturmtrupps waren Pioniere beigegeben; Pionierparks mit Kampfmitteln, Stellungsbaumaterial und Trägertrupps waren hinter der ganzen Front angelegt, Verbandplätze eingerichtet, Sanitätler und Krankenträger eingewiesen, Lazarettzüge zur Verbindung mit Colmar bereitgestellt.
Schwarze Nacht; schwere Wolken hingen über dem Münstertal und in Regenschauern und Schneeböen bezogen die Truppen in den ersten Frühstunden des 19. Februar ihre Ausgangsstellungen. Den Mantel umgerollt, das Gewehr am Riemen über der Schulter, die Patronengurte und Rocktaschen voll Munition, schweigend, lautlos; flüsternd wurden die Befehle erteilt und von Mund zu Mund durchgegeben; das Straucheln eines Fußes, das leise klingen der Waffen deckten die Quellen und Wasserfäden zu, die überall talwärts rieselten. General v. Sprösser ließ in Günsbach seine Bataillone unbemerkt an sich vorüberziehen, ehe er seinen Gefechtsstand auf dem Frauenackerkopf einnahm; in entschlossenem Ernst, die Gedanken weitab in der Heimat und dann wieder Auge in Auge mit den nächsten Stunden schritt jeder die ihm vorgeschriebene Bahn. Ohne Regung lagen die Wälder und Täler, während wir uns aufbauten und nichts verriet die gehäufte Energie, die zur Entladung drängte. Die Spannung des Wartens wurde zur drückenden Last; Stunden waren vergangen, der Tag graute. Punkt 6.30 Uhr morgens zerriß die erste Granate die Luft und die Truppen des Großtals traten an; eine Viertelstunde später knatterte Infanteriefeuer auf: am Reichackerkopf hatte I./L. 121 die französischen Stellungen erreicht, deutsches und feindliches Maschinengewehrfeuer hämmerte los und rauschte durch die Wälder; es klang als brausten Wasserfälle in der Ferne über Felsen nieder.
Eine Stunde später nahm auch die Artillerie nördlich des Münstertals das Feuer auf. In gemessenen Abständen wühlten sich die 15-cm-Haubitzgranaten heulend, wie mühsam, durch die Luft, in hellem Klang zischten die Geschosse der Feldkanonen dazwischen, eilig, als wollten sie die dicken und langsamen Brüder vom Steifeuer überholen; sie schmetterten in die alten Tannenbestände des Barrenkopfes, auf den Kleinkopf und den Hörnleskopf vorerst in langsamer Folge nieder. Ratlos schossen französische Batterien hierhin und dorthin; ihre Infanterie schwieg. Und immer rascher zogen unsere Kanoniere ab, bis um ¾10 Uhr die höchste Feuersteigerung erreicht war: ein Gewölbe von Gechoßbahnen verdichtete sich hoch über uns, die einschlagenden Eisenmassen knickten die dicken Stämme, zersplitterten den Steingrund und bohrten Trichter in den Waldboden; Wolken von Dampf, Rauch und Staub lagerten auf den Höhen. 10 Uhr. Unsere Artillerie stellte die Rohre um einige Striche steiler, verlegte sich feindwärts: Sperrfeuer, und die Infanterie ging vor. Eine schwüle Viertelstunde: jetzt klommen die lichten Sturmketten zwischen den Bäumen die Hänge aufwärts und noch hatte allein das Geschütz das Wort; dann brandete Kleingewehrfeuer auf und das Unwetter brach auf die gegen den Combekopf, den Barren- und Kleinkopf anlaufenden Bayern los.
Hatte unsere Artillerievorbereitung nicht im Ziel gesessen oder nicht genügt, war man der Vorverlegung des Granatengürtels nicht dicht genug gefolgt, hatte der Verteidiger sich sammeln und erholen können? Vor der Kuppe etagenweise angelegte Gräben, gefüllt von Verteidigern, die durchaus keinen niedergekämpften Eindruck machten, sondern sich die Büchsen glühend schossen, tiefe Streifen kaum beschädigter Verhaue davor – wo hatten unsere schweren Granaten und Kirns Zentnerladungen gewirkt? Hier blieb die bayrische Reserve-Infanterie hängen, hier packten und warfen sie seitliche Maschinengewehre des Feindes beim Zerschneiden des Stacheldrahts reihenweise und auch die französische Artillerie war auf dem Posten; das Gelände war von meisterhaft berechneten Flankierungsanlagen durchsetzt. Unterstützung füllte die Lücken. Unsere 16. Kompagnie und 3 Maschinengewehre unterstützten vom Schratzmännle aus mit Feuer und wurde dafür vom Feind gefährlich eingeseift;  gruppenweise schossen, bohrten und wanden sich Teile der Angriffsfront weiter; ein erbittertes Hin und Her, Vorschnellen, Gegenstoß, blutige Teilerfolge hier, Rückschläge daneben, stundenlang – aber der deutsche Angriff reifte nicht bis zum Einbruch in die Hauptstellungen, er erlahmte unter der Wirkung der hohen Verluste. 14. und 15./L. 121 wurden kurz vor Mittag zur Verstärkung der Gruppe Zenker gegen den Barren- und Kleinkopf vorgeführt; da die Höhen nicht im ersten Anlauf überrannt worden waren, galt es, den Franzosen jeden Schritt abzuzwingen. Wütend kämpften sich unsere Truppen voran, mit verzweifelter Heftigkeit wehrte sich der Gegner; die Waage stand, unser frontaler Angriff stockte, neue Artillerievorbereitung war nötig, ein Eingreifen von der Seite die aussichtsreichste Hilfe und General Jehlin richtete die Blicke nach links zur Gruppe v. Sprösser; konnte sie nicht von Süden vorstoßen?
