Freitag, 27. Oktober 2017

27. Oktober 1917


„Die 26. Division war am Abend des 26. Oktober mit dem Regiment 125 zwischen der 200. und 5. Inf.-Division in die vorderste Gefechtslinie eingerückt. Dem Eindringen in Cividale und damit dem Austritt aus den Bergen in die Ebene Friauls legte sich noch der stark befestigte und stark besetzte Monte Purgessimo vor.
Ein Befehl der Brigade, der erst am 27. Oktober, 12.50 Uhr vormittags an die Bataillone ausgegeben werden konnte, sah das Unterlaufen der das Natisone-Tal beherrschenden Höhen im ersten Morgengrauen vor. Dieser Befehl hatte das II. Bataillon nicht erreicht, die Befehlsüberbringer hatten sich in der Dunkelheit verlaufen. Der Regimentskom-mandeur traf das II. Bataillon gegen 4 Uhr morgens noch im Biwak. Die anderen Batail-lone, teilweise alarmiert, brauchten mit ihren marschübermüdeten, nicht hinreichend ausgeruhten Leuten in der düsteren Nacht auch länger bis zum Sammelplatz (bei Merso di sp.) als sie berechnet hatten.
So gelangte das immerhin bedenkliche Unterfangen, mit starkem Feind im Rücken, der von den nachfolgenden Truppen nicht sogleich angefaßt werden konnte, gegen Cividale vorzurücken, nicht zur Ausführung.
7.30 Uhr vormittags trat das Regiment – Reihenfolge II., I,. III. Gebirgsbatterie – den Vormarsch von Merso die sp. auf Azzida an. Bald nach dem Durchschreiten von Scrutto wurde die Marschstraße mit Schrapnells belegt. Das Regiment suchte sich diesem Feuer dadurch zu entziehen, daß es den Erbezzo durchwatete und sich an die Hänge südlich des Erbezzo anschmiegte. Die Batterie hatte um diese Zeit die Cosizza noch nicht überwunden.
Die Aufgabe des Regiments bestand nunmehr in der Erstürmung des Monte Purgessimo bezw. in der Wegnahme der nach und nach als besetzt erkannten Linie Monte Purges-simo – Castel del Monte.
Die 6. und 7. Kompagnie gelangten zunächst südlich des Erbezzo an den Nordosthängen des Purgessimo ungefähr bis in die Höhe des Ostrandes von Merso die sp. Von hier zog sich eine flache Talsohle südlich Azzida zu beiden Seiten des Erbezzo nach dem Natisone hin, welche die Italiener konzentrisch vom Monte Purgessimo und der Bergnase nordwestlich Castel del Monte unter Artillerie- und Maschinengewehrfeuer nahmen. Auch ein gedecktes Vorkommen im Bachgrund war ausgeschlossen. Aufgelöst in einzelne Trupps arbeiteten sich die 6. und 7. Kompagnie mühsam an den bewaldeten Hängen südlich der Talsohle bis in die Höhe von Punkt 445 vor und eröffneten hier das Feuer 10.30 Uhr vormittags, da ein weiteres Vorwärtskommen an den nunmehr unbe-waldeten Hängen infolge zahlreicher Maschinengewehre in der Linie Monte Purgessimo – Castel Purgessimo unmöglich war.
Vizefeldwebel Pfaff der 6. Kompagnie hatte von seinem Kompagnieführer mit 2 Unter-offizieren und 10 Mann den Auftrag erhalten, die nächstgelegenen Maschinengewehre unbrauchbar zu machen. Er klettert den Hang hinauf und stößt auf eine stark besetzte feindliche Stellung, die mit Hurra gestürmt wird. 40 Gefangene und einige Maschinen-gewehre sind der Lohn. Doch der Feind erkennt die Schwäche der Abteilung Pfaff, macht mit etwa 1½ Kompagnien einen Gegenstoß und zwingt Pfaff zum Ausweichen.
11.30 Uhr vormittags war es dem Offizierstellvertreter Pfeiffer der 7. Kompagnie gelun-gen, mit seinem Zuge eine Felshöhe dicht südlich der 6. und 7. Kompagnie zu besetzen, von wo aus er besonders wirksames Feuer auf die Besatzungen des Castel Purgessimo abzugeben in der Lage war.
Inzwischen waren die 5. und 8. Kompagnie an den Punkt a gelangt und hatten sich an den Hängen südwestlich a entwickelt. Des I. und III. Bataillon hatten sich unter Aus-nützung aller vorhandenen Deckungen entfaltet und waren näher an die 5. und 8. Kom-pagnie herangerückt; Regimentsstab beim I. Bataillon.
