Montag, 30. April 2018

30. April 1918



„In der Nacht traf neue Munition ein, meist falsche, aber auch ein Stapel brauchbarer Geschosse. Die Gefechtsbagagen, die Munition, Bespannungen, Verpflegung, etwas In-fanterie und Artillerie waren in der Dunkelheit auf unserer Notrampe, einem wackeligen Bau von Bahnschwellen zu entladen; Licht hätte die feindliche Artillerie auf das Durch-einander gezogen und das hätte gerade noch gefehlt. Rangiergeleise besaß Haltepunkt Rjashenoje nicht; das Stationspersonal war geflüchtet und nur die russischen Lokomo-tivführer und Heizer unserer bewaffneten Lokomotiven hielten aus, freiwillige, präch-tige Burschen voll Abenteuerlust und Haß der roten Garde, die wir leider nur durch Anerkennung und Rubel belohnen konnten. Es geht alles; die Entleerung der Züge wurde ohne Unfall zuwege gebracht, so unmöglich das ausgesehen hatte.
In der Frühe des nächsten Tages waren 8./L. 126 und zwei weitere Feldbatterien ge-fechtsklar zur Stelle. II./L. 121, eben eingetroffen, verließ einige Kilometer hinter Rjashenoje seinen Transportzug und der Regimentsstab L. 121 übernahm den Befehl. Wir griffen an: III. Bataillon frontal, II./L. 121 nach Hakenmarsch flankierend von Os-ten her. Ein deutscher Flieger strich die feindlichen Gräben ab und wurde wild beschos-sen; unverschämt niedrig flog der Mann. Zwischen den in ihre Ausgangsstellungen rückenden Truppen und Kanonen tauchten plötzlich die Männer von Rjashenoje mit ihren Viehherden auf; sie glaubten alles vorüber. „Ihr verfluchten Kerls, wollt ihr wohl machen, daß ihr wieder fortkommt. Gleich geht’s los!“
Die Artillerie eröffnete den Kampf. III. Bataillon mit 8./L. 126 faßte die Bolschewisten von vorn an; vorerst nicht zu scharf; das II. Bataillon mußte sich erst in ihre Flanke geschlängelt haben. Am rechten Flügel trieb die Lokomotive des Leutnant Portheine ihr Unwesen mit M.-G.-Feuer nach rechts, links und vorwärts, das große Wort aber redete die rote Artillerie, sie beschoß alles, unsere Schützenkette, das Hinterland, Ort Rjash-enoje, unsere Batterien, den Regimentsgefechtsstand und auch Punkte, an denen gar nichts stand, beschoß alles mit wütender Ausdauer. Die 10. Kompagnie wurde beim Überschreiten eines Hügelrandes besonders heftig zugedeckt; wie durch ein Wunder traten keine Verluste ein. Bolschewistisches Gewehr- und M.-G.-Feuer um uns; wie sie hinter ihren Erdwällen auftauchten, abzogen und schnell den Kopf wieder wegsteckten, die feindlichen Schützen! Unser Feuer hielt sich vorerst in Grenzen; unser Augenblick war noch nicht gekommen.
Der rote Stab schien auf einer der Windmühlen eingerichtet; der lebhafte Verkehr verriet’s. Jetzt mußte er unser II. Bataillon entdeckt haben; eine Gruppe der feindlichen Batterien drehte nach Osten ab und legte dorthin einen dicken Feuergürtel, andere pfef-ferten weiter auf das III. und in den Ort Rjashenoje. Ein Blick zurück. In den Dorf-straßen warteten, durch die Bauernhäuser zur Not gegen Sicht gedeckt, unsere Bespan-nungen, M.-G.-Fahrzeuge, die Gefechtsbagagen und Munitionskolonnen, auf engen Raum zusammengedrängt; wenn das nur gut ging! Strohmieten und ein Gehöft standen in Flammen, schwarzer Qualm lagerte über dem Nest, Erdfontänen spritzten überall auf. Eine Batterie galoppierte mitten durch nach vorn; Oberleutnant Greiß wechselte die Stellung.
Mulden und Falten benutzend hatte sich das II./L. 121 von Osten her in höllischem Artilleriefeuer bis 10 Uhr vormittags an den rechten Feindlichen Flügel vorgebracht und Verbindung mit der 12./L. 121 aufgenommen. Von vorn oder flankierend, wie es kam, wurde jetzt zugepackt, die vorgeschobenen Nester des Feindes wurden im Nahkampf überwältigt. Beim Überschreiten eines Höhenrandes lag unversehens eine längere rote Schützenlinie senkrecht zur Front des II. Bataillons, das ihr durch Flankenfeuer prompt den Garaus machte. Stoßtrupps schwenkten nach seitlich gestaffelten Stellungen und hoben sie auf; der rechte Flügel der Bolschewisten wurde zermürbt und auseinander-getrieben.
Entscheidend griff Oberleutnant Greiß jetzt von seiner neuen Feuerstellung ein und die lauteste der roten Batterien verstummte. Der feindliche Windmühlengefechtsstand wur-de in Brand geschossen, der rote Stab zersprengt; unsere Artillerie riß fühlbar die Feuer-überlegenheit an sich.
Während III. Bataillon frontal den Sturm ansetzt, rollt das II. die feindliche Stellung von Osten her auf. Das Gefecht hat seinen Höhepunkt erreicht, die Maschinengewehre bei-der Seiten hämmern unaufhörlich, Geschosse und die dumpfen Schläge der krepieren-den Granaten peitschen durch die Luft. Immer stärker treten die deutschen Waffen her-vor, immer mehr schwächt der Gegner ab; er weicht unter dem flankierenden Einbruch; wetterndes Verfolgungsfeuer, und er flieht, was er laufen kann; das zerklüftete Land erleichtert ihm das Entkommen. In einem Zug wird seine erste und zweite Stellung genommen; da und dort flackert das Feuer gegen neuen Widerstand noch einmal auf, dann durchkämmen unsere Schützenketten das Gebiet, Gewehre unter dem Arm, die Nase nach Süden, sammeln Beute, machen Gefangene.
Es ist Nachmittag geworden. Was vom Feind nicht auf dem Gefechtsfeld liegen blieb, flüchtete in Bahnzügen nach Taganrog. Leutnant Portheine besserte die Geleise aus und jagte ihnen nach. Mit ungeschickt angelegten und besetzten Aufnahmestellungen der Bolschewisten beiderseits der Bahn machten seine Maschinengewehre kurzen Prozeß und wo die nachfolgenden Kompagnien auf tote Bolschewisten stießen, fehlte diesen die Fußbekleidung: „denen hat der Panzerzug die Stiefel ausgezogen“ – wir brauchten das Schuhwerk, und brachte man es nicht in Sicherheit, so nahmen es die Landesbewohner, welche die Gefallenen grundsätzlich bis auf die nackte Haut ausplünderten.
Regimentsstab und II. Bataillon gingen in Pokrowskaja zur Ruhe über, während III./L. 121 mit der 1. Batt./Landw.-F.-A.-R. 1 abends Sicherungen in Linie Nowo-Troitzkoje – Bahnhof Koschkino einnahm. Zu später Nachmittagsstunde belegte ein deutscher Flie-ger, der anscheinend von den Vorgängen keine Ahnung hatte, unser I. Bataillon auf Bahnhof Neklinowka mit Bomben; Leutnant Rieg wurde tödlich verwundet.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925

Sonntag, 29. April 2018

29. April 1918



„Am 29. April setzte plötzlich 3 Uhr nachmittags ein heftiger Feuerüberfall leichter Minen und Gewehrgranaten auf den Abschnitt (Danzig) der linken Flügelkompagnie und die Sappe (David) vor der Mitte von Danzig ein. Mit dem Hochgehen einer weißen Leuchtkugel 3.40 Uhr nachmittags wurde das Minenfeuer östlich David verlegt und so unser erster Graben nach vorwärts abgeriegelt. Gleichzeitig griffen 8 – 10 Engländer die beiden Posten der Sappe David an. Beide – Gefr. Krauß* und Musketier Seebold der 7. Kompagnie – stürzten sich obwohl durch Minensplitter schon bedenklich verwundet, mit Handgranaten auf den mit aufgepflanztem Seitengewehr anstürmenden Gegner und zwangen ihn zur Umkehr. Gefr. Krauß erlag leider am gleichen Tage seinen schweren Verletzungen, Musketier Seebold wurde mit dem E. K. I ausgezeichnet.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923


