Montag, 31. Juli 2017

31. Juli 1917


31. Juli 1917. Dieser Tag ließ nichts Gutes ahnen. Vom ersten Morgenschimmer an suchten die niedrig fliegenden feindlichen Flieger unsere rückwärtigen Stellungen und unsere Quartiere auf und nahmen marschierende Abteilungen unter Feuer. In aller Frühe schon kam an uns der Befehl, die zweite Stellung für den Fall einer nötig werdenden Besetzung zu besichtigen. Wir M. G.-Zugführer machten uns unverzüglich auf den Weg und kamen vor bis Deimlingseck. Deutlich war zu sehen, wie das Artilleriefeuer des Gegners überall auf unseren rückwärtigen Linien und Unterkünften lag. Eine Baracke erhielt einen Volltreffer. Ein Pionieroffizier sagte uns, auf der ganzen Kampflinie sei der Alarm angeordnet.
Im Eilmarsch ging es zur Kompagnie zurück, die schon marschbereit dastand und sofort in die Stellungen abrückte. Unsere Gespanne wurden vorgezogen, soweit es irgend ging. Die Wagen fuhren nach Gheluwe zurück; wir selber keuchten unter der schweren Last der Gewehre und der Munitionskästen durch den aufgeweichten Boden und passierten unsere Artilleriestellungen, die dauernd im schwersten feindlichen Feuer lagen. Um 4 Uhr jedoch konnte zurückgemeldet werden: Stellungsabschnitt besetzt!
Die große Durchbruchsschlacht der Engländer war in vollem Gange. Langsam setzte ein Regen ein, der über den Tag anhielt und in kurzer Zeit das Trichterfeld in einen großen Morast verwandelte. In den zerschossenen Gräben und Granattrichtern saßen unsere Leute Tag um Tag, notdürftig unter ein Zelt geduckt, jeden Augenblick den Tod vor Augen. Die feindliche Artillerie funkte unablässig, was das Zeug hielt; die unsrige blieb ihr aber nichts schuldig. Auf einem unserer betonierten Maschinengewehr-Unterstände schlug eine schwere Granate ein, daß der ganze Bau wackelte. Gleich darauf schlug hart nebenan eine zweite ein und hob den Unterstand aus seiner Lage. Die Maschinen-gewehr-Bedienung jammerte, sie wolle nicht mehr drinbleiben, sondern auf dem freien Felde sterben. In einem anderen Maschinengewehr-Unterstand fand sich ein General-stabsoffizier ein, der mit der vordersten Linie telephonisch verbunden war und trotz stärkster Beschießung seelenruhig mit brennender Zigarre seine Karten nach den von vorne kommenden Meldungen ergänzte. Schwere Munitionskolonnen fuhren durch dick und dünn zwischen den Batteriestellungen hindurch. Mitten in eine solche Kolonne schlug eine schwere Granate ein. Eine riesige Feuer- und Staubwolke, ein furchtbarer Schlag – von der Kolonne war nichts mehr zu sehen; in tausend Fetzen flog alles hoch empor. Feindliche Flieger suchten mit großer Frechheit unsere Stellungen ab. Einer von ihnen wurde in unserer Nähe von den Maschinengewehren heruntergeholt und stürzte brennend zur Erde. Auf einmal tauchte ein Trupp gefangene Engländer auf, der in beschleunigtem Tempo durch unsere Leute nach hinten verbracht wurde.
Im Scherenfernrohr eines Artillerie-Beobachtungsstandes sah ich haarscharf das deut-sche Trommelfeuer auf den feindlichen Linien liegen. Auch dort ist alles in Rauch und Staub gehüllt. Als das Feuer nachläßt, beobachte ich, wie feindliche Kolonnen im Laufschritt die dortige Stellung verstärken. Mitten in ihre Reihen schlägt wieder das deutsche Abwehrfeuer. Überall Tod und Verderben. „So kann es nicht mehr lange weitergehen!“ meinte ein Landsturmmann neben mir, „da wird man ja vollends hin!“.“


aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929

Sonntag, 30. Juli 2017

30. Juli 1917


Bericht der deutschen Obersten Heeresleitung:
Westlicher Kriegsschauplatz
„Die seit Monatsmitte in Flandern begonnene Artillerieschlacht steigerte sich von Tag zu Tag in bisher unerhörter Heftigkeit. Diesem Höchstmaß artilleristischer Massen-wirkung folgten am 28. Juli beiderseitige Vorstöße, die zu erbitterten Infanteriekämpfen führten. Gleichzeitig griffen am Damenweg drei französische Divisionen vergebens an. Den Vorstößen in Flandern folgten am 30. und 31. Juli ungeheure Massenangriffe des Feindes, wobei nur die Ortschaft Bixschoote verloren ging.“


aus: „Kriegstagbuch aus Schwaben“, Stuttgart 1917

Samstag, 29. Juli 2017

29. Juli 1917


Im Stellungsdienst zogen die Bataillone umschichtig nach 36tägiger Stellungszeit ins Braunschweiger Lager, um für 18 Tage des Schanzens, der Ruhe und der Ausbildung zu pflegen. Mehrfach wurden in dieser Zeit in der Stellung entwichene russische Kriegs-gefangene am Drahthindernis aufgegriffen, welche zur Landaufteilung in die Heimat strebten. Sonst ereignete sich wenig Neues in dieser Zeit. Der Feldwebel verließ am 1., 11. und 21. des Monats sein Geschäftszimmer, stellte mit schweißbedeckter Ledertasche sich seiner Kompagnie vor, zahlte in Papier- und Eisengeld die fürstliche Löhnung aus und pries den Segen der Sparmarken und der Hinterbliebenenstiftung des Regiments und mit ihm trat in Wettbewerb der Vertrauensmann der Kompagnie, der für die 7. Kriegsanleihe Zeichner warb. Der Radfahrer brachte täglich die Befehl, Rapporte und Unterschriften, der Postfasser brachte die Grüße der fernen Heimat und leerte den Briefkasten. Auf den Tagesbefehl mußte man wegen Mangel an Elementen verzichten, dagegen brachten die Zeitungen stolze Kunde von den Abwehrschlachten im Westen, aber leider auch belästigende Nachricht von dem Gegreine der Flaumacher und Mies-macher, lichtscheuen Treiben der Hamsterer, Schieber und Kriegswucherer, dem Partei-zank über Wahlrecht, Parlamentarisierung und Neuorientierung, den Kriegszieldebatten über Hunger-, Verzicht, Verständigungs- Macht- und Sicherungsfrieden. So war man, abgesehen vom Brief- und Zeitungsverkehr, abgeschnitten von der Welt.
Die beiden nächsten Bahnstationen Rogozno und Turysk waren nur mühselig zu erreichen. Regelmäßig bestiegen die glückstrahlenden Urlauber – in Twerdyn entlaust – nach Abgabe des Gewehrs, Stahlhelms, der Gasmaske und Patronen, in Adamowka mit hochbepacktem Tornister die Feldbahn, um über Turysk in Kowel den Militärurlauber-zug (Muz) zu erreichen, der sie in rascher, 29stündiger Fahrt, nach der Umsteigestation Halle a. d. Saale brachte, wo man im Berliner Schnellzug Anschluß fand. Nach 21, später der Kohlennot wegen schon nach 18 Tagen, kehrten sie von Stuttgart in 40stün-diger Fahrt ab Frankfurt zur Kompagnie zurück.
Das Jahr 1917 brachte dem Heer empfindliche Einschränkungen zumal an „ruhigen“ Fronten. Die Abendkost vereinfachte sich schließlich auf 125 Gramm Marmelade – „sie erhält uns auf dem Tugendpfade und keiner sieht nach fremder Wade“ – Frische Wurst (90 Gramm) und Butter (55 Gramm) erinnerten noch gelegentlich an bessere vergan-gene Zeiten. es bedurfte daher der vollen Hingabe der Küchenmannschaft, sowie der unermüdlichen Mitarbeit der Vorgesetzten und der Küchenkommission, um durch möglichste Abwechslung und Schmackhaftigkeit zu ersetzen, was an Menge abging. Die Teeportion war von 2 – 3 Gramm auf ½ Gramm, die Kaffeeportion von 20 auf 10 Gramm herabgeglitten; Zigarren und Zigaretten, je zwei Stück täglich, und ein Schluck kriegsmäßiger Branntwein halfen die Mühsal des Alltags vergessen. Die Ernte des Jahres 1917 war gut, und so bewilligte uns der Leiter des Kriegsernährungsamts wieder 600 Gramm Brot und 300 Gramm Kartoffeln. Mit Kartoffeln wurden nun auch die Pferde durchgefüttert bei der Heu- und Haferknappheit.
Allmählich änderte sich das Bild und die Zusammensetzung der Kompagnien. Zwar waren die Verluste gering. 15 Angehörige des Regiments wurden auf dem Soldaten-friedhof in Twerdyn beerdigt, 8 Verwundete starben im Feldlazarett. 2 Offiziere, 61 Unteroffiziere und Mannschaften schieden infolge Krankheit und Verwundung dauernd aus. Über 100 Mann wurden zum Bezirkskommando entlassen um in der Rüstungs-industrie zu arbeiten. Manche wurden als Väter zahlreicher Kinder oder letzte Söhne der Eltern zum Feldrekrutendepot versetzt.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Freitag, 28. Juli 2017

