Donnerstag, 14. Juni 2018

14. Juni 1918





Vorbemerkung:
Heinrich Butz war am 7. Juni 1918 wegen fortgeschrittenen Alters und als Vater von vier Kindern von der 2. Kompagnie Landwehr-Infanterie-Regiment 126 zum Austausch-Kommando des Feld-Rekruten-Depots der 7. Landwehr-Division versetzt worden und zur Rückkehr in die Heimat vorgesehen. Nach dem Angriff auf die Mius-Halbinsel wurden auf Grund der zahlenmäßigen Schwäche der deutschen Truppen 400 Mann vom Feld-Rekruten-Depot der Gruppe Nord unterstellt. Die nachfolgende Schilderung der Kämpfe auf der Mius-Insel ist der Regimentsgeschichte des Ulanen-Regiments Nr. 20 entnommen.

„Am Sonntag, den 9. Juni, war anscheinend alles ruhig, wie immer. Die zurückkeh-renden Patrouillen meldeten ihr: „vom Küstenschutz nichts Neues, die Bevölkerung ruhig, alles in Ordnung.“ Am Abend schwirrten Gerüchte von einer Landung bolsche-wistischer Streitkräfte, doch konnte niemand Bestimmtes sagen. Ein Patrouillenboot fuhr aus, um auf hoher See nach dem Gegner in der Nacht noch zu suchen. Da die planmäßige Patrouille der Esk. unterwegs war, wurde diese durch 2 Meldereiter davon benachrichtigt, daß Gefahr im Anzug sei und ihr aufgetragen, erneut Nachforschungen anzustellen.
Das Patrouillenboot stieß in dunkler Nacht auf den Feind, der mit 33 Fahrzeugen, darunter einigen Kriegsschiffen, gegen die Miushalbinsel im Anmarsch war; das Boot wurde auf seinem Rückzug auf Taganrog scharf verfolgt und beim Morgengrauen donnerten von hoher See her die Schiffsgeschütze, deren platzende Grüße in Taganrog eine unwillkommene Tagwacht ansagten.
Die Meldereiter erreichten bei Tagesgrauen des 10. Juni nach scharfem Nachtritt über 25 km die in Solotnia-Kosa befehlsgemäß in der Nacht vom 9. / 10. Juni untergezogene Patrouille des Sergt. Gehm, die das Auftauchen der Flotte eben bemerkte und fertig machte, um Meldung zu erstatten und erneute Erkundungen nach andern Punkten der Halbinsel anzusetzen. Die erste Meldung erreichte die Esk. 6.15 vorm. Inzwischen waren von der Esk. eine Reihe weiterer Patrouillen als Verstärkungen (Lt. Frhr. v. Watter, Sergt. Riedinger) und Relais (Sergt. Geisel und Schleeh) abgesandt worden, außerdem aber Lt. Erbgraf zu Königsegg im Kraftwagen nach vorne gefahren, um Meldungen auf dem schnellsten Wege zurückzubringen, sowie um einen Gesamt-überblick über die Lage zu gewinnen. Er traf die Patrouille im Gefecht mit dem an zwei Stellen ausbootenden Gegner, der von der See aus mit schweren Schiffsgeschützen seine Landung unterstützte. Sergt. Gehm hatte in vorbildlichem Draufgehen mit 5 Karabiner-schützen wiederholt das erste an Land haltende Fahrzeug beschossen, bis er infolge von Feuerüberfällen aus den Hecken und Häusern durch bolschewistische Franktireurs das Feld räumen mußte. Gemeiner Weise schlug sich die früher freundlich tuende Bauern-bevölkerung alsbald auf Seiten der Bolschewiken und bedrohte unsere zurückgehenden Patrouillen mit Steinen und Prügeln. Leider verlor die Esk. an diesem Morgen drei ihrer besten Ulanen, die von Bauern überfallen (z. T. auf Patrouille, teils beim Rasten in einzelnem Hofe) nun vermißt werden (Ulan Mäule und Bauer) oder tot mit schwersten Verwundungen und der Kleider beraubt (Gefr. Kugler) gefunden wurden; auch vier vorzügliche Pferde fielen durch Artilleriefeuer oder auf Patrouille.
Vorm. 10 Uhr traf Exz. von Knoerzer in der Ortsunterkunft der Esk. ein, um sich die nun zahlreich einlaufenden Meldungen an Hand der Karte vortragen zu lassen. Der gelan-dete Feind hatte an zwei Stellen Brückenköpfe gebildet und trieb nun 10 Uhr vormit-tags, während hinten die Ausladungen planmäßig fortgesetzt wurden, Schützenlinien gegen Norden und Osten vor, welchen die Ulanenpatrouillen zäh das weitere Vordringen zu verwehren versuchte. Allein die Übermacht war zu groß. Mittags war der Feind 12 km vorwärts gekommen und bedrohte Taganrog, aus dem das Generalkommando abroll-te, um nicht die freie Hand zu verlieren.