*Knauß

Samstag, 28. April 2018

28. April 1918



„Man lag im sogenannten „Niemandsland“, in Quéant waren vom vorjährigen deutschen Rückzug her sämtliche Brunnen verstopft. Um Wasser zu bekommen, mußte die dortige Kompagnie in mühseliger Arbeit durch den Kreidefels hindurch einen tiefen Schacht graben. Die ganze Gegend war leblos, alles zerstört. Nicht einmal Vögel gab es mehr, nur an Ratten und Mäusen war Überfluß. Die einstigen Waldungen waren zerschossen, das Gelände von unzähligen Granatlöchern durchfurcht. Auf Schritt und Tritt stieß man auf Blindgänger, auf verlassene deutsche und englische Gräben, auf Drahthindernisse, in denen noch die Gerippe vermoderter englischer Soldaten hingen. Es war das Gebiet der einstigen Sommeschlacht, mein Bild des Todes. Wie anders waren die Bilder gewesen, die man in Italien drunten in sich aufgenommen hatte! Täglich gab es heftige Flieger-kämpfe. In strenger Arbeit eilten die Wochen dahin.“

aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929

Freitag, 27. April 2018

27. April 1918



„Am 27. April, 4 Uhr morgens, wurde auf die Nachricht hin, daß die Engländer Teile des Inf.-Reg. 478 zurückgedrängt haben, Angriffsbereitschaft eingenommen, die Unter-stützungen der beiden anderen Bataillone hinter deren linken Flügel geschoben, vom Bataillon in Reserve Sicherungen und Erkundungspatrouillen nach Südwesten hinter den rechten Flügel der vordersten Linie des Inf.-Reg. 478 entsendet. Tatsächlich hatten ohne Feuervorbereitung Australier das Inf.-Reg. 478 angegriffen und teilweise zurück-gedrängt. Das als Divisionsreserve bestimmte Bataillon des Füs.-Reg. 122 trat zum Gegenstoß an und brachte den Angriff, der auf den Abschnitt des Inf.-Reg. 479 nicht übergegriffen hatte, zum Stehen.
In der Nacht vom 27. zum 28. April wurden die noch im Abschnitt verbliebenen Teile des Reg. 479, das I. und II. Bataillon mit der 12. Kompagnie durch zwei Bataillone des bayrischen Ersatz-Inf.-Reg. 3 abgelöst. Die Ablösungen erfolgten ohne Störung.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 479“, Stuttgart 1923

Donnerstag, 26. April 2018

26. April 1918



„Die natürliche Folge des deutschen Angriffs war eine Steigerung der Tätigkeit und eine Vermehrung der feindlichen Artillerie. Die Waldstücke von Vaire, Accroche und Tailloux rauchten von den Einschlägen der feindlichen Granaten. Jede erkannte Stellung wurde wütend beschossen. Die beherrschende Höhe 104 bot hierzu den Engländern einen vorzüglichen Beobachtungspunkt.
Mit ganz kurzen Unterbrechungen lag nunmehr das Regiment seit 26. März im Mittel-punkt der Kämpfe an der Somme. Kleidung und Schuhzeug war allmählich zerrissen. Die unregelmäßige Nahrung, die meist kalt und abgestanden in die kämpfende Front gelangte, schwächte die Gesundheit. Die kalten Nächte, das tagelange Liegen im Wasser und Schmutz brachten Fieber und Erschöpfung. Und dennoch blieb der Krankenstand ein außerordentlich niederer. Wie manche hätten, oft mit gutem Grund, die Hilfe des Arztes in Anspruch nehmen können. Sie haben es nicht getan, sondern bei ihren Kame-raden in der Front ausgehalten.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 25. April 2018

25. April 1918



„Kurz nach Mitternacht am 25. April bricht unter heftigem Feuer auf unsere rück-wärtigen Stellungen der englische Gegenangriff los. Dem Inf.-Regt. 48 wurde durch englische Massen das Dorf Villers Bretonneux wieder entrissen und von dort aus gelang es dem Gegner, unserem II. Bataillon in Flanke und Rücken zu kommen. Die 6. Kom-pagnie am linken Flügel wurde trotz heftigen Widerstandes völlig aufgerollt und nur noch Trümmer kamen zurück. Die 8. und 7. Kompagnie, die Gefahr noch rechtzeitig erkennend, können sich etwa 450 Meter zurückziehen und dort wieder erneut aufbauen und dem Gegner energisch Halt gebieten.
Am Morgen des 25. ist die Lage ziemlich ungeklärt, besonders ist der Verlauf der vorderen Linie nicht einwandfrei festgestellt. Das Regiment entsendet daher in den frühen Morgenstunden seinen Ordonnanzoffizier, Leutnant d. L. Feil (Wilh.) und seinen Nachrichtenoffizier, Leutnant d. R. Reichert, zur Erkundung nach vorne. Leutnant Feil geht im Schutze des Frühnebels die vordere Stellung in Begleitung eines Artilleriever-bindungsoffiziers, Leutnant d. R. Steiner, Feldart. 238, ab. Da, als sie ihre Aufgabe fast erfüllt hatten, hebt sich für einen Augenblick der Nebelschleier und aus nächster Nähe rattert ein feindliches Maschinengewehr los. Leutnant Feil sinkt schwer durch den Hals getroffen zusammen, Leutnant Steiner will den blutenden Kameraden verbinden, doch zu Tode getroffen fällt er über den Schwerverwundeten. Treue Mannschaften holen Leutnant Feil unter Lebensgefahr zurück in den Sanitätsunterstand des Regiments. Dort zeichnet der durch Blutverlust völlig erschöpfte Offizier, dessen durchschossene Zunge jegliche Sprache versagt, die von ihm festgestellte lückenlose vordere Linie mit zittrigen Strichen auf Meldekarte, ehe er ohnmächtig auf der Tragbahre zurücksinkt.
Mit zäher Energie versucht es der Gegner unablässig, unsere Linien zurückzudrücken, aber nur kleine Grabenstücke müssen ihm nach hartem Kampf preisgegeben werden. Das Tags zuvor mühsam Eroberte geht so allmählich wieder verloren; bitter, sehr bitter, das erdulden zu müssen. Aber das Regiment ist von dem langen Einsatz und dem an-dauernden trommelartigen Feuer des Gegners so abgekämpft und zusammengeschossen, daß die Linien zu licht sind, um den Massenanstürmen der Engländer erfolgreich in den halbverschütteten Löchern Widerstand zu leisten.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 479“, Stuttgart 1923