28. Juli 1917


Die Kompagnie übernahm 5 Werfergruppen südlich und südwestlich von Witry-les Reims und trat damit in die Stellungskämpfe bei Reims ein. Die ersten Wochen brachten hauptsächlich Stellungsbau; die feindliche Tätigkeit war meist gering. Anfangs und Ende Juli waren für geplante Unternehmungen bei Cernay Hindernisgassen zu erschies-sen. Starke Artilleriegegenwirkung richtete reichlich Materialschaden an. Während die gegnerische Artillerie nur leichte Verwundungen verursachte, fielen einem eigenen Rohrkrepierer am 28. Juli 1917 Unteroffizier Fritz, Gefr. Hilsenbeck und die Pioniere Baumeister, Bührle, Maier (Fr.), Mauerhan, Konstanzer, Ziegler und Walter zum Opfer.“


aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 27. Juli 2017

27. Juli 1917


Sowohl die Engländer wie auch unsere „Achter“ unterhielten des Nachts sehr regen Patrouillengang. Auf die feindlichen Patrouillen übte der Mebu* 510 am linken Regimentsflügel, wo die Linienführung unserer Stellung nicht gerade günstig war, eine besondere Anziehungskraft aus. Eine stärkere britische Stoßabteilung drang in der Nacht vom 26./27. Juli dort ein, wurde aber von der damals daselbst in Stellung befindlichen 2./126 im Handgranatenkampf wieder vertrieben. Der Feind rächte sich sofort durch zwei Gasminenangriffe, die zwischen 3.45 und 4 Uhr morgens auf das beinahe rechtwinklig nach Süden über Mebu 510 führende Frontlinienstück am linken Regimentsflügel erfolgten und denen leider 19 Mann, darunter 9 Tote zum Opfer fielen.“

aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

*Mebu: Maschinengewehreisenbetonunterstand

Mittwoch, 26. Juli 2017

26. Juli 1917


Am 21. und 22. Juli beschossen die Franzosen den Regimentsabschnitt mit Gasgra-naten. Am 21. Juli wurde die vorderste mit solchen beschossen, der Wind trieb aber die Gaswolke nach der französischen Stellung zurück. Am Morgen des 22. Juli schossen die Franzosen ihre Gasgranaten in die Waldstücke Belgierwald und Wilmsbusch im Unter-abschnitt B. Die Gaswolke setzte sich dort ziemlich lange fest, trotzdem traten keine Verluste durch Gasvergiftung ein. Durch Beschießung des Miettegrundes durch Gasgra-naten kamen mehrfach Erkrankungen vor, die Franzosen beschossen den Miettegrund sehr häufig und pflegten zeitweilig bei ihren Feuerüberfällen auch Gasgranaten mit zu verwenden. Am 23. und 24. Juli beschossen die Franzosen die Gegend des Belgierwald mit Brandgranaten, am 23. Juli gerieten im Barackenwald drei Baracken, am 24. Juli zwei weitere in Brand. Beide Male konnte das Feuer durch rasches Zugreifen der Bereitschaftskompagnien gelöscht werden, ohne daß Verluste entstanden. In der Nacht vom 26. auf 27. Juli schlug bei einer Beschießung ein Geschoß in eine mit Schanz-arbeiten beschäftigte Abteilung, verletzte den Führer, Offizierstellvertreter Bader, töd-lich, tötete 2 Mann und verwundete 11 schwer.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 479“, Stuttgart 1923

Dienstag, 25. Juli 2017

25. Juli 1917


Gegen die Mitte des Juni nahm auch die feindliche Flieger- und Artillerietätigkeit immer mehr zu. Es schien, als ob der Feind nun ernstlich gesonnen sei, die für ihn so günstige Lage auszunützen. Und als am 22. Juli morgens vom Oitozpaß im Norden bis hinunter zur Putna das Feuer sich zum Trommelfeuer steigerte, da wußte man, was die Stunde geschlagen hatte. Die Batterie selbst blieb dank ihrer vorzüglichen Flieger-deckung zunächst noch verschont, und die tapferen ungarischen Husaren wiesen, vom Sperrfeuer der Batterie trefflichst unterstützt, die feindlichen Angriffe restlos ab. Aber rechts bei der benachbarten Division, auf die sich der Feind mit voller Wucht geworfen, war der feindliche Durchbruch geglückt, unsere Kavallerie-Division war nun in der rechten Flanke bedroht und bekam den Befehl, sich auf die Gebirgskämme des M. Chinusu und der Sboina Neagra zurückzuziehen. Die eingesetzten Feldbatterien mußten, wie vorauszusehen war, beinahe alle Geschütze stehen lassen, da keine passierbaren Wege zu den Höhen führten. Die Batterie 6 hatte noch bis zum letzten Augenblicke die nachdrängenden Rumänen in Schach gehalten. Erst als die tapfer fechtende Husaren-nachhut in der Feuerstellung anlangte und der an ihrer Spitze befindliche Führer unter vielen Danksagungen für die geleistete Hilfe die Batterie zur Eile trieb, wurde die Stellung verlassen.
Als der letzte Tragetiertrupp mit den verlasteten Geschützen im Walde verschwunden war, Brachen die rumänischen Sturmtrupps in die verlassene Stellung ein. Da die bosnischen Gebirgsschützen trotz des stärksten Trommelfeuers und der zähesten Angriffe sich den Casinului nicht hatten entreißen lassen, war der Weg durchs Casinutal noch frei.“


aus: „Die württembergische Gebirgs-Artillerie im Weltkrieg 1915-1918“, Stuttgart 1920

