„Arthur Heimberger.
Arthur Heimberger
wurde am 9. April 1893 in Stuttgart als Sohn des öffentlichen Notars Heimberger
geboren. Nachdem er im Jahre 1911 die Reifeprüfung am Eberhard
Lud-wigs-Gymnasium abgelegt hatte, bezog er die Universität Tübingen, um
Rechtswis-senschaft zu studieren. Am 21. Oktober trat er in die Verbindung ein.
Er studierte zunächst vier Semester in Tübingen, um im Herbst 1913 sich nach
Leipzig zu begeben, wo er bis zum Ausbruch des Krieges sich aufgehalten hat.
Wegen eines Magenleidens, das ihn schon am Ende seines zweiten Semesters
befallen hatte, wurde er bei seiner Meldung als Kriegsfreiwilliger
zurückgewiesen. Er wandte sich daraufhin nach Tübin-gen, um dort seine Studien
fortzusetzen. Die Verbindung wählte ihn zum Fuxmajor für die ersten
„Kriegs“füxe, einem Amt, dem er sich mit fröhlichem Eifer hingab, wodurch er
einen frischen Zug in die kleine, von einer elegischen Stimmung angehauchte
Schar der damals in Tübingen weilenden kriegsuntüchtigen Normannen gebracht
hat. Bei einer im Januar vorgenommenen Musterung für „k. v.“ erklärt, trat er
freiwillig im Februar 1915 beim Ers.-Batl. 119 ein. Am 31. Mai kam er zum
ersten Mal ins Feld, und zwar zum aktiven Gr.-Rgt. 119, welches damals im Osten
stand. Am dritten Tage der damals einsetzenden großen Offensive gegen die
Russen wurde er bei Prashnitz an der linken Hand verwundet, lag hierauf einige
Wochen im Reserve-Lazarett zu Templin in der Uckermark und kehrte von dort im
September nach Stuttgart zum Ersatzbataillon seines Regiments zurück. Zum
zweiten Mal ging es mit Beginn des Jahres 1916 ins Feld, und zwar nach
Flandern. Von dort wurde er im März in die Heimat beurlaubt zur Vorbereitung
auf sein erstes Examen, das er im Mai mit guter Note bestand. In den schweren
Kämpfen an der Somme erwarb er sich das E. K. II; auch erfolgte in dieser Zeit
seine Beförderung zum Unteroffizier. I Januar 1917 wurde er zu einem
Offiziers-aspirantenkurs nach Münsterlager befohlen. Gegen Pfingsten kehrte er
von dort als Vizefeldwebel nach Stuttgart zurück. Aber schon am Pfingstdienstag
mußte er die Seinigen wieder verlassen. Es ist sein letzter Abschied gewesen.
Er traf sein Regiment an der Scarpe und tat noch sechs Wochen als Zugführer in
seiner alten ersten Kompag-nie Dienste. Am 20. Juli 1917 erhielt er bei einem
nächtlichen Rundgang als Wachhabender bei Roeux an der Scarpe einen Schuß in
den Kopf, an dessen Folgen er, ohne die Besinnung wieder erlangt zu haben, bald
darauf starb. Er wurde zunächst bei Noyelles sous Bellone bestattet und dann
nach seiner Überführung in die Heimat am 22. November 1917 auf dem
Waldfriedhof in Stuttgart zur letzten
Ruhe gebettet. Ein rascher, schöner Tod ist ihm beschieden gewesen, der Mühsale
und Leiden des Krieges bis zur Neige gekostet hat, ohne seinen erfrischenden,
arglosen Frohsinn einzubüßen. Jede Stelle in seinen Briefen ist durchleuchtet
von dieser Heiterkeit seines Gemüts. Nach seiner Verwundung bei Prashnitz
schreibt er u. a.:
„….Wir hatten die
Nacht in einem Sumpfe zugebracht, in dickem, nassem Nebel, müde von den zwei
Gefechten, dem Marsch und dem Grabenausheben. Ein blinder Alarm hatte uns um
die Möglichkeit, zu schlafen, gebracht. So lag die stolze 1./119 halt so
halbschlafend im Grase herum, alles fror, denn die brennenden Dörfer gaben zwar
schöne Flammen, aber waren zu weit weg, als daß sie hätten wärmen können. 4 Uhr
45 ging’s ab durch die nassen Wiesen und Kornfelder, durch Sumpf und Dreck in
den nebligen Morgen hinein. Den ganzen Tag regnete es, den ganzen Tag tippelten
wir in gleichmäßigem Trott immer weiter, bepackt wie ein Lastesel mit viel
Proviant, Patro-nen, zwei Spaten, 1 Beilpickel und all dem Sauzeug, das der
Infanterist schleppen muß. Um 10 Uhr war Schluß, es goß richtig, so legten wir
uns ins Gras und schliefen bis 1 Uhr, dann ging’s weiter auf Erkundung, die gut
ausfiel, trotz unnötiger Schießerei von Seiten der Russen. Sie ergab folgendes:
Vor uns liegen die Russen im Walde in einer vorbereiteten Stellung, durch
