„Mit dem Einrücken in die Stellung und Ablösung des R. I. R. 216 begann das
I. Bataillon am 3. September abends und übernahm mit je 1 Kompagnie in der
Jägerfeste bezw. im Waldweg, Schanze B; Damm- und Raabgrund die Bereitschaften,
von denen 3 dem K. T. K. unterstanden. Am 4. abends übernahm es dann die
vordere Linie, während das II. Bataillon in Bereitschaft einrückte. Von dem
III. Bataillon, als letztem des Regiments, lagen jeweils auf 3 Tage 2
Kompagnien als Brigadereserve zunächst in die Partyntje Fe., dann in die
Wilhelm- und Dichtelei Fe., beide wenige 100 m südöstlich von Hollebeke. Die
andern 2 Kompagnien verblieben in Werviq als Divisionsreserve, wo in
Kompagniefeiern die Rückkehr aus der Sommeschlacht gefeiert wurde. Der K. T. K.
war in der Dammstellung, B. T. K. im Raabgrund, wo auch der Gefechtsstand des
Regiments lag, der im übrigen seinen Standort in der Claus Fe., unweit der
beiden vorderen Reservekompagnien, hatte. So war die Gliederung des Abschnitts,
der nicht weit von der ersten Ypernstellung des Regiments entfernt lag. Es lag
nur das I. R. 124 zwischen dem Regiment und dem Kanal Ypern / Comines, welcher
damals unsere linke Flügelgrenze war, und man sah täglich hinüber nach der
blutgetränkten Bastion, die sich aber nur wenig über das Dünengelände erhob.
Die Boden- und Stellungsverhältnisse waren die gleichen, wie dort, und der
wässerige Sandboden bereitete die gleichen Schwierigkeiten, wie früher. Für die
Grabenbesatzung waren vereinzelt Betonklötze vorhanden, die Stollenanfänge
dagegen im allgemeinen ersoffen.
Eine Ausnahme machten die Sprengtrichter von St. Eloi, die, vier an der
Zahl, im rechten Teil des Regimentsabschnitts lagen und in deren Wände
ausgedehnte Minier- und Stollenanlagen getrieben waren, an deren Abdichtung
dauernd gearbeitet werden mußte. Diese Sprengtrichter stammten aus der großen
Sprengung vom 27. März 1916, die zu den größten der Westfront gehörte und
damals mehreren 100 Deutschen das Leben gekostet hatte. Der größte Trichter hatte einen Durchmesser
von 65 m und alle vier zusammen waren der interessanteste Teil der Stellung.
Sie lagen auf einer flachen Kuppe, beherrschten das umliegende Gelände völlig
und waren in die vordere Linie einbezogen. Diese lief auf dem Höhenzug, der
sich südlich des Kanals auf Wytschaete und Messines hinzog, und war vom
Kemmelberg überhöht, der infolge des nach Westen ausspringenden Bogens in
unsere Stellung teilweise von hinten hineinsah. Daß der Gegner dadurch einen
großen Vorteil vor den im Bogen liegenden Deutschen voraus hatte, liegt auf der
Hand; es stand ihm jede Möglichkeit der Beobachtung und Belästigung offen und
nicht umsonst gehörte die Wytschaetestellung mit zu den unangenehmsten der
Westfront.
Unsere Leute waren daher keineswegs erfreut, als sie in den 1600 m breiten
Regiments-abschnitt mit schwachen Kompagniestärken hereinkamen, der im linken
Teil einen geradezu trostlosen Eindruck machte. Die Stellung war hier nicht
einmal durchlaufend, vielmehr kriechend und bückend mußten sich die Leute bei
der Ablösung und beim Essenfassen durch Schmutz, Schlamm, Sandsack- und
Balkenreste hindurchwinden. Sehr bald gab es dann auch Leute, die sich aus
dieser „ruhigen“ Stellung hinwegsehnten und lieber wieder i die Sommeschlacht
wollten, als noch länger in dieser Wasserstellung auszuhalten. Dagegen waren in
de hochgelegenen Dammstraße und deren Umgebung Stollen, sogenannte
Heldenkeller, eingebaut, in denen ganze Züge ihre Unterkunft fanden. In die
vorderen Linie, bis zu der man vom Damm aus einen ausgezeichneten Überblick
hatte, führten drei Verbindungswege, die aber bei einer Länge von 800 – 1000 m
und vielfacher Unterbrechung die Möglichkeit der Unterstützung des
Kampfbatail-lons im Falle eines Angriffs sehr in Frage stellten.
Die vorderen Kompagnien fühlten sich daher mit Recht auf sich selbst gestellt
und arbeiteten mit allen Mitteln an der Herrichtung des Abschnitts, so hart die
Arbeit, so gering die Kraft und so schlecht auch das Wetter war. Denn schon war
der Herbst im Anzug und der flandrische Himmel goß seine regenvollen Wolken
stundenlang über uns aus. Die Arbeit ging daher nur langsam vorwärts und
lediglich der Mitarbeit der Pioniere war es zu danken, daß der auf die Trichter
zuführende Hauptverbindungsweg, der Katzensteig, bald in guten Stand kam und
eine zweite Linie hinter den Trichtern gezogen wurde. Auch neue Betonklötze
wurden in Angriff genommen, schritten aber bei dem naßkalten Wetter nur langsam
im Bau vorwärts. Im rückwärtigen Gelände handelte es sich hauptsächlich um den
Ausbau der Dammstellung und der III. Linie, der Bereitstellung. Sie war im
großen und ganzen befriedigend, wie überhaupt die Verhält-nisse in der
Bereitschaftszone besser lagen, als im Bereich des Kampfbataillons. Hie war im
linken Teil der vorderen Linie überhaupt keine schußsichere Unterkunft vorhanden
und im rechten lagen die Wohnstollen in den Sprengtrichtern so tief, daß bei
einem Angriff unsere Leute kaum noch rechtzeitig herauskommen konnten. Dies
zeigte sich sehr bald bei einer Großpatrouille, welche der Gegner am 17.
September nach 1 Uhr nachts mit mehreren Zügen unternahm und wobei es ihm unter
dem Schutz heftigen Artillerie- und Minenfeuers gelang, bei Trichter 3 und 4 in
die vordere Linie einzudrin-gen. Es kam zum erbitterten Nahkampf, der
Schließlich zum Weichen des Gegners führte, aber beiden Teilen schwere Verluste
kostete. Unsererseits wurden außer 5 Vermißten 5 Tote und 25 Verwundete
beklagt, wogegen vom Gegner 5 Tote, sowie 1 Schwer- und 1 Leichtverwundeter in
unserer Hand blieben. Außerdem wurde noch eine Anzahl Gefallener vor der Front
gezählt.“
aus: „Die
Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920
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