Montag, 24. Juli 2017

24. Juli 1917


Als Heeresartillerie waren wir ausersehen, im Mittelpunkt des englischen Angriffs zu stehen, den die Heeresleitung zwischen Warneton und Dixmuiden vom 20. Juli an erwartete. Aber ein Befehl in letzter Stunde drehte uns ab und führte uns ein paar Stunden weiter nach Süden zur „Gruppe Lille“ der 4. Armee. In der Spätnacht des 16. wurden II. und III. Abteilung bei Deulemont, am Südausläufer der drohenden Schlacht eingesetzt. So erhielt das Feldartillerieregiment „Nord“ als Sonderauftrag die Unter-stützung der nördlichen Nachbardivision. Da standen wir denn wieder in dem Land mit seinen über den Wiesengrund verstreuten Hecken und Büschen, seinen hochstämmigen Gruppen von Ulmen, Eichen und Weiden, das zum Entzücken für jedes Malerauge, zum Kreuz für den Artilleristen vom lieben Gott geschaffen ist. Die Batterien waren im Gebüsch verkrochen. Aber der Instinkt unserer Urahnen kam uns zu Hilfe, wir kletterten in die Gipfel der Pappelbäume und schufen uns da droben einen Ausguck nach dem Feind.
Unsere nächste Aufgabe war, die englische Artillerie zu bekämpfen und zu vergasen. Aber unsere kurzatmigen Rohre konnten die weittragenden englischen Geschütze nicht fassen. So haben sich die Unsern Nacht um Nacht vorgepirscht zu vordersten Schützen-linie und von dort ihre Gelb-, Grün- und Blaukreuzgranaten zum Feind hinübergejagt. Es waren tolle Fahrten. Manches Mal hat die Batterien da vorn die Morgendämmerung überrascht. Dann karrten sie, angesichts des Feindes, im „sausenden Schritt“ ihren Tagesstellungen zu. Aus dem Lysgrund aber stiegen barmherzig die Nebel und entzogen sie dem Auge des bösen Feindes.
Der gefürchtete 20. Juli kam, brachte aber keinen Sturm. Am 25. spieen die englischen Geschütze von Ypern Trommelfeuer nach allen Seiten, doch der Engländer blieb in seinen Gräben. Wir hatten ihm mit unserem Vergasen sichtbar seine Karten unterein-ander gebracht. Ach, wenn er doch kommen wollte! Stunden bangen Harrens schlichen vorüber. Wir wußten wohl, was auf uns wartete; deckungslos, kaum gegen Splitter geschützt, standen wir da in unseren Sumpfstellungen, in denen schon der erste Spaten-stich auf Grundwasser stieß. Aber das ungewisse Harren verzehrt mehr Nervenkraft als Schlacht und Sturm.“


aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925

Sonntag, 23. Juli 2017

23. Juli 1917


Zu Großkampftagen kam es hier nicht mehr und doch war die Ablösung in der Nacht vom 25./26. Juli durch das Res.-Reg. 76 für die Truppe eine Erlösung, denn, wie bereits erwähnt, hatte dieses unbewegte Ausharren im schweren Artilleriefeuer, die ständige Wachsamkeit am Feinde, die mit Hochdruck betriebenen Stellungsarbeiten, der sehr gefahrvolle Materialtransport Nerven und Kräfte der Leute verbraucht; durch Krankheit und Verluste war die Gefechtsstärke sehr zurückgegangen.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Samstag, 22. Juli 2017

22. Juli 1917


Die Stellungen der Division waren sehr ungünstige. Wo damals im Winter der Bewe-gungskrieg zum Stehen gekommen war, zogen sich nun auf drei Ausläufern des Gebirges die Stellungen hin. Zwischen diesen und den Nachschuborten im Becken von Ketdivasarhely lag das 2 Tagesmärsche breite Gebirge. Nur Seil- und Holzabfuhrbahnen führten über die Berge und jeglicher Nachschub war äußerst erschwert. Der Feind dagegen hatte ein gut ausgebautes Eisenbahnsystem hinter sich. Diesen großen Vorteil wußte er nun auch bald auszunützen.
Während noch die erste Hälfte des Monats Juli im bisherigen Fahrwasser ruhig verlief, verstärkte sich etwa vom 15. Juli ab die feindliche Gefechtstätigkeit. Vorsichtig und unauffällig schoß sich da und dort eine feindliche Batterie ein. Man bemerkte eifrige Schanzarbeiten in den Linien des Gegners. Seine Flieger waren alltäglich unterwegs und wurden leider von den unsrigen nur wenig behelligt. Auch auf unserer Seite bereitete man sich eifrig auf einen Angriff vor. Vom 19. Juli ab steigerte sich die feindliche Artillerietätigkeit. Als Feuerraum hob sich immer deutlicher das Gebiet zwischen Höhe 711 und Marasti hervor, also gerade der Frontabschnitt, an dem die Batterie eingesetzt war. Und schon traten die ersten Verluste ein, zwei Fernsprecher wurden in der Beo-bachtungsstelle verwundet.
Den erfreulichen Auftakt zum allgemeinen Kampf bildete eine Unternehmung des Res.-Infanterieregiments 204 vom 21. Juli 1917. Drei Batterien, darunter Geba 11, machten die kurze exakte Feuervorbereitung von 15 Minuten. Der Stoßtrupp brachte unter klei-nen eigenen Verlusten 37 Gefangene ein.
Am 22. Juli vormittags 11 Uhr begann das feindliche Trommelfeuer. Dank der gut vor-bereiteten Bauten wurde an diesem Tag nur 1 Mann verwundet. Abends begann der Feind sein Feuer auf den bis jetzt noch unberührten Ort Cimpurile zu legen und zwar gerade in den von den Batterien bewohnten Teil. Einem der ersten Schüsse fielen 3 Tote und mehrere Verwundete der Batterie zum Opfer. Die an gefährdeten Punkten einquar-tierten Pferde und Mannschaften wurden nach dem Feuer am Fuße eines Steilhangs, der Sicherheit zu bieten schien, untergebracht.“


aus: „Die württembergische Gebirgs-Artillerie im Weltkrieg 1915-1918“, Stuttgart 1920

Freitag, 21. Juli 2017

21. Juli 1917


Alle Bemühungen konnten nicht darüber wegtäuschen, daß Deutschlands Ernährungs-lage immer schlechter wurde. Das drückte sich hauptsächlich in der Herabsetzung der Brotportion aus, die hart empfunden wurde. In den Bergen wollte der Magen befriedigt sein. Man darf auch nicht übersehen, daß in der Eintönigkeit des Schützengrabenlebens die Abwechslung fehlte, die über manches Entbehren hinweghilft, und daß Nervener-regungen, wie sie bei der Tätigkeit dem Feinde gegenüber immer wieder eintraten, am besten durch vermehrte Nahrungszufuhr ausgeglichen werden. Das konnte nicht mehr in dem gewünschten Maße geschehen. Es ist bezeichnend, daß für die Teilnehmer an den vielen Unternehmungen besondere Verpflegungszulagen gewährt wurden, was dankbar willkommen geheißen wurde.
Am meisten wurden von der Not die Pferde, die treuen Diener und Gefährten, betroffen. Man war zwar schon von der im Frieden gewohnten gleichmäßigen Ernährung notge-drungen abgekommen. Haben wir doch zeitweise im Osten, als der Nachschub wegen der schlechten Wege versagte, die Pferde mit dem Dachstroh der Häuser und mit Kartof-feln durchgebracht, aber das war vorübergehend. Nun mußte man sich dauernd behel-fen. Laubheu wurde genommen, Ersatzfutter aller Art wurde verwendet, Weiden wurden in größerem Umfang gepachtet, eine weitgehende Schonung mußte Platz greifen. Als dann bis zur neuen Ernte 1917 ein zweimonatlicher Haferbedarf eingespart werden mußte, wurde es schwer, die Tiere überhaupt durchzubringen. Viele Sorgen und Überle-gungen traten an die Kommandobehörden heran, man wußte ja nicht ob und wann plötzlich eine Inanspruchnahme aller Kräfte nötig werden könnte. Jetzt durfte nicht mehr im Trab gefahren werden.“

aus: „Die 26. (württ.) Landwehr-Division im Weltkrieg 1914-18“, Stuttgart 1922


Donnerstag, 20. Juli 2017

20. Juli 1917



Arthur Heimberger.

