Sonntag, 31. Mai 2015

31. Mai 1915


Aus einem Korpsbefehl an das Grenadier-Regiment Nr. 119:

„In nächster Zeit ist mit allen verfügbaren Mitteln an dem Ausbau der Stellung zu arbeiten. Wo irgend möglich, ist das Drahthindernis bis auf eine Breite von 15 Meter zu bringen. Eine Verstärkung des Hindernisses bei Höhe 137 erfolgt nicht, weiterer Einbau von Holz in Stellung und Annäherungswege bei Höhe 137 unterbleibt zunächst.
Die Kriegslage verlangt, den Stellungen schnell größte Widerstandskraft zu geben. Feststellung der gegenüberliegenden Regimenter ist von besonderem Wert. Für Einbringen eines Gefangenen in der Zeit vom 28. Mai bis 1. Juni 1915 eine Prämie von 50 Mark.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart, 1927

Samstag, 30. Mai 2015

30. Mai 1915


„Am 27. Mai kam das Regiment wieder in Stellung vorwärts La Folie bei Vimy, linker Flügel dicht bei Neuville, etwa 1 Kilometer breit. Die vorderste Linie war in dem Hohlweg Souchez–Punkt 123–Neuville. Sie hatte vielfach gar kein Schußfeld, aber von Neuville her konnten die Franzosen einen großen Teil des Hohlwegs frankieren. Gedeckte Verbindung nach rückwärts fehlte.
Das Regiment, das vor uns dagewesen, war in der Hohlwegstellung vom Feind überrascht, 1 Bataillon aufgerieben worden. Doch hatten die Franzosen die Stellung wieder räumen müssen. Es war übrigens dasselbe elsässische Regiment, das wir schon bei Givenchy angetroffen hatten.
Überall lagen aus diesen Tagen her Gewehre herum, ebenso Tornister, Helme, Patronen, Ausrüstung aller Art. Es wurde daher befohlen, niemand geht zurück, zu welchem Zweck es auch immer sei, ohne von dem herumliegenden Material etwas nach hinten mitzunehmen.
Viele Leichen, Deutsche und Franzosen, mußten besser beerdigt werden; sie lagen im Hohlweg, nur leicht mit Erde zugedeckt, die der Regen wieder aufgeschwemmt hatte. Zur Herstellung des Schußfelds wurde stellenweise ein Graben vorwärts des Hohlwegs ausgehoben, andernorts eine höhere Brustwehr aufgesetzt und der Stand der Schützen entsprechend erhöht. An dritter Stelle konnte man durch Vorbereitung zum Kreuzen des Feuers abhelfen. Zum Flankenschutz gegen Neuville wurden Schulterwehren eingebaut. Dies alles war die Arbeit des I. Bataillons.
Das III. Bataillon lag in Vimy als Reserve des Regiments. In der Nacht vom 28. auf 29. Mai hob das III. Bataillon einen Verbindungsweg aus von der vordersten Stellung bis in die Nähe der nachher zu beschreibenden Rattenvilla, mit Windungen über 2000 Meter lang und so tief, daß man gebückt darin Deckung fand. In der nächsten Nacht wurde er bis zu 2 Meter Tiefe ausgebaut. Es war eine staunenswerte Leistung, zumal bei den Klaren Nächten. Der hier zuständige Divisionskommandeur, General Vollbrecht, benannte den Graben „Württembergergraben“. Am 1. Juni löste das III. Bataillon das I. Bataillon in vorderer Linie ab.
Vom II. Bataillon waren 2 Kompagnien hinter dem I. Bataillon und zu dessen Verfügung in Reserve. Der Stab und die 2 andern Kompagnien befanden sich dicht nördlich Schloß La Folie, wo sie eine zweite Stellung und an dem Steilabfall gegen Vimy hin, im Wald, Unterstände für starke Reserven bauten.
Der Regimentsstab lag im Keller des Ökonomiehofes, 300 Meter westlich Schloß La Folie, in der sogenannten Rattenvilla. Sie machte diesem Namen alle Ehre. Hier schliefen 3 Offiziere übereinander auf einer schmalen Apfelhurde, ein Schreiber unter dem Tisch. Diese Unterkunft war zwar taktisch viel zu weit vorne, noch vor dem II. und III. Bataillon, das ließ sich aber nicht vermeiden, wollte der Regimentskommandeur die kurze Zeit der Morgendämmerung benützen, um über die Bauten des Regiments oben auf der Hochfläche auf dem Laufenden zu bleiben.
Die Verluste durch das feindliche Artilleriefeuer waren anfangs beträchtlich; mit dem besseren Ausbau der Stellung nahmen sie ab. In jeder Hinsicht bewährten sich auch hier wieder die Erfahrungen von La Boisselle.
Am 30. Mai erfolgte ein großer französischer Angriff, dessen linker Flügel noch das Regiment traf. Er wurde abgewiesen. Das I. Bataillon verlor dabei 34 Mann, die feindlichen Verluste waren anscheinend sehr schwer. Denn wieder, wie bei Givenchy, arbeitete die deutsche Artillerie vorzüglich.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1920

Freitag, 29. Mai 2015

29. Mai 1915


Karl Hötzel
LANDWM. 1./LANDW. 121*                                                                                             † 29. MAI 1915
Geb. 25. 6. 76 in Deggingen, Sem. Gmünd 1895, aktiv 1897 in Weingarten (10 W.) U.-Lehrer in Westerheim, Deggingen, Großeislingen, Gmünd, Stuttgart, Friedrichs-hafen, Altshausen und Laupheim, seit 1903 Hauptlehrer in Unterdeufstetten, seit 1911 in Schramberg, verheiratet, rückte am 5. Aug. zu Landw. 121 ein und machte die Augustkämpfe im Münstertale mit. Im Winter 1914/15 war er als Telephonist im Schulhaus zu Weier im Tal. Bei Umbildung der Formationen ging er seines Postens verlustig und mußte trotz seines schlechten Augenlichts Schallbecher und Kontakter mit Gewehr und Spaten vertauschen. Ein unglückliches Geschick mit entsichertem Gewehr – Schuß durch die linke Hand – brachte ihn ins Laz. nach Freiburg. Doch die anscheinend ungefährliche Wunde barg den Todeskeim. Blutvergiftung trat hinzu, Fieber und operative Eingriffe zehrten das Lebensmark des einst so kernigen Mannes auf, bis er am 29. Mai sanft entschlummerte. Seine Leiche wurde unter Anteilnahme der ganzen Stadt an seinem letzten Wirkungsorte beigesetzt. Schramberg verlor in ihm einen begabten, tüchtigen Schulmann, einen hervorragenden Musiker und Dirigenten und einen unerschrockenen Verfechter von Schul- und Lehrerinteressen.“


aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

*H. kam vermutlich bei Neuaufstellung des LIR 126 im März 1915 mit dem IV./LIR 121 zum LIR 126
  laut Württ. Verustliste 159 und 212 sowie Verlustliste des LIR 126: 5./LIR 126