General v. Sprösser hatte inzwischen den Hörnleskopf gestürmt. II. und III. Bataillon L. 121 (ohne 12.) waren vom Günsbachtalgrund angetreten, während Hauptmann Schwend mit seiner 12., dem Fest.-M.-G.-Trupp „L“ unter Leutnant Drißner, einem Geschütz der 3. Batterie Res.-Feldart.-Regt. 9 unter Leutnant Herrenberg und  2 leichten Minenwerfern auf dem Frauenkopf südlich Schneiden lauerte. Den Westhang des Frauenkopfs hielt Landsturm-Infanteriebataillon Karlsruhe unter Major Frhr. v. Puttkammer besetzt; er hatte vorerst nicht vorzugehen. Das II. und III. Bataillon schob sich während der Artillerievorbereitung den Steilhang hinauf, soweit die eigenen Granaten das zuließen; Offizierspatrouillen mit Pionieren und Drahtscherenkommandos brachen voraus Bahn über den wohl bekannten Waldhang, den die Bataillone am 3. November schon einmal gestürmt und manches liebe mal auf Patrouille durchstreift hatten. Verbindung mit dem für den Wahlenstall eingeteilten II./R. 23 wurde vergeblich gesucht. Französische Artillerie tastete den Hang ab, vom Frühkrepieren eigener Granaten sprühten unserer Sturmlinie Eisenfetzen auf den Hintern – schadete nichts. Oben auf der Höhe Einschlag auf Einschlag; unsere Kanonen arbeiteten brav vor. 10 Uhr! „Antreten!“ Feindliche Maschinengewehre und Gewehre knatterten herab, aber auch deutsche Waffen rührten sich mächtig, denn Hauptmann Schwend nahm die Höhe aus naher Entfernung vom Frauenackerkopf unter seine Gewehre und leichten Minenwerfer und deckte sie bis zum Augenblick des Einbruchs mit aller Kraft zu.
Die Sturmpatrouillen des II. und III. Bataillons erreichen die Hindernisse, schneiden und reißen Gassen frei; der Feind erkennt die Gefahr, er tut, was er kann; vergeblich: mit prächtigem Schwung schnellt unsere Linie aufwärts. Plötzlich etwas Unerwartetes und Unerhörtes – Musik: „O Deutschland hoch in Ehren!“ Dicht hinter den Stürmenden läßt Musikleiter Grieser die Regimentskapelle blasen und ihre Klänge steigen über den Kampflärm auf; eine Welle der Begeisterung schlägt, alles vorwärtsreißend, über uns zusammen; keuchend, um Atem ringend, singen die Kompagnien mit, während sie aufwärts dringen, stolpern, stürzen und sich wieder hochraffen. – Trommeln, die Hörner „Seitengewehr!“, tobendes Feuer. 12. Kompagnie jagt über Schneiden vor, von Osten und Süden wachsen Feldgraue vor den Höhenstellungen des Feindes zugleich aus dem Boden, winden sich durch Astverhaue und Stacheldrahtgewirre, brechen in die Gräben, an ein, zwei, drei Punkten, in ganzer Frontbreite, brüllend, schießend, um sich hauend und stechend und spülen wie eine Woge über den Feind. Nach einer halben Stunde ist der ganze Kopf in unserer Hand. Verfolgungsfeuer vom Hörnles- und Frauenkopf auf die über die Steinabfälle von Hohrodberg Rettung suchenden Alpenjäger. II. und III. Bataillon graben sich auf dem Hörnleskopf ein, die Gefangenen werden zurückgeführt.
Als Gegenwirkung des Feindes auf die verlorenen Höhen erst schwere Bombardements aus allen Kalibern – gut, daß ein Teil der Eisenlasten zu hoch lag und in den Günsbachtalgrund hinter den Hörnleskopf polterte, wo sie unschädlich verpufften. Dann traten Alpenjägerformationen von Hohrod und der Gegend von Gebräch zum Gegenangriff an, – wie die Bevölkerung nachher erzählte, voll Hoffnungslosigkeit „Mein Gott, diese Felshänge sollen wir stürmen?“ Die einen zerstreute unsere Artillerie schon bei der Versammlung, die andren kamen weiter oben im Feuer unserer Gewehre und Maschinengewehre unter die Sense.
Ausgezeichnet arbeiteten unsere Gefechtstelephone, die Bau- und Störungstrupps leisteten Hervorragendes; unaufhörlich riefen die Summer, Meldungen und Wünsche drängten sich von allen Seiten zur Gefechtsleitung durch die Drähte, die als ruhiger Mittelpunkt des Getriebes kühl abwägend Weisungen und Entscheidungen zurückgab.
