Freitag, 30. Januar 2015

30. Januar 1915


„Der Angriff sollte beim II./124 beginnen (29. Januar 1915). Hier war die feindliche Stellung erkannt, und die Sappen 1–3 konnten bis nahe an die französische Linie vorgetrieben werden. Die Sappe 3 hatte der Gegner bereits erkannt und seinerseits begonnen, eine Gegensappe vorzutreiben. An dieser Stelle sollte die Sprengung erfolgen. Trotz täglich erbitterter Handgranatenkämpfe gelang es, unter aufopfernder Tätigkeit der Pioniere 29 und helfenden Infanterie, die Vorbereitungen fertig zu stellen. Das Ziel des Angriffs war, die vorliegenden Stellungen zu nehmen und eine Linie zu gewinnen, die es ermöglichte, die weiter südlich liegende breite Mulde – das Dieusson-Tal – unter Feuer nehmen zu können.

3 Schuß des mittleren Minenwerfers vor dem rechten Flügel des II./124 sollte den Beginn des Angriffs anzeigen, darauf die Sprengung erfolgen und die Sturmtrupps nach vorwärts, rechts und links vorstürzen. Das Vorbrechen des III. Bataillons war so gedacht, daß in allen Sappen dieses Bataillons Sturmtrupps bereit standen, die auf Leuchtsignal vorzubrechen hatten, sobald das II./124 dadurch anzeigte, daß es die feindliche Stellung bis zu diesem Punkt aufgerollt hatte. I./124 sollte am rechten und linken Flügel von seinen Sappen aus die feindliche Stellung erreichen und sie aufrollen. Die Batterie leichte Feld-Haubitzen Hoffmann hatten den Angriff des II./124 zu begleiten. Die andere Artillerie stand zur Bekämpfung des Hintergeländes bereit.

Am Angriffstag, 7.15 Uhr vormittags, stand II./124 vorn rechts mit 6., links 5., dahinter 8., weiter zurück im Tal mit 7. Kompagnie angriffsfertig. III./124 hatte die Sturmtrupps aus Sappe 1–3 der 10./124, aus Sappe 4–5 der 9./124 zugeteilt, 11. und 12. Kompagnie standen in Reserve. I/124 hatte rechts 1./124, links 4./124, dahinter 2./124 eingesetzt. 3./124 war Reserve beim Regimentsgefechtsstand am Wilhelmsplatz.

Von 7.22–7.28 Uhr fielen die drei Schuß des mittleren Minenwerfers. 7.30 Uhr vormittags erfolgte die Sprengung bei Sappe 3. In einem Augenblick war rechts Sturmtrupp Bitterwolf, 6./124, über freies Gelände vorgestürzt und hatte den französischen Graben genommen, ebenso schnell an der Sprengstelle Sturmtrupp 1 der 5. Kompagnie. Während dieser nach links im feindlichen Graben vordrückte, fand Bitterwolf Anschluß an Inf.-Regt. 120. Schneller, als es sich beschreiben läßt, hatten alle Sturmtrupps die eigene Stellung verlassen, in die 8./124 nachrückte. Die Batterie Hoffmann unter persönlicher Leitung ihres Führers, der den Sturmtrupps mit seinen Telephonisten folgte, ebnete dem Bataillon in vorbildlicher Weise den Weg.

Ganz kurze Zeit nach der Sprengung erhielten die Sturmtrupps des III./124 ihre Leuchtzeichen zum Vorgehen, dieses glückte überall. Die 10./124 hatte sofort 11 Gefangene. 8 Uhr vormittags war alles im besten Vorgehen, nur vor dem rechten Flügel 5./124 hielt sich in tapferster Weise im dichten Unterholz ein französischer Oberleutnant mit etwa 60 Mann. Auch 9./124 unter Leutnant Rommel fand in der Front bald heftigen Widerstand. Er nahm aber die feindliche Stellung durch Angriff von den Flanken und erbeutete 2 Maschinengewehre. Den Bitten um Verstärkung wurde überall entsprochen, 8. und 12./124. griffen ein, an ihre Stelle rückten 7. und 11. Kompagnie nach.

I/124 hatte nach dem Vorstürmen des III. Bataillons die 1. Kompagnie von der Flanke die Franzosen anpacken und aufrollen lassen, fand aber einen tapferen Gegner, der sich auf das Zäheste wehrte. Vom Vorkommen des linken Flügels fehlte jede Nachricht.

9.30 Uhr vormittags hielt sich beim II./124 immer noch der französische Oberleutnant, obwohl längst rechts und links an ihm vorbei der Angriff weiter südlich gegangen war. In dem außerordentlich dichten Unterholz waren derartige Zwischenfälle möglich. Endlich gelang es 2 Zügen der 7./124 unter Hauptmann Glaß, die Stellung zu stürmen und den Gegner gefangen zu nehmen.