Donnerstag, 28. Mai 2015

28. Mai 1915


„Laut Divisionsbefehl vom 26. Mai hatte das Regiment 246 die vom Regiment 247 besetzte Stellung nördlich der Bellewaarde-Ferme zu übernehmen und in der Nacht vom 27./28. Mai zu besetzen.
Bellewaarde-Ferme, eine neue Bezeichnung. Niemand dachte daran, daß dieser Name neben Becelaere beim alten 246er die Bedeutung eines Regimentsheiligtums erhalten würde. Die Bellewaarde-Ferme war das eigentliche Wahrzeichen der neuen Stellung, für Monate wurde sie die zweite Heimat des Regiments. In beherrschender Lage auf Höhe 44 gelegen, hatte man von dort aus im Westen einen herrlichen Blick auf Ypern, im Süden auf die prachtvollen eigenartigen Schönheiten des Bellewaardesees und auf Schloß, Park und Ortschaft Hooge.
Die drei mächtigen Gebäude, der gepflegte Garten, die Pappelreihen östlich der Ferme zeigten trotz der bereits sichtbaren Beschädigungen und Zerstörungen des Krieges den einstigen Wohlstand und die geschwundene Behaglichkeit ihrer geflüchteten Bewohner. Vor unseren Augen verwandelte sich der Gutshof im Laufe der Zeit unter dem feindlichen Feuer in einen wüsten Trümmerhaufen. Aber in unseren Herzen wuchs gleichzeitig eine verhaltene Liebe und scheue Pietät zu diesem Stück Regiments-geschichte. Viel edles Blut vergoß der 246er in den folgenden Monaten um den Besitz der Ferme, manches teure Leben hauchte auf dem Grund und Boden dort aus. Am 27. Mai mit Einbruch der Dunkelheit übernahm das Bataillon die vordere Linie des bisherigen Abschnittes des Regiments 247.
In den Vormittagsstunden des 28. Mai löste das I. Bataillon die Reserve im Haanebeek-grunde ab. Gleichen Tages mit Einbruch der Dunkelheit bezog das II. Bataillon die Bereitschaft bei Gehöft 400 Meter nördlich Etange de Bellewaarde (Gutscherhaus).“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 246“ Stuttgart, 1931

Mittwoch, 27. Mai 2015

27. Mai 1915


„Das Regiment war nun am weitesten gegen Ypern vorgedrungen. Patrouillen zum Anschlußregiment 132 stellten fest, daß dieses – wohl infolge Artilleriebeschießung – seine vordersten Gräben geräumt hatte. So konnten sich die Engländer wieder im Park und in den Trümmern von Hooge festsetzen, uns höchst ungemütlich mit M.-G.-Feuer flankierend. Damalige Versuche, Hooge dauernd zu nehmen, scheiterten; gar oft wechselte es den Besitzer.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Montag, 25. Mai 2015

25. Mai 1915


„Das Geschütz der 6. Batterie stand im Storchschnabelwäldchen. Es hatte am ersten Tag einen Rohrkrepierer. Unter unsäglichen Schwierigkeiten wird es in der Nacht ausge-tauscht und frisch eingebaut. Alles im heftigsten feindlichen Feuer. Es sollte aber nicht mehr zum Schuß kommen. Ein Volltreffer tötete den tapferen Vizewachtmeister Kalesse und den Gefreiten Hudelmaier und verwundete die übrige Bedienung mehr oder weniger schwer. Das Geschütz war unbrauchbar. Auch Vizewachtmeister Kramer und Telephonist Baier, welche den Verwundeten zu Hilfe eilten, wurden schwer ver-wundet.“




aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Sonntag, 24. Mai 2015

24. Mai 1915


„Der 24. Mai sollte dem Regiment neuen Erfolg bringen. Am Morgen dieses Tages war II. Bataillon vorderste, I. zweite Linie, III. Divisionsreserve im Nonne Boschen. 3.45 Uhr vormittags verkündeten 3 rote Leuchtkugeln das Abblasen der inzwischen vorn eingebauten Flaschenbatterien. Anschließend daran sollte erneut angegriffen werden. Infolge zu starken Windes erreichte das ausströmende Gas jedoch nicht die feindlichen Gräben, sondern verflüchtigte sich in die Höhe. Der aufmerksame Gegner quittierte durch heftiges Infanterie- und Artilleriefeuer. Daran scheiterten anfangs wiederholt versuchte Vorstöße des II. Bataillons. Auf widersprechende Meldungen der Verhältnisse beim Gegner an der Bellewaardeferme sandte der Bataillonskommandeur, Hauptmann Nuber, den Bataillonsadjudanten, Leutnant d. L. Wegenast, zur Klärung nach vorn. Dieser riß Teile der 6. unter Lt. Maurer und seine frühere 7. Kompagnie, über einen Zug 247er, der sich eines englischen Vorgrabens nördlich der Ferme bemächtigt hatte, hinwegspringend, mit sich und erreichte als erster die Ferme. Die verblüfften Engländer sprangen in südlicher und westlicher Richtung zurück. Leutnant Wegenast, durch den Erfolg ermutigt, schwenkte mit seinen Leuten und der Gruppe Maurer, der sich später noch ein Halbzug Pioniere anschloß, links in südlicher Richtung, gab wiederholt Verfolgungsfeuer ab und stieß an Eclusette vorbei bis zur Straße Ypern–Hooge vor, dessen 2 westlichste Häuser erreicht wurden. Dort nahm er Verbindung mit Inf.-Rgt. 132, dem Anschlußregiment des XV. Armeekorps auf. Leider verblieb die dortige Kompagnie trotz der Aufforderung, mit vorzugehen, in ihren Gräben.
Dem Bataillon war durch diesen energischen Vorstoß in der Front Luft geschaffen. Dies nützten Kompagnie Schwarzkopf (7.) und Kern (8.) zum Vorgehen bis zu dem von uns „T-Wäldchen“ getauften schmalen Waldstreifen aus. Dort schloß sich späterhin Res.-Inf.-Regt. 247 nach Norden, dem „Eierwäldchen“ zu, an. Ein Brigadebefehl, Höhe 44 westlich Bellewaardeferme vorerst nicht zu überschreiten, war dadurch überholt. In der Front waren die Engländer weiterhin in westlicher Richtung zurückgewichen. Wir alle hatten das Gefühl, daß an diesem Tage Ypern zu erreichen gewesen wäre, zumal wenn die Truppe südlich von uns sich am Vorstoß hätte beteiligen können.
Die auf Anforderung dem Bataillon zur Verfügung gestellte 10. Kompagnie wurde auf Höhe 44 an Stelle der Kompagnie Saif (5.) eingesetzt, welch letztere nach Rückkehr der Gruppen Wegenast-Maurer den Schutz nach Süden gegen Straße Hooge–Ypern übernahm. Die Ferme war inzwischen von Kompagnien des Res.-Inf.-Rgts. 247 besetzt worden.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Samstag, 23. Mai 2015

23. Mai 1915


„Die Nachricht, daß sich das treulose Italien am 23. Mai auch unseren Feinden angeschlossen habe, machte auf uns an der Front wenig Eindruck. Wir hatten die feste Überzeugung, daß wir auch mit den Italienern auf dem Kampffeld fertig werden würden. Anders wirkte die Nachricht bei den Russen. Die ganze Nacht vom 23. zum 24. Mai hindurch unterhielt ihre Infanterie ein nutzloses, patronenvergeudendes Freudenfeuer und am 24. morgens tauchten über den Grabenrändern an zahlreichen Stellen Plakate mit der Aufschrift „evviva Italia“ auf.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1923