Vom Wahlenstallköpfchen war’s ein Schritt zum Angriff auf die nächste Kuppe, den Kleinkopf selbst, und General v. Sprösser dirigierte 4 Uhr nachmittags auf die immer dringlicheren Rufe hin ¾ II. Bataillon mit 2 Maschinengewehren unter Hauptmann Spindler gegen ihn. „Gruppe Jehlin kommt von Osten nicht auf den Berg herauf, jetzt müssen’s die tapferen Württemberger von Süden schaffen,“ meinte der bayrische Hauptmann Kieffer vom Divisionsstab, der Verbindungsoffizier bei der Gruppe v. Sprösser. Der Kleinkopf ist auf seiner Ostseite bewaldet, sein Südhang gegen den Hörnleskopf dagegen ein kahler, felsiger Satan, damals dazu mit Schnee bedeckt und gleich der erste Versuch zeigte das Aussichtslose, hier durchzukommen: mörderisches Feuer von vorn, noch vernichtenderes von links fegte alles Lebendige fort; rückwärtige Flankierungsanlagen des Feindes bei Londenbach und Gebräch wurden überraschend fühlbar; der Franzose hatte vorn und hinten besetzt und erhebliche Kräfte standen gegen uns. Unsere Batterien schadeten, da ohne hinreichende Beobachtung nach Gebräch und Umgegend, mehr als sie nützten; jeder Kurzschuß saß bei diesem steilen Gebiet sofort in der eigenen Truppe. Hauptmann Spindler erkannte: so ging das nicht und schob sein Bataillon um eine Breite nach Osten; den linken Flügel dem Waldrand entlang ging er von Südosten aus aufs neue auf die Kuppe vor. In hartem Ringen brachte sich das II. Bataillon schrittweise bergauf; es blieb allein: der bayrische Nachbar, der gleichzeitig zufassen sollte, stellte sich nicht ein und der Feind konnte seine gesamten Kampfmittel gegen unser Bataillon vereinigen. Die Dunkelheit war völlig eingebrochen, bis II./L. 121 sich vor die Hauptstellung des Kleinkopfes vorgebracht hatte; die Nacht machte der Bewegung ein Ende.
Auch im Abschnitt Großtal war viel Blut geflossen. In den ersten Morgenstunden hatte unser I. Bataillon die französischen Vorstellungen am Reichackerkopf gestürmt; dann waren Graben um Graben, ein Nest und ein Stützpunkt nach dem andern einzeln zu bezwingen, die, oft überraschend und scheinbar wahllos angelegt, sich meistens geschickt kombiniert und gut befestigt erwiesen. Das Bataillon arbeitete ohne Artillerieunterstützung, an die in dem unübersichtlichen Gebiete nicht zu denken war; seine Kämpfe und Stürme am Reichackerkopf und Mönchsberg waren rein infanteristische Leistungen. Das unwegsame und zerrissene Gelände spaltete das Bataillon in verschiedene Angriffskörper, jeden gegen andere Feinde; die Verbindung riß und man kam mit der Nase nach allen Himmelsrichtungen zu liegen, wie das Gefechtsbild es mit sich brachte. Flanke und Rücken blieben nicht selten bedenklich ungedeckt, bis die Kompagnien, Züge oder Gruppen sich im nächsten Takt des Vordringens wiederfanden oder gegenseitig durch Flankenwirkung willkommene Entlastung brachten. Stückweise wurde das Land gereinigt. Major Timmermann aber wahrte die Direktion, faßte die seinen unermüdlich neu zusammen, ordnete, half nach und brach sich fächerförmig nach Nordwesten Bahn trotz Schanzen, Buschverstecken und den Überraschungen der Schluchten und Felsecken. Erbitterte Gefechte während des ganzen Tages; bis zur Nacht war die für heute befohlene Linie erreicht und nur die höchste Kuppe des Mönchbergmassivs und der Hof Brezel – gegenüber dem äußersten linken und rechten Flügel des Bataillons – waren noch nicht gefallen.
Links neben dem I./L. 121 würgten sich die bayrischen Regimenter bis zur Nacht dicht an den Sattel und an den Hängen westlich davon bis zur halben Höhe empor. Dieser Teil des Gefechtsfeldes erlangte keinen Einfluß auf die Lage unseres Regiments und wird daher im folgenden Zusammenhang unerwähnt gelassen; entscheidende Vorteile wurden in ihm nicht errungen und der Sattelkopf, der Gaschney und der Tännlekopf blieben ungenommen.
Wo sie lagen, verbrachten die Kompagnien die kalte Nacht. Essen, Munition und Stroh wurden auf den in der Dunkelheit halsbrecherischen Pfaden von Verpflegungsoffizieren, Feldwebeln und Armierungssoldaten zugeführt; unser Infanteriefeuer war verstummt, während die Franzosen aufgeregt und planlos weiter schossen. Beide Artillerien pausierten und nur unsere Langrohre sperrten die Schluchtstraße hinten durch Granaten, die sie alle 10 Minuten hinüberjagten. Teilerfolge waren errungen worden, Teilerfolge, die hinter dem Voranschlag zurückblieben, und in der Nacht führte der Feind frische Kräfte heran trotz unseres Feuerriegels auf der Schluchtstraße, während wir keine Reserven hinter uns hatten.“

