Sonntag, 30. April 2017

30. April 1917



„Die Zeit in St. Quentin war besonders für diejenigen, die Gelegenheit hatten, in die Stadt zu kommen, sehr interessant. Die Siegfriedstellung umschloß die Stadt auf drei Seiten und lag dicht an der Stadt. Die Stadt selbst war Anfang März von der Bevöl-kerung geräumt worden und vollständig leer. Wenn auch alles brauchbare Material einschließlich Möbel abtransportiert worden war, so befand sich doch noch vieles in den Häusern. So war beim Marktplatz ein Warenhaus, das vom Keller bis zum vierten Stock mit Glas- und Porzellanwaren angefüllt war; dort konnte man nach Herzenslust billig „einkaufen“ und Küchen und Kasinos ergänzten ihre Einrichtungen daraus. In einer Kutscherei befanden sich noch Wagen, die in den Bagageführern neue Herren fanden. Findige Nasen entdeckten in den Häusern und Kellern versteckte Gegenstände wie Kleider, Wäsche, Weißzeug, Lebensmittel und Wein. Eine Maschinengewehrkompagnie des Regiments fand in einem Fabrikhof vergraben mehrere Wagenladungen Autoreifen. Die Stadt lag Tag für Tag unter französischem und englischem Feuer; täglich brannte es an mehreren Stellen, ein Häuserblock nach dem andern fiel dem Krieg zum Opfer. Warum sollte man da nicht retten, was noch zu retten war, ehe es unter Schutt begraben wurde oder verbrannte?
Während in der Stadt die Granaten einschlugen und Schrapnells über den Häusern platzten, bewegte sich eines Tages ein feierlicher Hochzeitszug durch die Straßen der Vorstadt Isle, Herren im Frack und Zylinder, die etwas robust aussehende Damen in hellen Kleidern am Arm führten. Es waren Leute eines der Bereitschaftsbataillone, die sich trotz Artilleriefeuers den Scherz gestatteten. Wer bis in die Mitte der Stadt vorge-drungen ist, konnte die berühmte Kathedrale besichtigen. Sie sah schon damals trostlos aus und hat später noch mehr gelitten. Alle Kunstgegenstände waren sorgfältig verpackt in Sicherheit gebracht worden, das Gebäude selbst bekam aber fast täglich einige Granaten und zeigte starke Beschädigungen. Das Innere der Kirche lag voll mit herun-tergestürzten Steinen und bot ein Bild der Zerstörung. Neben der Kirche war früher das Denkmal des berühmten Malers La Tour. Die Bronzefigur war beseitigt worden, aber auf dem weißen Marmorsockel stand ein großer ausgestopfter Hund. Wer weiß, wer diesem Hund zu diesem Ehrenplatz verholfen hat!
Es wurde schon oben erwähnt, daß die Stellung des Regiments teilweise hinter dem Hang lag. Es fehlte deshalb jede Erdbeobachtung. Um diesem Überstande abzuhelfen, sollte die Stellung wieder zurückerobert werden. Um einen Angriff zu vermeiden, versuchte das Regiment, die Stellung durch Ausheben eines neuen Grabens weiter vor zu verlegen. In mühevoller Arbeit, die leider auch einige Verluste kostete, gelang es in einigen Nächten, einen neuen Graben zu ziehen. Die Stellung wurde dadurch günstiger, aber der Zweck war noch nicht ganz erreicht. Es wurde deshalb eine Unternehmung großen Stils ausgearbeitet und vorbereitet.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922


Samstag, 29. April 2017

29. April 1917


„Das Gelände war stark gewellt. Von der Straße Hendecourt / Cagnicourt an fiel es der vorderen Linie zu ab, erreichte beim B. T. K. etwa den tiefsten Punkt und stieg dann wieder an, um bei Bullecourt und den anschließenden Stellungsteilen den Kamm eines ziemlich breiten Rückens zu erreichen. Konnte sich der Gegner dort festsetzen, so stand ihm die Beobachtung bis weit ins Hintergelände offen und der Besitz Bullecourts entschied über das Schicksal dieses Frontabschnitts, weshalb seit Wochen dort ein Brennpunkt feindlichen Artillerie- und Minenfeuers gewesen war. Die Stellung, in die das Kampfbataillon einrückte, war daher stark mitgenommen und hatte teilweise schon muldenartigen Charakter; von den Grabenwänden war nicht mehr viel zu sehen. Der Abschnitt b 4 (4 Kompagnieabschnitte von rechts nach links waren eingeteilt) bildete bereits eine regelrechte Trichterstellung, wie sie das Regiment in dem Sommekämpfen im August und November 1916 kennen gelernt hatte, und das ehemals gute Drahthindernis bestand nur noch als unentwirrbarer Drahtknäuel, in dem die Granaten breite Löcher herausgerissen hatten. Vor b 4 war es am meisten beschädigt und bot nicht den geringsten Schutz mehr.
Das Wichtigste der Stellung war aber in Ordnung, und das waren geräumige, völlig schußsichere Unterstände in ausreichender Zahl, welche der Arbeit der 26. R. D. zu danken waren, so daß 2/3 des Kampfbataillons in vorderer Linie untergebracht werden konnten. In Bullecourt selbst war eine Stellung, die Dorfstellung, zwar geplant, aber des anhaltenden Feuers wegen nicht zur Ausführung gekommen. Hier lag also die ganze Verteidigung in der vorderen Linie; war diese verloren, mußte auch Bullecourt fallen, in dem weder Katakomben noch Keller Schutz gegen schwere Kaliber boten. Dagegen lief nördlich von Bullecourt und östlich davon, hinter Abschnitt b 3 und b 4 eine zweite Linie, in deren Stollen der Rest des Kampfbataillons lag; einer, der den Namen Kaserne trug, mochte wohl gegen 80 Mann völlig sicher aufnehmen. Von den Maschinengeweh-ren der Kampf-M. G. Kompagnie waren 4 in erster, 4 in zweiter Linie und eins beim K. T. K. eingesetzt; die Bereitschafts-M. G. Kompagnie hatte je 2 Maschinengewehre in der Artillerieschutzstellung, beim B. T. K., bei einem Stützpunkt südöstlich Hendecourt und beim Regimentsgefechtsstand bereitgestellt. Auch Minenwerfer und eine Musketen-kompagnie, die von 2 Mann bediente Schnelladegewehre mit sich führte, waren dem Kampfbataillon zugeteilt, das von Übernahme der Stellung ab tagtäglich schwerstes Feuer aller Kaliber über sich ergehen lassen mußte. So verwandelte sich die ganze Kampfzone allmählich immer mehr in eine einförmige braune Masse, in der nur noch die Unterstände als rettende Inseln unversehrt sich erhielten. Bullecourt, die Mulde nach Hendecourt, dieses selbst und Riencourt erhielten gleichfalls wachsende Beschießung und vor der Stellung der 124er, die vor Riencourt lagen, wollte das schwere Feuer über-haupt nicht mehr weichen. Ende April setzte auch eine nie erwartete Fliegertätigkeit, sowie planmäßige Bekämpfung unserer Batteriestellungen ein, unter denen besonders die in Hendecourt liegenden starke Verluste an Menschen und Material erlitten. All das deutete auf kommende Ereignisse hin, währenddem die Großangriffe in unserer rechten Flanke im letzten Drittel des Aprils in großer Heftigkeit aufs neue entbrannt waren. Scharf lugten auf den Flanken der Schlacht die Posten ins Vorgelände hinaus, während die Masse der Infanterie in den Stollen saß und trotz Granaten und Minen ihre Stärke und Frische behielt.“


aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Freitag, 28. April 2017

28. April 1917


„Bei dem am frühen Morgen des 28. wiederholten Angriff dringt auch die 7. Kompagnie im Anschluß an 121 in den feindlichen Graben ein. Die Stoßtrupps der 5./119 versuchen jedoch vergeblich, den feindlichen Graben, der stark besetzt ist, aufzurollen. Leutnant d. R. Nuber wird verwundet.
Plötzlich 5.20 Uhr vormittags setzt starkes feindliches Artilleriefeuer auf unsere vordere Linie, besonders bei 125, ein. Bald darauf greifen die Engländer diesen Abschnitt an. Der Gegner gerät jedoch in das Flankenfeuer der 5. Kompagnie und der 2. M.-G.-K. und erleidet schwere Verluste. Die anderen Teile unseres Regiments waren alarmbereit und zum Teil weiter vorgezogen worden.
6.15 Uhr vormittags hat die 3. und 4./119 sowie 1. M.-G.-K. auf Brigadebefehl zur Verfügung von Inf.-Regt. 125 nach dem Pelves-Riegel vorzurücken. Die Kompagnien durchlaufen das Sperrfeuer. Feindliche Flieger geben hierbei Leuchtzeichen und Sirenensignale und beschießen die vorgehenden Grenadiere mit Maschinengewehren; hierbei fällt der unerschrockene Führer der 4. Kompagnie, Leutnant d. R. Schwarz (Karl).
Gegen 7.30 Uhr vormittags 500 Meter nordöstlich des Wäldchens bei Monchy sich sammelnde Engländer werden von 7./119 und 2. M.-G.-K. unter wirksamstes Feuer genommen und anscheinende Bereitstellung zum Angriff vereitelt. Etwa 10 Uhr vor-mittags fällt auch der tapfere jugendliche Führer der 7./119, Leutnant d. R. Hoffmann durch Kopfschuß, und Oberleutnant d. R. Junker, der umsichtige und tapfere Führer der 2. M.-G.-K., wird verwundet.
Auf den Pelves-Riegel hatte es der Feind besonders abgesehen; doch bleibt es bei der feindlichen Artileriebeschießung, die feindliche Infanterie zeigte sich nicht mehr an-griffslustig. Unser II. Bataillon sehnte sich allerdings nun auch nach Ruhe, und so kam am Abend der Befehl zur Ablösung der 26. Inf.-Division durch die 9. Res.-Division sehr willkommen; sie beginnt bei einzelnen Teilen des Regiments (II.) bereits gegen Mitter-nacht Durch Inf.-Regt. 395. Der Rest kam am 29. April dran.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Donnerstag, 27. April 2017

27. April 1917


„In der Nacht zum 27. April löste das II. Bataillon mit 5., 6., 7. Kompagnie in vorderer Linie an der Grenze 125/121 Teile dieser Regimenter ab. Stab und 8. Kompagnie lagen im Pelves-Riegel. Ein am Abend des 27. April von 121 und II./119 nach dem Störungsfeuer unserer Artillerie um 10.01 Uhr unternommener Angriff zur Besitznahme der alten 1. deutschen Stellung führte infolge starken feindlichen Infanterie, Maschi-nengewehr- und Artilleriefeuers nicht vollständig zum Ziel; der Feind schien völlig unerschüttert. Hierbei fiel der tapfere Leutnant Linckh; Leutnant d. R. Schenkel wird schwer verwundet und erleidet am 5. Mai 1917 infolge der erhaltenen Wunden den Heldentod. In ihnen verlor das Regiment zwei tüchtige unerschrockene Führer und liebe Kameraden.
Die 8. Kompagnie, deren tapferer Führer Leutnant d. R. Manz ebenfalls verwundet wurde, kam bis dicht an den feindlichen Graben heran. Stoßtrupps der 5. Kompagnie drangen von Norden her in den Graben ein, stießen aber auf stärksten Widerstand.“

aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Mittwoch, 26. April 2017

26. April 1917


„Während der Gegner in den letzten Apriltagen bei der rechten Nachbardivision verschiedene Großangriffe unternahm, wobei unsere Batterien – besonders diejenigen der Gruppe A – täglich kräftiges Unterstützungsfeuer vor den Senséebachgrund abzugeben hatten, bereitete er im Abschnitt der Division mit seiner Artillerie, die er reichlich mit schweren Kalibern ausgestattet hatte, seine Angriffe vor, indem er unsere vorderen Gräben andauernd unter Feuer hielt und besonders Riencourt mit schwerstem Kaliber und das Artilleriegelände systematisch häufig mit Gasmunition bearbeitete. Das lebhafte und ihm äußerst unangenehme Feuer unserer Batterien bot ihm Gelegenheit, diese durch seinen vorzüglichen Fliegerdienst festzustellen und beschießen zu lassen. In den letzten Apriltagen und Anfang Mai mußten die Batterien außerordentlich schweren Anforderungen gerecht werden, im ersten Zeitabschnitt besonders die 4., 5., 6. und 7./49. Die gewaltigen Munitionsverbrauchszahlen, die sich täglich zwischen 1500 und 2000 Schuß für eine Batterie bewegten, geben davon Zeugnis. Dabei ist zu bedenken, daß diese rege Feuertätigkeit recht häufig angesichts feindlicher Flieger und bei schwerster Beschießung erfolgen mußte. Daß unsern Batterien gegen solche tief flie-gende Flieger Schützen mit Musketen beigegeben waren, hat das Übel nicht beseitigt. Unter der verfeuerten Munition befand sich viel Gasmunition, Grünkreuzgeschosse, die mit Rücksicht auf die eigene Infanterie mit Vorsicht zu verwenden waren und die meistens auf die feindlichen Batterienester verfeuert wurden. Vom 25. bis 28. April wurden besonders die Stellungen der 6. und 7./49 stark mitgenommen, so daß bei 7./49 zwei Mann, die Gefreiten Chenaux Repond und Nuding fielen, drei Mann schwer und der Batterieführer, Hauptmann d. R. Pfeiffer, so schwer verwundet wurde, daß er einige Tage darnach starb, während bei 6./49 Sergeant Geißelhard, Gefr. Schlamp und Kano-nier Eberle fielen, der Batterieführer, Oberleutnant d. R. Scheerer, leicht verwundet wurde und vier Mann an Oxydgasvergiftung erkrankten. Mehrere Geschütze und Geschützstände und Stollen waren beschädigt und verschüttet worden. Die Herstellung dieser Schäden ließ neben der immer regen Feuertätigkeit bei Nacht den Batterien keine Zeit zur Ruhe. Außerdem mußten bei Nacht die Munitionsmengen ergänzt und das Leermaterial aufgeräumt werden. Die größeren englischen Angriffe begannen fast regelmäßig bei oder kurz vor Morgengrauen, so daß um diese Zeit stets erhöhte Sperrfeuertätigkeit in den Batterien herrschte.“


aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922


Dienstag, 25. April 2017

25. April 1917


„Wie schon erwähnt, herrschte bei der englischen Artillerie fortwährend rege Tätigkeit. Die Kompagnie verlor dadurch am 23. April den Pionier Pfitzer, der seiner Verwundung erlag, und am 25. April im Stand „Calais“ 10 Tote (Unteroffizier Faißt, Bosch, Gefr. Blumenstock, Fink Eugen, Pion. Fuchs, Weber, Kurz, Lohrmann, Stotz, Ziegler) und 3 Verwundete.
Auch die Werferstände wurden vielfach durch Artilleriefeuer beschädigt und zerstört, wodurch viele Wiederherstellungsarbeiten nötig wurden; auch zur Wiederherstellung zerstörter Straßen wurde die Kompagnie herangezogen. Zur Abwehr von Tanks wurden mit dem gezogenen leichten Minenwerfer verschiedentlich Versuche gemacht.“

aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Montag, 24. April 2017

24. April 1917


„Am 23. April erfolgte 12.15 Uhr mittags eine leichte Sprengung vor Trichter „Gera“, ohne daß jedoch der Graben dadurch Schaden gelitten hätte. Am Tage darauf liegt schweres feindliches Artillerie-Zerstörungsfeuer den ganzen Tag über auf den Bereit-schaftsstellungen Kanaldüne und Kastanienwäldchen. Die Beschädigungen sind außer-ordentlich stark, Unterstände der Kompagnien, Munitionsunterstände und Verbindungs-wege werden zerstört, wodurch verhältnismäßig großer Ausfall eintritt. 3 Offiziere und 30 Mann werden goßenteils schwer verwundet, 2 Unteroffiziere und 2 Mann sind tot.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936


