Samstag, 31. Januar 2015

31. Januar 1915


„Für den 31. Januar war den rechts der 26. Inf.-Division befindlichen Armeekorps (I. Reservekorps, XIII. Armeekorps) Angriff befohlen. Das XIII. Armeekorps hatte den Angriff des XVII. zunächst durch Feuer und geeignete Täuschungsmaßnahmen zu unterstützen und, sobald der Wald von Borzymow von den Deutschen genommen, war, selbst anzugreifen. Das Regiment setzte seine Verstärkungsarbeit in vorderer Schützenstellung fort und trieb Sappen vor; im übrigen waren die Bataillone und Maschinengewehre jederzeit bereit zum Vorbrechen. Man war gespannt und hoffte, daß es nun wieder vorwärts ginge. Um 8.30 Uhr begann die artilleristische Vorbereitung für den Angriff auf den Wald von Borzymow. Vor der Front des Regiments verhält sich der Feind ruhig. Gegen Abend kam die Nachricht, daß das I. Reservekorps Gelände gewonnen habe, der Gegner jedoch starke Reserven im Wald von Borzymow zusammenziehe. Die Aufgabe für das Regiment blieb zunächst weiter bestehen. Wir hofften nun auf den 1. Februar; doch die Lage änderte sich nicht für uns. Die russische schwere Artillerie beschoß lebhaft unsere Anmarschstraßen, ohne jedoch viel Schaden anzurichten. Am 1. Februar abends wurde das Regiment dann abgelöst und bezog Ortsunterkunft in Gongolin, Dembsk und Karolina.“

aus: „Das Grenadier-Regiment Königin Olga (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Freitag, 30. Januar 2015

30. Januar 1915


„Der Angriff sollte beim II./124 beginnen (29. Januar 1915). Hier war die feindliche Stellung erkannt, und die Sappen 1–3 konnten bis nahe an die französische Linie vorgetrieben werden. Die Sappe 3 hatte der Gegner bereits erkannt und seinerseits begonnen, eine Gegensappe vorzutreiben. An dieser Stelle sollte die Sprengung erfolgen. Trotz täglich erbitterter Handgranatenkämpfe gelang es, unter aufopfernder Tätigkeit der Pioniere 29 und helfenden Infanterie, die Vorbereitungen fertig zu stellen. Das Ziel des Angriffs war, die vorliegenden Stellungen zu nehmen und eine Linie zu gewinnen, die es ermöglichte, die weiter südlich liegende breite Mulde – das Dieusson-Tal – unter Feuer nehmen zu können.

3 Schuß des mittleren Minenwerfers vor dem rechten Flügel des II./124 sollte den Beginn des Angriffs anzeigen, darauf die Sprengung erfolgen und die Sturmtrupps nach vorwärts, rechts und links vorstürzen. Das Vorbrechen des III. Bataillons war so gedacht, daß in allen Sappen dieses Bataillons Sturmtrupps bereit standen, die auf Leuchtsignal vorzubrechen hatten, sobald das II./124 dadurch anzeigte, daß es die feindliche Stellung bis zu diesem Punkt aufgerollt hatte. I./124 sollte am rechten und linken Flügel von seinen Sappen aus die feindliche Stellung erreichen und sie aufrollen. Die Batterie leichte Feld-Haubitzen Hoffmann hatten den Angriff des II./124 zu begleiten. Die andere Artillerie stand zur Bekämpfung des Hintergeländes bereit.

Am Angriffstag, 7.15 Uhr vormittags, stand II./124 vorn rechts mit 6., links 5., dahinter 8., weiter zurück im Tal mit 7. Kompagnie angriffsfertig. III./124 hatte die Sturmtrupps aus Sappe 1–3 der 10./124, aus Sappe 4–5 der 9./124 zugeteilt, 11. und 12. Kompagnie standen in Reserve. I/124 hatte rechts 1./124, links 4./124, dahinter 2./124 eingesetzt. 3./124 war Reserve beim Regimentsgefechtsstand am Wilhelmsplatz.