Dienstag, 24. April 2018

24. April 1918



„Auf 24. April ist der Angriff befohlen; die Division greift im Verband des XIV. Armee-Korps (243. Inf.-Division, 2258. Inf.-Division und 4. Garde-Inf.-Division) mit dem süd-lich anschließenden XI. Armeekorps den Gegner zwischen Straße Warfusée – Aban-court – Amiens (Römerstraße) und dem Lucebachtal an. Der Division ist bei diesem Angriff die besondere Aufgabe gestellt, die rechte Flanke der 228. Inf.-Division zu decken. Die Hauptlast des Angriffs der Division ruht auf dem Regiment, während die beiden Schwesterregimenter 479 und 122 ein sehr nahes Angriffsziel haben beziehungs-weise überhaupt in ihren alten Stellungen bleiben. Der Angriffsbefehl weist dem Regi-ment die Höhe 104, 1 km nordöstlich Villers Bretonneux zu, eine flach ansteigende, von vielen englischen Gräben durchzogene Kuppe, auf der durch unsere Beobachter zahlrei-che M.-G.-Nester festgestellt sind. Unter unermüdlichen Vorbereitungsarbeiten, die bis ins Kleinste gehen, naht der schicksalschwangere 24. April heran. Schlagartig setzt in der Frühe dieses Tages unsere Artillerie mit ihrem Vernichtungsfeuer auf die feindlichen Gräben und Batterien ein. Die Minenwerfer des Regiments, unter Leutnant d. R. Kolmar zusammengefaßt, schleudern Mine auf Mine in die nächsten Feindgräben. Zweiein-viertel Stunden tobt der Eisenhagel auf die englischen Stellungen nieder, dann setzt sich 7 Uhr vormittags langsam die Feuerwalze in Bewegung, hinter der unser II. Bataillon zum Sturm vorgehen soll. Doch kaum hat sich die erste Sturmwelle aus unseren Gräben erhoben, als von der Höhe 104 die gut versteckten, unversehrt gebliebenen englischen Maschinengewehrnester mit wenigstens 6 – 8 Gewehren flankierend gegen die Stürmen-den losrattern. Das Bataillon muß zähneknirschend unter empfindlichen Verlusten wieder in die Sturmausgangsstellung zurück. Auch das Nebenregiment rechts 479 und links 48 sind nicht vorwärts gekommen; immer und immer wieder versuchen es die Angriffsbataillone, sich vorzuarbeiten, aber jedesmal schlägt ihnen ein rasendes M.-G.-Feuer von der Höhe entgegen. Solange auch nur eins der feindlichen Maschinengewehre aus so günstig überhöhend-flankierender Stellung unsere Linien bestreicht, ist es jedem Lebewesen unmöglich gemacht, über das zum Feind langsam und deckungslos anstei-gende Gelände vorzukommen. Der Regimentskommandeur, Major Bürger, fordert zu-sammengefaßtes Artilleriewirkungsfeuer auf Höhe 104 an und setzt unsere Infanterie-Begleitbatterie, die Batterie Krauß (5./Feldart.-Regt. 238) zur Bekämpfung der M.-G.-Nester mit direktem Schuß ein. Wiederum braust der Eisenhagel auf die zerwühlte Höhe 104, vorzüglich geleitet von dem Kommandeur der Nahkanpfartilleriegruppe, Haupt-mann d. R. Schlösser, mit dessen tatkräftiger und hilfsbereiter Unterstützung das Regi-ment schon so manche harte Nuß geknackt hat. Die Wirkung bleibt nicht aus. Als das II. Batl. gegen 11 Uhr vormittags erneut zum Sturm antritt, zeigt es sich, daß die englischen Maschinengewehre zum Schweigen gebracht sind, und der Angriff schreitet rasch vor-wärts. Mittlerweile hat das südlich vorgehende Regiment 48 von Tanks und Flammen-werfern unterstützt Villers Bretonneux genommen und fördert unsern schwierigen An-griff gegen die Höhe 104 durch flankierendes Eindrehen nach Norden.
Durch die Schwenkung um den liegengebliebenen Drehpunkt bei 122, die das Regiment während des Angriffs ausführen muß, entsteht zwischen dem Regiment und Inf.-Regt. 8 eine große Lücke, die in schwierigster Lage durch unsere 9. und 10. Komp. geschlossen werden muß. Der pflichttreue Kompagnieführer der 9. Komp., Leutnant d. R. Goll, findet hier den Heldentod, während der Führer der 10. Komp., Leutnant d. R. Drechsel schwer verwundet wird.
Um die Mittagszeit hat das II. Batl. die Höhe 104 genommen und nahezu 200 Engländer mit 4 Offizieren gefangen. Doch jetzt beginnt die schwerste Aufgabe für den Angreifer: das zu behaupten, was man in blutigem Ringen dem Feind entrissen. Zwar hat der Engländer an diesem Tag nicht mehr die Kraft und genügend frische Truppen, um im Gegenangriff das verlorene Gelände unseren siegreichen Regimentern streitig zu machen, aber umso sicherer wird er in der kommenden Nacht vorstoßen. Schon kom-men auch unsere Flieger zurück und melden, daß sie hinter der feindlichen Front verschiedene Kolonnen aller Waffen im Anmarsch auf die gefährdete Front gesehen hätten.
Der Regimentskommandeur läßt höheren Orts keinen Zweifel darüber, daß die abge-kämpften Bataillone einem energischen Gegenangriff der Engländer, wie er zweifellos zu erwarten sei, nicht mehr standzuhalten vermögen; aber umsonst.
Schon in der beginnenden Dämmerung beginnt der Gegner mit allen Kalibern unsere neugewonnenen Stellungen zuzudecken und besonders die rückwärtigen Stellungen systematisch zu behämmern. Das nervenaufreibende Feuer hält die ganze Nacht hin-durch ununterbrochen an. Die unzulänglichen Erdlöcher werden zum Teil eingeschos-sen, zum Teil rutschen sie durch die Erschütterung der in der Nähe einschlagenden Granaten in sich zusammen. Gar mancher Offizier und Musketier wird von seinen Kameraden aus solch verschüttetem Unterschlupf herausgegraben und vom sicheren Tod des Erstickens errettet. Leutnant d. R. Warth, Führer der 4. Kompagnie, bleibt seit jenem Tag vermißt; er wurde jedenfalls, von niemand beobachtet, verschüttet und ruht unerkannt auf jenen so heiß umkämpften Feldern von Villers Bretonneux.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 479“, Stuttgart 1923

Montag, 23. April 2018

23. April 1918



Sergeant Franz Grün.
XIII. Armeek., 27. Div. Inf.-Rgt. 124, 3. Komp.,
.gefallen am 23. April 1918.
Franz Grün ist geboren den 5. Dezember 1890 in Weingarten als zweites Kind des Obermüllers Matthias Grün und dessen Ehefrau Josefa, geborene Beck. Vom 7. bis 12. Lebensjahr besuchte er die hiesige Volksschule und machte durch seinen Fleiß und seine Wohlgezogenheit den Lehrern Freude. Weitere vier Jahre verbrachte er im Gymnasium des Missionsklosters Steyl in Holland. Ungern sahen ihn seine Vorgesetzten und Stu-diengenossen aus ihrer Mitte scheiden. Er zog wieder in die Heimat, um, seiner Neigung entsprechend, das Schlosserhandwerk zu erlernen. Nach 3-jähriger Lehrzeit, in der er auch die städtische Gewerbeschule als strebsamer Schüler besuchte, bestand er die Gesellenprüfung mit Note 1 und arbeitete dann als Geselle in der Maschinenfabrik hier bis zu seiner Einberufung zum Militärdienst am 11. Oktober 1910.
Nach 1-jähriger Dienstzeit wurde er zum Gefreiten befördert und versah von da ab den Dienst als Kompagnie-Schreiber. Nach Entlassung vom Militär arbeitete er wieder auf seinem Handwerk in der Maschinenfabrik bis 30. Juli 1914. Voll Siegeshoffnung zog er am 2. August mit dem Regiment 124 ins Feld, teilte dort mit diesem alle Strapazen und Kämpfe, Freuden und Leiden, bis er im August 1917 zu einem Waffenmeisterkurs nach Spandau kommandiert wurde. Von dort zurück wurde er in die Waffenmeisterei kom-mandiert bis zum Frühjahr 1918. Im Februar genannten Jahres wurde er, seit April 1917 Unteroffizier, zum Sergeanten befördert. Wieder an die Front gestellt, wurde er am 22. März 1918 leicht am Kopf verwundet. Nach 14-tägigem Aufenthalt im Feldlazarett No. 10 kehrte er zu seinem Regiment zurück. Bei einem Nachtgefecht vom 22. auf 23. April bei Albert wurde er am Kopf verwundet und auf dem Wege zum Verbandsplatz von einer Granate so schwer getroffen, daß er nach kurzer Zeit verschied. Auf dem Ehren-friedhof Aveluy ist er begraben.
45 Monate war der tapfere Held im Feld, bis zum Tode seinen guten, christlichen Grundsätzen getreu. Er war Inhaber des Eisernen Kreuzes II. Klasse, der silbernen Verdienstmedaille und der Militär-Verdienstmedaille für 9-jährige Dienstzeit und trug das schwarze Verwundeten-Abzeichen. Schönste Hoffnungen seiner betagten Eltern hat der Brave mit ins Grab genommen.“