Freitag, 22. Mai 2015

22. Mai 1915


„Eine einförmige und doch überaus anstrengende Zeit begann. 6 Stunden Ruhe, 2 Stunden auf Posten, dazu noch weitere Patrouillengänge, Tag für Tag, Woche um Woche – so lief fortan ununterbrochen des Dienstes gleichgestellte Uhr ab, in Sommersglut und Winterkälte, in Sturm und Regen, in Nacht und Nebel. Wiederholt haben Patrouillen bei diesem Dienst den Tod gefunden, vom Zug überfahren oder von feindlichen Fliegerbomben getötet. Aber es darf rühmend festgestellt werden: nirgends, wo der Stuttgarter Landsturm auf Wache stand, ist der Bahnkörper beschädigt worden..“


aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929

Donnerstag, 21. Mai 2015

21. Mai 1915


„Schaut Julius, Glaser. Nach Ausbildung in Wiblingen beim Ers.-Bat. I.-Reg. 127 vom 14. 9. 14 an zog er, 20 J. alt, Mitte November 14 zum Regiment in die Argonnen, wo er in der 6. Komp.* im Stellungskampfe stand. Dort hatte er 21. 5. 15 auf Wache eben seinen Vetter Martin Kieferle abgelöst, da fiel er, kaum eine Viertelstunde darauf, an einem Kopfschuß. Er wurde auf dem großen Soldatenfriedhof der Division in der Mournauschlucht** beerdigt.“

aus „Das Eiserne Buch der Stadt Mengen“, Mengen 1924

„Selbst die am Hang entlang führenden Verbindungswege lagen teilweise im gezielten Infanterie- und Maschinengewehrfeuer. Auch der Gegner schien Fernrohrschützen zu haben. Zeitweise steigerte sich das feindliche Artilleriefeuer zu unerhörter Heftigkeit. An einzelnen Tagen wurden die vordere Linie und die Annäherungswege mit bis zu 2000 Granaten und 100 schweren Minen innerhalb 24 Stunden belegt, was für die damalige Zeit immerhin alles Mögliche war.“

aus: „Das neunte württembergische Infanterie-Regiment Nr. 127 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1920


*Schaut war laut Württembergischer Verlustliste Nr. 225 bei der 5. Kompagnie    **Moreauschlucht

Mittwoch, 20. Mai 2015

20. Mai 1915


„Die Ruhequartiere der vorübergehend zurückgezogenen Truppen lagen so nahe der Front, daß sie von der feindlichen weittragenden Artillerie leicht erfaßt werden konnten. Es war also in diesen stets mit Artillerieverlusten, meist in Form eines Abendsegens, zu rechnen. Zu diesen Quartieren zählten Grandcourt, Miraumont, Irles, Pys, Courcelette, Le Sars, Warlencourt. Weiter zurück lagen  Grévillers, Bapaume. Während man sich anfangs in Kellern sicher dünkte, erkannte man bald, daß dieser Schutz selbst gegen Bombenabwürfe aus Flugzeugen und Luftschiffen ungenügend war und fing an, sich auch hier Unterstände zu bauen. Mehrfach hatten Bombenabwürfe schmerzliche Verluste zur Folge. Auch das Div.-Stabsquartier Miraumont bot wenig Schutz gegen Artilleriefeuer und Bomben.“




aus: „Die 26. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkriege 1914–18“ Stuttgart, 1939

Dienstag, 19. Mai 2015

19. Mai 1915


„Die 2. Ulanenkompagnie ab 13. Mai führte Rittmeister Graf Zeil. Als Zugführer waren eingetreten die Leutnants Graf Stauffenberg, Beisbarth, Ebner (Max) und Dörtenbach (Joachim).
Die Ulanenkompagnie war in vier Züge eingeteilt, von denen zwei in vorderster Linie waren. Die beiden andern lagen in Reserve und hatten Grabenarbeiten zu verrichten und insbesondere Munition, Material und Lebensmittel vorzubringen.
Der Franzose war in diesen Tagen sehr unruhig. Am 20. Mai lag starkes Artillerie- und Minenfeuer auf unserer Stellung, ein Laufgraben wurde völlig zugeschüttet. Die Reservezüge wurden bereit gestellt.
Der offenbar beabsichtigte Angriff erfolgte jedoch nicht.
Am 21. Mai wurde unsere Stellung wieder heftig beschossen und etwa gegen 8.35 Uhr abends griffen die Franzosen bei unserem rechten Nachbarregiment (Inf.-Regt. 120) an.
Der Kriegsfreiwillige Jenny, der am rechten Flügel war, erkannte die Gefahr sofort und ging rasch entschlossen gegen einige in den Graben eingedrungene Franzosen mit Handgranaten vor: Durch sein energisches Eingreifen gelang es ihm, den Gegner aufzurollen und wieder aus der Stellung zu vertreiben. Jenny wurde für sein schneidigesVerhalte zum Unteroffizier befördert und mit dem Eisern Kreuz ausgezeichnet.
Leider wurde der tapfere und unerschrockene Kriegsfreiwillige an Brust und Leib durch eine Handgranate schwer verwundet. Als er nach mehreren Monaten wiederhergestellt war, meldete er sich sogleich wieder bei seinem Truppenteil.
An Verlusten hatte die Ulanenkompagnie 3 Tote, nämlich: Reservist Kugler, 3. Esk. (starb in München, Reservelazarett), Ulan Johannes Bauer II, 3. Esk., Ulan Fink, 2. Esk.“


aus: „Das Ulanen-Regiment „König Karl“ (1. Württ.) im Weltkrieg 1914-1918“ Stuttgart, 1927

Montag, 18. Mai 2015

18. Mai 1915


3. Landwehr-Pionierkompagnie.
Sie wurde am 7. April 1915 aufgestellt und am 8. April unter Hauptmann Hornberger an die Front zur 7. Landw.-Division nach dem Oberelsaß befördert. Bahnendstation war Lutterbach, erstes Quartier Nieder-Morschweiler. In den ersten Tagen fand das Zusammenschweißen der noch etwas jungen Kompagnie und ihre Einarbeitung auf den Krieg statt. Am 19. April trat sie bei Nieder-Aspach in den Stellungskrieg ein. Ende April wurde sie von Sulz aus zum Ausbau der Stellung auf dem Hartmannsweilerkopf und Umgegend herangezogen. Am 12. Mai wurden bei Vorbereitungen zu einem Vorstoß aus einer unserer Sappen acht Pioniere verwundet. Durch Unglücksfall mit Handgranaten kamen Fahrer Braun und die Pioniere Senner und Leutze am 18. Mai ums Leben.“


aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“ Stuttgart, 1927

Sonntag, 17. Mai 2015

17. Mai 1915


„Im übrigen verlief die Feuertätigkeit im April und Mai 1915 ohne besondere Ereignisse. Tag für Tag dieselben Artilleriekämpfe auf beiden Seiten, die Minen-werferüberfälle bei Ammerzweiler, bei Nacht die ständigen Scharmützel der Patrouillen. Daneben lebhafter Stellungsbau auf beiden Seiten. Dem Feinde konnten unsere Bauten nicht verborgen bleiben. Er antwortete mit derselben Taktik und schuf sich neue Gräben, besonders am Spechbach, Lerchenberg und im Güldweiler Wald. Größten Wert legte er auf breite und tiefe, weit verzweigte Drahthindernisse, was immerhin auf Defensive schließen ließ.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 123 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1922