Von 7.22–7.28 Uhr fielen die drei Schuß des mittleren Minenwerfers. 7.30 Uhr vormittags erfolgte die Sprengung bei Sappe 3. In einem Augenblick war rechts Sturmtrupp Bitterwolf, 6./124, über freies Gelände vorgestürzt und hatte den französischen Graben genommen, ebenso schnell an der Sprengstelle Sturmtrupp 1 der 5. Kompagnie. Während dieser nach links im feindlichen Graben vordrückte, fand Bitterwolf Anschluß an Inf.-Regt. 120. Schneller, als es sich beschreiben läßt, hatten alle Sturmtrupps die eigene Stellung verlassen, in die 8./124 nachrückte. Die Batterie Hoffmann unter persönlicher Leitung ihres Führers, der den Sturmtrupps mit seinen Telephonisten folgte, ebnete dem Bataillon in vorbildlicher Weise den Weg.

Ganz kurze Zeit nach der Sprengung erhielten die Sturmtrupps des III./124 ihre Leuchtzeichen zum Vorgehen, dieses glückte überall. Die 10./124 hatte sofort 11 Gefangene. 8 Uhr vormittags war alles im besten Vorgehen, nur vor dem rechten Flügel 5./124 hielt sich in tapferster Weise im dichten Unterholz ein französischer Oberleutnant mit etwa 60 Mann. Auch 9./124 unter Leutnant Rommel fand in der Front bald heftigen Widerstand. Er nahm aber die feindliche Stellung durch Angriff von den Flanken und erbeutete 2 Maschinengewehre. Den Bitten um Verstärkung wurde überall entsprochen, 8. und 12./124. griffen ein, an ihre Stelle rückten 7. und 11. Kompagnie nach.

I/124 hatte nach dem Vorstürmen des III. Bataillons die 1. Kompagnie von der Flanke die Franzosen anpacken und aufrollen lassen, fand aber einen tapferen Gegner, der sich auf das Zäheste wehrte. Vom Vorkommen des linken Flügels fehlte jede Nachricht.

9.30 Uhr vormittags hielt sich beim II./124 immer noch der französische Oberleutnant, obwohl längst rechts und links an ihm vorbei der Angriff weiter südlich gegangen war. In dem außerordentlich dichten Unterholz waren derartige Zwischenfälle möglich. Endlich gelang es 2 Zügen der 7./124 unter Hauptmann Glaß, die Stellung zu stürmen und den Gegner gefangen zu nehmen.

Die Sturmtrupps aller Bataillone bis auf den linken Flügel I./124 waren inzwischen über 4 französische Stellungen hinweg, durch das Dieusson-Tal hindurch bis an den Südrand der Mulde vorgestoßen, fanden aber keinen Anschluß und gingen auf die befohlene Linie zurück. Am weitesten war Leutnant Rommel mit seiner Kompagnie vorgekommen. Er hatte die Linie der feindlichen Hauptwerke erreicht und sie teilweise durchschritten. Während noch die am weitesten vorgedrungenen Teile im Zurückgehen waren, traf sie 1 Uhr nachmittags ein französischer Gegenstoß aus dem Dieusson-Tal in die linke Flanke. Es kam beim Rückmarsch zum Handgemenge. Hierbei waren etwa 15 Mann des Regiments verwundet liegen geblieben. 3 wurden später tot aufgefunden, 3 wurden durch den Opfermut des Vizefeldwebels Frank und Tambour Randegger 2./124 durch mehrfaches Vorgehen aus der neuen Stellung geborgen. Beim letzten Vorgehen fiel Randegger selbst.

Überall war das befohlene Ziel erreicht, meistens sogar überschritten, am linken Flügel des I./124 hatte ein mit M.-G. stark besetzter feindlicher Stützpunkt alle frontalen Angriffe und aus der Flanke abgewehrt. Beim gewaltsamen Angriff traten starke Verluste ein, Leutnant d. R. Merz und Offizierstellvertreter Pollack fielen beim mehrfach wiederholten Versuch im feindlichen M.-G.-Feuer. Es blieb schließlich nichts anderes übrig, als die vorgekommenen Teile des I. Bataillons mit den nicht vorwärtsgekommenen treppenförmig zu verbinden.

