Samstag, 21. Februar 2015

21. Februar 1915


„Am 11. wurde mit dem Bau von zwei Minenschächten begonnen und gleichzeitig zwischen beiden eine offene Sappe vorgetrieben, um den Gegner über das Miniergeräusch zu täuschen. Der tapfere Unteroffizier Laurer der 1. Kompagnie, der mit einer Meßleine die Entfernung vom feindlichen Graben genau feststellen wollte, fiel leider bei diesem Unternehmen. Fünf Freiwillige eilten ihm zu Hilfe, mußten aber, nachdem drei von ihnen verwundet waren, unverrichteter Dinge wieder umkehren.

Im alten Hauptgraben wurden indessen Sturmleitern angebracht und Depots von Handgranaten, Sandsäcken und Stahlschilden angelegt. Die Mitwirkung der Artillerie wurde sichergestellt und die Sturmtruppe hinter der Front vorgeübt.

Am 16. nachmittags erhielt die Stellung rechts von der Schneise zum erstenmal Artilleriefeuer. Hochgehaltene Strohpuppen mit Helmen bekamen Infanteriefeuer aus dem feindlichen Graben; Beweis, daß der Gegner diesen nicht geräumt hatte.

Am 19. abends waren die Minenschächte nach manchen Hemmungen durch Grundwasser endlich bis unter den feindlichen Vorgraben geführt, am 20. wurden sie mit je 4½ Zentner Westphalit geladen und verdämmt und zwei geballte Ladungen mit elektrischer Zündung etwa 100 m südlich der Sprengstellen bei Nacht auf die feindliche Brustwehr gebracht. Der Sturm war auf den 21. festgesetzt.

Die Einzelanordnungen für den Sturm wurden durch den Abschnittskommandeur, Major Blezinger, in mustergültiger weise getroffen, während die technische Leitung in den Händen des stets bewährten Leutnants Busch lag, der für seine hiebei bewiesene Umsicht und Tatkraft später mit einem württembergischen Orden ausgezeichnet wurde. Aus 60 freiwilligen, zum großen Teil von der 7. Kompagnie, wurden drei Sturmtrupps gebildet. Den rechten Trupp führte Sergeant Steiner, den mittleren Offizierstellvertreter Carle, den linken Offizierstellvertreter Holz, alle drei ebenfalls von der 7. Kompagnie (Küffner); jedem Sturmtrupp waren fünf Pioniere beigegeben.

Als am 21. – einem Sonntag – der Tag zu grauen begann, standen die drei Trupps im Hauptgraben des rechten Flügels bereit, ebenda der Bataillonsstab und in einem kleinen Unterstand ein Fernsprechtrupp und Leutnant d. R. Busch bei seinen Zündleitungen, die für den Fall eines Versagens doppelt gelegt waren. Beide Bereitschaftskompagnien (9. und 12.) waren in den dahinterliegenden Gräben untergebracht; die Regimentsreserve (10. und 11.) unter dem Regimentskommandeur stand in den Gehöften nördlich Basseville-Cabt. bereit. Punkt 6.50 Uhr wurde, wie befohlen, gezündet, und schon im nächsten Augenblick ein gewaltiges Aufbrüllen und Dröhnen, der Erdböden schwankt, eine mächtige dunkle Wolke steigt empor, mit Krachen und Klatschen stürzen die emporgeschleuderten Erdmassen mit Baumstämmen, Ästen und Leichen wieder zu Boden; rollendes Infanterie- und Artilleriefeuer setzt ein und hinein in diese Trümmerwelt werfen sich die unverzagten Kämpfer.

Durch die Sprengung waren mitten in der feindlichen Vorstellung zwei Trichter entstanden, der eine 25, der andere 18 m im Durchmesser bei 5–6 m Tiefe.

Alle drei Stoßtrupps, gefolgt von Abteilungen mit Sandsäcken, Stahlschilden und Handgranaten in Säcken, gelangten in den feindlichen Vorgraben. Ein kurzer Kampf Mann gegen Mann, dann geht’s dem Hauptgraben zu. Der Gruppe Steiner schlägt jedoch in Front und rechter Flanke starkes Feuer entgegen; ein weiteres Vorgehen ist unmöglich; sie muß sich darauf beschränken, den rechten Trichter zu besetzen und zu halten. Carle und Holz erreichen unterdessen den Hauptgraben, räumen mit der Besatzung auf, soweit sie nicht geflohen ist und im Zurückgehen schwere Verluste erleidet. Dann wendet sich Holz nach links, um ein möglichst großes Stück des feindlichen Grabens in die Hand zu bekommen. M.-G.-Feuer setzt dem Vordringen ein Ziel. Leider fiel der tapfere Führer, Offizierstellvertreter Holz, nachdem er seine Aufgabe glänzend gelöst.