Samstag, 16. Mai 2015

16. Mai 1915


„Baur Julius, Gewerbearbeiter, verh. Im Sept. 14, 26 J. alt nach Weingarten eingezogen, stand er im Winter 14/15 im Res.-I.-Reg. 247 im Kampf im Westen. Vor Ypern erlitt er durch einen Granatvolltreffer 16. 5. 15 den Tod. Er liegt begraben in einem Buchen-wäldle bei Bellewarde.“


aus „Das Eiserne Buch der Stadt Mengen“, Mengen 1924

Freitag, 15. Mai 2015

15. Mai 1915


„Vom 17. April bis 17. Juni 1915 wurde die Kompagnie der 21. Reserve-Division im Abschnitt Massiges–Ville sur Tourbe zugeteilt und im Lager „Schwabenland“ südöstlich Challerange untergebracht. Dort mußte die stark vernachlässigte Haupt-kampfstellung in Ordnung gebracht werden. Am 15. Mai unternahm das Res.-Inf.-Regt. 87 einen Angriff auf Ville sur Tourbe, an dem die Züge Leutnant Keferstein und Offizierstellvertreter Pirra in erster Linie teilnahmen. Die Sturmtruppen drangen bis zur 3. französischen Linie vor, erhielten aber ungenügende Unterstützung, so daß der Sturm erfolglos blieb. Der Kompagnie kostete er leider 1 Offizier vermißt (Leutnant Keferstein), Offizierstellvertreter Pirra und 6 Mann tot, darunter Unteroff. Regenfuß, Gefr. Hinderer, Pion. Eitel, Honstetter, Heine, 25 Mann vermißt und 15 Verwundete. Nach dem Unternehmen mußte die eigene Linie wiederhergestellt und eine erste und zweite rückwärtige Stellung beschleunigt neu erbaut werden.“


aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“ Stuttgart, 1927

Donnerstag, 14. Mai 2015

14. Mai 1915


„In der Nacht 13./14. Mai setzte heftiges Regenwetter ein; der Boden war grundlos, in den Gräben und Verbindungswegen stand das Wasser fußhoch.
Am Vormittag des 14. herrschte Ruhe an der Front, über Mittag und gegen Abend kam schweres feindliches Artilleriefeuer gegen vordere Linie und Hintergelände.
In der nächsten Zeit hielt das Regenwetter an und störte den Ausbau der Stellung erheblich. Die Gefechtstätigkeit beschränkte sich auf gegenseitige Artilleriebeschies-sung. Für die zurückgezogenen Teile der Truppen wurde geregelte Unterkunft geschaffen. Außerdem wurden für einen von der Armee in Aussicht genommenen großen „Flaschenangriff“ zahlreiche Gasflaschen eingebaut, die Artillerie sollte gegen die feindliche 2. Linie mit „T-Munition“ schießen.“


aus: „Die 54. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkriege 1914–18“ Stuttgart, 1934

Mittwoch, 13. Mai 2015

13. Mai 1915


„Am 12. Mai wurde ein neuer Angriff vorbereitet. Den ganzen Nachmittag schoß sich mittlere und schwere Artillerie auf die englische Stellung ein. Wegen der Nähe des feindlichen Grabens mußten die 6. und 8. Kompagnie dabei zeitweise ihre Stellung räumen.
Die Engländer antworteten schwach mit Schrapnells. Dabei wurde Leutnant Großkurth, Führer der 8. Kompagnie, tödlich verwundet.
Am folgenden Tage war Himmelfahrtsfest. Wir feierten es auf eigene Weise.
Um 5 Uhr morgens bei trübem Wetter stieg eine grüne Leuchtkugel hoch. Es war das Zeichen für den Beginn des Artilleriefeuers.
Mochte nun der starke Gegenwind nicht in die Berechnung gezogen sein, oder was sonst der Grund war: die Schüsse, die am Tag vorher gut lagen, gingen nun zu kurz und trafen die eigene Stellung. Als eine 21er Mörsergranate mitten in der 8. Kompagnie platzte, wichen die Leute eilends nach hinten aus. Selbst bis dicht vor den Graben der 7. Kompagnie kamen die schweren Geschosse. Weiter rechts bei der 53. Res.-Inf.-Division lag das Feuer besser. Die Meldung, die zurückging, nützte nichts. Ohne Pause hämmerten die ungeheuren Geschosse in die Nähe unsres Grabens, während der englische kaum Treffer erhielt. Um 7.45 Uhr sollte gestürmt werden. Meldung auf Meldung ging zurück. Das Regiment telephonierte an die Brigade: „Bis jetzt ist noch nichts erschüttert außer unserer Stellung.“ Die Brigade telephonierte an die Division, die Artillerie wurde nervös, ihr Feuer wurde nicht besser und lag nun meist jenseits des englischen Grabens. Als die Uhren 7.45 Uhr zeigten, erhob sich rechts von der Bahnlinie die 53,. Res.-Inf.-Division und erreichte, wenn auch unter schweren Verlusten, den feindlichen Graben. Aber schon die 26. Jäger blieben liegen. Als die 7. Kompagnie auf höheren Befehl dennoch versuchte, vorzustürmen, fielen sofort 11 Mann, während 17 verwundet wurden. Die 12. Kompagnie, die bis zum Storchschnabelwäldchen vorgeschickt war, machte auch einen Versuch, und einige ihrer Leute erreichten den feindlichen Graben, fielen aber mit ihrem Führer, Leutnant Mayer, auf dessen Brustwehr. Nun setzte ein wütendes Gegenfeuer ein. Zugleich regnete es Bindfaden. Der lehmige Graben verwandelte sich in eine Schlammrinne, in der die Stiefel stecken blieben, Tote wurden darin niedergetreten, die Gewehre waren so verschlammt, daß sie nicht mehr losgingen. Auch begann die eigene Artillerie wieder und feuerte in die Massen von Freund und Feind. Es war ein tolles Durcheinander. Da gingen gegen 3 Uhr nachmittags die im feindlichen Graben sitzenden Sachsen jenseits der Bahn zurück. Sofort setzte ein vernichtendes englisches Feuer ein, das ihnen die schwersten Verluste kostete und sie in die Flucht trieb. Es war Gefahr, daß die Engländer nachdrückten, darum wurde die 5. Kompagnie, die auch nach vorne genommen war, eilends zurückgeführt, um am Gutscherhaus nach Norden hin zu flankieren. Diese Bewegung wurde im Marsch-Marsch ausgeführt und von den anderen Kompagnien mißverstanden. Es hieß, unsere Leute gingen durch; und da gleichzeitig die Engländer in hellen Haufen herkamen, um ihre Stellung wieder zu besetzen, entstand ein Durcheinander übelster Sorte. Es bedurfte des energischsten Einschreitens der Offiziere, um wieder Ordnung zu schaffen.
Die Engländer dachten nicht daran, weiter vorzugehen. Sie waren froh, ihre alte Stellung wieder zu haben, und bald herrschte wieder ziemliche Ruhe. Die Krisis war vorüber. Gegen Abend hörte der Regen auf, und man konnte daran gehen, den Graben auszuräumen und die Toten und Verwundeten, die zwischen den Stellungen lagen, hineinzuschaffen. Nicht einer blieb draußen liegen.
Aber den Himmelfahrtstag 1915 wird so leicht keiner vergessen.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Dienstag, 12. Mai 2015

12. Mai 1915


„In der Zeit vom 11.–15. Mai bauten sich die Franzosen immer und immer wieder zum Angriff auf, besonders vor der linken Hälfte des Regiments, der Gruppe Vischer. Aber tadellos beobachteten hier unsere Posten und Patrouillen, tadellos liefen die Meldungen über die Gruppe telephonisch beim Regiment ein. So konnte das letztere das Artilleriefeuer hineinlenken in die dicht gefüllten französischen Schützengräben, und eine Minute später sausten die deutschen Granaten so hageldicht unter die Franzosen, daß diese scharenweise aus den Gräben heraussprangen und über das freie Feld zurück. Sie kamen bei ihrer Flucht vom Regen in die Traufe, das Verfolgungsfeuer des Regiments aus Gewehr und M.-G. mähte sie haufenweise nieder.
Das ging so fort, Tag und Nacht, bis zum 15. und 16. Mai, an welchen beiden Tagen das Regiment durch eine preußische Brigade abgelöst wurde. Müde, zum Umsinken müde war da alles; hatte man doch seit 10. Mai keinen Augenblick mehr Ruhe gehabt.
Besonders schwer waren diesmal wieder die Verluste an Offizieren gewesen, wie in jedem Angriffsgefecht. Sie hatten ihr tapferes Vorausgehen mit Wunden, ja viele mit dem Tode bezahlt. Aber an ihre Stelle traten Unteroffiziere als Zug- und Kompagnie-führer; so wurde die 3. und 6. Kompagnie schließlich von jungen Unteroffizieren geführt..“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1920