Der oben erwähnte Gegenstoß traf auf die sich überall eingrabenden Truppen, er wurde glänzend abgewiesen. 2 Uhr nachmittags mußte das Regiment zum linken Flankenschutz des, wie sich jetzt herausstellte, auf dem südlichen Hang gebliebenen Inf.-Regts. 120, 2 Kompagnien abermals über das Dieusson-Tal hinüberschieben. Die vom französischen Gegenstoß vor der Front zurückgebliebenen Teile, die sich festsetzen wollten, wurden von der 5. und 6./124 vertrieben und beide Kompagnien gingen auf Höhe des Inf.-Regts. 120 vor und gruben sich ein. 6./124 bog den linken Flügel zur Beherrschung des Tales um. Die 7./124 rückte an den bisherigen Platz der 5. und 6.

Vor I. und III. Bataillon hatten sich die Franzosen festgesetzt. Aus dieser Stellung heraus machten sie 7 Uhr abends und 2.30 Uhr vormittags (30. Januar 1915) abermals Gegenstöße. Am heftigsten 2.30 Uhr vormittags. In einem rasenden Infanteriefeuer brachen sie alle zusammen. Die Lage der 5. und 6. Kompagnie war wenig beneidenswert. Tatsächlich kamen um den linken umgebogenen Flügel der 6./124 Franzosen herum und damit in den Rücken der Kompagnien, so daß diese nach vorwärts, rückwärts und seitwärts feuern mußten. In der Nacht noch legte die Batterie Hoffmann Feuerschutz vor diesen gefährdeten Flügel, das Einschießen der Artillerie mußte mühsam nach Leuchtkugeln erfolgen.

Auf den Erfolg dieses Tages mit 2 gefangenen Offizieren, 12 Unteroffizieren und 196 Mann, neben 3 erbeuteten M.-G., 1 Minenwerfer und 1 Pionierdepot, konnte das Regiment mit Recht stolz sein.

Die eigenen Verluste betrugen beim I./124 20 Tote, dabei 2 Offiziere, 43 Verwundete, 7 Vermißte, beim III/124 6 Tote, dabei 1 Offizier, 27 Verwundete, beim III./124 15 Tote, davon 1 Offizier, 52 Verwundete, 6 Vermißte.

Nachdem die Gegenstöße erfolglos geblieben waren, setzt in der Nacht starkes französisches Artilleriefeuer ein, das aber trotz seiner Heftigkeit nur wenig schadete, da es die Gräben fast nirgends traf. Sehr erschwert war der Verkehr mit der 5. und 6. Kompagnie, da die Franzosen auch auf einzelne Leute, Essenträger usw., mit Artillerie schossen. Sie hatten offenbar von der Linie ihrer Hauptwerke, zu deren Aufbau sie den Wald stark ausgeholzt hatten, gute Beobachtung in das Dieusson-Tal.“
 
 

aus: „Das Infanterie-Regiment König Wilhelm I (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 29. Januar 2015

