Donnerstag, 30. November 2017

30. November 1917


„Cambrai war in Gefahr, wieder hieß es alle Mann an Bord. Um Mitternacht schrillte das Telephon, wir wurden nach Norden geworfen, der gefährdeten Stelle zu, und mit Tagesanbruch standen Batterien und Stäbe in ihren neuen Stellungen bei Niergnies. Dort standen auch auf der Lauer die Tankgeschütze der Batterien, bereit, sich dem Angriff der feindlichen Sturmwagen entgegenzuwerfen, denn noch träumte der Engländer von seinem Einzug in Cambrai: vom Kirchturm von Niergnies sah man englische Kavallerie zur Front reiten! Aber ehe er zufassen konnte, traf ihn der Gegenstoß. Und diesmal ist er der Überraschte, er sieht sich zwischen zwei Klammerarme genommen, die den Sack zuschnüren, in dem er sich festgerannt hat. Wie gern hätten wir den Strick mit zuge-zogen! Doch wir standen am ausgebauchten Ende und mußten warten. Geschlafen haben wir dennoch nicht. Die Batterie Schlecht hat in diesen Tagen vier englische Kanonen im Aufprotzen überrascht und für immer erledigt.“


aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925

Mittwoch, 29. November 2017

29. November 1917


„Die Kampfhandlungen auf dem rechten Piaveufer führten am 21. November zur Erstürmung des Fontana Secca, doch es war unmöglich, von dort her noch weiter gegen das Grappamassiv vorzustoßen. Auch die mit ungeheurem Schneid durchgeführte Er-stürmung des Spinuccia durch das württembergische Gebirgsbataillon erzwang nicht die Zurücknahme der italienischen Linie auf dem Pallone und die italienischen Batterien schossen immer heftiger gegen unsere Stellungen auf dem Tomba und gegen die im Querobecken aufgestellten Batterien. Da sich nun allmählich der Bewegungskrieg zum Stellungskampf entwickelte, mußte natürlich von der Artillerie die vorderste Linie unse-rer Infanterie genauer erkundet werden. Es wurden daher fast täglich Offizierspatrou-illen mit einem kleinen Stab von Telephonisten auf das jenseitige Piaveufer geschickt, um auf dem Tomba sich umzuschauen, oder aber von den vordersten eigenen Stellungen bei Sperrfeuerproben die Lage der Schüsse genau zu beobachten. Morgens in aller Frühe gingen die Patrouillen los, da zu Beginn der Morgendämmung das feindliche Feuer etwas nachließ. Auf dem über den Piave bei Segusino führenden Steg waren die Pio-niere an der Arbeit, um die Schäden, die durch das nächtliche Artilleriefeuer entstanden waren, auszubessern. Man schlängelte sich auf den losen Brettern zwischen Tragetier-kolonnen hindurch, unter sich den rasch dahinrauschenden, tiefgrünen Piave, und war froh, wenn man auf dem andern Ufer den steilen Bahndamm erklettert hatte. Dann folgte eine lange, unangenehme Strecke auf dem Bahndamm selbst, entlang dem Piave. Der ganze Damm war vom Feinde eingesehen und zahlreiche Kadaver von Tragetieren ließen darauf schließen, daß die Italiener diesen Zufahrtsweg scharf überwachten. Im Süden glänzten die zerschossenen Trümmer der kleinen Kapelle von S. Sebastiano, wo lange Zeit einige italienische Geschütze standen: Rechts davon noch im Schatten la der dunkle Tombakamm. Bei Faveri war die über den Tegorzo führende Brücke wieder instand gesetzt, doch lagen auch dort meistens zerfetzte Tragetiere, so daß man unwill-kürlich den Schritt beschleunigte. Das Kirchlein von Faveri, das wie auf einer Insel etwas höher als der Ort selbst lag, war fast nicht beschädigt, umso schlimmer aber sah es im Ort selbst aus, der nur noch einen Trümmerhaufen bildete. Nun ging es steil zwischen einzelnen Kastanienbäumen am Hange in die Höhe. Links unten in der Schlucht lag eine zerschossene österreichische Gebirgsbatterie, die von den Italienern beim Versuch auf dem Tomba in Stellung zu gehen, überrascht und vollständig ver-nichtet worden war. Nur nicht zu lange hinsehen! Weiter oben wurde der Kamm flacher, man suchte sich durch die zerstörten Drahthindernisse mühsam den Weg und strebte der Kammhöhe selbst zu, wo unsere vorderste Linie sein sollte. Die letzten 50 Meter lief man etwas schneller, bis man den Graben erreichte. Allerdings darf man sich unter Graben nicht etwas vorstellen, was nach den schönen Abbildungen in Zeitschriften in der Regel als Graben bezeichnet wird. Es war mehr eine Art von Verbindung von einzelnen Löchern, die teils durch Granaten, teils von Menschenhand hergestellt waren. Dort hausten in bescheidenster Weise unsere Infanteristen. Die Reserven lagen weiter rückwärts in geschützteren Lagen. Unsere vorderste Linie lief dem Tombakamm entlang bis zu dem östlichen Ausläufer des Monfenera. Von dort führte die schmale Postenkette an dem zur Piave abfallenden Hang steil hinunter nach Sengie zu, wo die Jäger des Alpenkorps Wache hielten. Der Tombakamm, sowie der Hang des Monfenera gehörten zu unserem Zielabschnitt und mußten daher genau erkundet werden. Die Linie ist lange von unseren Truppen behauptet worden. Unsere Abteilung konnte mit sämtlichen Batterien die zugewiesenen Sperrfeuerräume leicht bestreichen und verblieb daher in ihren Stellungen im Segusinobecken.“


aus: „Die württembergische Gebirgs-Artillerie im Weltkrieg 1915-1918“, Stuttgart 1920

Dienstag, 28. November 2017

28. November 1917




„Trotzdem der eigentliche Großkampf Ende November aufhörte, hatten die Batterien die empfindlichsten Verluste, so die beiden Haubitzbatterien, die 5. und die 9., die durch feindlichen Beschuß ganze Geschützbedienungen an Toten verloren. Leutnant d. R. Weitbrecht von der 2. Batterie geriet als Artillerie-Verbindungsoffizier bei einer Erkun-dung schwerverwundet in englische Gefangenschaft, in der er alsbald starb.
Auch das Vorbringen von Verpflegung und Munition aus den allmählich vom Regiment instand gesetzten Protzenquartieren in Sleyhage und Hooglede verursachte oft empfind-liche Verluste an Mann und Pferd, denn die großen Straßen, die von diesen Orten der Front zuführten, lagen unter dem ständigen Streufeuer schwerer Flachgeschütze des Gegners.“


aus: „Das Württembergische Res.-Feld-Artillerie-Regiment Nr. 27 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1925
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708

Montag, 27. November 2017

27. November 1917


„Wochen und Monate vergingen in einer gleichförmigen Tätigkeit. Die Morgen- und Abendmeldungen seiner Zeit trugen meist alle dasselbe Gepräge und sprachen von „geringem Störungsfeuer“, beobachteter „Schanztätigkeit“ und ähnlichem.
Der Winter kam. Östlich der Maas war längst Ruhe eingetreten. Die Füsiliere hielten noch immer den Abschnitt „Franken“.
Die Ablösung der Bataillone erfolgte im allgemeinen derart, daß alle 14 Tage ein Bataillon 7 Tage Ruhe im Cäcilienlager hatte.
Ende November sprach man viel von einem bevorstehenden französischen Großangriff. Vorbereitungen hierzu konnten aber nicht entdeckt werden. Das Gerücht bewahrheitete sich nicht.“


aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Sonntag, 26. November 2017

26. November 1917


„Der Kampfabschnitt unseres Regiments ist der Abschnitt Nord der Division A der Gruppe Staden. Das Regiment bildet den rechten Flügel der Division, Anschluß rechts Inf.-Regt. 152 der 2. Garde-Reserve-Division, links das Schwesterregiment 414. Über den Zustand dieser Stellung muß zunächst noch einiges gesagt werden. Glaubten wir in der zweiten Flandernschlacht in dieser Beziehung das Schlimmste erlebt zu haben, was überhaupt möglich ist, so sollten wir uns in dieser Annahme schwer getäuscht haben. Außer K. T. K. und zwei Betonunterständen in der Hauptwiderstandslinie war nicht ein trockener Unterstand oder auch nur ein Unterschlupf vorhanden. Nicht nur Trichter an Trichter, sondern man möchte sagen Trichter in Trichter, das war unser Aufenthalts-raum. Anmarschwege zur vordersten Linie gab es bald kilometerweit überhaupt nicht mehr und nur ein mühsames Rutschen über schlammige Trichterränder ermöglichte den Ablösungen und den Läufern ein Vorwärtskommen. Zudem herrschte besonders in den Morgenstunden ein die ganze Gegend verhüllender Nebel, der jede Sicht verhinderte; es gehörte schon ein gewisses Gefühl dazu, sich in diesem Gelände, dem so gut wie alle Richtungs- und Anhaltspunkte fehlten, bei einem solchen Nebel zurechtzufinden und es kam leider immer wieder vor, daß einzelne Leute sich verliefen und unfreiwillig zum Engländer kamen.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Samstag, 25. November 2017

25. November 1917


„Die militärische Lage hatte sich geändert; hinter der Piave kamen die fliehenden Italiener zum Halten. Neue Kräfte aus dem Inneren des Landes waren zur Verteidigung dieses von der Natur gegebenen und begünstigten Abschnitts in Eile herangezogen worden, es war die 4. italienische Armee. Dazu wetteiferten die französischen und englischen Bundesgenossen mit ihrer Hilfe, um das Land nicht zu opfern. Eine größere Anzahl Divisionen waten über Mailand im Anmarsch westlich des Flusses begriffen. Vor der 26. Division lag das XIV. italienische Armeekorps im Raume von Spresiano – Südrand des Montello. Auf der andern Seite war deutscherseits der Durchbruch durch die italienische Front und die Verfolgung, wie allein aus den Leistungen des Regiments ersichtlich ist, so gewaltsam vorwärtsgegangen, daß schließlich ein Augenblick kommen mußte, wo ein Halt nötig war, um die noch rückwärts befindliche Artillerie, Munitions- und Verpflegungskolonnen aufschließen zu lassen. Dieser Zeitpunkt war da. Außerdem wurde für die weiteren Operationen beabsichtigt, durch den von Norden kommenden Druck, den Feind zu zwingen, das Ufer zu räumen.
Eingehende Erkundungen des Geländes, des Flusses und jenseitigen Ufers beschäftigten in der folgenden Zeit die Patrouillenkommandos. Auf Grund ihrer Meldungen wurde der Befehl zum gewaltsamen Übergang ausgearbeitet. Die Regimenter und Bataillone lösten sich in der Stellung an der Piave gegenseitig ab; sie hatten sich eine sehr tätige Besatzung gegenüber, die eifrig am Hindernis- und Stellungsbau arbeitete.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Freitag, 24. November 2017

24. November 1917


„Der Franzose legte heute und mehrmals in den nächsten Tagen sein Sperrfeuer bis her-über auf unsere beiden Flügelkompagnien. Jedenfalls hatte er seinen Angriff nicht nur auf die Höhe bei Juvincourt beim Nebenregiment, bei dem sich unser Gerichtsoffizier, Leutnant Weidner, zur Verbindung befand, sondern auch auf uns angesetzt gehabt. Dies ist ihm dank der Wachsamkeit der aufmerksamen Grabenbesatzung des II. Batls., das sein Vorhaben frühzeitig erkannte, dank dem sicheren Arbeiten der Nachrichtenmittel, durch welche Verstärkung rasch von hinten herangeholt wurde, durch das energische Zugreifen des Hauptmanns Naumann und durch die Tapferkeit und den Vorstoß unserer Kompagnien glatt vereitelt worden. Wir haben in diesen Tagen 800 leichte Minen verschossen, es hat sich wohl gelohnt, daß Leutnant d. R. Kalbfell sich der Ausbildung, der Kampfbereitschaft und der schnellen Verwendung der „Artillerie des kleinen Man-nes“ mit unermüdlicher Sorgfalt gewidmet hat.“


aus: „Die Geschichte des Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 476 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 23. November 2017

23. November 1917


„Während nun für die Mannschaft in der vorderen Stellung der Kampf mit dem Feind ein mäßiger blieb und dementsprechend auch die Verluste, so wurde der Kampf gegen Nässe und Kälte über alle seitherigen Begriffe schlimm. Das Wetter war bald Eis und Schnee, bald naßkaltes Tauwetter mit Regen. Kein Wunder, daß der Krankenstand Tag für Tag in die Höhe schnellte.
Die Trichter waren in ihrem untersten Teil voll eisigen Wassers. In diesen Trichtern dicht über dem Wasser, ja oft mit den Füßen darin, mußte eine ganze Anzahl Menschen Tag und Nacht leben. In die Trichter eingebaute Gestelle konnten das Elend lindern, aber nicht beseitigen, denn bei neuem Regen stieg eben das Wasser und ein zu hohes Gestell beeinträchtigte die Deckung.
Unterstände waren nur in geringer Zahl vorhanden, jeder Verkehr zwischen diese und der Trichterbesatzung blieb auf Nacht und Nebel beschränkt.
Das sogenannte Ruhebataillon, die Reserve des Regiments, war in den stark zerschos-senen Häusern zwischen Westrosebeke und Sleyhage untergebracht, später teilweise in der Ölmühle. Es erhielt oft Artilleriefeuer, die Fenster waren davon längst alle zertrüm-mert, Dächer und Wände durchlöchert, also von Erholung, von der Möglichkeit, sich zu wärmen, und gar von Ruhe konnte keine Rede sein.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Mittwoch, 22. November 2017

22. November 1917


„Die 3. Kompagnie nahm Unterschlupf, wo wir die Nacht vorher waren. Wiederum mußte Vizefeldwebel Schumm mit unserer Gruppe den Vorposten auf dem rechten Flügel des Grates übernehmen. Wir fühlten uns ziemlich sicher und hatten nur 2 Posten ausstehen, auf dem rechten Flügel ein Mann und 10 m links davon ein leichtes Maschi-nengewehr. Die Nacht war ziemlich finster und windig, so daß man nur sehr schwer etwas hören konnte. Um Mitternacht kam das Essen und die Post (die erste in Italien), um 2 Uhr kam ich auf Posten; links beim l. M. G. standen 2 Schützen, darunter mein Landsmann Zobel, auf Posten. Nach 1 Stunde tauchte auf einmal ein Italiener vor mir auf, ich rufe ihn an, im selben Augenblick ist er verschwunden, ich schoß noch auf ihn, aber umsonst. Er war anscheinend eine Erkundungspatrouille gegen unsere Feldwache. Meine Kameraden fuhren alle erschreckt auf, konnten aber nichts feststellen. Alle legten sich wieder zur Ruhe. Es verging eine Viertelstunde, nichts rührte sich. Auch ich war der Meinung, es hätte sich einer verirrt gehabt. Auf einmal morgens 3 Uhr brach knapp vor uns ein „Uriä“ los, Leuchtkugeln stiegen auf. Vor uns standen mit aufgepflanzten Bajonetten ein Haufen Italiener. Es gelang mir noch, meine 2 Handgranaten in den feindlichen Haufen zu werfen; als ich noch mein Seitengewehr aufpflanzen wollte, schlug eine feindliche Handgranate zu uns herein und bereits die ganze Feldwache war kampfunfähig, ehe es nur recht möglich war, sich zur Gegenwehr zu setzen. Ich bekam einen Splitter an den Kopf und durch den linken Oberarm. Wir konnten uns nur durch Abspringen an einen Felsen retten und in Sicherheit bringen. Der Posten links wurde ebenso überrascht. Es gab noch eine Ladehemmung, der Schütze wurde durch drei Schüsse verwundet; so konnte ihm das l. M. G. entrissen werden. Zobel als Beischütze konnte noch ein paar Schüsse aus allernächster Nähe abgeben, dann konnte er sich auch nur durch Abspringen retten. Der Feind behielt diese Stellung auch die nächsten Tage. Es sind dort noch verschiedene von unserer Kompagnie gefallen und verwundet worden (Gebrüder Kohler und andere).“