aus: „Schwäbische Helden Weingarten (in Wttbg.) im Weltkrieg“, Stuttgart 1920


Sonntag, 22. April 2018

22. April 1918



„Nachdem durch einen abgeschossenen und eingebrachten Engländer von der 11./124 die 35. engl. Division festgestellt war, sagte am 22. April ein an einer anderen Stelle gemachter Gefangener aus, am Abend des 22. sei ein größerer Angriff geplant. Vor-kommandos der 3. Marine-Div. befanden sich bereits in unserer Stellung, um eine dem-nächst vorgesehene Ablösung vorzubereiten. Für alle Teile wurde erhöhte Gefechtsbe-reitschaft befohlen, die in den letzten Wochen geleistete Arbeit machte sich jetzt bezahlt, war doch fast überall ein durchlaufender Graben entstanden, der der Kampf-truppe einen Halt bot, auch Bereitschaften fanden schußsichere Unterkunft am Bahn-damm. Drahthindernisse waren überall gezogen.
8.20 Uhr abends beobachtete die 3./124 auf den Höhen von Bouzincourt starke feind-liche Kolonnen im Anmarsch. 8.50 Uhr abends setzte schlagartig Trommelfeuer auf die Stellungen ein, alle Straßen und Aveluy lagen unter dem Feuer mittlerer und schwerer Kaliber. Nach wenigen Minuten schon verlegten die Engländer ihr Feuer nach rückwärts und traten zum Angriff an, wie immer in dichten Wellen. Durch Leuchtzeichen ange-fordert, setzte unser Sperrfeuer ein, Infanterie und M.-G. feuerten, was aus den Geweh-ren ging. 100 Meter vor der Stellung kam der Anlauf ins Stocken und kriechend ver-suchte der Gegner, sich der Stellung zu nähern. Unter schweren blutigen Verlusten wur-de er überall abgewiesen. Bei der 2./124 hatten 2 leichte M.-G. mit ihren tapferen Bedienungen den Hauptanteil bei der Abwehr, bei der 3. Kompagnie die schweren M.-G. der 1. M.-G.-K. 9.45 Uhr abends war der Gegner überall wieder zurückgegangen, die Artilleriebeschießung dauerte bis 11 Uhr abends an. Höchste Anerkennung verdienten auch die Meldegänger, die von der vordersten Linie zum K.-T.-K. und von dort zum Regiment nach Aveluy die Nachrichten brachten. Die Fernsprechleitungen waren alle durch Feuer zerstört, auch die Funkenstation beim Regimentsgefechtsstand hatte durch die Einschläge schwerer Granaten so gelitten, daß sie nicht mehr arbeitete. Gegen 4 Uhr morgens trat dann Ruhe ein. Das Regiment hatte 92 Mann verloren, darunter 23 Tote.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921

Samstag, 21. April 2018

21. April 1918



„Das Schwergewicht der großen Angriffshandlung liegt zurzeit im Norden. Der Angriff der 17. Armee wird daher vorläufig eingestellt, das Gewonnene behauptet. Starke Staf-felung nach der Tiefe, Schaffung einer Hauptwiderstandslinie in weiter rückwärts befindlichem günstigerem Gelände ist für das Regiment jetzt Hauptaufgabe. Erneut treten die Bataillone somit in die Abwehrschlacht über. Sie erfordert die größten Opfer an körperlichen und seelischen Leistungen. Der Weg in die Stellung ist für die Truppe der schwerste Gang. Schon weit rückwärts liegen Unterkünfte und Lager unter schwe-rem Feuer, alle Anmarschwege sind mit Einbruch der Dunkelheit durch Feuerüberfälle äußerst gefahrvoll, das Gelände außerhalb der Wege ein übles Trichterfeld.  Material-, Munitions- und Essenträger haben es nahezu schwerer als die nächsten Schützen am Feind; jede Nacht bringt neue Verluste.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Freitag, 20. April 2018

20. April 1918



„Mehr als 1000 Kilometer waren in den zwei Monaten des Vormarsches bis hierher zurückgelegt worden, etwa das anderthalbfache der Luftlinie Hamburg – Basel; nun trennten uns noch 130 Kilometer vom Donetzkohlebecken. Der Feind, bestrebt sich dieses wichtige Gebiet zu erhalten, verschärfte seinen Gegendruck merklich.
Unser Angriff auf das Kohlenrevier wurde konzentrisch angesetzt: andere deutsche und österreichische Kräfte auf seinen Nord- und Südteil, unsere Division auf die Mitte. Sie spaltete sich dazu in zwei Gruppen: Detachement Meyer-Clason entlang der Eisenbahn; Gruppe Bopp südlich derselben der Luftlinie nach über Land und am 20. April begann die Bewegung.
Schon beim Anmarsch zur Versammlung erhielt Detachement Meyer-Clason (II./L. 121, ½ I. /L. 126 und II./Landw.-F.-A.-R. 1) schweres Artilleriefeuer; nach weiteren 1000 Metern stand es einer nördlich Proczenaja ausgebauten, breiten und stark besetzten Höhenstellung gegenüber. II./L. 121 zum Angriff vor. Es ging hart, sehr hart; schritt-weise mußte die Schützenkette sich gegen den feuerspeienden Berg ankämpfen; nacheinander verausgabte das Bataillon sämtliche Maschinengewehre und seine vier Kompagnien; rasendes Feuer hämmerte auf sie nieder, wie die dünne Linie sich lang-sam, aber unaufhaltsam hangaufwärts vorschob. Nur M.-G.-Zug Wiederhold und ein Zug unserer 6. Kompagnie kamen nördlich der Geleise in ergiebigeren Sprüngen voran; eine Kompagnie des L. 126 verlängerte. Nun waren sie am Feind, hakten an seinem rechten Flügel ein, drückten denselben zusammen und umfaßten ihn schließlich von Norden her. Gut. Die Zusammenfassung der gesamten roten Artillerie gegen diese gefährliche Ecke wendete das Verhängnis nicht mehr ab; die nördliche Gruppe des Gegners kam in Unordnung und wurde auf Proczenaja zurückgeworfen. In diesem Augenblick schmiß Leutnant Wiederhold seine Maschinengewehre auf die Fahrzeuge, jagte weit vor, warf sie, ohne jede Bedeckung, in neue Feuerstellung und schmetterte der südlich der Bahn kämpfenden Gardistenfront direkt in die Seite, was seine Mündun-gen hergaben; unsere Batterien stimmten mit äußerster Kraft ein. Die Entscheidung; der Feind brach zusammen; der alte Grundsatz des Exerzierfeldes: frontal angreifen, links umfassen – hatte wieder einmal zum Ziel geführt. Haufen gefallener Bolschewisten blieben liegen, als sie zurückfluteten, Haufen der Fliehendes bissen im Verfolgungsfeuer ins Gras; sie hatten sich tapfer gehalten, das war keine Frage. Ein Panzerzug mit Geschütz, viele Maschinengewehre, Waffen, rollendes Material usw. wurden erbeutet.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925

Donnerstag, 19. April 2018

19. April 1918



„Die Franzosen hatten in letzter Zeit einige Vorstöße am Mont Renaud unternommen und dabei vorübergehend kleine Erfolge erzielt. Die als Artillerieverbindungsoffiziere kommandierten Offiziere, darunter besonders Leutnant Günzler und Fähnrich Gminder, hatten die Infanterie in hervorragender Weise durch Einsetzen ihrer Person unterstützt. Der tüchtige Fähnrich Gminder fiel am 19. April beim Vorgehen auf seinen Posten in der Nähe der Kathedrale von Noyon einer feindlichen Granate zum Opfer; seine Beförderung zum Leutnant war an demselben Tage erfolgt. Auch die als Meldegänger und Fernsprecher bezw. Blinker bei den Artillerieverbindungsoffizieren eingeteilten Mannschaften lieferten anerkennenswerte Beweise von Tapferkeit. Es kam wiederholt vor, daß solche Leute durch Volltreffer verschüttet wurden und dem Tode ins Auge gesehen haben. Auch die Beobachtungsstellen auf und am Mont Simeon und auf der Höhe von Larbory hatten in dem sie treffenden Feuer keinen leichten Stand.“

aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Mittwoch, 18. April 2018

18. April 1918



„Die deutsche Artillerie hatte man mit Ausnahme ganz weniger Batterien hinter die Avre zurückgenommen. Der Grund dieser Maßregel war wahrscheinlich, daß sich die Munitionsbeifuhr über den Fluß und seine zerschossenen Brücken herüber nicht auf die Dauer durchführen ließ. Es mußte aber unter diesen Verhältnissen das Sperrfeuer aus den deutschen Geschützen auf den Grenzen von deren Schußweite abgegeben werden, mit dem Erfolg, daß das Feuer meist recht pünktlich und wirkungsvoll in unsere eigenen Gräben einschlug. Wirkungsschießen gegen die feindlichen Stellungen war unter diesen Verhältnissen für die meisten deutschen Geschütze völlig ausgeschlossen, die Franzosen saßen in ihren Linien ruhig und unbehelligt von unseren Granaten.
So gehörte die Lage bei Sauvillers zum Schlimmsten, was das Regiment taktisch wäh-rend des ganzen Kriegs auszuhalten hatte. Dazu kamen aber auch noch für die Verpfle-gung außerordentliche Schwierigkeiten. Der schon im Frieden bestehende Avreübergang bei Braches samt seinen Zufahrtsstraßen lag fast ständig unter feindlichem Feuer. Seine Benutzung war nahezu unmöglich, insbesondere für Fahrzeuge. Ein von unsern Pionier-en angelegter Kolonnenweg mit Brücke wurde bald von feindlichen Fliegern erkannt und hatte dann dasselbe Schicksal. Ferner wurde der Avregrund in breiter Ausdehnung von der Franzosen immer und immer wieder vergast. Es war unter diesen Umständen stets schwierig, manchmal aber völlig unmöglich, Verpflegung nach vorne zu bringen.
Da wurde Schmalhans Küchenmeister, wie bis dahin im Regiment noch niemals, und an manchem Tag galt das Fleisch erschossener Pferde, im Kochgeschirr gesotten, oder in dessen Deckel geschmort, als beneidenswerter Leckerbissen.
Der Troß des Regiments hatte bei dem gefährlichen Vorbringen Verluste erlitten. Noch bedeutender aber waren die, welche ihm die feindlichen Flieger durch Bombenabwurf gegen seine Quartiere hinten in Hangest zufügten.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Dienstag, 17. April 2018

17. April 1918



„Da weitere Angriffsabsichten vorerst nicht bestanden, konnte der Abschnitt dünner besetzt werden, ein Bataillon kam zurück in Ruhe in ein Biwak bei Contalmaison. Von rückwärts wurden durch Lastkraftwagen Wäsche und sonstige Bedürfnisse für die Truppe herbeigeholt. Bis jetzt war alles seit 21. März auf den geringen bei der Offensive mitgeführten Troß angewiesen gewesen. Da Wasser in den Biwaks völlig fehlte, so konnte die Wäsche nicht gereinigt werden, selbst wenn sonst die Möglichkeit dazu vorhanden war.  Anderes Wasser als aus Granattrichtern gab es nicht, die von den Engländern angelegte großzügige Wasserversorgung war von ihnen beim Rückzug zerstört worden. Auch mit der Ruhe in dem Biwak bei Contalmaison war es nicht weit her. Der Gegner begann täglich mehr mit weittragenden Geschützen alle rückwärtigen Lager, in erster Linie die von ihm selbst früher gebauten, dann aber auch alle Biwaks zu beschießen. Auch Aveluy kam immer mehr unter Feuer, am 12. April fiel hier durch Volltreffer Leutnant Goenner. Abends und in der Nacht warfen Flieger Bomben auf den Ort und in das Hintergelände. Auch hatten die Engländer bald heraus, wann unsere Feldküchen vorfuhren, sie störten dann sowohl das Vorfahren, wie die Essenausgabe durch Feuerüberfälle, Verluste an Menschen und Pferden waren die Folge. Der Weg Ovillers – Aveluy war oft die reine Hölle, so wurden am 17. April zwei M.-G.-Bedienungen der 2. M.-G.-K.* mit dem Material durch Volltreffer völlig vernichtet.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921


*Die 2. MGK/IR 124 verzeichnet am 17. April 1918 keine Verluste

Montag, 16. April 2018

16. April 1918



„Schon der erste Tag war sehr ungemütlich. Die Artillerie beschoß überfallartig das Dorf, die Mühle und Wegekreuzungen mit mittleren und leichten Kalibern. Der Gegner hatte offenbar vor, die Ortschaft baldmöglichst dem Erdboden gleichzumachen. Noch standen die Häuser und der kleine, spitze Kirchturm, aber überall klafften schon Löcher, und die Straßen waren mit Trümmern bedeckt. Es sprach eine haßerfüllte Absicht aus dem Feuer der Engländer. Sie schossen zu Zeiten, in denen man es sonst nicht gewohnt war, legten auch öfters Gas dazwischen ein, und in den Pausen kamen Flieger, die ihre Bomben warfen. Es war durchaus nicht der gemütliche Stellungskrieg früherer Zeiten. Wir sollten keine Ruhe haben, und jede kleinste Blöße sollte ausgenutzt werden, uns zu schaden. Die Engländer schienen auch schon reichlich Munition zu haben, während man von unserer Artillerie nichts verspürte. Auch die feindliche Infanterie wurde bald viel reger als sonst. Jeden Tag fanden Kämpfe statt mit englischen Patrouillen, die bald immer größere Kühnheit bewiesen. Zunächst galt es, die Stellung des Gegners ausfindig zu machen. Er hatte auch noch keinen fortlaufenden Graben, umso schwerer waren seine Posten zu finden. Jede Nacht wurden aber neue Entdeckungen gemacht, und bald hatte man ein ziemlich klares Bild. Einen besonderen Anziehungspunkt bildete ein Tank, der vor dem Ostausgang von Treux lag. Leutnant Wildermuth stellte bald einen Unteroffizierposten dahinter fest, und in der nächsten Nacht versuchte der kühne Vize-feldwebel Röhner den Posten auszuheben. Er vertrieb ihn mit Handgranaten, konnte aber keinen Engländer gefangen nehmen.
Die eigene Stellung zu verbessern war äußerst schwer. Das war vielleicht das Pein-lichste an unserer Lage. Wenn wir an unsre Frühjahrsoffensive 1915 zurückdachten, wie anders war es damals! Damals lag man mit Tuchfühlung nebeneinander, und in einer Nacht war ein zusammenhängender Graben hergestellt. Der Engländer feuerte damals nur mit Schrapnells, und man war völlig sicher. Jetzt lag etwa alle 100 Schritte ein Doppelposten in einem Schützenloch und konnte sich nicht regen. Wie sollte man da einen durchlaufenden Graben herstellen! Und wenn man ihn hätte, so würde der Gegner nur ein schönes Ziel für seine mittlere Artillerie haben und den Graben mit 15er-Granaten in kürzester Zeit zermalmen. Ich weiß nicht, ob man sich diesen Unterschied völlig klar machte. Wir konnten eigentlich 1918 nach kilometerweitem Vordringen gar nicht wieder den Stellungskrieg aufnehmen, denn zum Stellungskrieg gehörten bei den unheimlichen Zerstörungswerkzeugen, die der Gegner jetzt hatte, bombensichere Räu-me, die man unmöglich da vorne herstellen konnte. In offenem Gelände liegend, die Stäbe höchstens in einem Keller, waren wir der Vernichtung schutzlos preisgegeben. Denn die feindliche Artillerie verstärkte sich nun schnell jeden Tag, während unsere nur sehr geringe Tätigkeit entwickelte und bald auch entdeckt war und täglich mit schweren Kalibern zugedeckt wurde.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Sonntag, 15. April 2018

