Freitag, 19. Dezember 2014

19. Dezember 1914


„In der Nacht vom 18./19. Dezember brachen die Russen beim Nachbarregiment mit gewaltsamem Gegenangriff durch. Die 12. Kompagnie führte der Unteroffizier Müller aus Besigheim; sie ließ den Feind nicht heran. Doch plötzlich sah sich Müller in Flanke und Rücken seiner Kompagnie bedroht. Kutz entschlossen ließ er kehrt machen und schlug sich durch energisches Draufgehen durch, den Russen hierbei noch schwere Verluste zufügend. Kaum von neuem in Stellung, benützte er die erste Gelegenheit, am andern Tag in flottem Gegenangriff wieder seine alte Stellung zu erobern. Von der 9. Kompagnie sehen wir an anderer Stelle den Musketier Frenz, als er eben der Bzura zuspringen wollte, mit schwerem Arm- und Brustschuß liegen. Das feindliche Feuer nicht achtend, eilt ihm der Gefreite Brodowsky derselben Kompagnie zu Hilfe, kniend verbindet er ihn und zieht ihn mit Unterstützung eines Kameraden bald kriechend, bald kniend vorwärts in eine Mulde, bis sie glücklich in Deckung gelangen und mit Einbruch der Dunkelheit den Verwundeten bergen können.

In der wackeren M.-G.-K. befand sich der Unteroffizier Laub aus Pflugfelden. Er sieht, wie vier Russen ein M.-G. zurückziehen. Auf die Frage des Kompagnieführers: „wer holt es?“ springt er mit seinem Kameraden Wolfangel aus Ettingen und Ziegler aus Pflugfelden vor, worauf die Russen, die aufgepflanzten Seitengewehre sehend, flüchten. Nicht weit vom feindlichen Graben kommen sie glücklich in den Besitz des M.-G. und schaffen es bei Dunkelheit, hocherfreut über ihre Tat, zurück.

Ein andermal gelang es der russischen Übermacht – es war das einzige Mal – ein M.-G. zu entreißen. Alle Schützen hatten ihre Pistolenmunition verschossen. Der Schütze Gaiser wird erstochen, Baur I verwundet, Böhringer durch einen Stich in die Hand kampfunfähig, die andern überwältigt, an Händen und Beinen gepackt und gefangen. Aber nicht lange! Nicht umsonst hat der Kompagnieführer im Frieden seine Leute zu schnellem Entschluß erzogen; sie benützen den ersten Moment, sich durchzuschlagen und kehren wohlbehalten zurück. Dem braven Schnaufer aus Eglosheim und Unteroffizier Maier aus Backnang war es inzwischen gelungen, das zweite Gewehr zu retten, sogar den liegengebliebenen Dampfablaßschlauch aus dem schon vom Feind besetzten Graben wiederzuholen.

Wieder an anderer Stelle griffen die Russen am 19. früh morgens unsere Gräben an und begannen sie teilweise schon mit Erfolg aufzurollen. Während noch in der Front gekämpft wurde, erscheint der Feind im Rücken. Da sehen wir Teile der 6. Kompagnie aus dem Graben heraus im Kampf, mit dem Bajonett sich den Weg schaffend, um sich aus der unglücklichen Lage zu befreien. Inzwischen hat ein Reservezug dieser Kompagnie einen Keil gebildet, um die Anstürmenden blutig abzuweisen. Mutig steht ein Unteroffizier – sein Name ist nicht mehr bekannt – auf einem Sandhügel vor der Artillerie und sammelt mit mächtiger Stimme seine Kameraden, mit ihnen eine schützende Mauer für die Artillerie bildend. Mehrere Salven und starkes Feuer genügte zur eiligen Flucht der Feinde.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

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