 

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925

Dienstag, 17. Februar 2015

17. Februar 1915


„Vom frühen Morgen an schießt sich die französische Artillerie unter Leitung von Fliegern ein. In Varennes werden durch 7 28,5 Zentimeter-Granaten ganze Häuserfronten niedergelegt und eine Frau und ein Kind getötet. Die 8. Kompagnie, die in Groß-Boureuilles seit 10 Uhr alarmiert ist und den Graben mit zwei Zügen besetzt hat, wird von 10.30 Uhr mit allen Kalibern aufs heftigste beschossen. Der Bataillonsabschnitt erhält nach Schätzung des Abschnittskommandeurs 20 000 Schuß. Gegen Mittag setzen die 28,5 Zentimeter und Minenwerfer gegen Vauquois ein. Plötzlich werden die Reserven durch den Ruf alarmiert: „Die Jäger links von Vauquois sind aus ihrer Stellung geworfen. Die Franzosen sind schon im Dorf.“ In einem Meer von Feuer und Qualm geht es durch den Hohlweg über den Kirchplatz sofort in die Stellung vor. Aber der Alarm ist verfrüht. Da ertönen um 1.30 Uhr plötzlich feindliche Trompetensignale. Mit einer ungeheuren Explosion fliegt ein Teil der mittleren Stellung in die Luft. Das feindliche Feuer bricht von Vauquois bis Boureuilles plötzlich ab. Rechts und links tobt es mit unverminderter Kraft. Eine französische Sturmkolonne dringt durch die Bresche in Vauquois ein. Aber sie gelangt nur bis zur Kirche. Da sind die Reserven zur Stelle. In einstündigem verzweifeltem Kampf wird der Gegner geworfen. Mehr als 50 Tote läßt er auf dem Kirchplatz liegen. 21 mit Panzerjacken ausgerüstete Gefangene bleiben in der Hand der Verteidiger. Von ihnen erfährt man, daß der Angriff im Anschluß an drei Minensprengungen ursprünglich auf 7 Uhr morgens festgesetzt war.

Westlich Vauquois ist der Angriff völlig mißlungen, die wenigen Franzosen, die überhaupt die Gräben verlassen haben, sind sofort abgeschossen worden. Bei Boureuilles aber ist die französische Infanterie schneidig gegen die Stellung der 8. Kompagnie angestürmt. Aber auch hier ist der Angriff in dem ruhigen Feuer der Landwehr nach 35 Minuten völlig zusammengebrochen. 180 Tote zählt die 8. Kompagnie allein vor ihrer Front.

Heftigstes Artilleriefeuer folgt dem mißglückten Angriff. Die Stellungen sind schrecklich zerschossen. Etwa 50 Tote und 65 Verwundete sind im Dorfe Vauquois geblieben, darunter 2 Tote und 3 Verwundete der 9. Kompagnie.

Westlich Boureuilles, wo die 5., 6. und 10. Kompagnie in Stellung liegen, ist kein Angriff erfolgt. Aber die Stellungen haben den ganzen Tag im überaus starken Abriegelungsfeuer gelegen. Die 5. Kompagnie ist alarmiert worden, da Leutnant Holzschuh, der den ganzen Tag ohne Deckung im Freien steht, die Franzosen in einzelnen Gruppen aus dem Merliegehölz heraustreten und im Grunde verschwinden sieht. Aber es zeigt sich, daß sich die Franzosen nach Boureuilles hinübergezogen haben, und so werden die Unterstände wieder bezogen. Aber auch die Unterstände werden wie der Graben teilweise völlig zerstört. 6 Tote und 17 Verwundete, darunter Leutnant Möller und Schneider, liegen unter den Trümmern. Zwei Brüder Nuding sind durch die gleiche Granate im gleichen Unterstand gefallen. Auch die 10. Kompagnie hat 3 Tote und 13 Verwundete zu beklagen, während die 6. Kompagnie in den Stollen, die die Stellung mit den dahinterliegenden Hohlwegen verbinden, gute Deckung gefunden hat und ohne Verluste durch den schweren Tag gekommen ist.“

 
 
aus: „Das Württembergische Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Montag, 16. Februar 2015

16. Februar 1915


„Der Graben ist beim Einrücken der 7. Kompagnie schon gut ausgebaut. Er hat eine Tiefe von 2,50 Meter, Schützenauftritte und gute Brust- und Schulterwehren. Die Unterstände in der Rückwand des Grabens bieten verhältnismäßig gute und trockene Unterkunft für je 2–4 Mann und Schutz gegen leichte Minen, einige auch gegen leichte Granaten. Die Entwässerung bereitet an den Berglehnen nur wenig Schwierigkeiten, so bleibt als Hauptarbeit der Ausbau der Hindernisse. Die 11. und 12. Kompagnie aber arbeiten an Angriffssappen und vorgeschobenen Parallelgräben für einen von der 33. Infanteriedivision auf den 28. Februar angesetzten Sturm. Aber noch ehe die Sappenspitzen den Gegner erreicht haben, wird der Angriff für das Detachement Tornow für den 16. Februar befohlen. Ohne Sprengung muß der Angriff lediglich im Vertrauen auf die Artilleriewirkung ausgeführt werden. Die Höhe 285 soll unser werden, um eine Seitendeckung gegen die drohenden Angriffe des Feindes auf Vauquois zu haben, um dem Gegner die Beobachtungs- und Flankierungsmöglichkeit zu nehmen. Aber der Angriff erreicht dieses Ziel nicht. Das Bataillon Clavel, 11. und 12. Kompagnie des Landw.-Inf.-Regts. 124 und 5. und 6. Kompagnie des Regts. 98, das auf Befehl von Major Tornow vom linken Flügel aufrollen soll, kommt nicht dazu. So entschließt sich Hauptmann Clavel selbständig zum Frontalangriff, bei dem die beiden Landwehrkompagnien trotz der unzerstörten Hindernisse und Gräben, trotz der starken Besatzung der feindlichen Stellung in ungestümem Vordringen noch über den zweiten französischen Graben hinauskommen und einen Geländegewinn von 150 Meter Tiefe bei 250 Meter Breite erkämpfen. Ein Maschinengewehr mit 5 Mann Bedienung und mehrere Minenwerfer werden erbeutet. Unteroffizier Steinbrenner säubert den äußersten rechten Flügel der eigenen Front und zeichnet sich bei der Abwehr der verzweifelten Gegenangriffe der Franzosen, die in der Nacht dreimal gegen die neugewonnene Stellung anstürmen, ganz besonders aus. Die eigenen Verluste sind schwer: 2 Offizier (Leutnant Heinle, Offizierstellvertreter Zluhan) und 13 Mann sind gefallen, 10 werden vermißt, 62 sind verwundet. In harter Arbeit und im unaufhörlichen feindlichen Feuer muß die neugewonnene Stellung umgebaut werden.“