Arthur Heimberger wurde am 9. April 1893 in Stuttgart als Sohn des öffentlichen Notars Heimberger geboren. Nachdem er im Jahre 1911 die Reifeprüfung am Eberhard Lud-wigs-Gymnasium abgelegt hatte, bezog er die Universität Tübingen, um Rechtswis-senschaft zu studieren. Am 21. Oktober trat er in die Verbindung ein. Er studierte zunächst vier Semester in Tübingen, um im Herbst 1913 sich nach Leipzig zu begeben, wo er bis zum Ausbruch des Krieges sich aufgehalten hat. Wegen eines Magenleidens, das ihn schon am Ende seines zweiten Semesters befallen hatte, wurde er bei seiner Meldung als Kriegsfreiwilliger zurückgewiesen. Er wandte sich daraufhin nach Tübin-gen, um dort seine Studien fortzusetzen. Die Verbindung wählte ihn zum Fuxmajor für die ersten „Kriegs“füxe, einem Amt, dem er sich mit fröhlichem Eifer hingab, wodurch er einen frischen Zug in die kleine, von einer elegischen Stimmung angehauchte Schar der damals in Tübingen weilenden kriegsuntüchtigen Normannen gebracht hat. Bei einer im Januar vorgenommenen Musterung für „k. v.“ erklärt, trat er freiwillig im Februar 1915 beim Ers.-Batl. 119 ein. Am 31. Mai kam er zum ersten Mal ins Feld, und zwar zum aktiven Gr.-Rgt. 119, welches damals im Osten stand. Am dritten Tage der damals einsetzenden großen Offensive gegen die Russen wurde er bei Prashnitz an der linken Hand verwundet, lag hierauf einige Wochen im Reserve-Lazarett zu Templin in der Uckermark und kehrte von dort im September nach Stuttgart zum Ersatzbataillon seines Regiments zurück. Zum zweiten Mal ging es mit Beginn des Jahres 1916 ins Feld, und zwar nach Flandern. Von dort wurde er im März in die Heimat beurlaubt zur Vorbereitung auf sein erstes Examen, das er im Mai mit guter Note bestand. In den schweren Kämpfen an der Somme erwarb er sich das E. K. II; auch erfolgte in dieser Zeit seine Beförderung zum Unteroffizier. I Januar 1917 wurde er zu einem Offiziers-aspirantenkurs nach Münsterlager befohlen. Gegen Pfingsten kehrte er von dort als Vizefeldwebel nach Stuttgart zurück. Aber schon am Pfingstdienstag mußte er die Seinigen wieder verlassen. Es ist sein letzter Abschied gewesen. Er traf sein Regiment an der Scarpe und tat noch sechs Wochen als Zugführer in seiner alten ersten Kompag-nie Dienste. Am 20. Juli 1917 erhielt er bei einem nächtlichen Rundgang als Wachhabender bei Roeux an der Scarpe einen Schuß in den Kopf, an dessen Folgen er, ohne die Besinnung wieder erlangt zu haben, bald darauf starb. Er wurde zunächst bei Noyelles sous Bellone bestattet und dann nach seiner Überführung in die Heimat am 22. November 1917 auf dem Waldfriedhof  in Stuttgart zur letzten Ruhe gebettet. Ein rascher, schöner Tod ist ihm beschieden gewesen, der Mühsale und Leiden des Krieges bis zur Neige gekostet hat, ohne seinen erfrischenden, arglosen Frohsinn einzubüßen. Jede Stelle in seinen Briefen ist durchleuchtet von dieser Heiterkeit seines Gemüts. Nach seiner Verwundung bei Prashnitz schreibt er u. a.:
„….Wir hatten die Nacht in einem Sumpfe zugebracht, in dickem, nassem Nebel, müde von den zwei Gefechten, dem Marsch und dem Grabenausheben. Ein blinder Alarm hatte uns um die Möglichkeit, zu schlafen, gebracht. So lag die stolze 1./119 halt so halbschlafend im Grase herum, alles fror, denn die brennenden Dörfer gaben zwar schöne Flammen, aber waren zu weit weg, als daß sie hätten wärmen können. 4 Uhr 45 ging’s ab durch die nassen Wiesen und Kornfelder, durch Sumpf und Dreck in den nebligen Morgen hinein. Den ganzen Tag regnete es, den ganzen Tag tippelten wir in gleichmäßigem Trott immer weiter, bepackt wie ein Lastesel mit viel Proviant, Patro-nen, zwei Spaten, 1 Beilpickel und all dem Sauzeug, das der Infanterist schleppen muß. Um 10 Uhr war Schluß, es goß richtig, so legten wir uns ins Gras und schliefen bis 1 Uhr, dann ging’s weiter auf Erkundung, die gut ausfiel, trotz unnötiger Schießerei von Seiten der Russen. Sie ergab folgendes: Vor uns liegen die Russen im Walde in einer vorbereiteten Stellung, durch dichtes Drahtverhau geschützt, die Stellung gegen Sicht gedeckt, von der Artillerie schwer zu erfassen. Wir gingen zur Kolonne zurück. Um 10 Uhr begann der Sturm, nach kurzer, unwirksamer Artillerievorbereitung. Entfernung 900/800 m, Gelände ansteigend, Kornfelder. Und die russischen Maschinengewehre klucksten, die Schrapnells platzten, immer vier auf  einmal usw. usw. Das übrige kannst Du ja in allen Feldpostbriefen lesen … Mir kam die Sache noch verhältnismäßig harmlos vor, ich bin halt weitergesaut wie die andern auch. Und auf einmal hatte ich eine. Da hab‘ ich aber den Bogen geschwungen. Erst wollte ich noch weiter mitmachen, aber die Pfote tat so jämmerlich weh und der Knochen stand so unbegreiflich ins Gelände hinaus, daß ich allmählich bedenklich wurde. Und so bin ich halt zum Verband-platz, ließ mich von Staehle Normanniae verbinden, weiter hinten von Neeff Norman-niae trösten. entbot den Russen von Herzen den schwäbischen Gruß … und fuhr Deutschland zu ….“
Von den bösen Tagen im grundlosen Trichtergelände der Somme erzählt er in einem an seine Angehörigen gerichteten Brief u. a.:
„… Und nun denkt Euch: vier Nächte und drei Tage hingen wir vorn. Verkehr mit hinten bloß bei Nacht. Täglich Regen oder nasser Schnee. Kein Unterstand! Und doch hab‘ ich die Sache verhältnismäßig sehr gut überstanden. Es tut mir ja alles weh und meine Füße sind von dem ewigen Wasser geschwollen und runzelig wie ein Wäscherinnenhand, Schrunden an den Händen usw. Aber sonst fehlt mir rein gar nichts. Wie ich’s gemacht habe? Die erste Nacht habe ich durchgeschafft, und bis der Tag kam, hatten wir eine Zigarrenkiste in der Wand, in der zwar niemand Platz hatte, aber drei Mann konnten doch drin schlafen. Mit dem Schaffen Hab ich’s auch weiterhin so gehalten. Wenn’s mich frieren wollte, hab‘ ich halt ein bißle geschafft. Und im übrigen hab‘ ich halt so ane gelebt. Ich bin nun schon so ein Kerl, daß schon ein ganzer Haufen kommen kann, bis ich seelisch darunter leide. Ich bin halt noch munter und fidel. Dies-mal ist mir’s ja schwer gefallen. Es war ja auch ekelhaft! Was man anregte, war nur Dreck, was auf den Boden fiel, war dahin und ersoff im Dreck. es war wirklich ekelhaft ….“
Ja, „es mußte schon ein ganzer Haufen kommen“, bis er seelisch darunter litt – er hätte es nicht besser sagen können. Heimberger gehörte zu den Menschen, die keine Sentimentalität an sich herankommen lassen, die die tiefsten, weichsten und wärmsten Regungen ihres Gemüts unter der Hülle eines immer gleich temperierten liebenswür-digen Wesens zu verbergen wissen. So lernten ich seine Konfüxe schon im ersten Semester kennen. Wie oft hat er die grollende Wolke, die über einem gärenden „Fuxen-sumpfe“ lag, durch seine unerschütterliche, fast kindlich-harmlose Heiterkeit vertrieben. Sein starkes zeichnerisches Talent machte ihn zu einem unentbehrlichen Mitarbeiter am „Fuxendreck“ und bei der Herstellung der Kulissen für das Fastnachtstück. Keiner seiner Mitarbeiter wird vergessen können, wie stark bei diesen Anlässen der Antrieb zum Schaffen war, der von seiner erquickenden Munterkeit ausging. Unter dieser freundlichen Hülle aber, durch die wohl nur wenige bis in sein Inneres vordrangen, brannte ein heißer Wille, der mit stiller Hartnäckigkeit und beharrlichem Fleiß ein Ziel verfolgte, das er sich mit klarem Bewußtsein unverrückbar gesetzt hatte. Und doch verlor sich sein Blick nicht in die Ferne. Er war ein Tatsachenmensch, der in der Gegen-wart wirkte und jederzeit freudig entschlossen war, den Kampf mit den Widerwärtig-keiten des Tages aufzunehmen. Im Krieg war er Soldat, bestrebt, die Pflicht des Augen-blicks zu erfüllen. Über Kriegspolitik verlor er nur wenige Worte. Kein Zweifel erschüt-terte sein sicheres Gefühl eines guten Ausgangs. Diese goldene Hoffnung hat er mit sich ins Grab genommen – ein Trost für uns Lebende, wenn wir des lieben Toten in Wehmut gedenken.“


aus: „Gedenkbuch der Tübinger Normannia für ihre Gefallenen“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 19. Juli 2017