15. April 1918



„Das schlechte Wetter hielt an. Die Wegeverhältnisse wurden immer schlimmer. Die Gegend bot in ihrer kahlen Zerstörtheit ein schreckliches Bild. Zahlreiche Opfer forderte die Grippe. Auf eine große Offensive mit weiten Zielen hatte man gehofft, und nun blieb man in des Wortes wahrster Bedeutung im Dreck stecken. Kein Wunder, daß die Stimmung nicht die beste war.
Stellungskrieg war jetzt wieder die Parole mit all seinen Schrecken. Es galt Sperr- und Vernichtungsfeuer zu erschießen. Die nie endende Stänkerei mit der Infanterie über Kurzschüsse ging wieder los. Damit es nicht zu langweilig wurde, gruppierte man so und so oft um, zur restlosen Freude von Führern, Fernsprechern und Mannschaften. Das Schreibwesen blühte. Die Stollen- und Höhlenbewohner wurden mit Bänden von Erfahrungen und Anweisungen überschüttet. Manchmal rochen diese stark nach Stuben-weisheit.
Allmählich besserten sich die Verhältnisse in den Stellungen. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften griffen beim Stollenbau zu, um ein einigermaßen gesichertes und trockenes Unterkommen zu schaffen.
Die Verpflegung war gerade so hinreichend. Die Kriegsberichterstatter erzählten viel von den in Bapaume erbeuteten Vorräten. Wir bekamen leider sehr wenig davon zu se-hen.
Übel stand es mit den Pferden. Außergewöhnliches hatten sie zu leisten. Dafür bekamen sie immer weniger zu fressen. Die Veterinäre hatten große Sorgen.
Die gegenseitige Artillerietätigkeit war erheblich. Auch Gas wurde viel verwendet. Die Ziele waren die üblichen: schanzender Gegner, Batterien, Beobachtungsstellen, Maschi-nengewehrnester, Straßen und Unterkünfte. Mit unseren Kanonen 16 konnten wir uns ja recht anständige Entfernungen leisten, besonders wenn C-Munition vorhanden war. Kleinere Unternehmungen hatten auf beiden Seiten wenig Erfolg. Man war gegenseitig zu sehr auf der Hut.
Die Mannschaften der Batterien wurden von Mitte April an im Wechsel für einige Tage herausgezogen. Da aber die Protzenquartiere in und bei Bapaume auch kein sehr lieblicher Aufenthalt waren, so sehnte sich alles, mal wieder ganz herauszukommen aus der Schweinerei.“

Samstag, 14. April 2018

14. April 1918


„Am 14. April wurde ein genauer Ablösungsplan für den Regimentsabschnitt ausgege-ben, nachdem die Bataillone in jedem Unterabschnitt je 8 Tage, dann 4 Tage in Reserve eingesetzt waren.
Die Kompagnien sollten jeweils vor Mitternacht, Maschinengewehre, Minenwerfer und Nachrichtenmittel in den frühen Morgenstunden abgelöst werden.
Leutnant Katz, Führer der 10. Kompagnie, wurde gleich in der ersten Nacht verwundet – Hauptmann d. R. Reiff übernahm am 14. die Führung des II. Bataillons.
Die Stellung war sehr ungünstig. Der Brückenkopf konnte bei seiner geringen Tiefe vom Gegner. der die beherrschenden Höhen westlich der Ancre fest in seiner Hand be-halten hatte, überall eingesehen werden. Der breite, sumpfige Ancre-Grund lag als schwer zu überschreitendes Hindernis zwischen den Kampf- und Reservetruppen. Ähn-lich unvollkommen, wie die Lage, war auch der Ausbau der Stellung, wenn man über-haupt von einer Stellung reden konnte. Was vorhanden war, waren Schützenlöcher, die sich die Angriffstruppen in den Stürmen der vorhergehenden Wochen geschaffen hatten.
In altbewährter Weise setzte hier die Arbeit des Regiments mit größtem Nachdruck ein. Mit allen Mitteln wurde der Ausbau der Stellung betrieben. Dem von allen Vorgesetzten anerkannten unermüdlichen Fleiße der Mannschaften, den dauernden Mahnungen alle Führer, angespornt durch den rastlosen Eifer des neuen Regimentskommandeurs, Major Melsheimer, gelang es denn auch bald, in vorderer Linie kleine schmale Gräben und splittersichere Unterstände zu schaffen. Am Bahndamm wurde sofort mit dem Bau von Stollen begonnen, die in großer Menge vorhandenen Hölzer – besonders Eisenbahn-schwellen – wurden von den zu diesem Zweck herangezogenen Handwerkern der Infanterie-Pioniere zu Stollenhölzern zurechtgeschnitten.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Freitag, 13. April 2018

13. April 1918


„Besonders lebhaft verlief die Nacht zum 13. April. Gegen 6 Uhr vormittags brauste ein Hagel von Geschossen auf die Stellung nieder. 6.30 Uhr vormittags griffen zwei Bataillone der französischen 67. Division das II. Bataillon und Teile des III. Bataillons an und drangen zwischen der 6. und 7. Kompagnie ein. Sofort setzte Leutnant Raiser mit der 8. Kompagnie zum Gegenstoß an und warf den Feind mit den beiden andern Kompagnien wieder hinaus. Bei der 5. und 10. Kompagnie gelang es dem Feind nicht, vorzukommen. 27 Gefangene blieben in unserer Hand. Viele Tote deckten das Kampf-feld. Auf unserer Seite kostete die Abwehr namentlich viele Offiziere. Der tapfere Adjutant des III. Bataillons, Leutnant Wagner, beteiligte sich in hervorragender Weise bei dem Kampf; er wurde schwer verwundet und starb auf dem Verbandplatz. Die 1. Kompagnie verlor rasch hintereinander zwei ihrer Führer. Die Abwehr des auf schma-lem Raume erfolgten starken Angriffs war dadurch besonders erschwert, daß unsere Artillerie nicht Sperrfeuer abgeben konnte, weil jedes Mittel der Benachrichtigung versagte. So blieben die Musketiere auf ihre eigene Kraft angewiesen; sie hielten sich hervorragend. Der Feind errang nicht den geringsten Vorteil.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 12. April 2018

12. April 1918


Walther Muff.