dichtes Drahtverhau geschützt, die Stellung gegen Sicht gedeckt, von der
Artillerie schwer zu erfassen. Wir gingen zur Kolonne zurück. Um 10 Uhr begann
der Sturm, nach kurzer, unwirksamer Artillerievorbereitung. Entfernung 900/800
m, Gelände ansteigend, Kornfelder. Und die russischen Maschinengewehre
klucksten, die Schrapnells platzten, immer vier auf einmal usw. usw. Das übrige kannst Du ja in
allen Feldpostbriefen lesen … Mir kam die Sache noch verhältnismäßig harmlos
vor, ich bin halt weitergesaut wie die andern auch. Und auf einmal hatte ich
eine. Da hab‘ ich aber den Bogen geschwungen. Erst wollte ich noch weiter mitmachen,
aber die Pfote tat so jämmerlich weh und der Knochen stand so unbegreiflich ins
Gelände hinaus, daß ich allmählich bedenklich wurde. Und so bin ich halt zum
Verband-platz, ließ mich von Staehle Normanniae verbinden, weiter hinten von
Neeff Norman-niae trösten. entbot den Russen von Herzen den schwäbischen Gruß …
und fuhr Deutschland zu ….“
Von den bösen
Tagen im grundlosen Trichtergelände der Somme erzählt er in einem an seine
Angehörigen gerichteten Brief u. a.:
„… Und nun denkt
Euch: vier Nächte und drei Tage hingen wir vorn. Verkehr mit hinten bloß bei
Nacht. Täglich Regen oder nasser Schnee. Kein Unterstand! Und doch hab‘ ich die
Sache verhältnismäßig sehr gut überstanden. Es tut mir ja alles weh und meine
Füße sind von dem ewigen Wasser geschwollen und runzelig wie ein
Wäscherinnenhand, Schrunden an den Händen usw. Aber sonst fehlt mir rein gar
nichts. Wie ich’s gemacht habe? Die erste Nacht habe ich durchgeschafft, und
bis der Tag kam, hatten wir eine Zigarrenkiste in der Wand, in der zwar niemand
Platz hatte, aber drei Mann konnten doch drin schlafen. Mit dem Schaffen Hab
ich’s auch weiterhin so gehalten. Wenn’s mich frieren wollte, hab‘ ich halt ein
bißle geschafft. Und im übrigen hab‘ ich halt so ane gelebt. Ich bin nun schon
so ein Kerl, daß schon ein ganzer Haufen kommen kann, bis ich seelisch darunter
leide. Ich bin halt noch munter und fidel. Dies-mal ist mir’s ja schwer
gefallen. Es war ja auch ekelhaft! Was man anregte, war nur Dreck, was auf den
Boden fiel, war dahin und ersoff im Dreck. es war wirklich ekelhaft ….“
Ja, „es mußte
schon ein ganzer Haufen kommen“, bis er seelisch darunter litt – er hätte es
nicht besser sagen können. Heimberger gehörte zu den Menschen, die keine
Sentimentalität an sich herankommen lassen, die die tiefsten, weichsten und
wärmsten Regungen ihres Gemüts unter der Hülle eines immer gleich temperierten
liebenswür-digen Wesens zu verbergen wissen. So lernten ich seine Konfüxe schon
im ersten Semester kennen. Wie oft hat er die grollende Wolke, die über einem
gärenden „Fuxen-sumpfe“ lag, durch seine unerschütterliche, fast
kindlich-harmlose Heiterkeit vertrieben. Sein starkes zeichnerisches Talent
machte ihn zu einem unentbehrlichen Mitarbeiter am „Fuxendreck“ und bei der
Herstellung der Kulissen für das Fastnachtstück. Keiner seiner Mitarbeiter wird
vergessen können, wie stark bei diesen Anlässen der Antrieb zum Schaffen war,
der von seiner erquickenden Munterkeit ausging. Unter dieser freundlichen Hülle
aber, durch die wohl nur wenige bis in sein Inneres vordrangen, brannte ein
heißer Wille, der mit stiller Hartnäckigkeit und beharrlichem Fleiß ein Ziel
verfolgte, das er sich mit klarem Bewußtsein unverrückbar gesetzt hatte. Und
doch verlor sich sein Blick nicht in die Ferne. Er war ein Tatsachenmensch, der
in der Gegen-wart wirkte und jederzeit freudig entschlossen war, den Kampf mit
den Widerwärtig-keiten des Tages aufzunehmen. Im Krieg war er Soldat, bestrebt,
die Pflicht des Augen-blicks zu erfüllen. Über Kriegspolitik verlor er nur
wenige Worte. Kein Zweifel erschüt-terte sein sicheres Gefühl eines guten
Ausgangs. Diese goldene Hoffnung hat er mit sich ins Grab genommen – ein Trost
für uns Lebende, wenn wir des lieben Toten in Wehmut gedenken.“
aus:
„Gedenkbuch der Tübinger Normannia für ihre Gefallenen“, Stuttgart 1921