Sonntag, 23. April 2017

23. April 1917


„In der Nacht vom 22./23. wurde verstärkter Patrouillengang angeordnet, ferner wurde am rechten Flügel des Regiments eine starke Postierung vorgeschoben mit dem Auftrag, sich dort einzugraben, um auch während des Tages dort verbleiben und die Mulde m übersehen zu können. Am 23. 5.15 Uhr vormittags stellten diese Sicherungsabteilungen feindliche Bewegung in der Mulde fest.
Schon vorher wurde die Luft sehr dick, wie unsere Leute sagten. Wirkungsfeuer, Trom-melfeuer, ein Feuerwirbel, der auch den alten Sommekämpfern neu war. Unsere Stel-lung war allmählich verschwunden, nur noch unzusammenhängende Löcher bargen die braven Verteidiger. Nun glaubten die Engländer leichtes Spiel zu haben.
Der Großkampftag des 23. April beginnt!
5.45 Uhr vormittags branden die ersten starken Infanteriewellen an unsere Stellung heran, aber sie werden warm empfangen. Der Schnitter Tod legt dicke Garben von Leichen vor unsere Linien. Was übrig bleibt, flutet in den feindlichen Graben zurück. Jeder, der dazu mithilft, daß die schwache Linie nicht reißt, der Ausschau hält im Feuer, der im rechten Augenblick den Entschluß zum Schuß findet, der ruhig feuert, auch wenn das feindliche Bajonett schon dicht an ihm ist, verdient sein eigenes Heldenlied. Aber „wer zählt die Völker, nennt die Namen“?
Unserem linken Flügel gegenüber sieht es einige Augenblicke bedenklich aus. Da ist es dem Engländer gelungen, 30 m vor unserer Linie 2 Maschinengewehre in Stellung zu bringen, die unsere Stellung flankieren konnten, zudem versucht eine Sturmkolonne in einem alten, von Monchy auf unseren linken Flügel zuführenden Graben vorzukommen, offenbar in der Absicht, uns von links aufzurollen. Leutnant d. R. Pflüger erkennt die uns drohende Gefahr, er säubert selbst den Graben mit Handgranaten und der Führer des Flügelzugs, Unteroffizier Fauser aus Dagersheim, Oberamt Böblingen, läßt die Maschi-nengewehre unter zusammengefaßtes Feuer nehmen und springt sie dann mit ein paar Leuten an, ehe sie feuern können. Die beiden Gewehre und die überlebende Bedienung sind in unserer Hand. Fauser kommt als Vizefeldwebel zurück. Der Feind weicht. Die inzwischen vorgezogenen Kompagniereserven stoßen ihm nach und bringen ihm schwere Verluste bei – mit den von ihm zurückgelassenen 12 Lewis-Maschinengeweh-ren.
Eine vor der 4. Kompagnie sich lange haltende Besatzung eines Granattrichters nimmt Leutnant d. R. Gnädig dadurch gefangen, daß er mit gezückter – Leuchtpistole auf sie eindringt. Vor diesem furchtbaren Kaliber erschreckend ergibt sich die Besatzung von 7 Mann.
Der Angriff war begleitet von zwei feuerspeienden Tanks. Diese damals in ihren Bewe-gungen noch sehr schwerfälligen Ungetüme waren aber durch Artilleriefeuer sehr bald außer Gefecht gesetzt. Der erste Anprall war restlos abgewiesen.
Dabei hatten sich auch die Minenwerfer durch Abgabe von Sperrfeuer vortrefflich bewährt, insbesondere deshalb, weil sie den richtigen Mann als Beobachter in die vorderste Linie gesandt hatten. Kaum war er vorn, war die Strippe abgeschossen, als es aber galt, gibt er ruhig seine Signalzeichen ab und lenkt das Feuer an den rechten Platz. Und als die erste Gefahr vorüber ist, flickt er im heftigen Artilleriefeuer ruhig seinen Draht nach hinten zu neuem Empfang des Feindes. Es hat sich gelohnt. Der Tapfere ist Unteroffizier Forschner aus Boll bei Göppingen.
Bei der Nachbardivision nördlich der Scarpe schien der Feind mehr Erfolg gehabt zu haben, denn frühzeitig bekam das I. Bataillon Maschinengewehrfeuer aus Roeux. Die im Hohlweg liegende 6. Kompagnie erhielt daher den Auftrag, die rechte Flanke des Regiments zu schützen und etwaige Gegenangriffe im Nachbarabschnitt zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurde der 6. Kompagnie ein Maschinengewehr von der beim K.-T.-K. befindlichen Reserve zur Verfügung gestellt.
Um nach dem ersten Ansturm zu wissen, wo der Feind sich zum zweiten sammelt – denn daß er kommt, war allen klar – schlich sich der Musketier Hertneck aus Vaihingen a. d. F. mit einem Kameraden in einer alten Sappe vor. Halt, da lauern ein paar braune Gesellen. Doch sie sind Tot. Also weiter. Sie müssen kriechen, ein Maschinengewehr streut das Gelände ab. Plötzlich bewegt sich einen Winkel ein Arm  mit der Pistole. Hertneck, schnell besonnen, faßt den Gegner am Hals, ein kurzes Ringen und ein Oberstleutnant war gefangen. Ein eisernes Kreuz war der Lohn.
Inzwischen arbeitet alles fieberhaft an der Verbesserung der Stellung, verschüttete Maschinengewehre werden ausgegraben, Munition und Handgranaten werden ergänzt.
Das wahnsinnige feindliche Artilleriefeuer setzt wieder ein. Wir wissen Bescheid, die englische Artillerie schießt neuen Angreifern Mut zum Vorgehen.
Von 8.15 bis 9.30 vormittags setzten sich mit großen Pausen mehrere dichte Schützen-linien von den Hügeln von Monchy nach der Mulde m vorm Regimentsabschnitt zu in Bewegung. Unsere Artillerie nimmt sie sofort unter verheerendes Feuer, sie fluten zurück.
9.15 Uhr vormittags kommen auch Kolonnen entlang des Scarpe-Tals auf uns zu. Doch auch diese veranlaßt unser artilleristischer Gruß und der Geschoßhagel unserer Maschi-nengewehre zu schleunigster Umkehr.
10.30 Uhr vormittags läßt das feindliche Artilleriefeuer etwas nach. Englische Kranken-trägerkolonnen sammeln Verwundete, englische Sanitätsautos fahren weit vor.
Von 11.45 Uhr vormittags ab streuen die feindlichen Geschosse wiederum unseren ganzen Abschnitt ab und 5.30 Uhr nachmittags beginnt der Feind mit seiner gesamten Artillerie auf die vorderste Linie zu trommeln. Kein Schuß geht mehr nach rückwärts. Wiederum wälzen sich englische Sturmwellen von den Höhen herunter der Mulde m zu. Dank der sich vortrefflich bewährenden Lichtsignalverbindung konnte Hauptmann Hug das jeweils für nötig gehaltene Artilleriefeuer anfordern. Unsere treffliche Artillerie läßt uns vorn im Graben nicht im Stich. Das Vertrauen der Infanterie zur Schwesterwaffe steigt, weil die nach rückwärts gemeldeten infanteristischen Wünsche fast augen-blicklich verwirklicht werden. Diese augenfällige Unterstützung stärkt den Helden im Graben das Rückgrat, sie sind entschlossen, auch in dieser schweren Stunde nichts von dem aufzugeben, was sie seit dem frühen Morgen so mannhaft verteidigt haben.
Diesmal war es dem Gegner doch gelungen, von seinen gewaltigen Menschenmassen eine Anzahl in die Mulde vor unserer Stellung hineinzuführen, die sich da zum weiteren Vorstoß aufbaute.
Die Artillerieschlacht wütet unterdessen noch zwei Stunden weiter, unsere Gräben scheinen dem Engländer noch nicht genügend zusammengetrommelt.
7 Uhr abends werden die 1. und 4. Kompagnie als beinahe ganz verschüttet gemeldet. Die 5. Kompagnie mit einem Maschinengewehrzug wird daraufhin nach vorn gezogen, um die entstandenen Lücken auszufüllen.
Endlich 7.30 Uhr abends hält der Gegner uns für vernichtet und steigt aus der Mulde. Welle auf Welle kommt dicht hinter seinem Artilleriefeuer angelaufen. Hauptmann Hug ruft durch Leuchtzeichen und Lichtspruch die Hilfe unserer Kanonen an. Sie versagen auch diesmal nicht. Unsere Leute buddeln sich aus den verschütteten Erdlöchern, suchen aus dem Schutt der Stellung die letzten Handgranaten zusammen und empfangen den Gegner mit wohlgezielten Würfen, dazwischen rattern die wenigen noch unver-sehrten Maschinengewehre und am Morgen erbeutete Lewisgewehre. Fortes fortuna adjuvat! Auch dieser Angriff wird restlos abgeschlagen.
Als der Gegner weicht, folgt ihm unter anderen der Ersatzreservist Dalacker aus Oberroth, Oberamt Gaildorf. Vor dem Drahtverhau findet er in einem Trichter geduckt zwei Engländer. Er lädt sie unmißverständlich ein, in unseren Graben zu kommen und setzt nach diesem Zwischenfall seinen Weg fort. Ihn interessiert die Mulde und richtig, er sieht, wie sich dort die Reste des Gegners wieder sammeln, die Bajonette blitzen herauf. Aber er wird entdeckt. Eine Kugel zerschmettert sein Gewehr, Granatspritzer verletzen ihn im Gesicht. Doch er weiß genug und kriecht zurück, nicht ohne unterwegs noch ein Lewisgewehr aufzulesen. Auf seine Meldung hin wird die Mulde kräftig befunkt. Sein Eisernes Kreuz hat er redlich verdient.
Noch einmal versucht der zähe Gegner sein Glück. Diesmal kommt er, uns durch Maschinengewehrfeuer niederhaltend, unter dem Schutze der Dunkelheit bis auf 5 m an unsere Stellung herangekrochen. Nicht einem einzigen Engländer gelingt es, in unseren Graben einzudringen.
Der Großkampf am 23. April war ein voller Sieg. Wohl hatte er auch uns empfindliche Wunden beigebracht, aber das stolze Bewußtsein, dem Feinde trotz aller Kaliber über-legen zu sein, hielt uns aufrecht.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–