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933


Dienstag, 21. November 2017

21. November 1917


„Nachdem noch am frühen Morgen des 20. November drei Patrouillen des II. Batls., Leutnant d. R. Eckert der 2. M. G. K., Vizefeldwebel Hayer der 5. Komp. und Hellmann der 6. Komp. keine Veränderung beim Feinde festgestellt hatten, legte der Franzmann am Abend dieses Tages starkes Feuer und viele Gasgranaten auf unsere Stellung, das Zwischen- und Hintergelände; es hielt die ganze Nacht und am Morgen des 21. Novem-ber an, so daß das Regiment erhöhte Bereitschaft anordnete. Die Inf.-Pionierkompagnie rückte als Sicherheitsbesatzung in die Buschstellung. Das feindliche Feuer nahm zu und lag mit seinem Schwergewicht auf dem rechten Nebenregiment und Juvincourt, mit mittleren Kalibern und Minen auf dem Miettegrund, der Miettesappe, dem Nickriegel und Bahnwald. Also war ein Angriff auf unseren rechten Flügel und beim rechten Nachbarn zu erwarten. Das Ruhebataillon (III. Batl.) wurde in die Stollenkaserne bei Guignicourt, nachmittags bis in die Buschstellung vorgezogen. Gegen Mittag meldete die 6. Komp., daß der Feind seine Gräben auffülle und Gassen in seine Hindernisse schneide. Unser sofort einsetzendes Sperrfeuer brachte ihn schnell zur Ruhe. Um 3.30 Uhr nachmittags flammte sein Feuer wieder kräftig auf, um 4 Uhr füllte er seine Gräben aufs neue. Wieder hielt ihn unser Vernichtungsfeuer von einem Angriff auf uns ab, aber rechts über der Miette drüben hörte man Handgranaten und Maschinengewehrfeuer. Der Franzose griff den rechten Nebenabschnitt an und brach dort ein.
Der K. T. K. rechts, der energische Hauptmann Naumann, setzte sofort seine K. T. K.-Kompagnie, die 5., das Regiment die 12. Komp. aus der Buschstellung zum Gegenstoß an. Hierbei fand der tapfere und lebensfrohe Führer der 5. Komp., Leutnant d. R. Haas, den Heldentod. Die Mühle im Miettegrund wurde von unserer rechten Nahtkompagnie (der 7. Komp. unter Leutnant d. R. Völlm) besetzt, wir warteten auf den Angriff auf un-sern rechten Flügel, aber er kam nicht. Das Gerücht, der Feind sei bis zum K 2-Graben bei uns eingebrochen, war falsch. Kurz nach 5 Uhr meldete Hauptmann Naumann, daß unsere Stellung vom Feinde frei und fest in unserer Hand sei. Am Abend besetzte die 5. Komp. den Nickriegel, die 7. den Gmünderweg bis in den rechten Nebenabschnitt hin-ein.“


aus: „Die Geschichte des Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 476 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Montag, 20. November 2017

20. November 1917


„Die Kampftätigkeit war gering. Der Gegner war nur an der Straße Schoorbakke – Pervijze zu sehen, sonst verdeckte der Schilf den Ausblick. Die hier gegenüberliegenden Belgier konnten aber an einzelnen Stellen die Laufstege einsehen, man mußte sich dort vorsehen. Im übrigen konnte der Belgier unsere Stellung nur mit Artillerie erreichen und er beschoß meistens gegen Abend die Feldwachen auf den Höfen, die aber dort gute Betonunterstände hatten. Dabei wurden auch manchmal die Laufstege beschädigt. Bis zu ihrer Wiederherstellung durch ein Stegebaukommando mußte dann der Verkehr mit Kähnen aufrechterhalten werden. Dabei kam es auch vor, daß ein Kahn an seichte Stel-len kam, dann mußten die Insassen aussteigen und den Kahn schieben. Die Hauptstel-lung am Kanal bekam selten Feuer. Die Verteidigungslinie lag teils auf dem rechten, teils auf dem linken Ufer. Beide Ufer waren durch zahlreiche Brücken und Stege ver-bunden und für alle Fälle waren noch Kähne und schwimmende Brücken vorhanden. Auf dem Kanal wurden Motorboote der Marine zum Schleppen von Materialkähnen benützt. Das Gelände hinter der Stellung war in der nassen Jahreszeit nur auf Wegen begehbar.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922

Sonntag, 19. November 2017

19. November 1917


„Inzwischen Hatte A. O. K. 14 die Gefechtsstreifen neu geordnet und das war dringend nötig, denn in dem Becken von Quero herrschte ein heilloses Durcheinander von Truppen deutscher und K. u. K. Divisionen. Die Deutsche Jäger-Division im Raume Quero – Mont Tomba wurde mit dem Deutschen Alpenkorps im Raume Segusino – Ferner – 715 – Sengie zum Korps Tutschek zusammengefaßt und dieses deutsche Korps bildete mit der K. u. K. 50. Inf.-Division im Gefechtsstreifen Valdobbiadene – St. Vito – Pederobba die Gruppe Scotti, an welche die Gruppe Stein südlich anschloß. Die Gruppe Krauß bestand nunmehr aus den zum Korps des K. u. K. Feldmarschalleutnant Goiginger zusammengefaßten K. u. K. Divisionen Edelweiß und 94, welche vom Brenta-Tal einschließlich bis zum Mont Fontana Secca ausschließlich den Mont Grappa angriffen, und aus der K. u. K. 22. Schützen-Division, die den Gebirgskamm von Fontana Secca einschließlich bis zum Mont Tomba ausschließlich zu nehmen hatte. Als Reserve war die K. u. K. 55. Inf.-Division in zweite Linie östlich Feltre zurückgezogen worden.
Der Durchbruch der Gruppe Krauß war weder im Brenta-Tale, noch auf Grappa, noch an der Piave gelungen. Das Korps Krauß hat im Vertrauen auf den Talstoß im Brenta- und im Piave-Tal unterlassen, mit starken Kräften den Gebirgsblock Grappa anzugehen und zu nehmen, noch ehe er von den Italienern stark besetzt war.“