29. Januar 1915


„Bois de la Grurie heißt der Teil des Waldes, in dem die 54. Infanterie-Brigade ihre Stellungen hatte. Der 29. Januar war als Tag des Sturmes bestimmt, die ganze 27. Infanterie-Division sollte nach langer Zeit zum erstenmal wieder gleichzeitig zum Angriff vorgehen. Frost und kaltes Wetter herrschte am Morgen des Sturmtages. Ohne Artillerievorbereitung stürzten beim Regiment 7.30 Uhr vormittags zwei Angriffsgruppen, je zwei Kompagnien stark (5., 7., 9. 11.) aus den Schützengräben und Sappenspitzen auf die vorderste feindliche Linie vor. Dieser eine Augenblick mußte entscheiden, ob die Überraschung gelungen war oder nicht. Zum Glück war dies der Fall. Der Gegner war vollkommen überrascht. Er hatte sich durch die verhältnismäßige Ruhe der letzten Zeit einlullen lassen und glaubte sich durch seine Hindernisse hinreichend gegen jede Überraschung gesichert. Die Besatzung des vordersten Grabens war rasch unschädlich gemacht, wer nicht im Nahkampf gefallen war, geriet als Gefangener in die Hände der unmittelbar dahinter folgenden zweiten Welle der Sturmtruppen. Was aber nach rückwärts ausgebrochen war, erlitt schwere Verluste durch das Verfolgungsfeuer.

Sofort drängten nun alle Sturmkolonnen des Regiments dem Gegner nach, um auch die zweite Linie wegzunehmen. Der Angriff erfolgte auch hier ganz unerwartet. Wahrscheinlich hatte die Besatzung das Feuer vorne für eine der gebräuchlichen Schießereien seitens der Posten gehalten. Ein französischer Bataillons-Kommandeur z. B. wurde beim Morgenfrühstück abgefaßt. Der auf den Lärm herausstürzende Bursche wurde niedergemacht, darauf der Kommandeur selbst von dem Unteroffizier Betzler der 9. Kompagnie mit den durch eine einladende Handbewegung begleiteten Worten: „Kommet Sie nur, jetzt geht’s nach Berlin“ in Empfang genommen.

Innerhalb einer einzigen Stunde hatten die in der Mitte beim Regiment vorgehenden Kompagnien diese beiden Stellungen sowie eine dahinterliegende dritte genommen und waren am Angriffsziel, dem Nordhang der Dieussonschlucht angelangt. Dort grub man sich ein. Die rechts und links befindlichen Teile hingen zunächst noch zurück. Eine Zeitlang entstand nun eine schwierige Lage dadurch, daß sowohl das östlich angrenzende Infanterie-Regiment Nr. 120 als das am Waldrand vorgehende Füsilier-Regiment Nr. 38 nicht gleichen Schritt hatten halten können.

Als das Infanterie-Regiment Nr. 120 bei Fortsetzung seines Angriffs nun stark nach vorwärts drückte, kniffen die vor seiner Front befindlichen Franzosen aus und wollten sich zu ihren noch vor der Front des Infanterie-Regiments Nr. 127 vermuteten Kameraden durchschlagen, Nun waren diese aber schon längst in die Gefangenschaft gewandert und das Regiment Nr. 127 weit vorgedrungen. So gerieten sie, ohne es zu ahnen, hinter den Rücken der Stürmenden. Ein Teil der Franzosen lief hinter der ganzen Front des Regiments entlang und wurde vom Füsilier-Regiment Nr. 38 gefangen. Der größte Teil, ungefähr 170 Mann unter der Führung von 2 Offizieren, erkannte plötzlich die Lage und eröffnete das Feuer aus dem Rücken gegen die Sturmkolonnen. In diesem gefährlichen Augenblick zwischen zwei Gegnern rafften Leutnant Weber, Leutnant d. R. Reißer und Wild etwa 60 Mann und einen Maschinengewehrzug zusammen, machten kehrt und warfen sich dem Gegner entgegen. Etwa 50 Franzosen fielen auf nächste Entfernung, worauf sich der Rest ergab, nachdem seine Offiziere verwundet waren.

Kurz nach 10 Uhr vormittags war das Regiment mit allen Teilen vorne angelangt. Die eigene Artillerie beschoß seit 8 Uhr morgens die rückwärtigen Verbindungen des Gegners, um das Herankommen von Unterstützungen zu erschweren. Auch die feindliche Artillerie hatte aber unterdessen zu feuern begonnen und schweres Feuer auf den linken Flügel des Regiments und in dessen Rücken gelegt.