1918“ׅ, Stuttgart 1923

Samstag, 22. April 2017

22. April 1917


„In zahlreichen Streifen war am Molkenrainweg die französische Postenaufstellung erkundet; neue Fliegeraufnahmen hatten ein genaues Bild der stark ausgebauten franzö-sischen Stellung an dieser Stelle mit ihren Maschinengewehr- und Minenwerferständen ergeben. Sie nachzuprüfen und dabei Gefangene einzubringen, war die Aufgabe, die dem I. Bataillon für den 22. April gestellt war. Die eben zu Ende gehenden Kämpfe an der Scarpe und an der Aisne, in denen Nivelle und Haig die deutsche Front zu zertrümmern suchten, heischten dringend Auskunft über die Truppenverhältnisse beim Gegner. Das Deckwort für die Unternehmung war „Duma“. Zwei Abteilungen unter dem durch seine Sturmlehrgänge in Ollweiler vielbewährten Leutnant Schmid und Vizefeldwebel (Offiziersaspirant) Kienhöfer der 2. Kompagnie sollten je in Stärke von 3 Unteroffizieren und 25 Mann nördlich und südlich des Molkenrainwegs in die feindliche Stellung einbrechen. In Ollweiler werden die Abteilungen vorgeschult für ihre Aufgabe.
Am Abend des besonderen Tages eröffnen 7.12 Uhr die eigene Artillerie und die Minenwerfer ihr Ablenkungsfeuer auf die Stellungen bei St. Antoni, 7.15 Uhr beginnt das Riegel- und Wirkungsfeuer auf die Einbruchsstelle, das der Minenwerfer des Regi-ments und der Minenwerfer-Komp. 326 legt sich auf die französischen Drahthindernisse und Unterstände. Die Maschinengewehre rattern und senden ihre indirekt gezielten Garben dem Gegner zu, die Granatwerfer und Revolverkanonen feuern mit. Seit 7.20 Uhr leitet ein eigener Flieger das Minenfeuer. Bis 8.45 Uhr decken die Granaten und Minen die feindliche Stellung zu, da brechen die Stoßtrupps aus ihren Unterschlüpfen in der 1. Linie. Sie haben’s nicht leicht. Seit 7.45 Uhr setzt feindliches Artilleriefeuer gegen die Uffholzer Stellung ein, seit 8.20 Uhr liegt es auf der Ausgangsstellung der Patrouille, wohin es zwei französische Flieger lenken, die zwei Minuten zuvor erschie-nen waren. Rote und grüne Leuchtkugeln gehen bei den Franzosen hoch, zuerst 200 Meter südlich des Molkenrainwegs, dann an diesem selbst. Haben die Franzosen rechtzeitig die Absicht gemerkt? Die beiden Patrouillen finden bei ihrem Vorstoß die Stellung leer. Das feindliche Drahtverhau ist zerschossen, das Astverhau weggefegt, die Unterstände sind meist eingedrückt. Ihre Holzdecke konnte dem Minenfeuer nicht standhalten, ein Betonklotz hinter der 2. Linie ist umgestürzt. Aber nirgends ein Fran-zose. Aus weiter hinten liegenden Linien setzt Maschinengewehr- und Gewehrfeuer ein und verwundete einige Leute. Leutnant Schmid stürmt über sein gesetztes Ziel weiter vor, umsonst, nirgends ein Franzose zu sehen. Sind sie rechtzeitig verschwunden? Die Stellung macht einen verwahrlosten Eindruck, man gewinnt den Eindruck, daß die Unterstände nicht mehr bewohnt sind. Die Franzosen haben allem Anschein nach ihre Unterkunftsräume weiter nach hinten gelegt und lassen von ihnen aus die einzelnen Posten aufziehen. Eine schmerzliche Entdeckung für die Tapferen. Da bleibt keine Wahl, die vorgeschriebene Zeit ist abgelaufen, der Pfiff gellt zur Rückkehr. Aber einer kommt nicht mehr; der tapfere Unteroffizier Klandt fehlt. Er hatte mit ein paar Leuten den Vorstoß in der feindlichen Linie nordwärts zu sichern. Da schlägt seiner Truppe Maschinengewehrfeuer aus den rückwärtigen Linien entgegen, ein Mann sinkt schwer-verwundet nieder. Klandt sorgt dafür, daß er durch seinen Nebenmann zurückgeschleppt wird. Er eilt seiner Abteilung nach, Aber die sehen und hören nichts mehr von ihm. Auf dem Rückweg müssen sie dem feindlichen Maschinengewehrfeuer ausweichen und merken erst im Graben, daß der in so vielen Streifzügen ausgezeichnet bewährte Klandt fehlt. Leutnant Schmid stößt sofort mit neuen Patrouillen ins Vorgelände vor, aber alle Bemühungen sind umsonst. Der hingebungsvollen, todesmutigen Haltung aller Betei-ligten mit ihren tatkräftigen Führern war diesmal kein Erfolg beschieden, so sehr auch das schneidige Verhalten bei allen Vorgesetzten gerne anerkannt wurde.


aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Freitag, 21. April 2017

21. April 1917


„Nachdem wir am 11. und 12. April dem Gegner mit stählerner Stirn ein „Bis hierher und nicht weiter“ entgegengestellt hatten, waren weitere Angriffe, auf die wir jeden Augenblick gefaßt blieben, nicht erfolgt. Offenbar wollten die Engländer erst nach ganz gründlicher und planmäßiger Vorbereitung zu einem neuen Angriff übergehen. Das ergab sich ganz deutlich aus ihrem Verhalten am 20. und 21. April.
Am 20. von 7.30 vormittags ab schossen sie sich mit leichten und mittleren Kalibern auf Pelves und das Hintergelände ein, von 5.45 – 7 Uhr abends mit 15 cm Kalibern auf unsere vordere Stellung. Zwischendurch belegten sie um die Mittagszeit das ganze Hintergelände bis Biache und Vitry mit lebhaftem Artilleriefeuer. Am 21. nahm das Einschießen seinen Fortgang. Diesmal galt es zunächst den in Bau befindlichen Anlagen bei Pelves, dann der 2. Stellung einschließlich der in ihrer Nähe stehenden Artillerien.
Das seit dem 16. April im Anschwellen befindliche Artilleriefeuer war am 21. nachmittags besonders heftig, es lag auf allen Linien und auf Pelves. Die Pelveslinie – von den Engländern nach einer erbeuteten Karte Granatenlinie genannt – hatte ganz besonders zu leiden. Der rechte Regimentsabschnitt erhielt von 1 – 3 Uhr nachmittags auch Feuer leichter Minenwerfer.

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–
1918“ׅ, Stuttgart 1923


Donnerstag, 20. April 2017

20. April 1917


„Am 18. April erhielt das Regiment, links von Regiment 1255, dicht gegenüber dem burgartig hochgelegenen Monchy, seinen eigenen Abschnitt durch Ablösung des bayri-schen Regiments 18 zugewiesen. In schlechten Gräben, von Fliegern beobachtet, Artil-lerie unter Feuer genommen, ohne Hindernisse, ohne Stollen lagen die Kompagnien, jeder Stunde eines weiteren Angriffs gewärtig. Führer und Mannschaften wetteiferten in der Arbeit, sich eine verteidigungsfähige Stellung zu schaffen. Unter Leitung und Hilfe der Baukompagnie wurde Material (Draht, Stollenhölzer usw.) aus Hamblain mühsam und gefahrvoll auf das Gefechtsfeld geschafft. Fleißig half die 5./Pion. 13 mit an der Verdrahtung der vielen Waldstücke. Auf dem nördlichen Scarpeufer waren die Kämpfe wieder in vollem Gang. Da und dort war der Gegner eingedrungen. Gefangene sagten aus, daß der Angriff auf dem südlichen Ufer folgen würde. Man hatte keinen Zweifel hierüber; gute Fliegermeldungen bestätigten die ungeheure Verstärkung der feindlichen Artillerie hinter den Höhen von Monchy.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921


Mittwoch, 19. April 2017

19. April 1917


„Durch die rastlose Tätigkeit des Regiments, das hierbei bis zum 16. April vom Batail-lon Völter (I./121), bis zum 18. April von der 3. Pion. 29 und von da ab durch einen Zug der 1. Pion. 13 tatkräftig unterstützt wurde, wuchs sich die Stellung des Regiments an der Scarpe nach und nach zu einer wirklichen Verteidigungsstellung aus, eine Bezeich-nung, die ihr am Tage des Einsatzes des Bataillons Brandt noch nicht gebührte.
Das erbitterte feindliche Artilleriefeuer und die zahlreichen Beschüsse mit Gasgranaten zwangen zu mehrfachen kleineren Änderungen des eingangs näher skizzierten Stel-lungssystems von der vorderen Linie bis zur 2. Stellung. Ein wesentlich anderes Bild wurde dadurch nicht hervorgerufen.
Auch der K.-T.-K. mußte verschiedentlich seine Befehlsstelle wechseln. Es war äußerst wichtig, daß er mit seinem Stabe nicht dauernd feindlichen Granaten ausgesetzt blieb, denn auf ihm lastete die größte Verantwortung, mit ihm stand und fiel die Verteidigung der vorderen Linie.
Nach Vitry hineinsausende schwere Kaliber ließen es ratsam erscheinen, wenigstens zeitweise, trotz kalter Witterung, die schlechten Quartiere mit noch schlechterem Biwak zu vertauschen. Einem Volltreffer in Vitry fiel bedauerlicherweise Stabsarzt d. L. Dr. Schäfer zum Opfer, der stellvertretenderweise für den zum Gaskurs nach Berlin kom-mandierten Stabsarzt Dr. Levy den Dienst als Regimentsarzt versah. Feldhilfsarzt Langhoff wurde verwundet.
Der Regimentsstab wurde sehr rasch aus Biache-Süd herausgeschossen; diese Häuser-gruppe hob sich auch gar zu verlockend für die feindlichen Feuerschlünde im Gelände ab. Aber wohin sollten wir auswandern? Guter Rat war teuer. Doch unsere suchenden Bemühungen sollten nicht erfolglos bleiben. An dem Wege Biache – Sailly in der Nähe eines fischreichen Weihers südlich Biache, stand ein leerer Möbelwagen. Er trug die weithin sichtbare Aufschrift „Victor François Lille.“ Jäh und unliebsam war ein beab-sichtigter Umzug durch die Geschosse der eigenen Landsleute hier offenbar vereitelt worden.  Drei Bettstellen, ein Tisch und ein Ofen waren bald herbeigeschafft und kaum eine halbe Stunde dauerte es, bis der Telephonapparat von Biache in den Möbelwagen verpflanzt worden war – fertig war die „Laube“. Ein Gefechtsstand, ganz anders wie in Rocquigny, aber wiederum eigenartig. Er hat sich als durchaus praktisch erwiesen. Als die feindlichen Granaten in den Biacher Weiher hineinfahrend, den Möbelwagen mit Wasser überschütteten, verschwand er einige hundert Meter seitwärts, ohne daß hier-durch der Dienstbetrieb auch nur einen Augenblick gestört worden wäre.


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–
1918“ׅ, Stuttgart 1923


Dienstag, 18. April 2017

18. April 1917


„Am 18. April wurde das Bataillon zur Maasgruppe Ost bei Etraye umquartiert und als bodenständige Kampftruppe eingegliedert in die jeweils bei der Höhe 344 eingesetzte Brigade. Das Bataillon hatte Grund, mit dieser Art seiner Verwendung zufrieden zu sein. Von drei Kompagnien waren jeweils zwei auf 20 Tage in Stellung und eine auf 10 Tage in Ruhe in Etraye. Eine weitere Kompagnie lag in der „namenlosen Schlucht“ und im Caures-Wald. Die Kampftätigkeit an der später so heiß umstrittenen Höhe 344 war nicht erheblich. Die Kampfgräben, vor denen sich vorgeschobene Sicherungen befanden, waren 2 – 3 km von denen des Feindes entfernt, der sich im ganzen ruhig verhielt, nur einmal mußte erhöhte Bereitschaft angesetzt werden. Der erwartete Angriff blieb aber aus. Auf dem Soldatenfriedhof von Etraye liegen auch Reutlinger Landsturmleute; im ganzen aber erlitt das Bataillon, obwohl es viel unter Artilleriefeuer zu leiden hatte, keine nennenswerten Verluste.“

aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929


Montag, 17. April 2017

17. April 1917


„Gottlob wurde das Regiment am 13. April wieder in Gegend Vitry zum Divisions-verband herangezogen und bezog in genanntem Ort Unterkunft. Beim Eintreffen war gerade die Bevölkerung, da der Ort bereits im Kampfbereich lag, beim Auswandern. Ein trostloses Bild! Frauen, Kinder, alte Männer schleppten ihr Hab und Gut mühsam her-bei, um es auf Lastkraftwagen oder vom Regiment zur Verfügung gestellte Packwagen zu verladen. Was sie an Lebensmitteln, Wäsche usw. nicht mit sich nehmen konnten, verschenkten oder verkauften sie an die Truppe. Wehklagend sah man die Leute von ihrem gepflegten, liebgewonnenen Besitztum scheiden. Wohl niemals fühlt man die Härte des Krieges schwerer wie in solchen Augenblicken und doch mußte es sein, denn schon gegen Mittag kamen die ersten feindlichen Fliegergeschwader und belegten den Ort mit Bomben. Vollgefüllt von Mannschaften und Kolonnen gab es da und dort schwere Verluste.
Bis zum Abend war das Regiment glücklich wieder vereinigt. Die Bataillone (I. und II.) wurden dem Inf.-Reg. 125 und Gren.-Reg. 119 zur Unterstützung zugeteilt und mit dem Ausbau neuer rückwärtiger Stellungen beschäftigt. Eile und Arbeit tat not, da auch an dieser Stelle der Engländer mit voller Kraftentfaltung auf Douai zustrebte.