Montag, 11. Mai 2015

11. Mai 1915



„Johannes Bürk, geboren 30. Mai 1885 in Heilbronn als Sohn des Hauptlehrers Bürk, humanistisches Gymnasium und aktive Militärdienstzeit in seiner Vaterstadt, vom Herbst 1904 bis zum Herbst 1909 sud. jur. in Tübingen, Berlin und München, Eintritt in die Normannia am 19. Oktober 1904, 1910–12 Justizreferendar in Heilbronn, vom Frühjahr 1913 bis zu seiner Einberufung Gerichtsassessor beim Kameralamt Cannstatt.
B. kam sofort nach Kriegsausbruch als Vizefeldwebel d. L. mit dem Res.-Inf.-Rgt. 120 zunächst in die Vogesen, erhielt aber schon am 18. August 1914 bei Grendelbruch, südlich von Schirmeck, einen Armschuß. Nach rasch erlangter Heilung kehrte er am 9. Oktober 1914 wieder zu seinem Regiment zurück, mit welchem er den Winter über an den aufreibenden Stellungskämpfen bei La Boisselle („Hölle von La Boisselle“) teilnahm. Nachdem er inzwischen das E. K. II erhalten hatte und zum Leutnant d. L. befördert war, wurde sein Regiment nach Beginn der großen englisch-französischen Frühjahrsoffensive am 9. Mai 1915 bei Givenchy (Lorettohöhe) eingesetzt. In dem schweren Kampfe des Regiments am 10. Mai 1915, bei welchem dieses 30 Offiziere und 800 Mann verlor, blieb B. unverletzt. Am 11. Mai 1915, während er bemüht war, seinen zusammengeschmolzenen Zug zu erneutem Vorgehen zu bringen, erhielt er einen Kopfschuß, welcher ihn augenblicklich tötete. B. liegt begraben auf dem Offiziers-friedhof in Lens.“


aus: „Gedenkbuch der Tübinger Normannia für ihre Gefallenen“, Stuttgart 1921

Sonntag, 10. Mai 2015

10. Mai 1915


„Die I. Abteilung hatte an diesem ersten Tage besonders schmerzliche Verluste zu beklagen. Zwei Offiziere, darunter der Führer der 2. Batterie, und viele Unteroffiziere und Mannschaften waren gefallen. Über den Heldentod des Führers der 2. Batterie, Hauptmann d. R. Leube, des beliebten Stadtvorstands von Geislingen a. St., der sich als Kamerad und Vorgesetzter seltener Beliebtheit erfreute, erzählte mir der ihn bergende Kriegsfreiwillige Musper I, folgendes:
„Als wir gehört hatten, daß der erste Versuch, unseren schwerverwundeten Batterieführer, Hauptmann Leube, von der Beobachtung zur Batterie zurückzubringen, mißlungen war, meldeten sich der damalige Sanitätsunteroffizier Mayer, mein Bruder, Gefr. Musper II und ich, ich vom Geschütz weg, mein Bruder eben von einer Leitungspatrouille ermüdet zurückkommend. Da die Tragbahre der Batterie beim ersten Versuch verloren gegangen war und in der Dunkelheit nicht mehr gefunden werden konnte, mußten wir rasch eine behelfsmäßige herstellen; eine Zeltbahn und zwei Stangen mußten genügen. Damit machten wir uns auf den Weg; für uns so gar nicht kampferprobte Leute ein grauenhafter Weg! Denn als wir in dem Gehölz in der Dunkelheit nach der Beobachtungsstelle suchten, berührten die Füße auf  Schritt und Tritt die verstümmelten Glieder der Leichen der am Tage gefallenen Infanteristen, die sich hier, Loch an loch eingegraben, ihr eigenes Grab gegraben hatten. Das Heulen der Granaten und das Pfeifen der Infanteriegeschosse machte uns wenig aus, war uns neu, ja dieses Neue war für uns mehr interessant; aber dieser Anblick der Toten war uns furchtbar. Das war der Krieg! So ahnten wir, wie es wohl in unserer Beobachtung aussehen werde. Wir fanden sie. Von unseren schweren Verlusten dort wußten wir. Der schwer verwundete Richtkreisunteroffizier Zeifang, dessen einer Fuß blutüberströmt nur noch an einem Lappen hing, während er noch stundenlang bei vollem Bewußtsein war, der Tapfere hatte gesagt, wie wir ankamen und die Frage war, wer nun zuerst zurückgebracht werden sollte: „Nehmet Herrn Hauptmann zurück, mit mir ist es doch bald zu Ende!“ Er starb bald darnach in dieser Beobachtungsstelle, die nur aus einem flachen Loch von nicht viel über einen halben Meter Tiefe bestanden hatte und kaum Schutz gegen Infanteriefeuer bieten konnte. – So nahmen wir die teure Last. Es war nicht leicht, unserem Schwerverwundeten – ein Granatsplitter hatte ihm ein Loch in den Rücken, so groß wie eine Faust, geschlagen – nicht noch weher zu tun bei seinem brennenden Schmerz. Wir drei lösten uns gegenseitig ab, immer einer voraus, den besten Weg aussuchend und bahnend. Schlecht genug ging es durch das niedere Gehölz und die Büsche, über die Infanterielöcher und die Toten hinweg und von den Telephondrähten behindert. Wir waren kaum fort von der Beobachtungsstelle, so wurde das Infanteriefeuer stärker und stärker, unsere Infanterie ging vor, feindliche Maschinengewehre ließen ihre Geschosse pfeifen, rings um uns klatschte es in die Bäume, in die Erde. Nie seither bin ich je wieder durch solch Infanteriefeuer gegangen. Oft mußten wir uns niederwerfen, um auf dem ebenen Boden etwas Deckung zu finden und um den Schweiß abzuwischen, denn der Tag war heiß gewesen, und besonders mein Bruder, der am nächsten Tag auch eine schwere Verwundung erhalten sollte, war nicht gewohnt, solche Last zu tragen. Dabei sprachen wir dann mit unserem Batterieführer, wie es ihm gehe, ob wir’s ihm erleichtern könnten, denn daß wir nur diese elende Zeltbahn hatten, ihn zu tragen, mußte ihn wahnsinnig schmerzen. Er hatte aber immer nur den Wunsch: „Ihr bringt mich doch in meine Batterie?“ Daß Hauptmann Leube immer noch bei vollem Bewußtsein war, und daß wir ihn zurückbringen durften, das spornte uns an, uns zu beeilen, so gut es ging. Ich glaube, 20 Minuten brauchten wir dazu, dann konnten wir ihn im Unterstand unseres Geschützes ein besseres Lager bereiten. Sogleich war der Arzt zur Stelle; aber das sahen auch wir, seine Kanoniere, daß unser Hauptmann nicht lange mehr aushalten könne. So verschied unser geliebter Batterieführer dann eine Stunde darauf, während draußen die Kanonen wieder donnerten!.““




aus: „Das Württembergische Feld-Artillerie.-Regiment Nr. 116 im Weltkrieg“ Stuttgart, 1921