Inzwischen war auch das Regiment Nr. 120 auf gleiche Höhe gekommen. Um 2 Uhr nachmittags wurde das Dieussontal von ihm überschritten, der linke Flügel des Regiments schloß sich dem Vorgehen an. Auch dieser Angriff war von Erfolg gekrönt. Leider hatte der rechte Flügel das Tal nicht überschreiten können, weil das an ihn anschließende Füsilier-Regiment Nr. 38 nicht auf gleiche Höhe beim Angriff gekommen war und der eigene rechte Flügel bei weiterem Vordringen in der Luft gehangen hätte. Dies war sehr bedauerlich. Wäre es dem Regiment unter anderen Umständen gelungen, schon jetzt auf den Südhang der Schlucht zu kommen, so wären ihm, wie wir sehen werden, in der Folge viel Mühe und manches Opfer erspart geblieben.

Wie gewohnt, versuchte der Gegner auch heute mit seinen Reserven bei Tag und Nacht verschiedene durch Artilleriefeuer eingeleitete Gegenangriffe, die aber nicht gelangen. Was unsere zähen Schwaben einmal hatten, das ließen sie nicht so bald mehr los.

Die genommenen feindlichen Stellungen waren sehr gut ausgebaut und lediglich dem überraschenden, ununterbrochenen Draufgehen war es zu danken, daß dieser bedeutende Erfolg errungen wurde. Wie wenig der Feind an einen so weit reichenden Erfolg dachte, bewiesen zahlreiche Munitions-, Patronen- und Handgranatenlager. Auch ein großes Hüttenlager fand man vor. Eine ganze Auswahl von neuen Schnürstiefeln und Wickelgamaschen diente manchem unserer Leute, um sich „neu einzukleiden“. Ein ausgedehnter Friedhof zeigte, daß der Gegner in den letzten Monaten durch das deutsche Feuer bedeutende Verluste gehabt hatte.

Neben einer Menge von Kriegsmaterial fielen 1 Bataillonskommandeur, 7 Offiziere, 1 Arzt, 244 Mannschaften des Infanterie-Regiments Nr. 155 sowie 4 Maschinengewehre, 4 Minenwerfer und 1 Bronzemörser in die Hände des Regiments. Die blutigen Verluste des Gegners überstiegen an dieser Stelle einige Hunderte. Das Regiment selbst hatte den Erfolg des Tages mit 53 Toten (darunter Leutnant d. R. Zeller) und 107 Verwundeten bezahlen müssen.“


aus: „Das neunte württembergische Infanterie-Regiment Nr. 127 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Dienstag, 27. Januar 2015

27. Januar 1915


„Die Eroberung des Hartmannsweilerkopfes am 20. und 21. Januar wirkte sich auf die Regimentsfront am 27. Januar insofern aus, als die Franzosen versuchten, das Glück noch einmal zu wenden und die Kanalstellung bei Ammerzweiler im Raume von Altkirch aufzureißen. Alle diese Kämpfe sind als Ausläufer des großen Joffreschen Angriffs und der deutschen Gegenkämpfe zu betrachten, die mit Ende des Januar die französische Angriffsbewegung scheitern ließen.

Man hatte hier unten den Franzosen auf den 27. Januar, Kaisers Geburtstag, nichts Gutes zugetraut. Der Fernsprecher meldete schon in der Frühe in die Gräben von einem bevorstehenden Angriff bei Ammerzweiler. Aus dieser Gegend hört man auch bald Kanonendonner und Infanteriefeuer.

Aber man sollte im Regimentsabschnitt nicht unbeteiligter Zuschauer bleiben.  Kurz nach 10 Uhr vormittags setzt bei kaltem, unsichtigem Wetter feindliche Artillerie von Largitzen her auf die Stellungen der 2. und 3. Kompagnie ein. Bald griff das Artilleriefeuer auf die Stellungen des II. Bataillons am Landfürstenweiher über und steigerte sich gegen 1 Uhr äußerst heftig, um dann allmählich abzuflauen.