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921


Sonntag, 16. April 2017

16. April 1917



Musketier Konstantin Grimm.
XIII. Armeek., 26. Div., Alt Württbg. Inf.-Regt. 121, 4. Komp.
gefallen 16. April 1917.
Der technische Student Konstantin Grimm ist am 25. November 1896 in Weingarten geboren als Sohn des Oberwerkführers Konstantin Grimm und der Emilie, geb. Straub. Nach 3-jährigem Volksschulbesuch suchte er weitere wissenschaftliche Ausbildung in der Ober-Realschule Ravensburg (Klasse 1 – 5) und trat dann als Lehrling in die Maschinenfabrik hier ein, woselbst er 4½ Jahre mit sehr gutem Erfolg in den Betriebs-werkstätten und auf dem technischen Büro arbeitete. Nach Ablauf dieser für ihn so wertvollen Lehrjahre setzte er seine Fachausbildung an  der technischen Hochschule in Stuttgart fort.
Doch nach kurzer, ernster Studienzeit mußte er , noch nicht 18-jährig, dem Rufe des Vaterlandes folgen. Am 28. September 1915 rückte er zum Inf.-Regt. 124 in Weingarten ein, marschierte nach ½-jähriger militärischer Ausbildung mit einem Trupp von 500 Mann, dem Inf.-Regt. 121, 4. Komp., zugeteilt, durch die Stadt hinaus zur Fahrt an die blutige Westfront, begleitet vom Gebet und Segen der Seinen. In allen Kämpfen und Leiden des Krieges blieb er, der im trauten Kreise von Eltern und Geschwistern eine glückselige Jugend durchlebt, in engster Fühlung mit dem Vaterhaus. Aus seinen vielen Briefen leuchtet rührende Liebe, christliches Gottvertrauen, heilige Begeisterung fürs Vaterland, ein stilles Hoffen und Sehnen. In der Nacht vom 13. auf 14. Juni 1916 wurde er auf Höhe 60 bei Hooge durch Trommelfeuer verschüttet, doch durch einen Unterof-fizier seiner Komp. gerettet. In langen 16 Wochen erlangte er seine Wiedergenesung in verschiedenen Lazaretten Flanderns, kehrte zur Front zurück und machte die schweren Kämpfe an der Somme mit. Weihnacht 1916 – unvergeßlich!, schrieb er den Seinen mit Recht. Im März 1917 war er beim Sturm auf „Lichtenstein und Neuffen“, wurde im April mit dem Regiment von Flandern nach Frankreich verschoben, wo er am 16. genannten Monats unweit Arras den Heldentod erlitt.
Über den Hergang schreibt Leutnant d. R. und Komp.-Führer A. Möbus an die hart betroffenen Eltern u. a.: „Ihr Sohn hat den Heldentod bei Pelves a. d. Scarpe auf dem Wege zur Stellung erlitten. Er war sofort tot, ohne leiden zu müssen. Seinen Leib bestatteten wir auf dem Friedhof Hamblein zur ewigen Ruhe unter Mitwirkung des kathol. Feldgeistlichen. Ihren lieben Sohn Konstantin hatten wir alle sehr gern wegen seines bescheidenen, zuverlässigen Wesens. In den ersten Tagen schon wäre er mit dem Eis. Kreuz geschmückt worden. Wohin er auch gestellt wurde, er tat voll und ganz seine Pflicht. Wir alle trauern um ihn. Seien Sie unserer aufrichtigen Teilnahme versi-chert….“.“

aus: „Schwäbische Helden Weingarten (in Wttbg.) im Weltkrieg“, Stuttgart 1920


Samstag, 15. April 2017

15. April 1917


„Die schwere Niederlage, die sich der Gegner am 11. geholt hatte, hat ihn zu vermehrter artilleristischer Kampftätigkeit im Divisionsabschnitt veranlaßt und systematisch be-kämpfte er von da an die vorderen Stellungen, wie die Batterien. Auffallend war nur die geringe Tiefe des gegnerischen Artilleriefeuers am Südflügel der Arrasfront, so daß sogar Villers Cagnicourt, das noch nicht einmal 6 km hinter der vorderen Linie lag, wochenlang unbeschossen war, trotzdem es dort von Truppen wimmelte. Auch von Bombenwürfen blieb es verschont, wenngleich sich die Flugtätigkeit mit Beginn der Großkämpfe dieses Jahres zu bisher nicht genannter Stärke gesteigert hatte. Die deut-sche Fliegerei stand damals auf ihrer Höhe. Neue Apparate, die den Gegnern deutlich sichtbar überlegen waren, tauchten auf und an klaren Tagen konnte man dutzende deutscher Luftsiege beobachten, wie sie später weder der Zahl noch der Schnelligkeit nach wieder erreicht wurden. Außer der Beobachtung und Feuerleitung war allmählich auch die Bekämpfung von Erdzielen in den Aufgabenkreis der Flieger getreten und stundenlang kreisten niedrig fliegende Flugzeuge über den Stellungen, sie mit Maschi-nengewehrfeuer und Bombenwürfen angreifend. Das ewige Summen über den Gräben war für die Truppe sehr unangenehm und beunruhigend, aber das Bewußtsein, selbst mit den gefürchteten Tanks fertig geworden zu sein, ließ auch diese Belästigung mit Gelas-senheit ertragen und zuversichtlich sah man der Zukunft entgegen. Die gegnerische Infanterie verhielt sich unterdessen untätig und erst nach einem am 15. April früh deutscherseits ausgeführten Vorstoß der beiden Divisionen links von uns sah man ihn rege schanzen und an einzelnen Punkten auch Drahthindernisse ziehen. Im übrigen sparte der Gegner seine infanteristischen Kräfte auf und nicht einmal von einer Patrou-illentätigkeit war etwas zu spüren.“


aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Freitag, 14. April 2017

14. April 1917


„In langen Pausen fielen die Schüsse; doch immer enger wurde die Gabel, näher rückten die Einschläge. Wie die Nerven sich spannten, wie sie das sausende Geschoß fühlten und maßen! Der Boden zitterte, die Balken wankten; dann ein Schlag, als sollte die Erde versinken, gellende Schreie, Flammen und Rauch, Splitter und Fetzen …. Und bald jagten sich die Schüsse; heißblütige Ratscher, heimtückische Verzögerungsgranaten, Mörserschläge in gemessenen Pausen, doch jeder Schlag für sich ein Sinnbild blinder Vernichtung, stundenlang, tagelang im selben Takt. Geschütze lagen geborsten, die Unterstände eingedrückt, zertrümmert. In dem einzigen, der übrig geblieben, kauerte sich zusammen, was noch lebte. Wann kam der Schuß, der dir selber galt? Die Seele dämmerte wie im Traum; sie konnte nur noch eines fassen: ausharren als Soldat, bis der Angriff dich ruft oder das Geschoß dich packt.“


aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925

Donnerstag, 13. April 2017

13. April 1917



„Gleich am 12. April wurde die Stellung der 4./49 stark mitgenommen, nachdem kurz vorher tief fliegende feindliche Flieger deren freie Lage festgestellt hatten. Nach einer längeren Feuerpause auf die erste Beschießung, wobei schon ein Stollen eingedrückt wurde und drei Verschüttete sich gerade noch befreien konnten, setzte eine zweite Beschießung ein mit einem Volltreffer in einen Geschützstand, der von der Bedienung wieder besetzt war. Vizewachtmeister Munding, Unteroffizier Wanner, Kanonier Veyhl, Sanitätssoldat Gerster blieben tot, Unteroffizier Weiß wurde tödlich, Kanonier Breisch schwer verwundet und zwei Kanoniere leichter. Drei Geschütze wurden zerstört. Auch die 5. und 6./49 lagen an diesem Tage, die 1., 2. und 7./49 am folgenden Tage unter schwerem Feuer, wodurch bei 1./49 Kanonier Weber und der treffliche Photograph Spiet, dem das Regiment in diesen Blättern und sonst noch zahlreiche Bilder verdankt, fielen. Die Anmarschwege und Ortschaften im Artilleriestellungsgebiet lagen andauernd unter Feuer und machten den Verkehr äußerst gefährlich. Fahrer Reiniger der 2./49 wurde auf diese Weise schwer verwundet, seine beiden Pferde getötet.“


aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Mittwoch, 12. April 2017

12. April 1917



„Die am 12. April gegen unsere Nachbarn (31 und 125) unter von feindlichen Fliegern mit Hupensignalen geleitetem Feuer, auch unter Verwendung von Gas- und Nebel-granaten unternommenen Angriffe haben keinen Erfolg. Das dabei auf unseren Regimentsabschnitt gerichtete Artilleriefeuer erreichte zwischen 6 und 6.30 Uhr abends seinen Höhepunkt und kostete uns bei dem gänzlichen Mangel an schußsicheren Unterständen 20 Tote und 60 Verwundete; 2 Maschinengewehre außer Gefecht gesetzt. Ein Trost für uns war der Abschuß von 6 feindlichen Fliegern über Biache.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Dienstag, 11. April 2017

11. April 1917



„Am 11. April 1917, 2 Uhr vormittags, hörten die Posten Motorengeräusch. Bei dem starken Artilleriefeuer wurde das Geräusch wenig beachtet. Die Kompagnien wurden aber gefechtsbereit gemacht, da der Gegner auffällig Bullecourt im Abschnitt 120 und Riencourt in unserem Abschnitt unter Feuer nahm. 4.30 Uhr vormittags sahen die posten Engländer am Drahthindernis arbeiten, sie alarmierten die Kompagnien. 4.45 Uhr vormittags wurde das Motorengeräusch lauter und kam näher, bald wurden mehrere Tanks erkannt, die auf den Abschnitt zufuhren. Dahinter folgten 5 englische Sturmwel-len, denen dicht gedrängte geschlossene Abteilungen folgten. In großer Anzahl erschie-nen tieffliegende Flieger, die mit Hupen Signale gaben. Unser rechtzeitig ausgelöstes Sperrfeuer setzte ein, war aber für den großen Abschnitt reichlich dünn. Die Graben-besatzung war auf die Brustwehr gesprungen, um nicht im Graben wehrlos niederge-macht zu werden, und schoß und warf Handgranaten in die anstürmenden Massen. Die M.-G. mähten die Engländer reihenweise nieder, aber immer wieder schlossen sich die Reihen und drängten näher an den Graben heran. 70 Patronen hatte jeder Mann verfeuert, dann begann der Nahkampf. Die 1. Kompagnie am rechten Flügel wurde zuerst überwältigt, 20 Mann und die Bedienung eines schweren M.-G. niedergemacht, 40 Mann wurden verwundet, der Rest wich auf die zweite Linie aus. Der Kompagnie-führer, Leutnant d. R. Mohr, setzte seinen Reservezug zum Gegenstoß an, er fiel aber bald darauf durch eine Handgranate an der Spitze des Sturmtrupps. Der Zug hatte anfangs Erfolg und drängte die Engländer zurück, bald aber gingen die Handgranaten aus und diesen Augenblick benutzte der Gegner und warf den Zug wieder zurück. An einem Hohlweg hinter der Stellung klammerte sich der Rest der 1./124 an und suchte ein weiteres Nachdrücken der Engländer zu hindern. Glücklicher in der Abwehr war die links daneben liegende 2. und 3. Kompagnie. Trotzdem etwa 7 feindliche Kompagnien gegen sie anliefen und 3 Tanks vor der Stellung hin- und herfuhren, gelang es den Kompagnien, ihre Stellungen zu halten und sich gegen die Einbruchsstelle abzuriegeln. Ein Tank war in das Drahthindernis hineingefahren und in den Drähten stecken geblie-ben, vergeblich suchte er sich durch Vor- und Zurückfahren zu befreien, schließlich blieb er liegen, feuerte aber weiter. Ein M.-G. mit S.m.K.-Munition und ein Minen-werfer nahmen ihn unter Feuer. Nach kurzer Zeit war er außer Gefecht gesetzt, die Munition des M.-G. hatte den Panzer durchschlagen, der Minenwerfer 4 Volltreffer erzielt, die fliehende Besatzung wurde abgeschossen. Gegen die beiden nächsten Unter-abschnitte gingen ebenfalls mehrere Tanks vor. Alles, was in ihrer Nähe war, wurde beschossen; Mit 6 M.-G. aus jedem Tank kämmten die Engländer die Brustwehr der Stellung ab und erstickten jeden Widerstand. Die 10. und 11. Kompagnie hatten hier schwere Verluste. Obwohl ein Minenwerfer einen Tank durch Volltreffer auf den Radgürtel außer Gefecht setzte, konnten sich beide Kompagnien der Übermacht nicht erwehren und wurden aus der 1. und 2. Linie zurückgedrängt. 40 Mann fielen in Gefangenschaft. Im Abschnitt am weitesten links hielten sich die 12. Kompagnie und Teile der 11. gegen alle Angriffe, 5 Gruppen des Grenadier-Regiments halfen hier entscheidend mit. 8.30 vormittags hatten die Engländer C 1 1. und 2. Linie genommen, in C 4 und 5 die 1. Linie und Teile der 2., von hier aus waren sie in dem Calwer Graben weiter vorgestoßen bis an das Drahthindernis der Artillerieschutzstellung. Mehrere feindliche Kompagnien mit zahlreichen M.-G. hatten sich am Weg Kapelle, südlich Riencourt – Sanssouci-Mühle festgesetzt.
II./124 war in der Nacht zum Schanzen an der Artillerieschutzstellung vorgezogen ge-wesen und hatte beim Einsetzen des Trommelfeuers selbsttätig einzelne Züge vorge-schickt, die die 2. Linie verstärkten und beim Abdämmen gegen den eingedrungenen Feind halfen. Die dem K.-T.-K. unterstehende 9./124 hatte mit 2 Zügen den im Calwer Graben vorgedrungenen Gegner bereits bis zur 2. Linie im Handgranatenangriff zurück-getrieben, als sie sich infolge falscher Gerüchte von ihrer Umfassung auf die Artillerie-schutzstellung zurückzog. Die Lage war nicht gut, vor allem waren die Kompagnien, die sich vorn noch hielten, bei einem erneuten Angriff der Engländer in Gefahr, abgeschnitten zu werden. Die Entscheidung mußte schnell gesucht werden und so gab der K.-T.-K., Hauptmann d. R. Schöllmann, folgenden Befehl: „Gegenstoß der 9. und 5. Kompagnie durch Calwer Graben, Gegenstoß der 7. Kompagnie von der Artillerie-schutzstellung gegen Sanssouci-Mühle. Gegenstoß der 6. und 8. Kompagnie von Ver-bindungsgraben 6 aus. Um 9 Uhr vormittags brechen alle Stoßkolonnen gleichzeitig vor.“ Die 9./124 unter Leutnant d. R. Schlotterbeck bahnte sich schnell wieder im Calwer Graben ihren Weg und trieb den Feind in der 2. Linie zusammen und besetzte diese bis zum rechten Grenadierflügel. Der Gegner an der Mühle wurde von der Artil-lerieschutzstellung unter wirkungsvolles Feuer genommen, besonders ein M.-G.-Zug unter Leutnant d. R. Kimpfler riß hier große Lücken. Als die 7./124 gegen die Mühle vorstieß, war der eingedrungene Feind auf allen Seiten umstellt, denn auch 6. und 8./124 hatten am rechten Flügel die 2. Linie und die Verbindungswege wieder genommen. Während die eingeschlossenen Engländer in Scharen nach Riencourt gefangen abge-führt wurden, stürmten die Sturmtrupps durch den Erfolg ermutigt über freies Feld vor und nahmen die 1. Linie wieder, unterstützt von Stoßtrupps, die von beiden Seiten die vorderste Stellung aufrollten, auf dem linken Flügel beteiligten sich auch hieran Teile der Grenadiere. Das am Weg Riencourt – Noreuil verloren gegangene deutsche M.-G. wurde von Leutnant d. R. Schlotterbeck zurückerobert, 2 englische M.-G. wurden feuernd mit stürmender Hand genommen. Nochmals wurde eine große Zahl Engländer gefangen, 15 Lewis-M.-G. und 2 Minenwerfer erbeutet. Beim Vorstoß am rechten Flü-gel zeichnete sich besonders die 4./124 aus, der sich die Reste der 1. Kompagnie ange-schlossen hatten. Die Sturmabteilungen der Unteroffiziere Pfitzenmaier, Bäuerle und Spieß brachen jeden Widerstand des Gegners, der sich besonders in C 1 aufs Hart-näckigste wehrte. Unteroffizier Stoll, 2./124, hatte den Engländern 5 Lewis-M.-G. entrissen, er ließ sie gegen den Feind einbauen und verwenden. 3 Uhr nachmittags war der Abschnitt wieder restlos in der Hand des Regiments. Hunderte von englischen Toten lagen vor der Front, besonders an den Durchbruchsstellen und vor dem M.-G. am Weg Riencourt – Noreuil. Sie gaben ein beredtes Zeugnis von der Schwere des Kampfes, 4 Tanks lagen kampfunfähig gemacht vor der Stellung. Englische Kavallerie, die zuerst mit einer stärkeren Patrouille am Drahthindernis entlang geritten war und mit stärkeren Abteilungen weiter rückwärts gehalten hatte, mußte unverrichteter Sache wieder abzie-hen.
So war am 11. April der anfängliche Mißerfolg in einen glänzenden Sieg umgewandelt worden. Alle Angehörigen des Regiments hatten ihren alten Ruf voll bewährt und hervorragende Proben von Tapferkeit und unerschütterlichem Mut abgegeben. Neben mehreren hundert Gefangenen betrug die Gesamtbeute 2 Tanks, 7 schwere M.-G., 49 Lewis-M.-G., 2 Minenwerfer und viel sonstiges Material. Der 11. April gehört mit zu den Ehrentagen des Regiments.
Die eigenen Verluste waren schwer. Tot waren 144 Mann, darunter die Leutnants d. R. Nestle, Mohr, Hauff, Weber, Geiger und Fähnrich Ricker, verwundet wurden 230, dabei die Leutnants d. R. Beutter, Strenger, Blattmann, Sauter und Offizierstellvertreter Schütze. Die Fähnriche Hepp, Hafner und 60 Mann wurden vermißt.

aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921


Montag, 10. April 2017

10. April 1917


„Etwas früher als wir angenommen hatten, war am 9. April der erwartete Angriff der Engländer an der Arrasfront losgebrochen. Die dort recht beträchtlichen Anfangserfolge unserer Gegner hatten bei der geringen Entfernung dieses Frontabschnitts natürlicher-weise eine Gefährdung unseres Abschnitts zur Folge. Besonders unangenehm war es, daß die feindliche Angriffsrichtung unmittelbar in unsere Flanke, ja sogar in unseren Rücken führte. Es galt für die 27. Division, sorgsam auf der Hut zu sein, wenn auch zwischen der angegriffenen Front und der unsrigen 2 – 3 Divisionsbreiten lagen und herangeführte Reserven bei Arras zunächst dem Feinde ein weiteres Vordringen ver-wehrten. Jeden Augenblick konnte aber eine Verbreiterung der feindlichen Angriffsfront in Richtung Cambrai frontale Angriffe auf die Division zur Folge haben oder weiterer feindlicher Geländegewinn vor Arras nach Osten hin ein Eingreifen der Division nach der rechten Flanke erforderlich machen. Die Tatsache, daß vor den Gräben des Regi-ments und seiner Nachbarn – rechts 220. Division, links Regiment 124 – bis zum 9. April noch kaum ein feindlicher Infanterist, geschweige denn ein feindlicher Graben zu erblicken war, ließ uns zunächst die Gefahr der Verbreiterung etwas unglaubhaft er-scheinen. Am 10. April, 5.45 Uhr vormittags, griff nach etwa einstündiger heftiger Feuervorbereitung ein englisches Bataillon, das bei Nacht unauffällig in den vielen Hohlwegen vor unserer Front bereitgestellt worden war, bei Bullecourt an. Es gelang ihm, da unsere vorgeschobenen Posten und Patrouillen sich im Trommelfeuer in die hinter einem Hang liegenden Gräben hatten zurückziehen müssen, überraschend vor unserem Drahthindernis aufzutauchen. Unser gut liegendes und rechtzeitig einsetzendes Artilleriefeuer, sowie wohlgezieltes Infanterie- und Maschinengewehrfeuer der sofort kampfbereiten Grabenbesatzung riß große Lücken in die anstürmenden Reihen der Engländer, die, bald das Aussichtslose ihres Tuns einsehend, schleunigst zurückfluteten. Sieben Engländer, die größtenteils verwundet im Drahthindernis liegen geblieben wa-ren, wurden als Gefangene geborgen; sie verschafften uns durch ihre Aussagen wichtige Aufschlüsse über die feindlichen Absichten und die Truppenverteilung. Ein neues Kampfmittel, der sogenannte Gasminenwerfer, das unsere Gegner hier zum ersten Male in Anwendung brachten, verursachte leider beim Regiment, besonders bei seinem I. Bataillon, einen bedeutenden Ausfall an Gastoten und Erkrankten. Da unsere Leute fremd dieser Waffe gegenüberstanden, wußten sie sich in der Mehrzahl nicht in der richtigen Weise gegen ihre verheerende Wirkung zu schützen. Die Abwehr des eigent-lichen Infanterieangriffs kostete uns fast keine Verluste.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922


Sonntag, 9. April 2017

9. April 1917



„9. 4. Ostermontag. Wahnsinniges Trommelfeuer, das immer näher kommt.
Das Feuer des Gegners bleibt dann zunächst vor der Batterie liegen. Verbindung zur Beobachtungsstelle ist unterbrochen. Von rückwärts kommen Infanterieunterstützungen; sie können aber infolge des Feuers nicht weiter vorwärts. Schon bekommt jeder Mann der Batterie, der sich zeigte, Maschinengewehrfeuer.
Jetzt wird die Sache verdächtig. Geheimbefehle und Karten werden verbrannt. Alles zum Räumen fertig gemacht. Zum Sprengen war nichts mehr, da alle Geschütze total zusammengeschossen waren.
Schon zeigten sich die ersten Engländer. Da wird der Befehl zum Räumen gegeben. Jeder Stollen wird abgerufen; dann geht es zurück.
Kaum sehen uns die Engländer, so knattern ihre Maschinengewehre, die sie in vorder-ster Linie mitführten. Dazu kommen noch Tiefflieger. Von Granatloch zu Granatloch springen wir und decken uns so gut es geht.
Rechts und links von uns waren die Tommys noch schneller eingedrungen; so bekom-men wir auch noch Flankenfeuer. Schon droht der Atem zu versagen, schleppen wir doch Verwundete und das wertvolle Gerät mit, soweit es irgend möglich. Zum Schluß wird man ganz apathisch.


aus: „Das 2. württ. Feldartillerie.-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921