19. Juli 1917


Wilhelm Hummel
Geb. 08. 10. 97 in Horb, Sem. in Boppard a. Rh., rückte im Juli 1916 nach Tübingen ein, kam im Nov. ins Feld und lag in Stellung bei Arras und St. Quentin. In den Stellungskämpfen im Artois fiel er als U.-Offz. und Offz. Asp. der 5./180 bei Riencourt am 19. Juli 1917 durch Handgranate. Er ruht zu Sauchy-Lestrée.“

aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927


„So vergingen die Monate Juni und Juli ohne besondere Ereignisse, Hauptmann Steiner, der längere Zeit das I. und zuletzt das III. Batl. geführt hatte, schied aus dem Regiment aus infolge seiner Versetzung zur Fliegerschule Böblingen. Dagegen kehrte Hauptmann Guth – am 18. April 1917 zu diesem Dienstgrad befördert – nach Wiederherstellung von seiner schweren Erkrankung zum Regiment zurück und übernahm wieder die Geschäfte des Maschinengewehroffiziers vom Stabe, die Oberleutnant Dettling für ihn vertretungs-weise besorgt hatte.“

aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Dienstag, 18. Juli 2017

18. Juli 1917


„Am 18. Juli legte sich Gefreiter Nusser mit 5 Ulanen 200 m vor dem feindlichen Graben auf die Lauer, um eine englische Postenablösung für einen vorgeschobenen Posten abzufangen. Doch statt dieser kam eine ungefähr 40 Mann starke englische Patrouille auf die wartenden Ulanen zu. Diese, getreu dem Grundsatz: „Angriff ist die beste Verteidigung“, ließen sich nicht verblüffen, sie griffen den Gegner überraschend mit Handgranaten an und nahmen den Fliehenden einen Toten ab, der zurückgebracht wurde. Von unserer Patrouille hatten wir den Tod des Ulanen Rapp zu beklagen.“

aus: „Das Ulanen-Regiment „König Karl“ (1. Württ.) im Weltkrieg 1914-1918“ Stuttgart, 1927


Montag, 17. Juli 2017

17. Juli 1917


„Während bisher wenigstens noch die Nächte ruhig geblieben waren und man so in denselben doch die wichtigsten Grabenteile immer wieder in Stand zu setzen vermochte, hielt vom 15. auf 16. Juli das Feuer auch die Nacht hindurch an, so daß kaum mehr gearbeitet werden konnte. Als gar noch bekannt wurde, daß die Franzosen Gas ins Hintergelände schossen, da erwartete man bestimmt einen feindlichen Angriff auf den nächsten Morgen. Doch blieb dieser aus. Um so kräftiger setzte dafür die Beschießung ein, alles Bisherige übertreffend. Bis zum Abend waren die seither immer wieder hergestellte neue vorderste Linie und sämtliche Verbindungen zu ihr vollständig verschwunden. Ein Graben war nirgends mehr zu erkennen. In der alten 1. Linie war gleichfalls der Graben fast vollständig zerstört. Nur das rechte Drittel war einigermaßen erhalten. Noch drei Stollen waren benützbar. Selbst einzelne Leute, die sich durch Bewegung den in geringer Höhe kreisenden feindlichen Fliegern verrieten, wurden durch M.-G.-Feuer der Flieger und durch Feuerüberfälle der Artillerie bekämpft. Die Postenbesatzung der 6. Kompagnie in der neuen 1. Linie, die völlig schutzlos war, wich befehlsgemäß nach der alten vordersten Linie aus, da sie sich vorn unmöglich mehr halten konnte. Schneidige Patrouillen unter Vizefeldwebel Seitz und Unteroffizier Schad arbeiteten sich aber immer wieder trotz des tollen Feuers durch das Trichterfeld ungefähr die frühere Linie entlang durch und stellten fest, daß die feindliche Infanterie noch nicht vorgegangen war. Als mit Einbruch der Nacht das Feuer etwas nachließ, wurde hier eine durchlaufende Schützenkette in die Trichter gelegt. Auch begann man eine Trasse zu ziehen, um die Verbindung innerhalb der Schützenkette zu erleichtern. Fieberhaft wurde gearbeitet. Aber bald überzog sich der Himmel mit Wolken; Regen setzte ein; es wurde stockfinster. Bei dem Graben nach zwei verschütteten beliebten Kameraden, den Gefreiten Jucker und Werder, stieß ein Mann mit dem Pickel auf Handgranaten, die krepierten und einige Leute verwundeten. Endlich setzte auch seit 1 Uhr wieder stärkeres Artilleriefeuer ein. Da mußte man mit dem Arbeiten aufhören. Das Feuer schwoll immer toller an. Noch einmal überbot der Franzose gegen Tagesanbruch seine bisherigen Leistungen, die man schon für das Höchstmaß gehalten hatte. In der Gegend der neuen vorderen Linie konnte nichts mehr sich halten. In der Hauptsache war die 6. Kompagnie in den letzten drei Stollen auf dem rechten Flügel von Stuttgart IV zusammengedrängt.hier fand nun am 17. Juli im Morgengrauen um 5.30 Uhr die Ablösung durch die 12. Kompagnie des badischen Inf.-Regt. 112 mitten im wildesten Feuerwirbel statt. Die Anordnung der Ablösung durch dieses Regiment war schon am 15. Juli bekanntgegeben worden. In Erwartung französischer Großangriffe sollte die Front wieder dichter besetzt, die 2. Landwehr-Division auf ihren bis zum Frühjahr 1917 innegehabten Raum bis zur alten Stellung T beschränkt und zwischen ihr und der 10. Inf.-Division die badische 29. Inf.-Division eingeschoben werden. Nach dem Befehl der 2. Landw.-Division sollte in der Nacht vom 16./17. Juli das III. Bataillon L. 125 in den Bereitschaften und in der nächsten Nacht das II. Bataillon in der Stellung abgelöst werden. Die Badener lösten aber innerhalb des Regimentsabschnitts flügelweise ab, wodurch eine gewisse Verwirrung namentlich auch in den Befehlsverhältnissen eintrat. So wurden die beiden Kompagnien in Stuttgart III und IV, die 5. und 6./L. 125, schon in der Nacht vom 16./17. Juli abgelöst und außerdem noch die beiden Bereitschafts-kompagnien, 9. und 12./L. 125, im Höhenlager und im Greinereck; dagegen blieben die 8. und 7. Kompagnie in Stuttgart I und II und ebenso die 10. im Ruofflager, während die 11. Kompagnie als Bereitschaftskompagnie ins Schwabenlager kam. Die Ablösung in Stuttgart III vollzog sich ziemlich ordnungsmäßig; dagegen verzögert sich die in Stuttgart IV schon dadurch, daß die 12./112 durch den Kaisergraben nicht vorkam und daher über den Pfälzergraben und Stuttgart III ablösen mußte. So kam die Ablösung gerade in das tollste Feuer hinein und geschah dementsprechend vollkommen ungeord-net. Eine Übergabe der Stellung war nicht möglich. Der neue Kompagnieführer fand sich gar nicht zu dem ablösenden Leutnant Reusch I von der 6. Kompagnie durch. So blieben dieser und die Zugführer mit einigen Leuten in der Stellung, bis endlich um 7.30 Uhr das feindliche Feuer plötzlich vorverlegt wurde und der erlösende Ruf der Posten erscholl: „Sie kommen, sie kommen!“ Mit den jüngeren Kameraden des aktiven Regi-ments beteiligten sich die Offiziere der 6. Kompagnie und ihre paar Leute mit dem größten Eifer an der Abwehr des feindlichen Angriffs. Im Infanteriefeuer brach dieser verlustreich vor der alten 1. Linie vollkommen zusammen. Die Gegend der neuen 1. Linie hatte natürlich auch von der ablösenden Kompagnie in dem furchtbaren Feuer nicht mehr besetzt werden können. Das Trichterfeld blieb verloren und konnte auch schon deshalb gar nicht mehr in Besitz genommen werden, weil links, wo inzwischen das badische Inf.-Reg. 142 hätte ablösen sollen, der Gegner sehr weit vorgedrungen war, wie sich später herausstellte, bis in die Höhenstellung und teilweise darüber hinaus. 
Durch den französischen Angriff wurde das Herausziehen des Regiments aus der Front natürlich verzögert. Zunächst wußte man nicht, wie weit der Gegner tatsächlich links vorgekommen war, da man von den dortigen Befehlsstellen keine klare Auskunft erhalten konnte. Diese selbst wußten nicht, wo die vordere Linie in ihrem Abschnitt verlief. Daher mußte man besonders für den Schutz der linken Flanke sorgen. Auch war mit neuen Vorstößen des Gegners in der Front, nämlich in Stuttgart IV, zu rechnen. So wurden zunächst die 10. und die 11. Kompagnie vom Ruofflager und vom Schwaben-lager nach dem Höhenlager vorgezogen, wobei sie durch das Artilleriefeuer, das auf allen Gräben lag, manche Verluste erlitten. Dann wurde das Ruhebataillon I./L. 125 in die Stellung vorgezogen, zwei Züge der 2. Kompagnie kamen in die 2. Stellung von Stuttgart I und II, der Rest derselben und die 1. Kompagnie ins Ruofflager, die 3. ins Schwabenlager und die 4. ins Bayerndorf. Außerdem wurde die 3./L. 122 vom Nachbar-regiment zur Verfügung gestellt und als Sicherheitsbesatzung in das Müllerlager gelegt. Endlich wurden auch die eben in das Ruhequartier zurückgekehrten je zwei Kompag-nien des II. und III. Bataillons alarmiert und zum Abmarsch in die Stellung bereitge-stellt; sie wurden dann  aber nicht mehr vorgeholt.
Zu Beginn des Nachmittags wurde von der Division ein Gegenstoß befohlen, der teils Neu-Stuttgart IV zurückgewinnen, teils einen Gegenangriff der beiden linken Nachbar-divisionen von der Flanke aus unterstützen sollte. Zu diesem Zweck wurde ein ge-mischtes Bataillon, bestehend aus zwei Kompagnien vom Regiment 112 und der 10. und der 11./L. 125 unter Hauptmann Brill bereitgestellt. Die beiden Kompagnien vom Regiment 112 sollten vom Höhenlager und Alt-Stuttgart IV aus in südöstlicher Richtung angesetzt werden, die zwei Kompagnien L. 125 als Reserven folgen. Zunächst mußte nun vor allem der Verlauf der feindlichen Linie festgestellt werden. Diese Erkundung führte der unerschrockene Leutnant Bopp von der 2. M.-G.-K. aus, wobei er sich eine nicht ungefährliche Kopfwunde holte. Er stellte fest, daß die vorderste eigene Linie in Stuttgart IV bis zum früheren Stollen 7 – an der einspringenden Ecke östlich der Schneise Mittelgeräumt – der alten 1. Linie folgte, und von da etwa den Trümmern des Königsgrabens entlang zurückbog, bis zur östlichen Fortsetzung der Höhenstellung, wo ein M.-G.-Nest des Inf.-Regt. 142 gefunden wurde. Am Nachmittag und Abend lag starkes deutsches Vorbereitungsfeuer auf der neuen feindlichen Stellung, das vom Gegner gleichfalls recht kräftig auf die deutschen Infanteriestellungen heimgezahlt wurde. Obwohl der Angriff der Nachbardivision nun um ¾ Stunden verschoben wurde, setzte das Sturmbataillon Brill auf Befehl der Division zur ursprünglich vorgesehenen Zeit um 9.30 Uhr abends mit seinem Angriff ein. Aber das feindliche Artillerie- und M.-G.-Feuer hielt den Vorstoß auf. Die von der Höhenstellung aus angesetzte Kompagnie des Regiments 112 kam überhaupt nicht vorwärts und die von Stuttgart IV ausgehende brachte zwar aus dem Gelände zwischen alter und neuer 1. Linie einige Gefangene vom französischen Inf.-Regt. 335 ein; aber ihre Meldung, daß sie diese neue Linie – d. h. die Gegend wo sie früher verlief – erreicht habe, erwies sich als falsch, wie Leutnant Dongus (7./L. 125) in der Frühe des nächsten Morgens, des 18. Juli, durch eine kühne Patrouille feststellte.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 125 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1926