Der eroberte Graben (etwa 150 m lang) wird nun nach rechts und links abgedämmt und durch die Arbeitskolonnen zur Verteidigung eingerichtet. Und schon eilen, wie gerufen, die Unterstützungen herbei – zwei Züge der 7. ein Zug der 9. Kompagnie –, gerade recht, um den ersten feindlichen Gegenstoß (7.25 Uhr vorm.) mit großen Verlusten für den Gegner abzuweisen. Alles geht wie am Schnürchen; aber auch hier tritt ein schwerer Verlust ein: Hauptmann Miller von der 2. Ingenieur-Inspektion, der prächtige Führer der 9. Kompagnie, der bei uns eine seinem Wunsch nach Teilnahme am Kampf entsprechende Betätigung gefunden hatte, fiel durch Kopfschuß. Er war einer der Unsrigen geworden und wird bei uns weiterleben.

9.20 Uhr erfolgte der zweite, 11.15 Uhr der dritte Gegenstoß des Feindes. Trotzdem sie durch wirkungsvolles Minenwerferfeuer vorbereitet wurden, brachen sie in dem Feuer der Grabenbesatzung zusammen. Die eroberte Stellung war fest in unserer Hand. Die Verbindungsgräben waren bis Mittag bereits so weit gefördert, daß Verwundete und Tote zurückgebracht werden konnten. Unsere Verluste betrugen 20 Tote, 50 Verwundete. Die Verluste des Gegners wurden auf 200 bis 250 Tote und Schwerverwundete geschätzt; viele waren in ihren Unterständen verschüttet worden. Gefangene wurden nur wenige gemacht: 1 Offizier, 5 Mann vom 16. Queen-Lanciers-Regiment und 8 Mann der 8. Kompagnie 77. franz. Linien-Regiments. Unser Angriff war gerade auf die Naht zwischen Franzosen (rechts) und Engländern (links) gestoßen. Die englischen Gefangenen machten einen vortrefflichen militärischen Eindruck, was von den Franzosen, meist ältere Leute, nicht gesagt werden konnte.

Es dürfte von Interesse sein, auch die gegnerische Seite über unseren Minenangriff zu hören. Leutnant Herbert G. Archer berichtet in der „Times“:


Am 20. Februar erhielt unser Regiment den Befehl, Schützengräben nur 20 Yards von der deutschen Stellung zu besetzen. Ich wurde nebst anderen Offizieren hierfür bestimmt; aber Leutnant Patrick, der bisher noch keine Erfahrung im Schützengrabendienst hatte, bat so inständig, einen Coup gegen die Deutschen machen zu dürfen, daß er vom Regimentskommandeur an meiner Stelle dafür bestimmt wurde. Ich übernahm seinen Dienst, nach den Pferden zu sehen, die in einiger Entfernung hinter der Front untergebracht waren. Nur diesem Umstand verdanke ich meine Rettung; denn als der Schützengraben in die Höhe flog, wurde Mr. Patrick schwer verwundet. Der Schützengraben, den wir Befehl erhielten zu besetzen, scheint vom Feind unterminiert worden zu sein; aber die hinterhältigen Halunken ließen unsere Leute den Schützengraben volle 24 Stunden unbehelligt besetzen, ehe sie sprengten, wodurch sie möglichst viele von uns hineinbekamen. Am 21. bei Tagesanbruch gab es eine furchtbare Explosion, die 5 unserer Offiziere sofort tötete (ein anderer ist seither gestorben), 5 andere verwundete und eine große Anzahl von Unteroffizieren und Mannschaften außer Gefecht setzte. Der Schützengraben war vollständig verschüttet. Unmittelbar nach der Explosion griffen die Deutschen uns an. Unsere Reserven, denen ich zugeteilt war, wurden eingesetzt und halfen den armen Teufeln, die übrig geblieben waren, den Feind zurückzutreiben, was mit beträchtlichen Verlusten geschah. Wir mußten uns dann erneut eingraben und waren im Gefecht für weitere 48 Stunden, ehe wir abgelöst wurden. Wir bargen eine Anzahl von Toten und Verwundeten, aber 2 Offiziere und 5 Mann fehlten uns noch immer. Unser Regiment ist außerordentlich schwer betroffen worden, insbesondere in bezug auf Offiziere.“

 
 
 
aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 Großherzog Friedrich von Baden im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

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