Samstag, 9. Mai 2015

9. Mai 1915


Ersatz-Reservist Eugen Mangold
XIV. Res.-Armeek. 54. Res.-Div., Inf.-Regt. 247, 3. Komp.,
gefallen 9. Mai 1915.
Der am 18. September 1887 in Menisweiler O.-A. Waldsee als Sohn der gestorbenen Schuhmachers-Eheleute Martin und Anna Mangold geborene Fräser Eugen Mangold arbeitete nach Schulentlassung in der Landwirtschaft. Später trat er in die hiesige Maschinenfabrik ein, vorwiegend in der Fräserei verwendet. Verheiratet seit 1912 mit Maria Doster aus Baindt, lebte er mit dieser in glücklicher Ehe. Mit dem 3. Mobilmachungstag mußte er sich in Ulm stellen, erkrankte nach 4 Wochen und wurde hierher entlassen. Bald wieder zum Garnisonsdienst eingezogen, rückte er vor Weihnachten 1914 ins Feld, kämpfte in Flandern und fiel am 9. Mai 1915 bei Ypern. Bei Molenhoek fand er seine letzte Ruhestätte. Die Witwe und ihr Kind – wohnhaft Sterngasse 7 hier – beklagen den frühen Tod des treuen Vaters und Ernährers.“

aus: „Schwäbische Helden Weingarten (in Wttbg.) im Weltkrieg“, Stuttgart 1920

„In der Frühe des 9. Mai besetzte das I. Bataillon die geräumte englische Stellung und ging darüber hinaus vor bis in das viereckige Waldstück, etwa 800 Meter südwestlich von Arrêt, das „Kanadierwäldchen“ getauft wurde. Weiter links wurde das sog. Klavierhaus besetzt. Das darin gefundene Klavier wurde später wohlbehalten nach Molenhoek gebracht.
Das Konvergieren der nach Ypern führenden Straßen machte sich jetzt gut bemerkbar. Die Truppen schoben sich in dem verengerten Raum ineinander. Auch hinderte der Bellewaardeteich das III. Bataillon am weiteren Vorgehen.
Das I. Bataillon richtete sich im Kanadierwäldchen ein und nach links bis an den Weg Eksternest–Ypern. Gegen Mittag trat fast völlige Ruhe ein, und die Leute schliefen in den niedrigen Gräben.
Inzwischen waren die Meldungen vom Zurückweichen der Engländer nach hinten gegangen. Die Leitung schloß daraus auf starke feindliche Erschütterung, ein Schluß, der gegenüber Engländern wohl nie richtig gewesen ist. Die Fortsetzung des Angriffes wurde befohlen, und gegen 5 Uhr erreichte dieser Befehl die vordere Linie.
Die Artillerievorbereitung auf eine unerkundete Stellung konnte nicht von Bedeutung sein. Als sich das I. Bataillon zum Sturm erhob, erhielt es von vorn und von halblinks ziemliches Feuer. Die feindlichen Schützen waren aber zunächst nicht zu sehen. Kampflos wurde der vorliegende Hof besetzt und Gutscherhaus genannt, denn von hier aus leitete der Bataillonsführer weiter den Angriff. Die 3. Kompagnie nistete sich in den Wäldchen links davon ein und beobachtete von da jenseits des Wassers englische Maschinengewehrschützen, die aus einem weithin sichtbaren weißen Gebäude, dem Schloß Hooge, schossen und andere, die sich am Ufer des Sees herumtrieben. Diese Engländer wurden mit sichtbarem Erfolge unter Feuer genommen, und die 3. Kompagnie konnte sich über das Gutscherhaus vorstoßend an der vorderen Ecke des Gehölzes festsetzen, das wegen seiner eigentümlichen Form Storchschnabelwäldchen genannt wurde. Rechts hing die 2. Kompagnie noch etwas zurück, da sie offenes Gelände vor sich hatte und starkes Feuer erhielt. Da ersuchte Major Gutscher um weitere Unterstützung. Es wurde ihm die 11. Kompagnie unter Oberleutnant Haffner zur Verfügung gestellt, die sich zunächst nach rechts zog in das Kanadierwäldchen und erst bei Dämmerung über das freie Feld vorkommen konnte, da es unter stärkstem Feuer lag. dann aber drang Oberleutnant Haffner über das I. Bataillon hinaus vor und besetzte den vordersten Rand des Storchschnabelwäldchens, wo er sich eiligst eingrub. Seine Stellung war an diesem und am nächsten Tage nicht beneidenswert, denn er erhielt von allen Seiten, auch vom Rücken her, Feuer und jegliche Verbindung mit ihm war abgeschnitten. Dann aber kamen auch die anderen Kompagnien vor, und es entstand eine zusammenhängende Linie. Am Bahndamm, an einem Haus mit Hecke, lagen die Sachsen, anschließend die 2. Kompagnie, dann fast im rechten Winkel vorgebogen 1. Kompagnie, dann 4., 11. und 3. im Storchschnabelwäldchen, 10. und 9. Kompagnie waren bis zum Gutscherhaus nachgerückt.
So war denn das Reg. 247 am weitesten vorgekommen an der Ypernfront. Seine Stellung hatte sich wie ein Keil in die Linie der Engländer, die im allgemeinen an der Straße Verlorenhoek–Bellewaardeteich lag, aber auf die Bellewaarde-Ferme zurückbog. Das feindliche Artilleriefeuer nahm an Stärke zu, auch ein ganz schweres Kaliber von 28 cm kam dazu; aber die Ziele waren noch unsicher. Der Gegner wußte noch nicht recht, wo wir standen.“




aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Freitag, 8. Mai 2015

8. Mai 1915


„Gleich in den ersten Tagen bekommt die Batteriestellung Feuer allerschwersten Kalibers. Wir selbst sind im heftigsten Schießen begriffen. Gilt es doch, die Infanterie bei einem Angriff zu unterstützen. Dutzendweise liegen Granaten und Kartuschen in greifbarer Nähe, Stapel von vollen Munitionskörben sind unmittelbar daneben aufgebaut. „Feuern, was raus geht!“ lautet der Befehl. Jeder gibt sein Letztes, denn es muß ernst stehen da vorne, das spüren wir alle. – Trotz des eigenen Gefechtslärms hört man ihn nur zu gut, den bekannten Ton der „ganz Schweren“. Hu . . a, Hu . . a, Hu . . a . . . . . . Immer lauter, immer näher. Sie lassen sich Zeit, diese unheimlichen Geschosse,  wie wenn sie wüßten, daß es vor ihnen doch keine Deckung gibt! „Hinlegen!“ hört man dann rufen. Dann . . . ein Schwanken des Bodens, ein ungeheures Krachen und ein nicht endenwollender Regen von Dreck und Eisenstücken. Vier Meter vor dem dritten Geschütz ist sie „herein“, ein Loch von 5 Meter Durchmesser und 2½ Meter Tiefe hinterlassend. Vier Meter weiter, und kein Fetzen wäre dort übriggeblieben. – Aber niemand ist verletzt, keine Munition explodiert. Noch ganz erschüttert säubern die Kanoniere notdürftig Verschluß und Geschützrohr von Erde und Dreckbatzen. Es ist ein Augenblick, in dem die Feuerdisziplin der Batterie auf härteste Probe gestellt wird.  Aber vorne bei der Infanterie geht’s auf Leben und Tod, da darf auch unsere Feuerkraft nicht erlahmen. Leutnant Bley hat die Feuerleitung. Er ist der Mann, der dieser Situation gewachsen ist. Während er bisher noch am Fernsprecher saß, Springt er nun plötzlich hinter die Batterie aufs freie Feld. Sie sehen ihn alle dastehen, mit seinem blinkenden E. K. I, hoch aufgerichtet; ungedeckt; hören sein Kommando, ruhig wie immer: „Weiterfeuern!“ hören, wie er dem dritten Geschütz, nur ein ganz klein wenig lächelnd, zuruft: „Da habt ihr Schwein gehabt!“ – und es wird weitergefeuert! Da hört man das Heranheulen von neuem. Herrgott läßt die sich wieder Zeit! In solchen Augenblicken werden Sekunden zur Ewigkeit. – Sie ist da! – Zwei Meter hinter dem zweiten Geschütz. Krach, Dreck, beißender schwarzer Rauch. Am Boden wälzt sich stöhnend der Geschützführer, von einem glühenden Granatsplitter in den Bauch getroffen, – Unteroffizier Dinkelacker von Böblingen. Erst nach einer halben Stunde wird er von seinen Leiden erlöst. Welcher Angehörige der damaligen 7. Batterie erinnert sich nicht mehr dieses mutigen, humorvollen Mannes mit seinem Schlauen Augenzwinkern? Unser Feuer stockt auch jetzt nicht. Ein Schuß 4 Meter vor der Batterie, der zweite 2 Meter dahinter. – Man braucht nicht Artillerist zu sein, um zu wissen, wo der dritte wohl sitzen werde. – Wir hören das leise Klagen des sterbenden Kameraden, aber wir feuern weiter. Mechanisch, ohne Gedanken an das, was kommen wird, in selbstverständlicher Pflichterfüllung bis zum Äußersten. – „Herrgott hilf!“ – Und das Wunder geschieht: Es kommt kein weiterer Schuß mehr..“



aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Donnerstag, 7. Mai 2015

7. Mai 1915


„Nun kam ein Mai, wie ihn die Dichter besingen, mit blauem Himmel und weißen Wolken, aber was will der Mai am Kuhkopf? Hier blühen keine Blumen, und der Boden läßt kein Gras mehr sprießen. Ein seltsames Bild, wenn man vom rechten Flügel des Abschnitts A hinüberblickte auf den etwas tiefer gelegenen Kuhkopf. Es war ein wüstes Gewirr von Sandsackaufbauten, Gräben und Sprengtrichtern. Eine weite Steinwüste. Hell brannte die Sonne auf dem weißen Sand. Ein paar Baumstümpfe waren übrig geblieben, und da und dort stand noch ein alter Kämpe aufrecht, aber er war zerfetzt von unzähligen Splittern und Geschossen, verbrannt und angekohlt von explodierenden Minen; trostlos griffen seine Äste ins Leere. Ihm weckte der Mai keine Zweige und kein Laub mehr. Ein braunes Stacheldrahtband zeigte die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland an.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1922

Mittwoch, 6. Mai 2015

6. Mai 1915


„Als Vizefeldwebel wurde Schäfer zum Inf.-Rgt. 124 einberufen und mußte bis Januar 1915 in Weingarten Heimatdienst tun. Aber das Garnison- und Kasinoleben widerte ihn an; war er doch mit seinem still zurückhaltenden, fast mädchenhaft zarten Gemüt keine von den Naturen, die sich mit rascher Begeisterung auf den Krieg einstellen konnten. Dazu kam, daß er seit Englands Kriegserklärung die Lage seines eigenen Vaterlandes, an dem er mit stillem Stolze hing, für sehr ernst ansah. So war er froh, als er Ende Januar 1915, nachdem er sich schon mehrmals vergeblich zur Front gemeldet hatte, als Offizierstellvertreter zum 2. Batl. seines Rgts. 124 ins Feld abkommandiert wurde. Männlich und ernst zog er hinaus, „ohne jede Illusion“, und so ist ihm auch keine zerstört worden; er fand das Waldleben in den Argonnen immerhin erträglicher als er sich’s ausgemalt hatte. Schon nach wenigen Tagen in vorderer Stellung wurde er durch einen Granatsplitter am Kopfe leicht verwundet. Aber sein „Schmiß“, den er, wie er nach Hause schrieb, trotz des väterlichen Fechtverbots nun eben doch bekommen habe, heilte rasch im Lazarett in Grandpré. Nach sechswöchigem Aufenthalt beim Rekrutendepot in Buzancy ging’s wieder in den Argonnenwald, voll Danks über die Bewahrung und voll guter Hoffnung für die Zukunft – aber sein Schicksal sollte sich rasch erfüllen. Am 6. Mai wurde er durch eine Flügelmine, vor der er die Deckung nicht mehr hatte erreichen können, getötet. Im neuen Waldfriedhof von Binarville hat er mit vielen anderen Freunden seine letzte Ruhestätte gefunden.
Paul Schäfer hat mit seinem selbstlosen und fast allzu bescheidenen Wesen unter den harten Daseinsformen des Feldlebens gelitten, wie er überhaupt den Krieg als den großen Würger innerlich verwarf. Aber gerade durch diese menschlich ansprechende Artist ihm manch guter Freund geworden. Und so ist es kein Wunder, daß sein Tod von vielen, die ihn auf der Hochschule, in Garnison und im Feld liebgewonnen hatten, betrauert wurde.“


aus: „Gedenkbuch der Tübinger Normannia für ihre Gefallenen“, Stuttgart 1921

Dienstag, 5. Mai 2015

5. Mai 1915


„5. bis 7. Mai brachten wenig Veränderung: I. Bataillon hatte jedoch mehr und mehr unter einsetzendem Artilleriefeuer zu leiden. II. Bataillon war wieder in den Nonne Boschen vorgezogen worden, baute dort Deckungen und schaffte Material für vorderste Linie herbei, III. Bataillon –.vom 4. bis 7. bald Brigade- bald Divisionsreserve – hatte Aufräumungsarbeiten und sammelte Beute in den verlassenen englischen Stellungen. Zu sofortigem weiteren Vorgehen auf den Gegner kam es leider nicht. Diese Gelegenheit benützte er, sich auf Höhe 50 südwestlich Eksternest einzugraben und Hindernisse anzulegen.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Montag, 4. Mai 2015

4. Mai 1915


„Unsere Posten und Patrouillen bemerkten am 4. Mai kurz vor Tagesanbruch starke Bewegung im feindlichen Graben. Kurz darauf wurde festgestellt, daß der Gegner im Begriff stand, aus seiner Stellung abzuziehen. Unverzüglich wurde die Artillerie von den gemachten Wahrnehmungen verständigt. Das in Stellung befindliche III. Bataillon unter Major Goez nahm sofort die Verfolgung des Gegners auf. Richtung und Ziel des Vorgehens waren schon seit Tagen bekannt. Trotz der Verluste durch die feindliche Artillerie stießen die Kompagnien doch bis zum Nordwestrand unseres Waldes vor. Hier fanden sie sich jedoch einer stark befestigten und gut ausgebauten Stellung auf der Doppelhöhe 60 gegenüber, an deren Angriff mit den vorhandenen Mitteln nicht zu denken war; sie gruben sich daher ein. Das Zurückbringen der Verwundeten auf der vom Feinde eingesehenen Schneise brachte auch den wackeren Krankenträgern Verluste.
Ein Blick in die verlassene englische Stellung zeigte, daß sie zwar taktisch richtig angelegt war, sich aber im Ausbau bei weitem nicht mit der unsrigen messen konnte. Nicht weniger als 17 Minenstollen waren gegen unseren rechten Flügel vorgetrieben. Große Mengen von Infanteriemunition, Handgranaten, Ausrüstungsstücken und Konserven hatten die Engländer zurückgelassen. Als besondere Merkwürdigkeit fand sich ein Sack mit stählernen Handschellen vor, die ihrer Stärke nach zum Fesseln eines Elefanten genügt hätten. Einzelne scheinbar zufällig liegen gebliebene Gegenstände, wie z. B. Ferngläser, waren durch Draht mit einem Sprengkörper verbunden, der bei Aufheben des Gegenstandes explodierte und dem Finder übel mitspielte. Nach aufgefundenen Papieren hatte die Besatzung dem 1. und 2. Cambridgeshires-Regiment und den Royal-Irish-Fusiliers angehört.
Im Zwischengelände lagen noch 173 unbeerdigte Leichen vom November 1914 her, darunter 53 von unserem Regiment. Das Begraben dieser Leichen war eine harte Arbeit, grauenhaft das Abnehmen der Erkennungsmarken und Bergen des Privatbesitzes. Es fand sich jedoch ein wackerer Mann, der auch diese Arbeit nicht scheute. Ein anderer 126er suchte und fand die Leiche seines am 2. November gebliebenen Bruders. In einer Zeltbahn trug er die Reste nach unserem Waldfriedhof und bestattete sie dort.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