Sonntag, 16. Juli 2017

16. Juli 1917


„Die Stellung wird immer besser ausgebaut, sie wird immer stärker und widerstands-fähiger. Immer mehr wirkt sich der von der obersten Heeresleitung kommende neue Geist aus. Hat man früher nicht genug Leute in den vordersten Graben stecken können, so wird dies unter dem Eindruck des Trommelfeuers nun ganz anders. Die Abwehrkräfte werden jetzt recht tief gegliedert, überall im Zwischengelände, an Punkten mit gutem Schußfeld werden gut versteckte Maschinengewehrnester angelegt, im vordersten Graben werden nur noch ganz schwache Kräfte gelassen. Es bietet sich so am ehesten Aussicht, die Verluste durch das feindliche Vorbereitungsfeuer auf ein Mindestmaß zu beschränken, und trotzdem oder noch eher den feindlichen Angriff zum Stillstand zu bringen. Der erste Graben geht bei einem Großangriff in der Regel sowieso verloren, das ist auch nicht weiter schlimm. Schlimm und unnötig dagegen sind die großen Ver-luste, die das Trommelfeuer im vordersten Graben, der ja doch ziemlich bald eingeebnet ist, fordert, höchst unnötig sind sie, denn sie nützen gar nichts. In dem Augenblick, wo man die Leute braucht, sind sie doch nicht mehr da, sind sie aufgerieben. So muß die seitherige Starrheit der Abwehrschlacht einer gewissen Beweglichkeit Platz machen.
In den Gräben ist es bei dem jetzt allmählich warmen, trockenen Wetter sehr angenehm. Mit Behagen läßt man sich von der Sonne bescheinen. Bei Neu-Essen ist ein Bach gestaut, die dort liegenden Kompagnien können sich so an einem Freibad erfrischen. In Sargdeckeln werden dabei Kahnfahrten gemacht. Die Stimmung ist glänzend. Nur ein Schatten ist vorhanden: Der Winter 1916/17 ist als Kohlrübenwinter bekannt. Werden die Köche auch noch so sehr instruiert: Rüben bleiben eben Rüben. „Ulanenhäcksel oder Drahtverhau“, „Drahtverhau oder Ulanenhäcksel“ und „Blauer Heinrich“ werden zum täglichen Essen, auf dem man vergebens nach Fettaugen sucht. Wenn wenigstens die Brotrationen größer wären! Viel Kreide gibt’s und wenig Brot!
Vor dem Feinde sind dauernd Patrouillen. Es gelingt ihnen aber mit dem besten Willen nicht, einen Gefangenen einzubringen, trotzdem sie manchmal bis zum 3. und 4. feind-lichen Graben vordringen. Der Franzose hat seine vordersten Gräben verlassen und sie ganz unheimlich verdrahtet. Es stehen nur noch einige Sappenposten vorn, die durch ein derart dichtes und tiefes Drahthindernis gesichert sind, daß man einfach nicht unbemerkt beikommen kann. Jedes Granatloch ist mit Schnelldraht gefüllt, im ganzen Zwischen-gelände, zwischen den einzelnen feindlichen Gräben ist Draht, Draht und wieder Draht. Ein mühseliges Beginnen, sich da durchzuarbeiten. Langsam, mühselig, unter Beach-tung der größten Vorsicht, um ja kein Geräusch zu machen, pirscht man sich heran, frißt man sich mit der Drahtschere durch diese verfluchten Hindernisse. Die Geduld darf man dabei nicht verlieren, auch nicht die Nerven. Plötzlich von allen Seiten eine gemeine Knallerei, Gewehrgranaten krachen! Und jetzt kannst einpacken, der Franzose hat etwas bemerkt. Wie ein geölter Blitz fährt man in das nächste Granatloch und hängt schon wieder in diesem ekligen Stacheldraht, den man nun erst recht verwünscht. Hose und Rock gehen in Fetzen, von den Händen und vom Gesicht läuft das Blut.
Im allgemeinen ist die Stellung ruhig. Ab und zu legt allerdings der Franzose auf ein-zelne Abschnitte Granat- und Minenfeuer, die Antwort bleiben wir ihm nicht schuldig.“