Ähnlich war es dem III. Bataillon um Carspach ergangen: Hier werden die Schützengräben von starkem Artillerie- und Infanteriefeuer überschüttet. Es scheint, als ob die Franzosen hier zum Angriff schreiten wollen. Ihre Schützenlinien traten aus dem Walde heraus, drehten aber alsbald um, als unser Feuer ihnen entgegenschlägt.

Waren diese Unternehmungen wohl bloß als Ablenkung gedacht, so erfolgte der Hauptangriff in dichtem Nebel um 11 Uhr im Raum von Ammerzweiler bis zum Rhein-Rhône-Kanal. Hier stand auf dem rechten Flügel des IV. Bataillons am Kanal bei Heidweiler die 3. Kompagnie des Landsturmbataillons Freiburg II. Ihre Feldwache 1 am Übergang der Aspacher Straße über den Kanal mußte sich vor überlegenen Kräften zurückziehen. Es gelang dem Führer dieser Kompagnie, Hauptmann Leers, nicht, mit allen seinen Leuten die verlorene Stellung wieder zu nehmen; er selbst wurde mit 2 seiner Zugführer dabei schwer verwundet.

Dagegen gelang es der Feldwache 2 der 15. Kompagnie unter Vizefeldwebel Breuninger, die auf dem rechten Flügel des Bataillons stand, einen weiteren überlegenen Angriff der Franzosen aus dem Schönholz und Lerchenholz durch wohlgezieltes Feuer aufzuhalten. Sie hielt wacker aus, obwohl sie sich kurz vor 12 Uhr verschossen hatte. Gleich darauf setzte der Gegner zum Sturme an; in diesem Augenblick kam durch Leutnant Schneider (4. Kompagnie), der die Feldwache 3 innehatte, Munitionsersatz. Der feindliche Sturm brach nun unter dem vollwirkenden Feuer der Feldwache zusammen und die Franzosen fluteten in den Wald zurück. Sie hatten mindestens 25–30 Tote und eine entsprechende größere Zahl Verwundeter liegen lassen müssen. Dem Gegner genügte diese Abfuhr. Denn er erschien an dieser Stelle nicht mehr (Skizze 8).

Inzwischen hatte die Reservekompagnie des III. L. 119 vom Regiment den Befehl erhalten, die vom Landsturm geräumte Stellung bei Heidweiler wieder zu nehmen. 2 Züge der 11. Kompagnie unter Hauptmann Rechkemmer gingen dorthin ab, 1 Zug der 16. Kompagnie und 1 Zug der Landsturmkompagnie stießen zu ihnen zur Verstärkung. Die Franzosen hatten sich inzwischen im eroberten deutschen Graben festgesetzt und hatten einen weiteren Graben ausgehoben. Im Wäldchen selbst hatten sie bis an den vordersten Rand Drahtverhaue angebracht. Diese Arbeiten glaubten sie durch 4 Maschinengewehre genügend gesichert. Dies war die Lage, wie sie Hauptmann Rechkemmer, der seiner Kompagnie im Auto vorausgefahren war, antraf. Um 5 Uhr nachmittags waren die einzelnen Züge eingetroffen und gefechtsbereit. Die Züge der Landsturmkompagnie und der 16. Kompagnie gingen im Reihenmarsch durch die engen Gassen des Drahtverhaus am Ortsausgang von Heidweiler und entwickelten sich in breiten Schützenlinien gegen das dem Schönholz östlich der Straße Niederspechbach–Aspach vorgelegenen Wäldchen, in dem die Franzosen saßen. Der rechte Flügelzug unter Vizefeldwebel Flaig, bei dem sich der Kompagnieführer befand, lehnte sich mit seinem rechten Flügel an den Kanal an, der linke Flügelzug unter Leutnant Lumpp sollte in den Raum von der Waldspitze bis zur Straße, die von Heidweiler zum Lerchenholz führte, vorgehen. Zug Flaig kam rasch vorwärts, der Nordostrand des Waldes war vom Gegner frei. Im Wald stieß man aber sofort auf Drahtverhaue, hinter denen die vorgeschobenen Posten der Franzosen auf 50 Meter Entfernung das Feuer aufnahmen. Maschinengewehr- und Infanteriefeuer schlug hier den Vordrängenden entgegen. Während ein Teil das Feuer aufnahm, gelang es einem anderen Teil rasch das Gewirr der Drähte zu übersteigen. Im Sturm ging es über das Maschinengewehr her, die Vorposten werden auf den Schützengraben dahinter zurückgeworfen. Den rasch nachdrängenden Deutschen konnten die Franzosen auch hier nicht standhalten und die ungefähr 40 Mann starke feindliche Grabenbesatzung verließ fluchtartig ihre Stellung. Kräftig schlug das Verfolgungsfeuer des rechten Flügels Flaig in ihre Reihen, während sein linker Flügel unter Hauptmann Rechkemmer 2 weitere Maschinengewehre im Sturme nahm und die Franzosen im Bajonettkampf aus ihren Gräben hinauswarf. Man richtete sich sofort in diesem Teil des früheren eigenen Grabens ein und es gelang, ihn gegen die feindlichen Angriffe, die sofort wieder einsetzten, zu halten.