aus: „Das Württembergische Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Sonntag, 15. Februar 2015

15. Februar 1915


„…das III. Bataillon  Landw. 15 (hatte) am 12. Februar 1915 bei einem größeren Unternehmen gegen das Dorf (Arracourt) starke Verluste. Der tapfere Führer des Bataillons fiel mit einer Anzahl Leute im Dorf..“

Zur Entlastung dieses Unternehmens mußten von unserem Vorpostenbataillon drei starke Offizierspatrouillen vorgehen. Leutnant Koch stieß mit 20 Mann der 2. Kompagnie durch das feindliche Hindernis zum Hof Ranzey vor, fiel aber dicht beim Hof durch Kopfschuß. Einige Leute wollten die Leiche bergen, dabei fiel der Gefreite Gerstner schwer verundet in französische Gefangenschaft, Unteroffizier Haug und Ersatzreservist Zweigle wurden schwer, 2 weitere Teilnehmer leicht verwundet. Leutnant Dopffel führte die Patrouille zurück.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923
 

„Kochs Regiment, das L.I.R. 122, war zum Grenzschutz in Lothringen bestimmt. Nach anfänglichen Gefechten hatte es monatelang eine ruhige Stellung, ohne nahe Berührung mit dem Feind. „Um den Kampfes- und Angriffsgeist der Truppe wach zu halten“ war von der Division ein regelmäßiger Patrouillendienst gegen die feindlichen Stellungen befohlen. Als Am 9. Februar 1915 Kochs Kompagnie an die Reihe kam, loste er mit einem anderen Zugführer um die Ausführung. Das Los traf ihn.

Je nachdem, welche Aufgabe der Patrouillenführer sich selbst stellte, war das Unternehmen harmlos oder äußerst gefährlich. Drüben lagen gute Scharfschützen im Anschlag, die das Gelände ganz übersahen. Wer wirklich etwas erkunden wollte, mußte unter ihre Gewehre. Wilhelms Kamerad, der mit ihm gelost hatte, sah den Ausgang voraus, denn er kannte Wilhelm genug, um zu wissen, daß  dieser niemals, nur um dem Befehl zu genügen, eine Scheinpatrouille machen würde. Er wendete alle Kunst der Überredung auf, die Führung der Streife an sich zu bringen. Aber Wilhelm Koch ließ sie sich nicht mehr nehmen. Er kroch in der Nacht seinen Leuten voraus auf den französischen Graben zu. Im feindlichen Drahtverhau, als er spähend den Kopf hob, traf ihn ein wohlgezielter Schuß in die Stirn. Unter dem ständigen Schützenfeuer der Franzosen vermochte die Patrouille nicht, den vermeintlich toten Führer zurückzuschleifen. Die Franzosen haben ihn hereingeholt. Im Kriegslazarett in Luneville ist er nach drei Tagen gestorben. Wilhelm Koch hat mit voller Überzeugung sein Leben der Pflicht geopfert.“

aus: „Gedenkbuch der Tübinger Nicaria für ihre Gefallenen“, Urach 1933

Samstag, 14. Februar 2015

14. Februar 1915


Karl Kraus

GREN. 5./GREN. 119                                                                                          † 14. FEBRUAR 1915
geb. 2. 11. 94 in Börstingen, Sem. Gmünd 1914, U.-Lehrer in Zimmern ob R., wurde 21. Sept. nach Stuttgart einberufen und kam am 29. Dez. zum Regiment in den Stellungskampf zwischen Bzura und Rawka bei Kenszyce. Beim Vorgehen in Feuerstellung erhielt der ruhige, solide junge Mann im Laufgraben einen Kopfschuß und verschied nach wenigen Augenblicken im letzten Gedenken an seine geliebten Eltern. Er ruht in Lowicz.“

 aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

Freitag, 13. Februar 2015

13. Februar 1915


„Die Franzosen waren, besonders mit ihrer Artillerie, erheblich lebhafter geworden. In der Hauptsache erhielt das Regiment Feuer aus Feldgeschützen, vereinzelt auch aus kleinkalibrigen Gebirgsgeschützen und aus Revolverkanonen. Die Geschosse aus den Gebirgskanonen waren wegen ihrer Schnelligkeit, mit der sie ankamen, und ihrer Sprengkraft gefürchtet, die Revolverkanonen waren harmlos. Auch das Minenfeuer besonders auf die am Südhang der Dieusson-Mulde liegenden Teile hatte erheblich zugenommen..“

aus: „Das Infanterie-Regiment König Wilhelm I (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 11. Februar 2015