aus: „Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“, Stuttgart 1932

Samstag, 15. Juli 2017

15. Juli 1917


„Am 15. Juli morgens ½1 Uhr setzte heftiges Vorbereitungsfeuer auf den Regiments-abschnitt ein. Eine der ersten schweren Granaten traf den einzigen Unterstand der 5. Komp. an der Straße Bullecourt – Hendecourt, entzündete die aufgestapelte Leuchtmu-nition und setzte den Unterstand in Brand, so daß die Besatzung teils verbrannte, teils verwundet wurde und zwei leichte Maschinengewehre ohne Bedienung verschüttet wurden. Die anschließende Trichterbesatzung sah bald darauf im flackernden Schein der zahlreichen Leuchtkugeln dichte Engländerhaufen vom Holzstoß bei Bullecourt her die Straße entlang vorbrechen. Westlich des Weges hielt die 5. Komp. den Angriff zunächst auf. Die überraschten Feinde vergaßen sogar, ihre Handgranaten vor dem Werfen zu entsichern. Östlich der Straße aber vermochten sie in das Trichterfeld einzudringen, die durch das Artilleriefeuer außer Gefecht gesetzte Besatzung zu überwältigen und nieder-zumachen. Unterdessen griff Leutnant d. Res. Kopf mit seiner kleinen Schar die im Trichter liegenden Engländer westlich der Straße so heftig mit Handgranaten an, daß sie bald gruppenweise unter schweren Verlusten durch das prompt und gut einsetzende Sperrfeuer zurückgingen und Gewehre und Sprengkasten zurückließen. Aber der kurze Kampf kostete die Kompagnie 9 Tote und 20 Verwundete und kein Bericht meldete die Not und Tapferkeit der Braven, die im Schlamm ihrer Löcher und im Eisengewitter des Feuerüberfalls ausgeharrt hatten.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920


Freitag, 14. Juli 2017

14. Juli 1917



„So war der 14. Juli, der Tag vor, „Rs“ herangekommen. Jeden Abend und jede Nacht hindurch hatte derer Gegner unsere Gegend abgestreut, nun holte er zum Schlage gegen die Batterie aus.
Um 7. 40 Uhr früh richtete der Franzose das Feuer einer 15-cm.Batterie gegen unsere Stellung, während mehrere Flieger über der Stellung kreisten und das anfänglich etwas weitliegende Feuer rasch korrigierten. Nach den ersten Gruppen verließen dies Bedienungen die Stollen, deren Eingänge diesem Kaliber, vollends mit Verzögerung, nicht standhielten, und gingen in der nahe gelegenen Stellung einer schweren Batterie in Deckung. Die Bedienungen waren in Sicherheit. Doch waren außer den Geschützen und sonstigem wertvollen Material noch 4500 Schuß – drunter überwiegend Blau-, Grün- und Gelbkreuz – in Stellung. Bis 12.45 Uhr feuerte der Gegner mit über 400 Schuß, alle dicht um die Geschütze. Der Schaden war groß, die ganze Stellung ein wüstes Trichterfeld. Der rechte Zug war am meisten bedacht. Der linke Zug, der sonst am meisten Feuer bekam, war wohl gründlich beschossen, sonderbarerweise aber nur die Geschützstände leicht beschädigt. Das eine Geschütz des rechten Zuges war durch Volltreffer hinter dem linken Rad zerstört und ganz unbrauchbar, die dort gelagerte Munition verschüttet und durch Splitter zerfetzt. die Geschützstände in sich zusammengefallen und die Stolleneingänge verschüttet. Karabiner, Pistolen, Stahlhelme lagen zerstört umher und Geschützteile hatte der Luftdruck in die Palisadenwand gedrückt. Ähnlich sah es auch am nächsten Geschütz aus, wo zwei Treffer in den Geschützstand gegangen waren und die Sperrfeuermunition in Brand gesetzt hatten und wo von Zeit zu Zeit kleinere Explosionen stattfanden. Der übrige Teil der Munition war ebenfalls verschüttet und sämtliche Richtmittel zertrümmert. Hinter der Batterie waren mehrere Munitionsstapel Brisanzmunition verschüttet, doch konnte sie später wieder geborgen werden. Von der Gasmunition wurden glücklicherweise nur 50 Schuß Gelbkreuz durch Splitterwirkung unbrauchbar und 45 Schuß Blaukreuz verschüttet.“

aus: „Das Württembergische Landwehr-Feld-Art.-Regiment Nr. 1 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922


Donnerstag, 13. Juli 2017

13. Juli 1917


„Die Nachrichten aus der Heimat wurden niederdrückend. Front und Heimat waren nicht mehr eins. Das Los der „Unabkömmlichen“ und der anderen zu Hause stach zu schroff von dem des Frontsoldaten ab, als daß dieser nicht auf bittere Vergleiche gekommen wäre. Und die Beurlaubung wurde immer schlechter, der dauerhaften Urlaubssperren, unserer geringen Zahl und der Reisetage wegen, die von Rußland aus verloren gingen; zehn bis zwölf Monate stand es an, ehe man wieder einmal den „Muz“ (Militärurlauberzug) besteigen und auf 21 Tage heim durfte und fünf gingen davon für die Reise drauf. Ernährungsschwierigkeiten faßten zudem die Truppe; die Portionen mußten zu oft und zu scharf herabgesetzt werden und aus Wolhynien und seinem Hinterland, die selbst Mangel litten, war nichts Eßbares aufzubringen. Zum erstenmal lernten wir die Knappheit ernstlich kennen. Von Sauerampfer-salat, Brennesselgemüse und Kräutertee wurde man nicht fett. Eicheln, mit denen wir von unserem Revier im Herbst überschüttet wurden, konnte man nicht kochen; wir sammelten sie jedoch für die Etappe zur Viehmast. Der vom Feldlazarett veranstaltete Lehrkurs für die Truppenköche über die „ergiebigste und schmackhafteste Zubereitung der Feldkost“ vervollkommnete sie zu Meistern ihres Fachs, aber die Portionen wurden dadurch auch nicht größer. Die Truppenhunde verschwanden. Im Winter beherrschte die Kohlrübe den Speisezettel; der Frost hatte die Kartoffelzufuhr abgeschnitten und was eintraf, war erfroren; trotz des Merkblatts des Feldintendanten war die Meinung nicht, daß „die erfrorene Kartoffel bei Beachtung der vorgeschriebenen Vorbehandlung nicht nur ihren Nähr-wert, sondern auch ihren Wohlgeschmack voll wiedererlangt.“
Die Kräfte gingen zurück, die Reserven des Körpers waren aufgezehrt und man bot nachgerade den Anblick eines zwar noch strammen, aber ziemlich hohlwangigen, von der Uniform verschlotterten Gerüstes; selbst die wenigen unbekehrbar Dicken fielen nun vom Fleisch. Vielleicht hatte auch diese Enthaltsamkeit ihr Gutes; vergnügter machte sie nicht.

