Mittwoch, 25. Januar 2017

25. Januar 1917


„Immer unhaltbarer wurden die Zustände vorn in der Infanteriestellung, je mehr der Winter voranschritt. Das ausgebaute Grabensystem mit Unterständen und Stollen, von denen die Zeitungen berichteten, war in der Phantasie des Kriegsberichterstatters einge-graben, der in Cambrai am warmen Kamin von den Erlebnissen im Schützengraben träumte. Geschah’s doch noch im neuen Jahr, daß ein paar Essenträger sich verirrten und zu den Engländern hinübergerieten. Die steckten dann am andern Tag ein Schild heraus: „Hie kann warmes Essen gefaßt werden!“ Nein, die Front war lediglich geschützt durch den Dreck. Davon wußten auch die artilleristischen Beobachter zu erzählen, die vorn in ihren Schokoladentrichtern saßen und warteten, ob nicht einmal die Wasser sich ver-liefen. Und wie einst Noah ließen auch sie ihre Tauben fliegen, Brieftauben, denn ein Draht führte nicht in diese Schlammwüste und Blinkgeräte gehörten noch dem Fabel-reich an.
Wie aber, wenn einmal der Winter die Breimasse zu hartem Boden erstarren ließ? In lang vorausschauender Arbeit ward darum mit dem Bau einer Winterstellung begonnen, die im Januar bezogen wurde. So waren die armen Teufel wenigstens in Schützengräben mit notdürftigen Unterständen untergebracht; den bodenlosen Morast freilich nahmen sie an ihren Stiefelsohlen auch in die neue Stellung mit.
Langsam glitt die Schlacht in den reinen Stellungskampf hinüber. Im Wechsel wurden Batterien und Abteilungen in Ruhe zurückgezogen nach Villers Pluich („Villers Blech“), Metz en Couture (sprich „Metzakur“) und ins Bois de Havrincourt, wo sich die Protzen fast der ganzen Artillerie ein mächtiges Waldlager schufen. Die Axt klang durch den Forst. Der französische Eigentümer des Waldes bot Millionen dafür, wenn man ihm den Wald stehen lasse. Was halfen uns die Millionen? Wir mußten Menschen und Tiere durch den Winter retten. So fielen die zweihundertjährigen Eichbäume, verwandelten sich in Baracken oder versanken im Schlamm als Knüppeldämme und Laufstege, auf denen man fortan trockenen Fußes vom Stall zur Küche und zu unnennbaren Örtern wandeln konnte.“


aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925

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