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Samstag, 18. November 2017

18. November 1917


„Es blieb dem Gebirgs-Bataillon unbekannt, daß schon seit mehreren Tagen aus Rich-tung Arten – Feltre gekämpft wurde um den Besitz der nördlichen Vorberge des Mont Grappa. Bereits am 12. November waren die Vorhuten der vom Rolle-Paß und Cauriol in den Fassaner Alpen anmarschierenden K. u. K. 9. Gebirgs-Brigade des XX. Korps gegen italienische Nachhuten auf Mont Rocone südlich Arten und Mont Tomatico südlich Feltre ins Gefecht getreten, hatten Aber – um in den Gefechtsstreifen der Heeresgruppe Conrad jenseits Cismon und Brenta zurückzukehren – von diesem Gegner wieder abgelassen. Am 13. November erstiegen die vordersten Teile der 22. Schützen-Division, Generalmajor v. Merten, mit der verstärkten Schützen-Regiment 3, die Berge südlich Arten – Feltre und drangen bis zum 16. November vor bis Prassolan, (Schützen-Regt. 3) Mont d‘ Avien, Bosniaken der 55. Inf.-Division bis Rocca Cisa. Nur ihre geringe Stärke verhinderte sie, den von den Italienern nur schwach besetzten Grappa zu nehmen und durchzustoßen bis Bassano.
Diesen Durchstoß erhoffte General d. Inf. Krauß von den im Brenta- und im Piave-Tal angesetzten Gruppen der Generalmajore Wieden von Appenbach – Edelweiß- und 94. Inf.-Division – und Prinz von Schwarzenberg – 55. Inf.-Division und Deutsche Jäger-Division. Der Talstoß war immer schon seine Liebhaberei gewesen; seitdem die Schlesier bei Tolmein am 24. Oktober 1917 im Isonzo-Tale 12 km durchgestoßen waren bis Karfeit, hielt er den Kampf um Höhen und auf Bergen für Zeitverschwendung. Aber selbst der Tapferkeit der unübertrefflichen Tiroler, Kärntner, Steiermärker und Bosnia-ken gelang es nicht, die engen und stark befestigten Täler beiderseits des Grappa-Gebirges zu durchstoßen.
Dem Kommandeur des Gebirgs-Bataillons war völlig freigestellt, wie er seine Auftrag ausführen wollte. Major Sproesser entschloß sich, den Mont Grappa nördlich und südlich der Calcino-Schlucht in zwei Kolonnen anzugehen; mit dem Gros über Rocca Cisa – 1222 – 1193 – 1306, mit einer linken Seitenabteilung über Mont Spinuccia – 1208 – 1193 – 1306; Rocca Cisa sollte von dem Gros durch das Tegorzo-Tal über Schievenin, von der 6. Gebirgs-Kompagnie als Vorhut über Campo erreicht werden. Oberleutnant Rommel erhielt Befehl, mit 2. und 4. Gebirgs-, 3. M. G.-, ⅓ Nachrichten-Kompagnie, ½ Gebirgs-Kanonen-Batterie und einer Funkerstation über Campo – Uson – Mont Spinuccia – 1208 gegen 1193 – 1306 vorzugehen. 1½ Gebirgs-Kanonen-Batterien, 1 Funkerstation und ½ Sanitäts-Kompagnie sollten dem Gros nach Schievenin folgen. Um Schützen und Tragetieren das Übersteigen des Mont Cornella 634 zu ersparen, wurde die Nacht abgewartet.
Als das feindliche Artilleriefeuer nach Einbruch der Dunkelheit nachließ, gewann das Gros des Gebirgs-Bataillons in kleine Abteilungen mit großen Abständen zerlegt, durch das völlig in Trümmer geschossene Quero das Tal des Torrente Tegorzo und gelangte um Mitternacht nach Schievenin. Leutnant Schafferdt mit der 6. Gebirgs-Kompagnie hatte noch am Abend bei einer Bosniaken-Kompagnie Leutnant Perkow 15. B. H. 4* auf Rocca Cisa 781 sich eingenistet. Oberleutnant Rommel, trotz schweren Feuers auf dem Wege Quero –  Uson ohne Verluste, erreichte 9 Uhr abends Nordrand Uson und sandte über 768 die Offizierspatrouille Leutnant Walz 3. M. G. K. gegen Spinuccia 1301 vor. Patrouille Windbühler, 2. Gebirgs-Kompagnie, nahm auf dem Wege Uson – Ponte di Stua 130 Italiener gefangen und erbeutete 2. M. G. Verbindung wurde aufgenommen mit Jäger-Bataillon 2 an der westlichen, Reserve-Jäger-Bataillon 1 an der östlichen Kirche von Alano (Jäger-Regt. v. Pappritz) und Abteilungen der K. u. K. 26. Gebirgs-Brigade (55. Inf.-Div.) in Alano, welche dazu bestimmt waren, die rechte Flanke ihrer nach Süden vorgehenden Brigade  gegen Spinuccia zu sichern. 1.40 Uhr nachts trat Oberleutnant Rommel von Uson aus den Vormarsch über 768 an.  Versehentlich waren die dem Gebirgs-Bataillon unterstellten beiden Gebirgs-Kanonen-Batterien (2. und 3. Geba 7) nach Uson marschiert und blieben nun dort im Bereich des Jäger-Regiments von Pappritz. Sie unterstützten das Vorgehen der Abteilung Rommel durch Feuer gegen Mont Spinuccia, so daß die Abteilung bis 18. November, 11 Uhr vormittags an die felsigen Steilhänge des Höhe 1301 gelangte; weiteres Vorgehen verhinderten senkrechte Felsen und starkes konzentrisches M. G.- und Artilleriefeuer von Fontana Secca 1608 – 1397 – 1509 – Mont Pallone – Mont Tomba, gegen das die im Raume Quero – Alano – Faveri befindliche leichte Artillerie der K. u. K. 55. und der Jäger-Division nicht aufzukommen vermochte. Dem Gros des Gebirgs-Bataillons ging die dringend notwendige Unterstützung durch Begleit-Batterien verloren, da die beiden Gebirgs-Batterien in Uson von der Jäger-Division bald anderweitig verwendet werden mußten.“
„Inzwischen hatte das Gebirgs-Bataillon am 18. November früh noch in der Dunkelheit aus dem überfüllten Gebirgsdörfchen Schievenin den Aufstieg über Rocca Cisa begonnen, voraus Abteilung Füchtner (5. Gebirgs-, 1. M. G. K.), sie 1222 zu erreichen Befehl erhalten hatte. Von der Wegegabel auf Rocca Cisa ab schloß sich die 6. Gebirgs-Kompagnie und die Bosniaken-Kompagnie Leutnant Perkow (15. B. H. 4) dieser Vorhut an. Im Gros folgten Major Sproesser mit Stab und Nachrichten-Kompagnie, 1. und 3. Gebirgs-, 2. M. G.-Kompagnie, Gebirgs-Funkerstation und ½ Sanitäts-Kompagnie bis Rocca Cisa; in dürftigen Ziegenställen und Heuhütten kamen Stab und Gros unter. Die Gefechtsbagage verblieb im Tale. Die Vorhut stieß auf italienische Postierungen östlich 1222; der tapfere Führer der Spitze, Unteroffizier Schmierer, 5., fiel. Die Vorhut stellte fest, daß der Feind in ausgebauten Stellungen auf Fontana Secca 1608 stehe. Sie besetzte die Höhen östlich und nordöstlich 1222, nördlich des Weges mit 1. M. G. K.; Stab Füchtner blieb am Wege ostwärts 1222. Obwohl eine K. u. K. Gebirgs-Kanonen-Batterie der K. u. K. 26. Gebirgs-Brigade (55. Inf.-Div.) in Schievenin bereitwilligst den Vormarsch des Gros des Gebirgs-Bataillons mit ausgezeichneter Wirkung unterstützte, gelang es dennoch nicht, weiter vorzudringen. Der Deutschen Jäger-Division wurde daher gemeldet, daß gegen Fontana Secca Druck von Norden aus Richtung Seren fehle, daß insbesondere 2 feindliche Gebirgs-Batterien auf 1385 südwestlich Fontana Secca jedes Vorwärtskommen auf Mont Spinuccia 1301 verhindern und daß zu ihrer Bekämpfung Haubitz-Batterien im Tale bei Schievenin unentbehrlich seien.“