Walther Muff ist geboren am 21. Januar 1886 in Neuffen, OA. Nürtingen, als zweiter Sohn des Kgl. Oberförsters Fritz Muff. Er besuchte die Volksschule in Neuffen und Crailsheim, die Lateinschule in Crailsheim und Göppingen. 1900 trat er in das Seminar Schöntal ein und machte 1904 vom Seminar Urach aus in Eßlingen die Reifeprüfung. Er bezog die Landesuniversität als Mediziner und trat in die Normannia ein. Das Studium wurde unterbrochen durch halbjährigen Militärdienst mit der Waffe bei einem Mün-chener Infanterie-Regiment im Sommer 1906. Im Frühjahr 1910 legte er die Staatsprü-fung ab, verbrachte sein praktisches Jahr, während dessen er die Doktorwürde erwarb, an dem Bezirkskrankenhause in Göppingen, der Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten in Tübingen, und dem evangelischen Krankenhause in Düsseldorf, und war sodann ein halbes Jahr dort und von 1912 an in der Landererschen Heil- und Pflegeanstalt Christofsbad in Göppingen als Assistenzarzt tätig. Bei Kriegsausbruch war er mit Rücksicht auf Störungen seiner Herztätigkeit aus der Ersatzreserve entlassen, fand deswegen, und bei möglichst wörtlichen Ausführungen aus den Briefen zunächst nur als vertraglich angestellter Arzt Verwendung bei dem Reserve-Lazarett I in Schw. Gmünd, erreichte aber nach einigen Monaten die Ernennung zum württembergischen Assistenzarzt der Reserve und, auf Grund von vier dringlichen Gesuchen, die ersehnte Frontverwendung: am 11. Januar 1915 fuhr er – die Feldausrüstung erst unterwegs ver-vollständigend – hinaus.
Die Briefe, die Walther Muff in den nun bis zu seinem Tod folgenden 3¼ Jahren an seine Eltern geschrieben hat, enthalten auf die Frage nach gegenwärtigen militärischen Vorgängen regelmäßig fast nur die Antwort: „Vorsicht Soldaten!“, geben aber Wochen oder Monate später knappe, in der Stimmung zurückhaltende Übersichten. Eigene Aufzeichnungen über sein Erleben hat er aus militärischem Pflichtgefühl nie gemacht. So scheint es ungereimt, wenn ich im folgenden den Inhalt seiner Briefe in die Form eines Tagebuches zusammenzupressen suche. Sie bietet aber die einzige Möglichkeit gedrängtester Darstellung, und bei möglichst wörtlichen Anführungen aus den Briefen doch wohl auch die Gewähr für Lebenstreue.
I. Truppenarzt der Infanterie.
A. Bei II/Füs.-Rgt. 122.
16. 1. 15 Meldung beim Regiment in Kozlow-Slachecki. Stellungskämpfe an der Bzura.
B. Bei II/ später I/Inf.-Rgts. 148 (5. Westpreuß., 41. I. D. XX. A. K.)
27. 1. 15 Meldung beim Regiment in Kolonie Rawastara bei Skiernjewitze im Rawka-abschnitt – gleich andern Kgl. Württ. Sanitätsoffizieren an Preußen abgegeben. Regi-ment in Ruhe, dann vier Tage in den Gräben bei Bolimow.
11. 2. Verladen in Pniewo nach Ostpreußen. Versammlung des Korps bei Ortelsburg für die Winterschlacht in Masuren. Aufgabe des Korps: Deckung der r. Flanke der vormarschierenden Armeen gegen Ossowjetz – Lomsha; der Division: Vormarsch auf Straße Johannisburg – Kolno. Mit dem Bataillon vom 14. 2. bis 18. 2. in wechsel-vollem Bewegungsgefecht; Sanitätswagen vorübergehend, mein ganzes Gepäck dau-ernd russisch: all die schönen warmen Sachen, die ich so gut gebrauchen könnte! Ab 18. 2. Festhalten der Linie Janowo – Chmielewo südlich der Skroda, im Raume zwischen der Pissa und der Straße Stawski – Lomsha, gegen schwerste, mit großer Übermacht geführte Angriffe aus Lomsha heraus. Sogar durch unser Dach schlägt ein Artilleriegeschoß und macht uns die ganze am Morgen eingerichtete Bude voll Staub und Dreck. Ab Ende Februar ruhigerer Stellungskrieg; O. U.: (Ortsunterkunft) Chmi-elewo wird in „Gesundbrunnen“ umgewandelt und umgetauft. Am 19. 4. die ersten Blümchen gefunden; schade, daß ich sie nicht den Eltern ins Zimmer bringen kann. Wenn man hier nur auch mal allein wäre, oder mehr zu tun hätte; das schönste sind meine Frühritte. 28. 4. seit heute ist durch mein zweitoberstes Knopfloch  das schön-ste Band geschlungen. Anfang Juni Bataillonsarzt geworden. 9. 6. Wir sollen weg-kommen, wohlauf, Kameraden aufs Pferd, aufs Pferd!
25. 6. Verladen in Gehsen, Fahrt Tilsit, Memel, Bajohren zu der Njemenarmee. Märsche mit viel Fuß- und Hitzschlagkranken, gelegentlich auch Zivilpraxis zugun-sten der Armenkasse der durchzogenen Orte. Nach 8 Tagen Stellungskrieg an der Windau. Überschreiten derselben bei Moscheiki; ab 14. 7. unter riesenhaften An-strengungen der Truppe fechtend im Vormarsch entlang der Bahn Moscheiki – Autz auf Mitau zu. 1. 8. Mitau genommen; jubelnder Empfang. Sofortiger Weitermarsch mushaaufwärts bis in den Wald von Alesow – ab 13. 8. unter siegreichen, aber sehr schweren Gefechten. – und durch den in zahlreichen Stellungen vom Gegner zäh verteidigten Forst zwischen Eckau und Düna auf Karzeliski, Wallhof, Friedrichstadt, Krauke. Das Bataillon hat sich wiederholt besonders ausgezeichnet, aber in 3 Wochen über 200 Tote und Verwundete. Offiziere und Mannschaften haben abends Befriedi-gung und Freude. Wie sollte ich das finden inmitten der Verwundeten, denen ich einen ersten Verband, ein erstes Strohlager, ein wenig Essen und Trinken und  – als Bestes – Morphium geben kann, die ich aber dann liegen lassen muß und die allein bleiben, bis die San.-Komp. sie abholt. Nur in der Natur, ihrem Größten und Klein-sten, finde ich Ablenkung vom ewigen Marschieren und Kämpfen, von der ständig sich wiederholenden Ansammlung verwundeter Menschen um mich. Von Moosen und Flechten wäre leicht eine ganze Sammlung zu finden. 12. 9. Ausbau unserer Stellung am Picksternfluß (zwischen Friedrichstadt und Jakobstadt) mit Hilfe von Armierungstruppen. Morgen wird mit dem Bau eines Lausoleums begonnen. 21. 9. Seit heute ist mein Lausoleum in Betrieb. Eine Freude, wie wohl es den Leuten ist, mit welcher Lust sie ihren nackten Rücken der Sonne aussetzen! Ausgedehnter Krankenbetrieb und Impfungen. 29. 9. Kriegsanleihe über 12 Milliarden, im Westen Teiloffensive, im Osten Wiederaufnahme des Vormarsches auf der ganzen Front! 2. 10. Umzug in ein anderes Gehöft; ein Zimmer für mich allein! 23. 10.  Über meine Tätigkeit während der Bewegungskämpfe hat das Bataillon geschrieben: „In den vielen und oft recht schweren Gefechten hat Ass.-Arzt Dr. M. großen persönlichen Mut, Unerschrockenheit und nie ermüdende Tätigkeit bei der Behandlung Verwun-deter, namentlich in vorderster Linie, auch noch während der Gefechte, an den Tag gelegt und dadurch der Truppe große Dienste geleistet“. Das ist ganz schön, aber zum E. K. I, das ich mir gerne geholt hätte, hat’s nicht gereicht. 22. 11. Nach 10 Urlaubs-tagen im Elternhause wieder im Bataillon. 25. 12. In der Heiligen Nacht noch bei den Kameraden in der Stellung draußen gewesen. 26. 12. Als Bataillonsarzt zu I/148 versetzt. 5. 2. 16 Ich möchte mir eine weitere Möglichkeit schaffen, nach dem Krieg eine Stelle zu bekommen, bin daher in einer allerdings unter sehr großen Schwierig-keiten nur langsam fortschreitenden Vorbereitung für das Physikatsexamen. März 16 bis Juni 16. Seit Mitte März häufigere Beschießung durch russische Artillerie und Minen, Verluste mäßig. Ich selbst vom 20. 3. bis 13. 4. an heftiger Bronchitis krank, , ab 31. 3. im Feld-Laz. VII. Anschließend militärärztlicher Kurs in Berlin und Greppin vom 16. bis 20. 4. und kurzes Wiedersehen mit den Eltern. Am 27. 4. wieder bei der Truppe. Guter, den Schwankungen der Witterung nicht unterworfener Gesundheits-zustand meines Bataillons; in der Stellung muß ein Wetteifer sein, zwischen ihrer Verteidigungsfähigkeit und ihrem hygienischen Ausbau; seit Juni ist auch mein Erholungsheim Waldfrieden mit 8 Betten bezugsfertig.
II. Arzt im Hilfslazarettzug 27 der Etappeninspektion der 8. Armee.