11. Februar 1915


Ludwig Walzer
GEFR. 10./LANDW. 123                                                                                     † 11. FEBRUAR 1915
Geb. 20. 4. 93 in Ravensburg, in Bregenz Maturitas, Sem. Saulgau 1914, Stellvertreter in Ravensburg, zuletzt U.-Lehrer in Neukirch (Tettnang), rückte mit Kriegsbeginn als Freiwilliger nach Ravensburg ein und kam am 4. Okt. in die Vogesen. Bei einem Überfall der Franzosen auf die Stellungen des Reg. am Hartmannsweilerkopf fiel er am 11. Febr. durch Brustschuß. Beerdigt am Hartmannsweilerkopf.“

aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927
 

„Am frühen Morgen schon hatte der Einschlag der Granaten der schweren Haubitzen auf dem Sudel mit donnerndem Echo die müde und durchfrorene Besatzung aus den ärmlichen Hütten gescheucht. Es war ein schöner, heller Tag mit leuchtendem Sonnenschein. Leutnant Mack, der mit seinen Infanteriepionieren die ganze Nacht im Firstackerwäldchen ungestört vom Feinde gebuddelt hatte, rückte eben ab, als das feindliche Artilleriefeuer sich langsam steigerte, auch auf „Stellung Crailsheim“ sich ausdehnte und ihm den Rückweg nach dem Holzwasen zu verlegen schien. Doch dachte, da man an diese tägliche Höllenmusik gewöhnt war, niemand an etwas Besonderes.

Die 10. Komp. unter Hauptmann Dittus lag in „Stellung Gutermann“; sie war durch die nächtelange Arbeit und tägliche Beschießung völlig erschöpft; müde kauerten die Mannschaften, mit einem Teppich über den Schultern zum Schutz vor Kälte, in den niederen Gräben. Da steigerte sich das Feuer immer mehr. Stärker heulten die schweren Haubitzgranaten von Kohlschlag daher und wühlten sich in gewaltigen Trichtern in den steinigen Boden. Nun setzte auch heftiges Nahfeuer aus Feld- und Gebirgsgeschützen ein und hüllte den ganzen Grat in Pulverdampf. Mit 4 Batterien trommelte er von 1 Uhr ab auf die Höhe ein. Unter diesem starken Feuerschutz schob der Feind das ganze Alpenjägerbataillon 24 und Teile des 334. Inf.-Regiments vom Sudelkopfe gegen die deutsche Linie vor. Die Ansammlung feindlicher Kräfte wurde zwar von Leutnant Grözinger auf Höhe 976,5 nördlich des Rimbachtals rechtzeitig entdeckt und der Artillerie gemeldet; diese griff aber aus unverständlichen Gründen nicht ein.

Mit Schneid und großem Geschick gelang es den jungen Truppen des Feindes, sich durch das zerklüftete Gelände zu pirschen und nach heftigem Kampf mit der durch das schwere Feuer geschwächten und zermürbten Besatzung in den ersten Graben einzudringen. Zuerst nahm der Feind in flinker Überrumpelung den deutschen Graben im Firstackerwäldchen und rollte dann die Stellung am Südhang an der Flanke auf. Die beiden deutschen Maschinengewehre waren durch Artillerievolltreffer zerstört, die Besatzung getötet oder schwer verwundet. So ging die „Stellung Gutermann“ verloren und geriet in die Hand des mehrfach überlegenen Gegners. Nur Trümmer von der 10. Komp. kehrten noch zurück.

Siegestrunken griffen die Alpenjäger sofort auch „Stellung Crailsheim“ an. Doch da war die Kraft des Verteidigers nicht gebrochen. Unter scharfem Flankenfeuer brach der Stoß der Alpenjäger hier zusammen und trug ihnen die schwersten Verluste ein. Sie mußten sich mit der ersten Linie der Deutschen begnügen.

Der 11. 2. traf das III. Bataillon schwer: an die 100 Mann kostete der Tag, von denen ¼ meist verwundet in Gefangenschaft geriet. Schwer war aber auch der Verlust der „Stellung Gutermann“. Zum erstenmal hatte das Bataillon im Kriege weichen müssen, zum erstenmal Boden verloren.

Wie schlicht im Vergleich zu dem schweren Ringen klangen doch die Worte des amtlichen Kriegsberichts vom 12. Februar: „Am Sudelkopf in den Vogesen gelang es den Franzosen, einen kleinen Vorgraben vor unserer Stellung zu besetzen.“

Der Feind frohlockte. Noch am Abend des 11. 2. griff er mit zwei Zügen die neue Stellung der 3. Komp. am Breittalhang an, die am rechten Flügel des I./L. 123 eingesetzt war. Doch Hauptmann Falke wies die verwegenen Gegner sogleich ab. Am 12. 2. versuchten die Franzosen südlich der Ruine Hartfelsenschloß aus einen Nebenangriff auf die neuen Linien der 1. und 2. Komp. zu machen. Unter blutigen Verlusten wurde er vereitelt.“

aus: „Württembergisches Landw.-Inf.-Regiment Nr. 123 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922
 
 