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

*15./Bosnisch-Hercegowinisches Infanterie-Regiment Nr. 4

Freitag, 17. November 2017

17. November 1917


„Die Einwohner mit ihrer flämischen Sprache scheinen für uns Schwaben eine beson-dere Neigung zu haben und kommen uns überall, namentlich in den späteren Quartieren, vertrauensvoll entgegen. Allerdings haben sie sich auch in keiner Weise über unsere Leute zu beklagen gehabt, denn durch ihr bescheidenes und anspruchsloses Benehmen gewannen sie rasch ihre Herzen, dann stand auch bald der Kaffee auf dem Tisch und es war, als ob man sich zu Hause im Manöverquartier befände. Leichter als sonst vergißt man da die erschütternden Eindrücke der Großkampffront und findet Ruhe und Erho-lung im Herzen, am Geist und den Gliedern. In Moere, wo das Ruhebataillon liegt, lebt sich’s ganz gemütlich, die Musik spielt nachmittags auf der Hauptstraße und wer Glück hat, bekommt Urlaub nach Ostende, um sich das Meer und den Badeort anzusehen, von dessen internationalem Leben man in Friedenszeiten schon so vieles gehört und gelesen hat. Übrigens wird der Urlaub nach Ostende gerne erteilt, ja die Kompagnien machen sogar Reisemärsche dahin, damit jedermann einmal Gelegenheit hat, das Meer sehen zu können.“


aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 16. November 2017

16. November 1917


„Noch einmal, zwölf Tage später, stürmten sie gegen die Höhen von Clerken und von Paschendaele, und wieder brachen sie in unserem Sperrfeuer zusammen. Dann sanken beider erschöpft in ihre Gräben zurück.
Es waren trübe Tage, an denen die Erinnerung nicht gerne haftet. Deckungslos standen Mann und Geschütz in dem Sumpfland. Die Batterien Roser und Mayser fristeten ihr Leben, indem sie fast jeden Tag von Stellung zu Stellung zogen. Von oben tropfte der Regen, und über die nassen Wiesen fegte der Novemberwind. Im Steenebekgrund von Jonkershove, der vorgeschobenen Stellung der ersten Batterie, ersoffen Geschütz und Unterstände. Patschnaß und frierend, bis über die Kniee im Wasser watend, retteten sich die Kanoniere aus dem Sumpf in eine Bretterhütte am Weg.“


aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925

Mittwoch, 15. November 2017

15. November 1917


„Das Jahr, welches das Regiment im Stellungskampf in den Argonnen vom September 1917 bis September 1918 verbrachte, war wohl das ruhigste, das es überhaupt erlebt hat. Das feindliche Feuer war im allgemeinen nicht sehr lebhaft und wurde im Lauf des Jahres 1918 noch weiter eingeschränkt; besonders ruhig war es auf der Jägerhöhe und noch mehr später auf der Höhe 263. Die Belästigung durch feindliche Gewehrgranaten, die anfangs noch ziemlich erheblich war, allerdings hier verhältnismäßig wenig Verlust brachte, ließ mit dem Zurückziehen der gegnerischen Truppen aus den vordersten Grä-ben immer mehr nach und hörte zuletzt ganz auf. Auch Minenwerfer traten wiederholt längere Zeit hindurch, namentlich im Jahre 1918, gar nicht auf. Das Artilleriefeuer war meist nur Störungsfeuer leichter Kaliber und wurde gleichfalls im Jahre 1918 immer schwächer.
Nur im Zusammenhang mit deutschen oder französischen Unternehmungen oder aus sonstigem besonderem Anlaß verstärkte sich das feindliche Feuer als Sperrfeuer oder Vergeltungsfeuer bei deutschen Vorstößen, als Vorbereitungs- und Riegelfeuer bei fran-zösischen Teilangriffen. Zu Trommelfeuer steigerte es sich im Regimentsabschnitt nur in einem einzigen Fall, bei dem Unternehmen gegen F 1a am 5. Februar 1918; aber auch hier richtete es sich nur auf das Angriffsziel und seine nächste Umgebung.
Doch gab es trotz dieses meist nur ziemlich schwachen Feuers manchen schmerzlichen Verlust. Teilweise waren es reine Zufallstreffer.“



aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 125 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1926

Dienstag, 14. November 2017

14. November 1917


„Schon am 19. Oktober wurde die 54. Res.-Division wieder abgelöst und bei Dixmuide eingesetzt; die Kompagnie kam nach Kokelare, wo sie bis Ende Februar 1918 verblieb. Taktisch wurde sie dem Minenw.-Batl. III unterstellt. Ein Teil der zu übernehmenden Werfer war durch feindliche Patrouillen am Vorabend der Übernahme des Abschnitts vernichtet, der Stand Karlsruhe unter Wasser gesetzt worden. Am 29. Oktober und an den folgenden Tagen setzten starke englische Feuerüberfälle ein, was von der Kompag-nie mit Vergeltungs- und Sperrfeuer aus den Ständen Posen, Stettin, Dortmund, Deutz, Hamm usw. erwidert wurde. Die an die Feuerüberfälle sich anschließenden englischen Angriffe waren so heftig, daß die in vorderer Linie befindlichen Unterstände zur Spren-gung vorbereitet werden mußten. Verschiedentlich wurden ganze Stände und Werfer verschüttet und zerstört. Trotz alledem wurden die verschütteten Werfer ausgegraben, die zerstörten Stände wieder hergestellt, eine ganze Reihe neuer Stände erbaut und dem Gegner durch Beschießen kräftig Abbruch getan. Aber auch die Kompagnie hatte Ver-luste. Seiner Verwundung durch Granatsplitter erlag am 14. November der Unteroffizier Daiber.“



aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Montag, 13. November 2017

13. November 1917


„Am 10. November rückt das Regiment 248 in Stellung. Nach Dixmuiden hinein schlägt schweres, feindliches Feuer aller Kaliber. Die blühende Stadt ist ein öder Trümmer-haufen. Grundmauern und Reste von Häusern stehen noch, Straßen und Plätze kann man kaum noch unterscheiden, denn sie sind dicht übersät von Trümmern und Gestein, kaum daß man sich in den ersten Tagen durch sie hindurchwinden konnte.
Die Regimenter, die hier in langer, ruhiger Zeit gelegen, hatten die Stellungen in und an der Stadt gut ausgebaut. Freilich, zerschlagen waren im Artilleriefeuer der letzten Wochen die wegen des hohen Grundwasserstandes auf dem gewachsenen Boden aufge-bauten Brustwehren, zerfetzt die Drahthindernisse; auch die in Kellern und in Anleh-nung an alte Hausreste gebauten Betonunterstände konnten bei der jetzt üblichen Ver-wendung von schwerer und schwerster Artillerie nicht mehr als schußsicher angesehen werden. Allerdings boten sie wenigstens einen gegen leichte und mittlere Geschosse deckenden Unterschlupf.
Fünf Kompagnien wurden dem K. T. K. in Dixmuiden unterstellt. Am Ostufer des Iserkanals lagen in der Schünemann, Fabrik- und Kückstellung zwei Kompagnien, getrennt durch den am Fort Schünemann in den Iserkanal mündenden Handzaemekanal. Anschluß an die Nachbarregimenter war in der vorderen Linie nicht vorhanden. Auf beiden Flanken war die Niederung weithin überschwemmt. Nur selten bei geringem Wasserstande oder Frost gelang es, durch die Kastensappe Anschluß mit dem nördlich liegenden Regiment aufzunehmen. Eine auf Kähnen liegende leichte M.-G.-Gruppe sicherte am Haus Wannsee vor gegnerischen Überraschungen. Stärkeren Rückhalt hatte sie an einem in Kaizerhoek liegenden schweren M.-G.-Zug. Ebenfalls nach Norden schaute die mit Teilen der Schünemann-Kompagnie belegte Gneisenau-Stellung. Eine dritte Kompagnie hatte die in dritter Linie liegende Kloster-Stellung inne. Die Stellun-gen der zweiten Linie waren völlig zerschossen, lagen im Sumpfgelände und boten keine Verteidigungsmöglichkeiten. Die 4. Kompagnie gruppierte sich im Stadtinneren mit ihrer kleineren Hälfte um den Marktplatz. Der größere Teil war in kleine Gruppen aufgeteilt, die im Häuserkampfe um leichte und schwere M.-G. kristallisiert. einem eingebrochenen Gegner Widerstand leisten sollten. Am Ostrand der Stadt lag am Bahnhof eine fünfte Kompagnie als Reserve- und Gegenstoßtruppe des K. T. K. Die schweren M.-G. der Kampf-M.-G.-Kompagnie waren in der Stadt selbst eingesetzt und gaben dem Stellungssystem den nötigen Rückhalt. Die Häuserreste wurden zum Einsatz zahlreicher Flügel-, schwerer, mittlerer und leichter Minenwerfer ausgenützt.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Sonntag, 12. November 2017

