Montag, 16. April 2018

16. April 1918



„Schon der erste Tag war sehr ungemütlich. Die Artillerie beschoß überfallartig das Dorf, die Mühle und Wegekreuzungen mit mittleren und leichten Kalibern. Der Gegner hatte offenbar vor, die Ortschaft baldmöglichst dem Erdboden gleichzumachen. Noch standen die Häuser und der kleine, spitze Kirchturm, aber überall klafften schon Löcher, und die Straßen waren mit Trümmern bedeckt. Es sprach eine haßerfüllte Absicht aus dem Feuer der Engländer. Sie schossen zu Zeiten, in denen man es sonst nicht gewohnt war, legten auch öfters Gas dazwischen ein, und in den Pausen kamen Flieger, die ihre Bomben warfen. Es war durchaus nicht der gemütliche Stellungskrieg früherer Zeiten. Wir sollten keine Ruhe haben, und jede kleinste Blöße sollte ausgenutzt werden, uns zu schaden. Die Engländer schienen auch schon reichlich Munition zu haben, während man von unserer Artillerie nichts verspürte. Auch die feindliche Infanterie wurde bald viel reger als sonst. Jeden Tag fanden Kämpfe statt mit englischen Patrouillen, die bald immer größere Kühnheit bewiesen. Zunächst galt es, die Stellung des Gegners ausfindig zu machen. Er hatte auch noch keinen fortlaufenden Graben, umso schwerer waren seine Posten zu finden. Jede Nacht wurden aber neue Entdeckungen gemacht, und bald hatte man ein ziemlich klares Bild. Einen besonderen Anziehungspunkt bildete ein Tank, der vor dem Ostausgang von Treux lag. Leutnant Wildermuth stellte bald einen Unteroffizierposten dahinter fest, und in der nächsten Nacht versuchte der kühne Vize-feldwebel Röhner den Posten auszuheben. Er vertrieb ihn mit Handgranaten, konnte aber keinen Engländer gefangen nehmen.
Die eigene Stellung zu verbessern war äußerst schwer. Das war vielleicht das Pein-lichste an unserer Lage. Wenn wir an unsre Frühjahrsoffensive 1915 zurückdachten, wie anders war es damals! Damals lag man mit Tuchfühlung nebeneinander, und in einer Nacht war ein zusammenhängender Graben hergestellt. Der Engländer feuerte damals nur mit Schrapnells, und man war völlig sicher. Jetzt lag etwa alle 100 Schritte ein Doppelposten in einem Schützenloch und konnte sich nicht regen. Wie sollte man da einen durchlaufenden Graben herstellen! Und wenn man ihn hätte, so würde der Gegner nur ein schönes Ziel für seine mittlere Artillerie haben und den Graben mit 15er-Granaten in kürzester Zeit zermalmen. Ich weiß nicht, ob man sich diesen Unterschied völlig klar machte. Wir konnten eigentlich 1918 nach kilometerweitem Vordringen gar nicht wieder den Stellungskrieg aufnehmen, denn zum Stellungskrieg gehörten bei den unheimlichen Zerstörungswerkzeugen, die der Gegner jetzt hatte, bombensichere Räu-me, die man unmöglich da vorne herstellen konnte. In offenem Gelände liegend, die Stäbe höchstens in einem Keller, waren wir der Vernichtung schutzlos preisgegeben. Denn die feindliche Artillerie verstärkte sich nun schnell jeden Tag, während unsere nur sehr geringe Tätigkeit entwickelte und bald auch entdeckt war und täglich mit schweren Kalibern zugedeckt wurde.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

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