Sonntag, 3. Mai 2015

3. Mai 1915


David Knehr
* 21. September 1887 in Weidenstetten (Württ.). Nic. W 1906. Pfarrer für Geißelhardt. Leutnant im R.I.R. 247. † 3. Mai 1915 bei Zonnebeke.

Bundesbruder Betz, der mit Knehr längere Zeit in derselben Kompagnie (9./247) zusammen war und unmittelbar nach dem Tode Knehrs die Führung der 8. Kompagnie, bei der Knehr stürmte und fiel, übernommen hat, berichtet folgendes:
Als Unteroffizier zieht Knehr im Dezember 1914 ins Feld zum Res.-Inf.-Reg. 247, er macht dort die Stellungskämpfe vor Ypern (Polygonfeldwald, Becelaere) mit. Drei Tage vorderste Stellung in den Schützengräben westlich Becelaere, drei Tage Bereit-schaftsstellung in Molenhoek mit nächtlichen Schanzarbeiten in der vordersten Stellung, drei Tage Ruhe in Dadizeele, war die gleichmäßig wiederkehrende Abwechslung. In Dadizeele hatte Knehr regelmäßig die Freude, seinen Leibburschen Gustav Gruner, den Feldgeistlichen der 54. Reservedivision zu sehen, welchem er auch gelegentlich im Amte aushalf.
Am 25. Februar 1915 wurde Knehr zum Vizefeldwebel befördert; am 21. April unmittelbar nach seiner Beförderung zum Leutnant, wurde er zufolge eines Regiments-befehls dann zur 8. Kompagnie versetzt. Nur ungern sah seine 9. Kompagnie ihn aus dem Verband des III. Bataillons scheiden.
Am 23. April 1915 begann der große Frühjahrsangriff gegen Ypern. Das gerade in Ruhe liegende II. Bataillon des Res.-Inf.-Reg. 247 mit der 8. Kompagnie wird für eine besondere Aufgabe aus seinem Regimentsabschnitt herausgezogen und nördlich davon eingesetzt. Beträchtliche Teile der feindlichen Stellung sind am 2. Mai genommen, noch aber steht das letzte Bollwerk der feindlichen Stellung, das Erdwerk Zonnebeke. Da erhält am 3. Mai das II. Bataillon den Befehl, auch dieses Bollwerk zu stürmen. Mit vorbildlicher Ruhe, aber einer Stoßkraft sondergleichen, stürmen die schwäbischen Bataillone gegen die feindliche Stellung an, schon hat die 8. Kompagnie die feindlichen Gräben erreicht, Knehr als einer der ersten. Da setzt ein vernichtendes Abwehrfeuer ein. Knehr, hoch aufgerichtet zum Nahkampf bereit, erhält mehrere Maschinengewehr-schüsse in den Bauch, Leber und Nieren; schwer verwundet bleibt er liegen, bis der Graben unser ist. Mit verzweifelter Erbitterung wirft sich alles dem Feind entgegen; mit Spaten und Pickel wir der letzte Endkampf ausgetragen. Das Bollwerk Zonnebeke, der Schlüsselpunkt für die feindliche Stellung bleibt in unseren Händen.
Schwer verwundet tragen seine Leute den so beliebten Führer zur Verbandstelle zum Feldarzt, Bundesbruder Lebküchner. Er kann nicht mehr helfen. Der auf die Kunde seines Fallens herbeigeeilte Leibbursch Gruner trifft ihn bereits still und bleich unter einer Zeltbahn in dem Kämmerlein eines zerschossenen Hauses des Verbandsplatzes Paschendaele.
Den Erfolg des Sturmes hat er nicht mehr erlebt, fluchtartig und kampflos hatte der Gegner am 4. Mai seine gesamten Stellungen bei S’gravenstafel, Zevenkote, Zonnebeke, Polygonfeldwald verlassen, die Stürmenden des 3. Mai hatten sich so für ihre Regimenter geopfert und den von der Division vorgesehenen Sturmangriff auf diese Stellungen erspart. Ohne Verluste konnte die 54. Reserve-Division ihre Stellungen um ca. 8 bis 12 Kilometer bis in die Höhe von Eksternest vorverlegen.
Die wenigen Überlebenden seiner Kompagnie, zu der ich zwei Tage später versetzt wurde, konnten nur voll innerer Rührung ihres gefallenen Führers gedenken. Mit seiner Herzensgüte, seiner schlichten und geraden Art hat er auch in der neuen 8. Kompagnie die Herzen in kurzer Zeit gewonnen. Bescheiden und zurückhaltend, wie er war, drängte er sich keinem auf, er war aber immer bereit zu helfen, wo man ihn brauchte und fand mit der ihm eigenen inneren Ruhe und Herzenswärme zur rechten Zeit das rechte Wort und die rechte Tat.
Vorbildlich ist er mit Ruhe und Bestimmtheit seinen Leuten zum letzten Sturm vorangegangen, gefaßt und still hat er die Schmerzen seiner schweren Verwundung getragen, aus Gottes Hand und in Gottvertrauen hat er den Todeskampf überwunden. –
David Knehr wurde geboren in Weidenstetten auf der Alb am 21. September 1887 als Sohn des Hilfswärters Christof Knehr. Kaum vierjährig verlor er den Vater durch einen Unfall und wuchs mit drei jüngeren Geschwistern unter der Erziehung der frommen Mutter auf, welche in schlichten, rührenden Worten den kurzen Lebensweg ihres Ältesten, von der ländlichen Dorfschule über die Lateinschule Göppingen, die Seminare Schöntal und Urach, die Hochschule und Garnison Tübingen bis zum frühen Abschluß in Flandern beschreibt. Dem Ortsgeistlichen, Pfarrer Paulus, der den begabten, armen Volksschüler zwei Jahre lang unterrichtete und dem Rektor F. Grunsky, der ihn in Göppingen zwei Jahre lang auf das Landexamen vorbereitete und ins eigene Haus aufnahm, setzte sie dabei ein schönes Denkmal der Dankbarkeit. Von der Nicaria sagt sie: Manch schöne Erinnerung blieb ihm von dieser Verbindung; sie hielten so treu zusammen in Freud und Leid, und manches Schöne und Edle durfte er in ihrem Kreise erleben. Nie hat er bereut, daß er sich dieser Verbindung angeschlossen hat. Auch die rechte Pfarrfrau fand sich für ihn, der nach drei Vikarsjahren auf die Pfarrstelle Geißelhardt ernannt wurde, diese Stelle aber infolge seines Ausmarsches nicht mehr antreten sollte.“


aus: „Gedenkbuch der Tübinger Nicaria für ihre Gefallenen“, Tübingen 1933