Dienstag, 10. Februar 2015

10. Februar 1915


„Die feindliche Stellung lag uns nahe gegenüber und wurde sappenartig immer näher an unsere Linien herangetragen. Die feindliche Artillerie war der unsrigen an Zahl und Kalibern wesentlich überlegen. Ihr oft wechselnder Standort wurde schwer erkannt. Das Eisenbahngeschütz, das auf der Kleinbahn Albert – Mésnil – Martinsart – Auchonvillers – Mailly – Doullens hin und her gefahren wurde, machte sich durch steten Wechsel auf das unangenehmste bemerkbar und belegte zeitweise auch unser Stabsquartier Miraumont mit einigen Lagen, was wenig erfreulich war, da wir über keinerlei brauchbare Unterstände verfügten und Verluste des Div.-Stabes eintraten. Wir antworteten durch Streufeuer in die französischen Stabsquartiere und nach Albert, dessen Kathedrale Notre Dame de Brebières mit dem Turm dem Feinde immer noch gute Beobachtungsmöglichkeit gab.“

aus: „Die 26. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1939

Montag, 9. Februar 2015

9. Februar 1915

„Das Bataillon war der Etappeninspektion Gent (Exz. Frhr. von Seckendorff) unterstellt und hatte das Palais de Justice, in dem die Etappeninspektion lag, das Gouvernement, die Börse, das Gefängnis, das Militärlazarett, die Bahnhöfe, die Hafenanlagen und viele andere Punkte zu sichern.“

aus: Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1929

Sonntag, 8. Februar 2015

8. Februar 1915

Zu den Kämpfen des 27. ID und des IR 124 im Bois de la Gruerie siehe 29. und 30. Januar 1915.

Samstag, 7. Februar 2015

7. Februar 1915


„Am 7. Februar tötete eine Granate im Unterstand des III. Bataillons im Park von Polderhoek den Bataillonsadjudanten, Leutnant d. R. Leopold, den Offizierstellvertreter Ziegler der 12. Kompagnie, verwundete den Bataillonsschreiber, Unteroffizier Gnies, tödlich, den Unteroffizier Maier schwer und den Bataillonsführer, Hauptmann d. R. Meyer-Nicolay, leicht.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Freitag, 6. Februar 2015

6. Februar 1915


„Wir hatten oft kleine Scheiben gemacht und über die Brustwehr gehalten, damit der „Knäller“ ein Ziel hatte, und erschoß auch darauf. Recht gut schoß er, es war deshalb nicht ratsam, seinen Kopf hinauszustrecken, jedenfalls nicht länger an derselben Stelle. Auch bei uns wurde der „Knäller“ eingeführt. Es wurden nämlich Fernrohrbüchsen ausgegeben und besonders gute Schützen gingen damit regelrecht auf Anstand, aber nicht auf einen guten Sechserbock, sondern auf Franzosen. Das ist roh, wird mancher Leser sagen. Aber es war doch Krieg und der ganze Krieg ist roh und unerbittlich hart und macht auch die Soldaten so. Wer es nicht ist, der ist der Dumme, das verspürt jetzt der Deutsche am eigenen Leib. Auch damals standen Frontsoldaten auf dem Standpunkt: „Tu‘ ich ihm nichts, so tut er mir nichts.“ Sie haben aber mit der Zeit umgelernt und eingesehen, daß man dem Gegner schaden muß, wo man nur immer kann. Es hat aber lange gedauert, bis Offizier und Soldat im Schützengraben zu dieser Überzeugung kamen. Deshalb waren die Nahkampfmittel, wie Minenwerfer oder sein behelfsmäßiger Vorfahre der Erdmörser, die Handgranatenwurfmaschine und Gewehrgranaten gar nicht beliebt. Dazu kommt noch, daß durch Unvorsichtigkeit und falsche Behandlung der Waffen sehr viel Unglücksfälle vorkamen. Die Leute, die behaupteten, daß wir durch unsere Gewehrgranaten mehr Verluste hatten, als der Gegner, werden nicht ganz unrecht haben. Sie wurden deshalb bald wieder abgeschafft. Auch der Erdmörser verschwand mit der Zeit, während der Sommeschlacht wurden die letzten verwendet. Schön war es aber, doch, wenn die 25 Kilo schweren Geschosse, die mehr An einen Marmeladeneimer erinnerten, als ein Geschoß oder eine Mine, fast senkrecht in die Höhe fliegen, dann – sich mehrmals überschlagend – auf die feindliche Stellung mit hörbarem Aufschlag herunterfielen und schließlich mit einem fürchterlichen Krach losgingen – oder auch nicht. Denn auch das kam häufig vor. Manchen „Knäller“ und manches Maschinengewehr hat man durch den Erdmörser zum Schweigen gebracht, aber auch manchen Schützengrabengast zur schleunigen Beendigung seines Besuchs veranlaßt. Denn meistens antwortete der Franzose mit seiner Artillerie, und für diese hatten die Schützengrabengäste kein Verständnis. Es war dies das sicherste Mittel, um unliebsame Besuche loszuwerden. Während die Einheimischen genau wußten, wo die Artillerie hinschoß und beurteilen konnten, ob sie in Gefahr sind oder nicht, konnte der Fremde dies natürlich nicht. Er war sogar meistens so sehr von seiner Wichtigkeit eingenommen, daß er glaubte, die Artillerie hätte es ganz bestimmt auf ihn abgesehen, und wenn auch die ersten Schüsse weit daneben gingen, so mußten sicher die nächsten treffen. Es waren aber nicht alle so. Viele waren auch so naiv, zu glauben, im Schützengraben sei man in Abrahams Schoß, weil sie bisher immer zu eine ruhigen Tageszeit in Stellung waren, wo weit und breit kein Schuß fiel.

