Dienstag, 6. Juni 2017

6. Juni 1917


„Zu unseren Gunsten konnten wir einwandfrei feststellen,, daß bei unserem Gegner die Organisation der Verteidigung und der Ausbau der Stellungen noch lange nicht so weit fortgeschritten war wie bei uns. Dies ist leicht erklärlich, wenn wir bedenken, daß diese erst vor kurzer Zeit vor unserer Siegfriedstellung angelangt waren und hinter sich einen 30 Kilometer breiten Streifen vollständig zerstörten Gebietes liegen hatten. Ihr gesamter Nachschub an Material, Verpflegung und Munition war somit außerordentlich erschwert und behinderte dadurch ihre Arbeiten wesentlich. Im allgemeinen hatten sie sich bis jetzt zwei Linien geschaffen, die in einer Durchschnittsentfernung von 400 – 600 Meter vor unserer Vor-Stellung lagen. Sie lehnten sich gegenüber unserem Unterabschnitt an den Ostrand des Dorfes Gonnelieu an und wandten sich von dort nach Überquerung der großen Straße Gouzeaucourt – Le Pavé in großem Bogen um die Ortschaften Gouzeaucourt und Villers-Plouich herum nach Nordwesten. Selbstverständlich gab sich der Engländer mit einem so einfachen Grabensystem auf die Dauer nicht zufrieden, sondern entfaltete mit seinen zahlreichen Arbeitstruppen eine emsige Bautätigkeit. Daß die Arbeiten bei ihm um so rascher voranschreiten würden, je weniger sie unter der Gefechtstätigkeit zu leiden hatten, lag auf der Hand und führte dazu, daß der Engländer zunächst alles vermied, was ihre Steigerung zur Folge haben konnte. Für uns aber ergab sich hieraus unsere eigentliche Kampfaufgabe; wir mußten in Ausnützung unseres Vorsprungs im Stellungsbau mit allen Mitteln versuchen, die Arbeiten unserer Gegner zu erschweren. Es konnte die jedoch nicht durchweg in der gewünschten Weise erfolgen, denn einerseits mußte auf unsere sehr ruhebedürftige Infanterie, die durch ein solches Verhalten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde wäre, Rücksicht genom-men werden, andererseits fehlte uns die hierzu erforderliche starke Artillerie mit der nötigen Munition. Doch wurde das möglichste getan; durch allnächtliche Patrouillen-gänge wurde der Gegner beunruhigt. Die Abschnitte, in denen Neubauten erkannt waren, wurden tagsüber mit beobachtetem Wirkungsfeuer belegt und des Nachts mit überraschenden Feuerüberfällen bedacht. Häufiger Gasbeschuß der Ortschaften Gouzeaucourt und Gonnelieu und Fernfeuer auf die rückwärtigen Etappenstraßen war dazu angetan, den feindlichen Truppenverkehr zu stören. Unsere Flieger bemühten sich in täglichen Erkundungsflügen, die weit n das feindliche Hintergelände führten, unsere Führung über die Arbeiten unserer Gegner auf dem laufenden zu halten und durch Bombenabwürfe und Angriffe mit dem Maschinengewehr den Eisenbahn- und den Kolonnenverkehr zu erschweren.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922

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