Leutnant Lumpp hatte sich indessen mit seinem Zug rasch gegen die Waldspitze entwickelt und sie im Nu erreicht. Da schlägt ihm von vorn heftiges Infanterie- und Maschinengewehrfeuer entgegen. Das kommt aus dem weiter dahinter liegenden Waldrand, der sich nach links hinüberzieht. Will man den neuen Gegner packen, so muß man über das freie Feld weg, das hier der gegnerischen Stellung vorgelagert ist. So entschließt sich der Führer, seinen Zug nach rechts in den Wald hereinzuziehen, um in ihm gedeckt gegen die feindlichen Gräben weiter vorzukommen. So lassen sich unnötige Verluste vermeiden. In dem schwer übersichtlichen Gehölz war rasch die Verbindung mit dem Kompagnieführer hergestellt. Es gelang, den Zug ohne Verluste in den Wald hereinzubringen, ihn auf die Höhe des Zuges Flaig vorzuführen und zu dessen Verlängerung nach links vorzutreiben. Rasch wird der Graben von der Seite her aufgerollt und besetzt. Da bemerkt ein Mann der 11. Kompagnie einen feinen Lichtschimmer, der aus einem Unterstand kommt, den man im ersten Anlauf übersehen hatte. Rasch beordert Leutnant Lumpp 5 Mann mit aufgepflanztem Bajonett an die Ausgänge. Er selbst sprang mit einem mächtigen Satz in den Unterstand hinein unter die verdutzten Franzosen, denen er den Revolver unter die Nase hält. Sie ergeben sich schnell. Bei der Durchsuchung des Unterstandes wurde noch 1 Maschinengewehr gefunden, das vorher dem Zug bei seinem Vordringen Halt geboten hatte. Die Gefangenen, ein Unteroffizier und 12 Mann, wozu weitere sich totstellende, aber völlig unverwundete Franzosen hinzu kamen, wurden sofort nach rückwärts gebracht, ebenso die vor und hinter dem Graben liegenden Verwundeten.