Der Kommandeur des II. Bataillons, Major von Schnizer, befand sich bei seinen vor-dersten Kompagnien. Der Meldegänger, welcher von ihm entsandt das Regiment und die 5. und 8. Kompagnie orientieren sollte, wurde schwer verwundet. So kam es, daß sowohl die Verbindung mit dem Regiment wie mit der 5. und 8. Kompagnie für längere Zeit verloren ging. Erst gegen 1 Uhr nachmittags brachte eine schriftliche Meldung von vorn sowie ein mündlicher Bericht des vom Regimentskommandeur nach vorn gesand-ten Leutnants d. R. Neuweiler einige Klarheit über die Lage bei der 6. und 7. Kompag-nie sowie über die Besetzung der italienischen Stellung.
Daraufhin ließ der Regimentskommandeur 1.30 Uhr nachmittags nach Rücksprache mit einem zufällig in Merso di sp. anwesenden höheren österreichischen Artillerieoffizier das Feuer der Batterie Rein und einiger anderer erreichbarer österreichischer Geschütze auf die Purgessimo-Stellung lenken und befahl den Angriff, mit dem II. Bataillon (von Schnizer) rechts gegen Castel Purgessimo, mit dem I. Bataillon (Hug) linksgegen Punkt 445. Das III. Bataillon behielt er zu seiner Verfügung.
Das Artilleriefeuer lag gut. Während desselben gelang es dem Zug Wendel der 7. Komp., um den Purgessimo herum nördlich des Dorfes Purgessimo in den Rücken des Feindes zu gelangen. Diese Rückenbedrohung, unterstützt von Teilen des Württ. Ge-birgsbataillons vom westlichen Natisone-Ufer aus, sowie unser wirksames Artillerie- und Infanteriefeuer machten sich in einer nervösen Unruhe des Feindes bemerkbar, was den Major von Schnizer veranlaßte, die 6. und 7. Kompagnie anzuweisen, die feindliche Stellung auf dem Felsplateau anzugreifen und gegen Castel Purgessimo aufzurollen. Es gelingt. Der Angriffsbefehl des Regiments ist durchgeführt, noch ehe er den Major von Schnizer erreicht hat. Die Kompagnien gewinnen 2.45 Uhr nachmittags das Dorf Purgessimo unter Gefangennahme von 15 Offizieren, 600 Mann. Westlich Dorf Purges-simo wird gesammelt und der Vormarsch auf Cividale fortgesetzt.-
Bei der Kapelle an der Straße nach Carraria stößt das Halbbataillon (6. und 7. Kom-pagnie) auf Teile des Württ. Gebirgsbataillons, von denen gemeldet wird, daß östlich Carraria eine stark besetzte Stellung sei, auch Cividale sei besetzt; die Abteilung sei deshalb nicht weiter vorgekommen.
Daraufhin werden die 6. und 7. Kompagnie über Zugliano in Richtung auf Carraria in Marsch gesetzt. Der Italiener räumt die Stellung. Die Kompagnien aber stoßen 3.40 Uhr nachmittags gegen die Straße nach Carraria vor, auf der sich feindliche Truppen-abteilungen im Rückmarsch von Castel del Monte auf Cividale befinden. Sie werden gefangen.
Mit dem Angriffsbefehl des Regiments wurden die 5. und 8. Kompagnie durch den Ordonnanzoffizier des II. Bataillons, den tüchtigen und umsichtigen Leutnant Mäulen, im Talgrund nördlich des Erbezzo vorgeführt. Sie überschritten den Erbezzo bei Pte. S. Quirino, drangen von hier aus auf der Straße nach Carraria weiter vor und stießen 3.45 Uhr nachmittags über Kapelle auf dem von der 6. und 7. Kompagnie eingeschlagenen Weg bei Zugliano wieder zu ihrem Bataillonskommandeur.
Die 8. Kompagnie erhielt den Befehl, die Straße nach Cividale westlich Castel del Monte zu sperren. Sie nimmt nach kurzem Feuerkampf 20 Mann und den Brigade-general Ferrara mit seinem Stabe im Auto gefangen; im Lauf des Abends fallen ihr noch 1 Major 265 Mann in die Hand.
Der Rest des Bataillons (5., 6. und 7. Kompagnie) setzte den Marsch über Carraria auf Cividale fort und erreichte 4.30 Uhr nachmittags unter Gefangennahme einer schwachen zurückgebliebenen Abteilung den Südteil von Cividale. Verluste des Bataillons: 4 Mann tot, 24 verwundet.
Wenden wir uns nun den Schicksalen des I. Bataillons zu.