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925


Mittwoch, 12. Juli 2017

12. Juli 1917


Richard Wagner
U.-OFFZ. D. L. 7./FELDREKR. DEP. 54. R. D.                                                               12. Juli 1917
Geb. 1. 12. 81 in Deggingen, Sem. Gmünd 1900, Einj. bei Gren. 123 in Ulm, 1900/01, U.-Lehrer in Schechingen, Dirgenheim, Weldingsfelden, seit 1906 Hauptlehrer in Nenningen, verheiratet (drei Kinder), rückte am 4. August 1914 ein und stand 1½ Jahre bei Landw. 123 in den Vogesen an der Front. Ende Dez. 1915 kam er wegen Blinddarm-entzündung ins Laz. nach Mühlhausen. Nach seiner Gesundung wurde er zum Feldrekr.-Depot der 54. Res.Div. versetzt. Dort starb er an Typhus. „Keine Klage kam in seinen schweren Leidenstagen über seine Lippen. Sanft und ruhig war sein Ende.“ Er ruht in Leffincourt bei Machault, Champagne, E. Grab 104. Wagner war ein eifriger Lehrer und Erzieher von tiefreligiösem Gemüt, ein braver, ruhiger Mann von musterhafter Lebens-führung.“

aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927


Dienstag, 11. Juli 2017

11. Juli 1917


„Im Mai 1917 fand das Bataillon von neuem Frontverwendung in den Mittelvogesen im Moussey-Abschnitt, auf Höhe 835 und am Husarenberg. Während das Bataillon hier in Stellung lag, erhielt es 2 M. G.-Kompagnien (1. M. G.-Komp. Hauptmann Lenz, 2. M. G.-Komp. Lt. Grimm und Buhl, M. G.-Offizier Hauptmann Wall). Der Frontabschnitt, zu dem auch das Landsturm-Bataillon Rastatt gehörte, unterstand dem Kommandeur des Eßlinger Bataillons. Die Verluste der Eßlinger in dieser Stellungsperiode waren glük-klicherweise gering. Der Brennpunkt der Kämpfe lag ja damals weitab von der Voge-senfront. Von manchem Eßlinger ist die vorgeschobene „Feste Bleibtreu“, „Schlan-genburg“, „Eidechsenburg“, „Meißner“ und die eine oder andere Patrouille im dortigen ausgedehnten Waldgebiet noch nicht vergessen. Nicht wenige Patrouillen waren es, die damals ausgeführt wurden. Am 20. Juni fiel der Landsturmmann Hensler (2. Komp.) auf Patrouille, seine Leiche wurde trotz der Nähe des Feindes und des schwierigen Geländes in aufopfernder Weise vom Gefreiten Kirchner und Landsturmmann Kolb geborgen. Einer Patrouille unter Offizierstellvertreter Strauß gelang es, bis in den dritten feindli-chen Graben vorzustoßen und mit wichtigen Ergebnissen zurückzukehren. Leider fand dabei ein Mann durch Berühren eines elektrisch geladenen Drahthindernisses den Tod..“

aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929


Montag, 10. Juli 2017

10. Juli 1917


„Zeitweise fiel kein Schuß am Tage. Unheimliche Ruhe! Und dann wieder ein Segen von Granaten und Minen auf einzelne Kompagnieabschnitte, ohne daß irgend eine Unternehmung folgte. Auch von unserer Seite aus wurde wenig geschossen. Als aber schließlich die Minen-Schießerei überhand nahm, wurde es zu dumm und wir bereiteten ein großes Vergeltungsschießen mit mehreren Hunderten von schweren und mittleren Minen, an dem sich auch die Artillerie beteiligen wollte, vor. Allnächtlich mußte ein Teil der Kompagnien Minen für diesen Zweck nach vorne tragen. Leider kam es nicht zur Ausführung, weil wir abgelöst wurden.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924


Sonntag, 9. Juli 2017

9. Juli 1917


„Anfangs Juli war der Gegner etwas lebhafter als seither, auch unsere Batterien führten wiederholt größere Zerstörungsschießen gegen feindliche Neuanlagen aus. Am 9. Juli beschoß der Gegner die 6./49 sehr stark, wobei bei zwei Volltreffern auf einen Geschützeinschnitt zwei Mann schwer, darunter Kanonier Welte tödlich verwundet wurden; die einzigen Verluste des Regiments an dieser Kampffront.“



aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922


Samstag, 8. Juli 2017

8. Juli 1917


„Erst Ende Juni lebte die Gefechtstätigkeit auf. Die bisherige verhältnismäßige Ruhe hatte die beiden Gegner in ihrem Verhalten etwas leichtsinnig werden lassen. So beweg-ten sich die Ordonnanzen nur noch wenig in der Deckung der Gräben, sondern gingen im offenen Gelände. Hinter Reims war ständig, auch bei Tage, ein lebhafter Auto- und Zugverkehr zu beobachten. Da brachten es Minenwerfer und Artillerie schnell dazu, daß alles wieder mit größter Vorsicht geschah.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921


Freitag, 7. Juli 2017

7. Juli 1917


„Die zweite Hälfte des Jahres 1917 brachte eine Steigerung des Ringens, wie es die Welt in diesem Kriege noch nie erlebt hatte. Es handelte sich um die Entscheidung. Lloyd George wollte sie mit allen Mitteln erzwingen. So setzte Ende Juli die gewaltige Flandernschlacht ein, der Kampf um die Unterseebootsbasis gegen den Kanal. Der Einsatz der Entente an Menschen, an Artillerie und Munitionsmassen war beispiellos. Die Furchtbarkeit des Kampfes übertraf die Hölle von Verdun noch um ein beträcht-liches. Dazu kam am 20. und 21. August der ernste Angriff der nach der Frühjahrs-niederlage neu organisierten französischen Armee bei Verdun.
Es war eine Belastung der Westfront, wie sie furchtbarer und schwerer nicht gedacht werden konnte. Die Angriffe kosteten viel Blut, viel Einbuße an Menschen und Material. Und doch konnte die Oberste Heeresleitung von den andern Fronten keine Verstärkung senden; war doch der Riese Rußland noch nicht endgültig geschlagen und lastete der Druck der Italiener schwer auf der Isonzofront (Ende August 1917 die 11. Isonzoschlacht!). Ja, die Oberste Heeresleitung entschloß sich sogar, im Nordosten den Dünaübergang zu wagen, die Inseln Ösel, Moon und Dagö zu nehmen, und so dem russischen Koloß die letzten schweren Streiche zu versetzen. Dazu trat die Notwen-digkeit, die erschöpfte österreichisch-ungarische Armee zu stützen und ihr durch sechs deutsche Stoßdivisionen eine Angriffstruppe zu geben, die in herrlichem Siegeslauf den treulosen Bundesgenossen bis an die Piave zurückwerfen sollte.
So blieb der Westfront nichts anderes übrig, als in der zweiten Hälfte des Jahres 1917 in furchtbarer Entsagung sich auf sich selbst zu stellen und dem feindlichen Massenorkan standzuhalten. Sie hat die Aufgabe glänzend gelöst. An den Brennpunkten wurde der letzte Mann und das letzte Geschütz eingesetzt, an den anderen Frontstrecken die vordere Linie bis aufs äußerste Maß geschwächt. Zu den Nebenkriegsschauplätzen gehörte auch die Vogesen- und Sundgaufront in diesen Monaten. Das Landw.-Inf.-Reg. 123 hatte zur Aufgabe, die „Abwehr des Feindes mit den denkbar geringsten Mitteln und Sicherung der Front“. Mit jedem Artillerie- und Maschinengewehrschuß mußte gespart werden, zugunsten der in Flandern und bei Verdun schwer ringenden Divisi-onen. So war die Art der Kämpfe von Juli bis November 1917 eine vorwiegend infante-ristische; es fanden hauptsächlich Patrouillenkämpfe statt.“

aus: „Württembergisches Landw.-Inf.-Regiment Nr. 123 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922