Sonntag, 26. Juli 2015

26. Juli 1915


„In den Nachmittagsstunden des 25. Juli eröffnete unsere Artillerie das Feuer gegen die feindlichen Stellungen bei und östlich Kunin. I. und II. Bataillon gehen – rechts Anschluß an Inf.-Regt. 125 – gegen Kunin zum Angriff vor. Der gut verschanzte Gegner schoß heftig, besonders mit Maschinengewehren. In dem deckungslosen Angriffsgelände kam der Angriff zunächst nicht vorwärts. Die Kompagnien klammerten sich daher an den erreichten Boden an und gruben sich ein. Das II. drang bis auf 300 Meter an Kunin vor, welches sich als stark besetzt erweist. Neben braven Grenadieren fiel bei der 8. Kompagnie Fähnrich Gönner, ein frischer, sehr tüchtiger junger Soldat, durch Kopfschuß. Einer vorgesandten starken Patrouille der 8. Kompagnie gelang es, einen vorgeschobenen russischen Posten zu überraschen und ihm 12 Maschinengewehr abzunehmen. Die Nacht verlief auffallenderweise ruhig; es zeigte sich aber am folgenden Tag (26. Juli), daß der Russe nicht gewillt war, die wichtige Bahnlinie Ostrolenka – Warschau leichten Kaufs freizugeben.
Auf die Meldung der vorderen Linie gegen 6.30 Uhr vormittags, daß Kunin anscheinend frei vom Feind ist, geht das II. Bataillon vor, um den Ort zu besetzen. Schon ist der Ost- und Westausgang von uns besetzt und Leutnant d. R. Matthes, der Führer der 6./119, hatte sich persönlich mit Patrouillen ins Vorgelände begeben, da setzte immer stärker werdendes feindliches Infanteriefeuer von Osten her ein. Aus Saosha drangen starke feindliche Kolonnen vor, und von Wolka her gehen Russen gegen den rechten Flügel der Stabstruppe II umfassend vor. Das I. Bataillon lag noch 500 Meter zurück und konnte bei dem unübersichtlichen Gelände nicht durch Feuer unterstützen. Um nicht von dem übermächtigen und überflügelnden Feind umgangen und abgeschnitten zu werden, räumten unsere vorgeprellten Kompagnien Kunin und gingen mit zurückge-bogenem rechten Flügel 200 Meter hinter den Dorfrand zurück. Die Lage war kritisch, als die Russen nun in Massen, einer nicht endenwollenden braunen Flut gleich, vorstürmten.
Der Bataillonsadjudant II., Leutnant Knoerzer, Alfred, eilt mit dem Unterstab an die gefährdete Stelle; Offiziere und Mannschaften beteiligen sich gleichmäßig am Abwehrfeuer. Da trifft das I. Bataillon ein; aber die Lage bleibt immer noch sehr ernst, weil der rechte Flügel weiter von den Russen überflügelt wird, denn zwischen Gren.-Regt. 119 und Inf.-Regt. 125 war allmählich eine große Lücke entstanden. Teile des III. Bataillons (12. Kompagnie und Stabstruppe III) griffen auf dem rechten Flügel energische ein, wobei der unerschrockene Führer dieser Stabstruppe, Leutnant d. R. Wildermuth, zum wiederholten Male schwer verwundet wurde. Doch die Abwehr des Feindes gelingt; der Russe kommt nicht weiter vor.
Das ganze Regiment mit der M.-G.-K. war nun zur Abwehr der Russenmassen eingesetzt worden.
Mehrfach wurden starke Angriffe abgeschlagen; immer wieder versuchte der Feind, den rechten Flügel der Grenadiere zu umfassen.
Ein Bataillon Inf.-Regt. 42 war inzwischen dem II. Bataillon zur Verfügung gestellt worden und verstärkte mit 2 Kompagnien die vordere Linie. Das brachte uns wesentliche Erleichterung. Die Absicht der 26. Inf.-Division, Saosha wegzunehmen, kam nicht zur Verwirklichung, weil neu auftretende starke feindliche Kräfte gegen diesen Ort vorgehen. Der Abend machte dem Kampf ein Ende; 2 Kompagnien des II./119 und III./121 werden bei Zu Schar als Regimentsreserve bereitgestellt. Schwer waren die Verluste des Regiments; wieder färbte das Blut zahlreicher tapferer Schwaben den feindlichen Boden. Leutnant d. R. Krauß (8.) und 55 Unteroffiziere und Grenadiere waren gefallen, die Leutnants d. R. Schmidlin, Mezger, Zutt, Wildermuth und Hopf, sowie 188 Unteroffiziere und Mannschaften verwundet, 28 vermißt. In der Nacht hielt der Gegner das brennende Kunin nur mit Patrouillen besetzt.“



aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

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