Besonders an nebligen Morgen war dies der Fall. Wir und die Franzosen benutzten die Gelegenheit, um irgend eine Arbeit außerhalb des Grabens zu erledigen, die man sonst nur bei Nacht machen konnte, und niemand schoß, um den Gegner nicht zu reizen. Auch die Artillerie schoß nicht, weil sie keine Beobachtung hatte. Der Nebel war aber oft heimtückisch, ein Windstoß – und er war weg. Wehe dem, der da nicht schnell genug in den Graben kam. Mancher hat seine Sorglosigkeit mit dem Leben bezahlt. So war links vom Granatloch eine gefährliche Stelle, an der mehrere Leute gefallen sind, bis man dahinter kam, daß man sich dort außerhalb des Grabens vom Himmel abhob und auch bei Nebel oder verhältnismäßig dunkler Nacht vom Gegner gesehen wurde.

Der Franzose war überhaupt außerordentlich aufmerksam. Er war immer darauf bedacht, uns zu schaden, wo er nur konnte und erkannte immer sehr bald, wo wir eine schwache Stelle boten. Da war z. B. ein eingebauter Schutzschild nicht genügend verdeckt oder die Sonne schien durch die Schießscharte. Stand nun jemand dahinter, so wurde die Schießscharte beschattet. Der drüben auf der Lauer liegende „Knäller“ hatte das sofort erkannt und schoß herüber. In der Mulde am linken Flügel des Regiments sind nacheinander zwei Leute auf diese Weise durch Kopfschuß gefallen. Ebenso aufmerksam war die Artillerie. Wenn abends die Essenholer zu früh weggingen und deshalb beim Verlassen der Laufgräben noch erkannt werden konnten, so sandte er ihnen gleich einige Schrapnells nach.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Donnerstag, 5. Februar 2015

5. Februar 1915

Deutsche Generalstabsmeldung 
für den Zeitraum 31. Januar bis 5. Februar 1915:

„Auf der Front zwischen Nordsee und Reims fanden nur Artilleriekämpfe statt.“

aus: „Der Völkerkrieg“ Band V, Stuttgart 1915

Mittwoch, 4. Februar 2015

4. Februar 1915


„Während des ganzen Januar und der ersten Tage des Februar 1915 hatte das Füsilier-Regiment den Abschnitt unmittelbar östlich der Bahnlinie, gegenüber dem Vorwerk Zylin inne (s. Skizze 16*). Auf drei Tage Stellung folgten nach Ablösung durch das Regiment Alt-Württemberg drei Ruhetage in rückwärtigen Quartieren, und zwar in den Dörfern Wymyslow und Gongolin Polnocny. Später wurde dann in dem Wald westlich Koszlow Szlachecki – dem sogenannten „Schwarzwald“ – ein Barackenlager erbaut, in dem ein Ruhebataillon Unterkunft fand. Der Regimentsstab behielt sein Quartier in dem Gutshause von Koszlow Szlachecki, wo zugleich die Hauptfernsprechzentrale eingerichtet und die Brückenwache für die Kriegsbrücke untergebracht wurde. Die gesamten Großen Bagagen waren nach Kocierzew, 6 Kilometer südwestlich Rybno, zurückgenommen worden.

Hier sei noch im besonderen der unermüdlichen und aufopfernden Tätigkeit der Ärzte des Regiments gedacht. Als Regimentsarzt war seit kurzem Stabsarzt d. L. Dr. Lichtenberg dem Stab zugeteilt. Er und seine treuen Gehilfen bei den Bataillonen Dr. Landerer, Dr. Henzler, Dr. Wannenwetsch und Dr. Katz haben in ernsten und ruhigen Stunden, auf dem vordersten Verbandsplatz wie in der stillen Revierkrankenstube des einsamen Polenhofes während der Tage an der Bzura hunderten von Füsilieren ihre Hilfe und Pflege angedeihen lassen. Manch einer vom Füsilier-Regiment wird ihrer dankbar und gerne gedenken.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

*) Skizze 16 unter dem 5. Januar 1915

Dienstag, 3. Februar 2015

3. Februar 1915


„Am 3. Februar nachmittags, einem bitter kalten Tag, setzt sich der erste Zug vom Judenhutplan aus in Marsch gegen den Gipfel, eine Gruppe als Spitze voraus. Der zweite Zug bildet den rechten Flügel. Die Spitze erhält Feuer, die Züge schwärmen ein und es entspinnt sich ein halbstündiges Gefecht, das mit dem Abzug der Alpenjäger Richtung Belchen endet. Eigene Verluste: Unteroffizier Payer tot, 1 Schütze schwer verwundet. Der amtliche deutsche Tagesbericht vom 5. Februar sagt darüber in militärischer Kürze: „In den Mittelvogesen verlief das erste Gefecht einer Schneeschuhtruppe gegen französische Jäger für uns erfolgreich.“ Der französische Bericht lautete: „Es gab eine Begegnung zwischen Schneeläuferpatrouillen.““
 
 

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“, Stuttgart 1933