8. 7. 16 Nach einer Zwischentätigkeit beim Feldlaz. VII vor wenigen Tagen den Zug in Posen erreicht. Ich verdanke die Versetzung der Liebenswürdigkeit meines Divisi-onsarztes – wie sehr hat er mich mißverstanden! Ich schied ungern aus dem Regi-ment, dem ich nun 17 Monate angehörte, in dem ich schöne Kameradschaft fand und mit dem ich viele Erlebnisse teile. Ab 17. 7. an 11. Armee ausgeliehen; drei Reisen nach Üsküb; ich habe wirklich Glück! Seit von zu Hause meine Bücher angekommen sind ist zudem mein Abteil (2:2,3 m groß) wie eine feine eigene Studierstube, in der man sich in Bücher vergräbt und sich wohl fühlt. Von meinen Leutchen machen mir einige Sorgen.
III. Immobile Verwendung als Arzt bei Heimatformationen.
1. 9. 16 Zu E./Res.-Inf.-Rgt. 122 überwiesen, weil die württ. Armee ihre versprengten Ärzte wieder zu sich sammelt, und zu Ldst.-Rekr.-Depot V , Urach kommandiert. Außer bei dem Depot Tätigkeit am Vereinslazarett und wegen Ärztemangels ausge-dehnte Stadt- und Landpraxis. Arbeit von früh bis spät in der Nacht, fast über Ver-mögen; dienstlich widerwärtige Verhältnisse; zum Schreiben nie Zeit. Auch Weih-nachten ganz einsam mit einem Bäumchen von den Eltern: gegründet im Eltern-herzen, dem Vaterland gehörend, ledig alles Eigenen, seien es Hoffnungen oder Wünsche oder Pläne – so will ich weitermachen, bis der Streit zu Ende. Für 1917 wird es heißen: per aspera! Mögen die Mühen sich lohnen gegen unsere Feinde und im Innern, wo es trotz 2¼ Jahren Krieg, Zivildienstpflicht usw. immer noch viele gibt, die ohne jedes Verständnis sind! 5. 3. Zum Oberarzt mit Patent vom 27. 1. befördert und zu E./180, Tübingen, kommandiert. Ein Ausruhemonat im Hause des Bruders, anschließend schöne Urlaubstage bei den Eltern. Etwa 25. April zum Res.-Laz. II in Cannstatt kommandiert (Übergangsposten vor Feldverwendung.
IV. Truppenarzt der Feldartillerie.
2. 5. 1917 Zweiter Abschied; jetzt muß ich mir die westlichen Kriegsschauplätze ansehen! Meldung bei Feldart-Rgt. 29 in Gegend Charleville – Mézières, das dort seine III. (F.) Abteilung aufstellt. Bei dieser Abteilungsarzt. Friedliches Dasein in der Etappe.
9. 6. Regiment wird bei Wiedererneuerung der Kämpfe auf dem Frühjahrsschlachtfeld bei Arras durch die Engländer eingesetzt; Feuerstellung zwischen Roeux und Mon-chy. Ich habe meine , wenn ich so meine verschiedenartige besondere Art, am Krieg teilzunehmen, indem ich mich möglichst nicht durch die Geschehnisse um mich her stören lasse in der Beobachtung der Menschen, der Gegenden, Tiere und Pflanzen, auch in einer Art bescheidenen Gelehrtendaseins, wenn ich so meine verschieden-artige Lektüre (zurzeit besonders Damaschke) nennen soll. Aber die Heimat in ihrem Kleinglauben macht uns Sorge, Erzberger mit allem Drum und Dran und den Folgen. Bei den Feinden schadet uns das nur, und am meisten müssen es die armen Kers an der Front ausbaden.
27. – 28. 7. Regiment wird herausgezogen, steht einige Tage zum Eingreifen bei Bullecourt, dann zum Eingreifen bei Lille bereit. Ob ich mit den Darmerkrankungen der Leute fertig werde, solange es noch rohes Obst gibt? Mitte 8. Bahnfahrt zur Flandernschlacht in guter Laune.
18. 8. Feuerstellung zwischen Langemark und St. Julien. Hier ist’s wesentlich leb-hafter als an der Arrasfront. Achtung und Bewunderung für unsere unentwegten Kämpfer überkommt mich und Sorgen und Wünsche für deren Zukunft – bin deshalb jetzt „Förderer“ für Bodenreform geworden –, aber Ekel und Ärger empfinde ich über Leute daheim; wenn man die deutschen Friedensangebote liest, bekommt man Übel-sein. In meinen Truppenverbandsplatz haben sie mir übrigens auch mehrfach her-eingeschossen und nach befehlsgemäßem Umzug ebenso mir den zweiten andemo-liert, meinen tüchtigen Burschen neben mir leider schwer verwundet.
31. 8. Regiment wird herausgezogen. Michaelis war in der Gegend und sprach mit einem Kanonier der 6. Batterie, leider nicht mit mir; ich hätte ihm zu gern gesagt, welche Stimmung das Verhalten der Herren Abgeordneten da außen erzeugt. Hinter manchem stehen nicht mehr seine Wähler von 1911. Ich sprach oft mit Mannschaften darüber, die derselben Ansicht sind. Während der Ruhe Etappenurlaub nach Ostende, Brügge, Gent; Züge mit evakuierten Flamen auf Flucht vor Bombenwirkung der sie beschützenden Engländer. Dann Verladen; über Brüssel, Namur, Luxemburg nach dem Elsaß. O. U. St. Johann nördlich Zabern; Zivilpraxis. Unsern Leuten ist’s wieder wohl.
26. 9. Verladen nach Mariasaal nördlich Klagenfurt; Ankunft 28. 9. Aufmarsch zur zwölften Isonzoschlacht. 17 Tage langer Regen ist lästig, verbirgt aber unsere Bewe-gungen. 24. 10. Feuerstellung auf der Bucenica bei Tolmein (ich bei 8. Batt.). Schlag 2 Uhr vormittags beginnt das Donnern der Geschütze, steigt um ½7 Uhr : Angriff. Keine 1½ Stunde, so wird die Wegnahme der ersten Feindstellung gemeldet. Ein frohes Gedenken an Deutschland erfüllt alle. Vormarsch über Cividale – Udine – Pordenone bis Susegana an Straße Conegliano – Treviso. Die Sache geht ja glänzend, aber bei der Infanterie war’s doch anders: immer am Feind! 25. 11. Kleiner Halt am Piave um Conrad vorkommen zu lassen. 7. 12. Regiment wird herausgezogen; Ruhe quartiere in Colloredo; Weihnachts- und Neujahrfeier. Nächstes Jahr wird es noch hart zugehen, aber schön. Deutscher Friede Frühjahr 1919!
3. 1. 18 bis 6. 1. 18 Märsche zur Bahn; 7. 1. Verladen, Rückfahrt ins Elsaß; o. U. Düttlenheim. Equipierungsurlaub mit kurzem Besuch bei den Eltern; am Geburtstag wieder fort. Nach solch kurzem Zusammensein ist das Vermissen lebhafter und größer. Hier Parade vor dem König, im übrigen viel Arbeit, auch soviel Schreiberei, wie ich noch nie in der Truppe erlebt. Hoffnung auf Heimaturlaub schwindet.
12. 3. Wie sang man 1914? „Frankreich, o Frankreich!“ So heißt’s wieder, nachdem im Osten Ruhe ist. 21. 3. Eingesetzt in der Großen Schlacht in Frankreich. 26. 3. Erhebend, eine solche Offensive miterleben zu dürfen. 8. 4. Mein altes Regiment 148 getroffen und dabei noch viele mir bekannte Herren: beiderseits große Freude. 11. 4. Mein Regimentsarzt nimmt mich mit ins Protzenquartier, da in Stellung, wo ich nun wieder seit 6. 4. war, ein Arzt genügt. Behaglicher Schwätzabend mit dem Abtei-lungsveterinär über Vergangenes und Künftiges. 12. 4. Elternpost; Bestätigung der Nachricht, daß mein lieber Bastel am 2. d. M. gefallen. Das bedaure ich aus mehr-fachen Gründen sehr tief.
Das letzte Zitat ist dem Briefe entnommen, den Walther Muff an seine Eltern schrieb, als ihn der Tod ereilte. Er ist unvollendet und blutbefleckt in ihre Hand gelangt. Feindliche Bombenflieger waren in großer Höhe unbemerkt herangekommen. In der Nebenbaracke wird ein Mann verwundet. Ein Kanonier will den Abteilungsarzt her-beirufen, aber – so schreibt „sein treuer Bursche Anton Häring“ den Eltern „seines guten Herrn“: „aber leider Gottes, was mußte ich sehen. Der Tisch war voll Blut, er saß am Tisch und neigte den Kopf zur Seite. Er gab kein Lebenszeichen mehr. Ein Sprengstück hatte ihm den Hals durchschlagen“. Das geschah am Ostausgang von Bapaume am 12. April 1918, nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr.
Die Leiche wurde vom Regiment in hervorragender Kameradschaftlichkeit trotz der schweren Gefechtslage in der Sonntagsfrühe des 14. April nach Cambrai überführt und dort am Nachmittage auf dem Kriegerfriedhof II in feierlicher Weise beigesetzt. Wir haben dann den Toten heimgeholt. Seit 5. Juni 1918 ruht er in deutscher Erde auf dem alten Friedhof zu Lorch i. R., unweit des Kirchentors, durch das etliche 40 Jahre vorher seine Eltern zur Trauung geschritten waren.“


aus: „Gedenkbuch der Tübinger Normannia für ihre Gefallenen“, Stuttgart 1921