12. November 1917


„Nachdem gegen die Mitte des Monats wieder ruhigere Verhältnisse eingetreten waren, schien die Zeit gekommen, um das längst geplante und vorbereitete Unternehmen zur Ausführung zu bringen. Außer der Hauptangriffsstelle waren noch an zwei weiteren anderen Abschnitten kleinere Angriffe angesetzt zur Täuschung des Gegners. Im nördlichen Teil des Regimentsabschnittes ging am 12. November, 5.40 Uhr abends, während unser Artilleriefeuer gleichzeitig auf der ganzen Front einsetzte, ein Stoßtrupp mit Flammenwerfern vor. Das sofort einsetzende französische Sperrfeuer setzte einen der Flammenwerfer außer Tätigkeit. Dieser Stoßtrupp hatte nur die Aufgabe, die Aufmerksamkeit des Gegners von der Einbruchsstelle abzulenken. Ebenso hatte die in der Mitte des Regimentsabschnittes vorgehende Patrouille Kammerer ihre Aufgabe zu lösen. Sie ging an das feindliche Hindernis vor und stieß auf einen feindlichen Posten, der sich sofort zurückzog. Hierauf schnitt die Patrouille das erste Hindernis durch und wollte das zweite stärkere sprengen. Ein Volltreffer zerstörte jedoch die Sprengröhre. Die Patrouille blieb daher im Sperrfeuer liegen und sicherte von ihrem Platz aus die Teilnehmer am Hauptunternehmen. Mit drei Stoßtrupps wurde dieses unternommen. 5.30 Uhr abends lagen sie vor dem eigenen Hindernis bereit, gegenüber den ihnen angewiesenen Einbruchsstellen. Der erste Stoßtrupp wurde sofort vom feindlichen Sperrfeuer gefaßt und gelangte zunächst nicht in die feindliche Stellung. Erst der zweite Versuch gelang; als die Patrouille die feindliche Stellung durchstieß und ihren zugewiesenen Raum absuchte, fand sich kein Franzose darin vor. Ebenso erging es dem zweiten und dritten Stoßtrupp. Das rasche Einsetzen des französischen Artilleriefeuers ließ vermuten, daß der Gegner auf das Unternehmen vorbereitet war. Er hatte nur einige Horchposten stehen lassen, seine übrigen Kräfte aber auf rückwärtige Stellungen zurückgenommen. Die Posten zogen sich bei den ersten Schüssen unserer Artillerie zurück. So fanden unsere Stoßtrupps die Gräben leer. Das starke Sperrfeuer, das der Franzose auch auf seine eigenen vordersten Gräben unterhielt, kostete die Stoßtrupps große Verluste. Im ganzen hatte das Regiment und der Stoßtrupp vom Sturmbataillon 1: 8 Tote und 34 Verwundete. Das Ziel, Gefangene einzubringen, um Klarheit über die feindliche Kräfteverteilung zu bekommen, wurde infolge der feindlichen Wachsamkeit nicht erreicht. In der Nacht gingen mehrere Patrouillen vor und brachten die eigenen Toten und Verwundeten zurück.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Samstag, 11. November 2017

11. November 1917


„Am 10. November fand ein weiteres Unternehmen – X 64 – gegen den Hartmanns-weilerkopf statt, der – viel umstritten – immer wieder Kämpfe hervorrief. Die Kompag-nie wurde dabei dem Minenwerfer-Bataillon XIII unterstellt und hatte 8 schwere, 10 mittlere und 5 Flügel-Minenwerfer zu bedienen. Die Vorbereitungen waren so unauf-fällig getroffen worden, daß sie anscheinend vom Gegner nicht bemerkt wurden. Von deutscher Seite waren 4 Patrouillen zum Einbruch in die feindliche Stellung angesetzt. Kurz nach 4 Uhr nachmittags setzten alle Minenwerfer ihr Feuer auf die 3. feindliche Linie schlagartig ein; genau nach Vereinbarung brachen unsere Patrouillen in die feindlichen Linien ein, wobei 3 Patrouillen alle Hindernisse, die 4. nur einen Teil derselben zerstört fanden. Trotz böigem Wind, Schneefall und Nebel lag das Feuer gut und kurz nach 5 Uhr nachmittags wurden schon die ersten Gefangenen in unsere Stellung eingebracht. Im ganzen wurden 37 Gefangene gemacht und der Gegner auch sonst geschädigt. Die Verluste der Kompagnie selbst betrugen nur zwei Verwundete, von denen der eine (Pionier Köpf) am andern Tag seiner Verwundung leider erlag. Auffallend war der große Ausfall an Minenwerfern – 1 schwerer und 6 mittlere – durch Rohrkrepierer. Die Schuld daran glaubte man veralteten Beständen von Perchlorat-Minen beimessen zu müssen.“


aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Freitag, 10. November 2017

10. November 1917


„Wir fügen hier eine Schilderung des Kriegsfreiwilligen Ludwig Hörauf ein, der den Marsch der Kompagnie nach Col. San Martino wie folgt beschrieb:
„In Miane hatten wir uns auf einem Heuboden ein ganz annehmbares Lager für die Nacht zurecht gemacht. Morgen sollte es also an den Feind gehen – an die Piave, oder wie das Ding sonst heißen mochte! Während ich mich auf meinem Lager ausstreckte, hörte ich noch so halb ein Gespräch meiner Nachbarn, die sich über die Breite dieses Flusses unterhielten. Ich schlief darüber ein, ermattet von den Anstrengungen der end-losen Märsche.
Mir kam es so vor, als hätte ich kaum die Augen geschlossen, als morgens der Weckruf ertönte. Antreten! Flugs wurden beim Schein einer Kerze die Mäntel gerollt und die Decken im Tornister verstaut. Wir suchten unsere paar Habseligkeiten zusammen und dann ging’s hinaus auf die Dorfstraße. Noch war es dunkle Nacht!
Drinnen im Dorf stellten sich die Züge auf. Kaffee gab es und Brot. Wir hatten lange keins mehr gegessen und uns wohl oder übel mit der Polenta der Italiener abgefunden.
Endlich kam der Marschbefehl! Die Spitze setzte sich in Bewegung, die Verbindungs-leute folgten – dann die einzelnen Züge in Reihen zu zweien links und rechts der Straße. Merkwürdig kam mir diese Marschweise vor. Ich hatte dabei immer das Gefühl, als ob es nur zu einer harmlosen Felddienstübung ginge. War man doch vom Grabenkrieg seit Jahr und Tag eine ganz andere Taktik gewöhnt.
Das Dorf hatten wir bald hinter uns. Hohe Maisfelder tauchten auf, eine aus Steinen errichtete Straßenbarriere mußte überstiegen werden. Nirgendwo rührte sich was. Schweigend marschierten die Leute dahin, den Karabiner um den Hals gehängt, die Hände in den Taschen. Ab und zu langte einer nach der mit Wein gefüllten Feldflasche, um einen Schluck daraus zu tun. Und dann entstand zur Abwechslung wieder mal eine kleine Stockung.
Nach etwa einer Stunde erreichten wir eine Straße, die von hohen Bäumen begrenzt war; sie zog am Fuße eines Berges hin. Von der weiteren Umgebung konnten wir nicht viel sehen, denn es war immer noch ziemlich dunkel.
Da blitzen auf einmal Schüsse vor uns auf und ein paar Kugeln pfiffen über die Straße hin. Mein Vordermann meinte: da vorn sei’s nicht ganz sauber und ich meinte es auch. Wir waren Verbindungsleute zwischen der Spitze und der Kompagnie.
Nun kam der Kompagnieführer, Oberleutnant Nagel, an uns vorbei. Er rief meinen Namen uns als ich mich meldete, eröffnete er mir, daß ich als Gefechtsordonnanz zu ihm bestimmt sei. Ein Radfahrer mußte mir sein Rad aushändigen und außerdem durfte ich meinen Tornister abgeben, was mir eine ganz besondere Freude war.
In dieser Zeit war die Kolonne wieder in Gang gekommen. Es muß wohl nur eine Patrouille gewesen sein, die uns da auf der Straße einige Schüsse entgegensandte. Ich begab mich nach vorne und marschierte, mein Rad schiebend, neben dem Kompagnie-führer vor der Spitze. Bereits fing es an, Tag zu werden, und siehe da, jetzt zeigten sich die Umrisse eines Dörfleins. Col. San Martino!
An den ersten Häusern machten wir halt. Karabinerkolben schlugen an die verschlos-senen Türen. Wir riefen und schimpften, aber niemand öffnete. Schließlich hatten wir auch gar keine Zeit, uns lange aufzuhalten. Die Spitze marschierte weiter!
Oberleutnant Nagel sagte zu mir, ich solle einmal vorfahren und sehen, ob ich nicht einen Zivilisten finde. Vielleicht hoffte er, auf diese Weise etwas über den Gegner zu erfahren. Ich setzte mich also aufs Rad und fuhr los. Das Dorf bestand aus vereinzelten, von Gärten umgebenen Gehöften – es zog sich sehr in die Länge. Kein Mensch war zu sehen und ich dachte mir wohl, daß auch die übrigen Häuser verschlossen sein würden. In dem guten Glauben, mit der Zeit schon jemand zu begegnen, fuhr ich immer weiter.
An einer Straßenbiegung stieg ich ab, um mich zu orientieren und ein wenig Ausschau zu halten. Ich sah eine Brücke vor mir und als ich auf sie zuging, gewahrte ich, daß jemand die Straße herunterkam. Wie ich bald erkannte: ein italienischer Soldat. Da ich an einer Hecke stand, konnte er mich nicht bemerken. Ich ließ ihn ganz nahe herankom-men. Plötzlich blieb er wie versteinert stehen. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihn auf die Entfernung niederzuschießen, denn ich hatte meinen Karabiner bereits schußfertig in Händen, während er sein Gewehr noch umhängen hatte. Ich wollte ihn aber gefangen nehmen und rief ihm deshalb zu, zu mir herzukommen. Er rührte sich nicht von der Stelle. Wie ich nun auf ihn zuging, machte er plötzlich kehrt und sprang in rasendem Lauf der Brücke zu. Ich knallte, da im Morgengrauen ein genaues Zielen nicht möglich war, aufs Geratewohl hinter ihm drein. Er fiel, raffte sich jedoch gleich wieder auf und verschwand hinter dem schützenden Ufer des Baches. Auch die Spitze der Kompagnie, die inzwischen aufgerückt war, hatte einige Schüsse auf den Flüchtling abgegeben.
Jetzt wurde es lebendig! Vom Bach her krachte es auf uns los, so daß wir es vorzogen, im Straßengraben volle Deckung zu nehmen. Das Feuer wurde immer stärker.
Oberleutnant Nagel war sofort zur Stelle. Er gab Befehle und gleich darauf brachen die Stoßtrupps in die Gärten ein, schwärmten aus und gingen gegen den Feind vor. Die Spitzengruppe mit Leutnant Böhmig arbeitete sich im Straßengraben an die Brücke heran, in deren Umgebung besonders heftig geschossen wurde. Auch Handgranaten wurden von dort aus geworfen.
Ich begab mich zum Kompagnieführer. der auf der Straße stand. Er hatte mich kaum erblickt, als er schon wieder einen Auftrag für mich wußte. Diesmal eine Meldung an die Infanterie-Geschütz-Batterie, die da irgendwo im Dorf stehen sollte. Ich holte mein Rad, das noch unversehrt auf der Straße lag und stieg auf. Kugeln klatschten gegen die Mauern der Häuser und es war mir, als ob die Italiener nun alle auf mich schießen würden. Doch schlug ich ein scharfes Tempo an und war bald um die Ecke.
Im Dorfe stand die Kompagnie Busse, deren Leute ungeduldig auf den Befehl zum Eingreifen warteten. Von allen Seiten rief man mir zu, was denn eigentlich los sei vorne. Ich hatte aber gar keine Zeit um, all die Fragen zu beantworten. Nachdem mein Auftrag erledigt war, fuhr ich wieder nach vorne. Das Gefecht ging seinem Ende entgegen; man hörte nur noch vereinzelt Schüsse fallen. Ein Verwundeter wurde vorübergetragen: Max Klett, der zur Spitzengruppe gehörte und beim Vorgehen auf die Brücke einen schweren Unterleibschuß erhalten hatte. Am Nachmittag ist er im Pfarrhaus in San Martino ge-storben.
Oberleutnant Nagel traf ich vorne auf der Brücke; er verhörte gerade einen gefangenen italienischen Sergeanten, der etwas Deutsch konnte. Es war jetzt vollends Tag gewor-den. Vor uns: Hecken und hohe Maisfelder – ein ungünstiges Gelände. Die Kompagnie sammelte sich allmählich wieder; von allen Seiten kamen die Gruppen herbei, Gefan-gene mit sich führend.“
Der Gegner wich in Richtung Vidor aus. 53 Gefangene blieben in unserer Hand und beim weiteren Vorgehen ergaben sich noch etliche versprengte Italiener.
Das Bataillon marschierte jetzt nach Valdobbiadene, wo Leutnant Schiefer mit seinen Radfahrern wieder zur Kompagnie stieß. Von hier aus fuhr die Patrouille, der sich auch einige mit Fahrrädern versehende Ordonnanzen angeschlossen hatten, zur Erledigung ihres Auftrages zunächst nach San Vito; sie pirschte sich von dort zu Fuß an die Piavebrücke heran, die vollkommen intakt war, da der Gegner seinen Rückzug über den Fluß noch nicht beendet hatte.
Gegen 11.30 Uhr vormittags gelangte unsere Kompagnie an den Westausgang von San Vito, an dem auf Befehl des Bataillons gehalten wurde. Ein toter Bersagliere lag an der Straße; er hatte einen Kopfschuß. Hier also war die Patrouille Schiefer auf den Feind gestoßen. Während des Anmarsches hatte man eine Schießerei gehört, die aber rasch abflaute. Wo waren die Radfahrer? Hatten sie die Brücke erreicht?
Die Zustände, wie wir sie zu jener Stunde an der Piave antrafen, schildert uns Paul Körner in seinem Tagebuch:
„Als wir von San Vito aus durch Hecken und Gärten weiter vorgingen, wurde auf einmal die Piave sichtbar – der Fluß, von dem seit Tagen die Rede war, von dem man annahm, daß an ihm die Entscheidung fallen würde. Es war ein unvergeßlicher Anblick. Ein tiefes Tal – die vielverzweigte Wasserfläche der Piave – hüben und drüben Berge mit Weingärten an den unteren Hängen – Torrenten, Straßen, Weinbergwege. Und, was uns gerade in Erstaunen setzte: der Feind in geschlossenen Kolonnen auf dem jensei-tigen Ufer. Infanterie, Artillerie und Troß. Ahnungslos bewegte er sich auf der Straße. Es handelte sich um Teile der italienischen Heeresgruppe, die von Feltre durchs Piavetal südwärts marschierten. Lokomotiven rasten auf der Bahnlinie Feltre – Treviso laut pfeifend dahin, ein Zug fuhr vorüber. Auf Befehl des Majors von Breuning wurden sofort Maschinengewehre und Geschütze vorgezogen. Die Batterie ging in Stellung, Maschinengewehre ratterten los, Karabiner knallten und bald erdröhnten die ersten Abschüsse der Geschütze. Beim Feind Verwirrung und Bestürzung. Er konnte auf der unmittelbar an den Bergen sich hinziehenden Straße nicht ausweichen und war so dem Feuer preisgegeben…..“
Währenddessen hatten sich auf Anordnung von Oberleutnant Nagel der 2. Zug mit Leutnant Noller und Leutnant Hagenmayer mit drei leichten Maschinengewehren an die Piavebrücke begeben, die Leutnant Schiefer mit seiner Patrouille bereits angegriffen hatte. Vor dem Brückenhaus diesseits des Flusses befand sich eine starke Straßenbar-rikade, von der aus günstig postierte feindliche Maschinengewehre auf die Unseren ein heftiges Feuer eröffneten. Auf der Brücke selber gewahrte man italienische Soldaten, die in fieberhafter Eile die Sprengung vorbereiteten. Wie nun die Barrikade erstürmt wurde, flog die Brücke unter ungeheuren Detonationen in die Luft. Drei der großen Brückenbogen waren durch die Sprengung zerstört.
Nun fing die feindliche Artillerie zu schießen an; erst aus kleineren und später aus mittleren Kalibern. Auf das Dorf San Vito und die Straße zur Brücke konzentrierte sich ihr Feuer, so daß das Bataillon ziemliche Verluste erlitt. Deutlich waren auf dem Berg Tomba die gegnerischen Stellungen zu erkennen.
Von unserer Kompagnie sind an der Piavebrücke verwundet worden: Gefreiter Alber, die Grenadiere Kuhn, Hallwachs, Bodmer und Stoll.
Leider ist der verwundete Hermann Bodmer zwei Tage später in der als Verbandsstätte eingerichteten Kirche von Valdobbiadene durch einen Granatvolltreffer gefallen. Er war, als das Lazarett beschossen wurde, noch einige Male in die Kirche zurückgegangen, um Schwerverwundete zu bergen. So hat er den Tod gefunden als ein echter Soldat, als ein Mann, der sich ohne Besinnen für die Rettung der hilflos daliegenden schwerverwun-deten Kameraden einsetzte. Wir können stolz auf ihn sein. Er wurde laut Paul Körners Tagebuch am 13. November im Beisein der 11. Korporalschaft auf dem Klosterfriedhof in Valdobbiadene beerdigt.
Nach Sprengung der Piavebrücke rückt eine Patrouille unter Führung von Unteroffizier Nedele gegen Segusino vor, um den östlich der Piave zurückgebliebenen italienischen Sicherungs-Abteilungen den Rückzug abzuschneiden. Der 2. Zug besetzte die Höhe 442 und einige Gruppen übernahmen die Sicherung der Brücke. Der Rest der Kompagnie verblieb in San Vito. Schuß auf Schuß jagte die gegnerische Artillerie in die Ortschaft und schon zeigte das Dorf, das am Mittag noch einen so friedlichen Eindruck gemacht hatte, ein höchst unerquickliches Bild. Zertrümmerte Fenster, die Straßen besät mit Dachziegeln! Frauen und Kinder suchten das Nötigste in Haus und Hof zusammen, um dann zu fliehen, irgendwohin. Viele der Einwohner sind den Granaten zum Opfer gefallen. Es war überall ein Weinen und Weheklagen und die Leute konnten sich umso weniger mit diesem Schicksal abfinden, als doch die italienischen Truppen und ihre Verbündeten es waren, die das Dorf zugrunde richteten.
Gegen Abend traf von Major von Breuning der Befehl ein, die einige Kilometer weiter nördlich an der Piave gelegenen Ortschaften Segusino und Vas zu besetzen. Über den Vormarsch dorthin, den wir bei Beginn der Dunkelheit antraten, berichtet Oberleutnant Nagel:
„Die am Brückenhaus mit Drahthindernissen versperrte Straße von San Vito nach Segusino bildete die einzige Möglichkeit, zu diesen Ortschaften zu gelangen. Das Brückenhaus am Anfang der zerschossen Brücke und der dortige Straßenteil lagen Unter fortgesetztem feindlichen Artilleriefeuer. Ein Umgehen dieser gefährdeten Stelle war aber nicht möglich, da die Straße links durch die Piave und rechts durch einen steilen Hang begrenzt war. Der Marsch mußte also unbedingt durchs Artilleriefeuer hindurch erfolgen.
An Hand der Uhr stellte ich eine gewisse Regelmäßigkeit im Abschuß der feindlichen Artillerie fest. Die Salven folgten mit Unterbrechungen von etwa je zwei Minuten. Es galt also, in dieser Zeit die Feuerzone zu überwinden.
Nach einer dieser Salven ließ ich die Spitzengruppe im Laufschritt antreten. Meine Berechnung hatte aber nicht gestimmt, denn als ich gerade mit Hörauf und Dais sowie der vordersten Gruppe die windige Stelle passierte, wurde die feindliche Artillerie ihrer Gewohnheit untreu. Hätten wir das Aufblitzen der Abschüsse nicht sofort erkannt und uns rechtzeitig zu Boden geworfen, so hätte es uns, da wir mehrere Volltreffer bekamen, schlecht ergehen können. So waren wir nur mit Steinen und Schmutz überschüttet worden. Ein Glück, daß die geschlossene Kompagnie erst auf etwa 60 Meter Entfernung nachfolgte. Am Eingang der Ortschaft Segusino bot sich uns eine weitere Überraschung dadurch, daß wir plötzlich angeschossen wurden. Wir machten sowohl hier wie auch in Vas Gefangene.“
In beiden Dörfern gab es reiche Vorräte an Lebensmitteln. Es wurden starke Wachen an der Piave ausgestellt und nur einem kleinen Teil der Kompagnie war es vergönnt, ins Quartier zu kommen und einige Stunden zu schlafen.“