Nachdem das Regiment den Angriffsbefehl erteilt hatte, führte Hauptmann Hug die 2., 3. und 4. Kompagnie im Erbezzo-Grund nach dem Punkt b vor. Es mußte dies zwar im starken feindlichen Maschinengewehrfeuer geschehen, doch schoß der Feind fast durchgehend zu hoch. Die 1. Kompagnie hatte in der Schlucht, also in der linken Flanke des Bataillons vorzugehen und sollte den Hauptangriff des Bataillons seitwärts unter-stützen.
Der erste Anstieg des Bataillons Hug erfolgte vom Feinde unbelästigt, weil der Gegner die am Hange angelegten Schützennester – wohl infolge des Vorrückens der 6. und 7. Kompagnie – verlassen hatte. Der Höhenkamm selbst war noch stark besetzt. Auf einige hundert Meter diesem gegenüber, in einem Waldrand, baute sich das Bataillon Hug, verstärkt durch eine hier angreifende Jägerkompagnie, zum Sturm auf – vom rechten nach dem linken Flügel 2./125, 3./125, 4./125, Jägerkompagnie – jede Kompagnie in 3 Sturmkolonnen, d. h. die Züge in Reihen nebeneinander, an der Spitze derselben Hand-granatentrupps. Zuvor hatte eine österreichische Batterie aus der Gegend von Azzida mit gutem Erfolg die Stellung befunkt.
6 Uhr abends brachen die Sturmkolonnen. der Bataillonskommandeur mit seinem Stab voraus, schlagartig mit lautem Hurra aus dem Waldrand vor; augenblicklich setzte auch das feindliche Maschinengewehrfeuer mit großer Heftigkeit ein, welches dem Bataillon einige Verluste verursachte, jedoch zum größten Teil abermals zu hoch lag. Auch warf der Feind Handgranaten in großer Menge gegen die Anstürmenden. Diese ließen sich jedoch keinen Augenblick aufhalten. In flotter Angriffslust wurde der steile Hang erstiegen und unter Einsatz der letzten Kräfte jedes einzelnen Mannes gelang es, mehrere übereinanderliegende feindliche Stellungen mit verhältnismäßig geringen Ver-lusten im Kampf Mann gegen Mann zu nehmen.
Die 1. Kompagnie hatte den Nordosthang der Berges erstiegen. Sie brach fast im gleichen Augenblick wie die Sturmkolonnen der übrigen Kompagnien, deren Hurra man bei der 1. Kompagnie hörte, in die feindlichen Stellungen ein.
Um 7 Uhr abends war die ganze Höhe vom Feinde frei. Was vom Gegner sein Heil in einer Flucht nach der Straße Castel del Monte – Cividale erhoffte, fiel der 8. Kompagnie in die Hände. Über 1000 Gefangene wurden außerdem vom Bataillon Hug nach Azzida abgeführt. Noch wohlgetaner Arbeit bezog das I. Bataillon Ortsbiwak im Dorf Purges-simo.
Die Verluste des Bataillons betrugen: 3 Mann tot, 18 verwundet. Schwer verwundet – durch Handgranate – war auch der tapfere Führer der 2. Kompagnie, Leutnant d. R. Dunz.
Es ist interessant zu vergleichen, auf welch verschiedene Art und Weise, räumlich und zeitlich getrennt, das II. und I. Bataillon den Angriff durchführten, um zum Ziele zu gelangen.
Von Cividale aus schob Major von Schnizer zur Sperrung der feindwärts führenden Straßen und Brücken die 5., 6. und 7. Kompagnie nach Süden zu beiden Seiten des Natisone vor und zwar die 6. Kompagnie in Richtung auf Premariacco, die 7. Kom-pagnie nach Firmano, die 5. Kompagnie nach Gagliano.
In Ausführung dieses Befehls stieß die 6. Kompagnie bei einer südlich Cividale über den Natisone führenden Kriegsbrücke auf starke feindliche Abteilungen, die ohne Zaudern angegriffen und über die Brücke zurückgeworfen wurden. Gegenangriffe scheiterten, die Brücke wurde gehalten und vor Zerstörung durch den Feind gerettet.
Am 27. abends bezw. in der Nacht vom 27./28. machten die vorgeschobenen Kompag-nien noch folgende Gefangene und Beute: 5. Kompagnie: 3 Offiziere, 148 Mann, 1 vollständige 10,5 cm Gebirgsbatterie; 6. Kompagnie: 15 Offiziere, 400 Mann; 7. Kom-pagnie: 100 Mann.
Diese erfolge sind um so höher zu bewerten, als die Kompagnien infolge Abgangs durch Patrouillen, Sicherungen, Abteilungen zur Gefangenenbewachung zahlenmäßig sehr schwach waren, so zählte die 6. Kompagnie schließlich nur noch 14 Mann.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–

1918“ׅ, Stuttgart 1923

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