Unter dem Führer I. Res. 224 Rittmeister v. Müller (Ul. 5) (dem Sohn des früheren Regimentskommandeurs Ul. 20) trat mittags ein Detachement zusammen, bestehend aus 1 ½ Komp. Res. 224, 1 Batterie, 1. Esk, U. 20 und einem Panzerkraftwagen mit 3 M. G.s, und rückte dem anmarschierenden Gegner entgegen, der sich schon 8 km westlich von Taganrog näherte.
Da die Lage einen Angriff auf den mehrfach überlegenen Gegner nicht ratsam er-scheinen ließ, wurde eine Stellung ausgehoben und die Nacht zur Aufklärung und zum Anrollen von Verstärkungen benützt. Aber auch der Feind brachte von Stunde zu Stunde Verstärkungen von den Schiffen, sowie Landbatterien heran. Am Morgen des 11. Juni stellten die Ulanenpatrouillen diese fest. Der Tag blieb sonst ruhig, da beide Gegner beschlossen, die Verstärkungen abzuwarten und dann zum vernichtenden Schlage, wo-möglich mit Umfassung, auszuholen. So verging ein langer Tag, zum Glück funktio-nierte der Bahntransport vollkommen, trotzdem Streiks drohten, so daß Batl. um Batl., Artillerie, Munition und alles Notwendige, das aus weitester Entfernung herangezogen werden mußte, wie mit einem Uhrwerk betrieben herankam.
Auch 2 Esk. der 5. Bayr. Chevauxleger (7. Kavalleriebrigade) unter Major von Löffel-holz, der die Führung des Detachements „Nord“ übernahm, trafen nach einem Tage-marsch von 75 km an glühend heißem Tage rechtzeitig ein. Am Morgen des 12. griffen die Bolschewiken um 10 Uhr vorm. an. Sie drangen in die zwischen den beiden De-tachements „Süd“ (v. Müller), „Nord“ (v. Löffelholz) vorhandene 3 km breite Lücke, in der sich zur Verschleierung nur eine dünne (17 Karabiner starke) Schützenlinie der 1./Ul. 20 befand. Die im rechten Moment ankommenden Verstärkungen aus eigener Infanterie warfen den angreifenden Gegner auf seine Angriffsstellung zurück und drängten ihn auf seinem linken Flügel gegen Abend und im Laufe des nächsten Tages immer mehr gegen seine Ausladepunkte an der Küste. Am Nachmittag des 13. Juni übernahm Oberst Bopp (Ul. 20), Kommandeur der 53. Landw.-Inf.-Brigade, den Befehl. 5 Uhr nachm. trat alles zum Sturm an. Verzweifelt wehrten sich die Desperados, deren Reiter, 60 an der Zahl, in kühner Attacke den Durchbruch zur Flucht riskierten. Bis zu Leitung „Süd“ durchdringend, fielen die letzten von den Karabinern der Ulanen nieder-geschossen. In einem Gehölz an der Landungsstelle zusammengepfercht, versuchten Tausende die Flucht auf Flößen und Fischerseglern, die von Artillerie, M. G. und Schützen mit Feuer überschüttet wurden, wollten auf ihren Pferden im seichten Meere der Steilküste, die Tod und Verderben spie, entlang reitend, an unbewachter Stelle das rettende Ufer erreichen. Vergebens. Der Tod hielt reiche Ernte. Ein Schlachten war’s, nicht eine Schlacht zu nennen, dem die Nacht ein Ende setzte. Der Rest mit einer Anzahl von Weibern ergab sich auf Gnade und Ungnade, welch letzterer alle, da Pardon weder verlangt noch gegeben wurde, im Feuer von M. G. fielen. Von den 10 000 gelandeten Bolschewiken sind wohl kaum 1000 Mann, diese meistens verwundet, entkommen. Die Beute betrug 7 Geschütze, viele M. G. s, Massen von Gewehren und Munition auf den Transportschiffen, von denen 9 nicht mehr vom Lande abkamen, und sonstiges Kriegsmaterial aller Art.“


aus: „Bilder aus der Geschichte de Ulanen-Regiments König Wilhelm I (2. Württ.) Nr. 20“, Stuttgart 1934

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