aus: „Württembergische Sturmkompagnie im großen Krieg“ׅ, Stuttgart 1930


Donnerstag, 9. November 2017

9. November 1917


„In rasender Eile eilte Oberleutnant Rommel hinter den Italienern her in Richtung Longarone. Mit seinen Radfahrern unter Leutnant Schöffel weit voraus weiß er genau, daß hier nur Schnelligkeit Erfolg verbürgt. In San Martino werden 5 Offiziere und 150 Mann eingeholt und gefangen genommen. Die Straße durch die Vajont-Schlucht ist ein Kunstwerk von Meisterhand gebaut. Über tiefe Felsspalten führen weitgespannte Brücken, die der Italiener hinter sich zu sprengen sucht. Eine solche dicht am Südhang des Berges südöstlich Casso fliegt in die Luft und begräbt den Unteroffizier Fischer der 4. Gebirgs-Kompagnie unter ihren Trümmern. Es gelingt hinüberzuklettern. Die nächste, über die 300 m tiefe beiderseits senkrecht abstürzende Vajont-Schlucht führende Brücke erreicht Unteroffizier Brückner, 2., als die Zündschnur schon glimmt. Im letzten Augenblick haut er sie mit dem Seitengewehr entzwei und rettet diese Brücke, deren Zerstörung jeden weiteren Versuch, nach Longarone durchzubrechen, unmöglich gemacht hätte. Kehrt marsch nach Cimolais! Rückmarsch nach Erto und zeitraubender Umweg über die Berge südlich der Vajont-Schlucht nach Dogna wäre ohne diese Brücke das Los des Gebirgs-Bataillons gewesen. Wie wäre dann Major Sproesser vom Kommandanten der 22. Schützen-Division empfangen worden! Nach fortgesetztem Beharren im Ungehorsam – ohne Erfolge! Unteroffizier Brückner hat Ehre und Ansehen des Gebirgs-Bataillons und seines Kommandeurs mit dieser Brücke gerettet! Durch Tunnel und Galerien windet sich die Straße aus der finsteren, turmhoch von Felsen eingeschlossenen Schlucht hinunter in das Piave-Tal. Die Radfahrer sausen hindurch dicht hinter italienischen Offizieren, die im Kraftwagen davonjagen. Oberleutnant Rommel besetzt mit der Radfahrer-Abteilung sofort die Höhe 830 dicht nördlich Dogna und beobachtet gegen Longarone, dessen Ostrand etwa 1000, dessen Westrand kaum 1500 m von ihm entfernt ist. Auf der durch Longarone führenden Straße ziehen Kolonnen aller Waffen in Richtung Belluno. In Longarone feuern italienische Maschinengewehre gegen die Abteilung Rommel und gegen den Eingang der Straße in die Vajont-Schlucht. Oberleutnant Rommel sperrt mit Feuer den Südausgang von Longarone und wartet auf das Aufschließen des Vortrupps. Im Tale vor ihm glitzert breit und sonnig die Piave; heiß strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Die Anstrengung war groß und eine Ruhepause unbedingt nötig.“


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933