Die Sturmtrupps aller Bataillone bis auf den linken Flügel I./124 waren inzwischen über 4 französische Stellungen hinweg, durch das Dieusson-Tal hindurch bis an den Südrand der Mulde vorgestoßen, fanden aber keinen Anschluß und gingen auf die befohlene Linie zurück. Am weitesten war Leutnant Rommel mit seiner Kompagnie vorgekommen. Er hatte die Linie der feindlichen Hauptwerke erreicht und sie teilweise durchschritten. Während noch die am weitesten vorgedrungenen Teile im Zurückgehen waren, traf sie 1 Uhr nachmittags ein französischer Gegenstoß aus dem Dieusson-Tal in die linke Flanke. Es kam beim Rückmarsch zum Handgemenge. Hierbei waren etwa 15 Mann des Regiments verwundet liegen geblieben. 3 wurden später tot aufgefunden, 3 wurden durch den Opfermut des Vizefeldwebels Frank und Tambour Randegger 2./124 durch mehrfaches Vorgehen aus der neuen Stellung geborgen. Beim letzten Vorgehen fiel Randegger selbst.

Überall war das befohlene Ziel erreicht, meistens sogar überschritten, am linken Flügel des I./124 hatte ein mit M.-G. stark besetzter feindlicher Stützpunkt alle frontalen Angriffe und aus der Flanke abgewehrt. Beim gewaltsamen Angriff traten starke Verluste ein, Leutnant d. R. Merz und Offizierstellvertreter Pollack fielen beim mehrfach wiederholten Versuch im feindlichen M.-G.-Feuer. Es blieb schließlich nichts anderes übrig, als die vorgekommenen Teile des I. Bataillons mit den nicht vorwärtsgekommenen treppenförmig zu verbinden.

Der oben erwähnte Gegenstoß traf auf die sich überall eingrabenden Truppen, er wurde glänzend abgewiesen. 2 Uhr nachmittags mußte das Regiment zum linken Flankenschutz des, wie sich jetzt herausstellte, auf dem südlichen Hang gebliebenen Inf.-Regts. 120, 2 Kompagnien abermals über das Dieusson-Tal hinüberschieben. Die vom französischen Gegenstoß vor der Front zurückgebliebenen Teile, die sich festsetzen wollten, wurden von der 5. und 6./124 vertrieben und beide Kompagnien gingen auf Höhe des Inf.-Regts. 120 vor und gruben sich ein. 6./124 bog den linken Flügel zur Beherrschung des Tales um. Die 7./124 rückte an den bisherigen Platz der 5. und 6.

Vor I. und III. Bataillon hatten sich die Franzosen festgesetzt. Aus dieser Stellung heraus machten sie 7 Uhr abends und 2.30 Uhr vormittags (30. Januar 1915) abermals Gegenstöße. Am heftigsten 2.30 Uhr vormittags. In einem rasenden Infanteriefeuer brachen sie alle zusammen. Die Lage der 5. und 6. Kompagnie war wenig beneidenswert. Tatsächlich kamen um den linken umgebogenen Flügel der 6./124 Franzosen herum und damit in den Rücken der Kompagnien, so daß diese nach vorwärts, rückwärts und seitwärts feuern mußten. In der Nacht noch legte die Batterie Hoffmann Feuerschutz vor diesen gefährdeten Flügel, das Einschießen der Artillerie mußte mühsam nach Leuchtkugeln erfolgen.

Auf den Erfolg dieses Tages mit 2 gefangenen Offizieren, 12 Unteroffizieren und 196 Mann, neben 3 erbeuteten M.-G., 1 Minenwerfer und 1 Pionierdepot, konnte das Regiment mit Recht stolz sein.

Die eigenen Verluste betrugen beim I./124 20 Tote, dabei 2 Offiziere, 43 Verwundete, 7 Vermißte, beim III/124 6 Tote, dabei 1 Offizier, 27 Verwundete, beim III./124 15 Tote, davon 1 Offizier, 52 Verwundete, 6 Vermißte.

Nachdem die Gegenstöße erfolglos geblieben waren, setzt in der Nacht starkes französisches Artilleriefeuer ein, das aber trotz seiner Heftigkeit nur wenig schadete, da es die Gräben fast nirgends traf. Sehr erschwert war der Verkehr mit der 5. und 6. Kompagnie, da die Franzosen auch auf einzelne Leute, Essenträger usw., mit Artillerie schossen. Sie hatten offenbar von der Linie ihrer Hauptwerke, zu deren Aufbau sie den Wald stark ausgeholzt hatten, gute Beobachtung in das Dieusson-Tal.“
 
 

aus: „Das Infanterie-Regiment König Wilhelm I (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

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