Der Graben wurde umgehend neu instandgesetzt und neue Drahthindernisse angelegt. Zum Schutze dieser Arbeit waren Sicherungen bis an die Aspacher Straße vorgetrieben worden, die alsbald mit den erneut vorfühlenden Franzosen in ein längeres Feuergefecht gerieten. Um 1 Uhr nachts wurde die 11. Kompagnie aus den von ihnen in glanzvollem Schwung genommenen und gehaltenen Gräben herausgezogen, die nun die 15. Kompagnie übernahm. Gegen ½4 Uhr morgens trafen die beiden Züge der 11. Kompagnie wieder in ihrer Altkircher Stellung ein. Sie durften stolz sein auf ihre Leistung. Die Franzosen hatten in den wiedergewonnenen Stellungen 33 Tote, 24 Gefangene, 4 Maschinengewehre, 20 Infanteriegewehre, viel Munition und Schanzzeug zurückgelassen. Die Gefangenen gehörten aktiver und Reserveinfanterie an, einige einer Pionierabteilung. Alle waren kräftige, gut gebaute Gestalten. Viele verwundete Franzosen hatten noch flüchten können und vor unsern Stellungen bedeckte eine größere Anzahl Toter das Gefechtsfeld. An eigenen Verlusten hatte die Kompagnie 3 Tote, 4 Schwer- und 9 Leichtverwundete gehabt. An der glanzvollen Durchführung des Unternehmens gebührt auch der eigenen Artillerie mit ein Verdienst, da sie ihr Feuer geschickt vor der vorgehenden eigenen Truppe vorausgeführt hatte.
 
 
Wie bei Heidweiler suchte der Gegner auch im Hirzbacher Wald unsere Verteidigungslinie zu durchbrechen. Gegen 3 Uhr lebte hier das Artilleriefeuer wieder auf. Die 2. Kompagnie beobachtete, daß der Gegner in der Nähe der alten Largitzer Straße sich schanzend vorarbeitete und verschiedene Patrouillen vorzutreiben suchte. Diese wurden, wo sie sich zeigten, unter Feuer genommen. Sie suchten in einer Tannenschonung Schutz und in einer vor der Stellung der 2. Kompagnie gleichlaufenden Mulde. Gegen 4 Uhr verstärkte sich das Artilleriefeuer und griff wie am Morgen auf den Anschnitt des II. Bataillons über, auch schwere Batterien hatte der Gegner in Stellung gebracht. Um ½6 Uhr traten starke feindliche Linien zum Angriff vom Gemeindeweiher bis über die alte Largitzer Straße hinaus an. Den Hauptstoß hatte die 2. Kompagnie aufzufangen, die hier auf dem äußersten Flügel des Regiments stand und die Grenze des Abschnitts decken mußte. Dem Gegner gelang es, im Schutze jener Mulde sich nahe heranzuarbeiten und im Nu stand er vor dem Drahthindernis, das er rasch an einer zirka 50 Meter breiten Stelle aufbrach. Den vereinigten Anstrengungen der 2. und der 1. Kompagnie, die im starken Artilleriefeuer von Hirsingen zu Hilfe geeilt war, gelang es nach erbittertem Kampfe, den Angriff der Franzosen aufzuhalten und dem Gegner schwere Verluste beizubringen. Während des Gefechtes konnten auf gegnerischer Seite verschiedentlich anfeuernde Rufe der Führer und das Aufschreien der Verwundeten vernommen werden. Die Franzosen wurden in ihre Ausgangsstellung zurückgeworfen. Die 3. Kompagnie konnte mit gutsitzendem Flankenfeuer den beiden eigenen Kompagnien wesentlich Entlastung bringen.

Nach 8 Uhr abends stießen die Franzosen erneut in der Stärke von etwa 6 Kompagnien vor, die dem Regiment 372 angehörten. Umsonst! Ihr Angriff brach in dem zusammengefaßten Feuer des I. Bataillons zusammen. Der Gegner ging fluchtartig in seine Stellungen zurück. Etwa 100 tote Franzosen bedeckten das Feld vor der Stellung, die Verwundeten nahmen die Franzosen im Schutze der Dunkelheit mit sich. Dem gegenüber waren die eigenen Verluste äußerst gering: 1 Toter und 6 Verwundete waren das ganze Opfer, das hier gebracht werden mußte. Den Franzosen war die Lust zu weiterem Angriff auch hier vergangen.

Der Erfolg des Tages wirkte außerordentlich belebend auf die in den Dezembertagen so überaus hart mitgenommenen Mannschaften, die von dem seelischen und körperlichen Druck jener harten Wochen trotz der neuen schwierigen Aufgaben, die ihnen hier gestellt waren, sich rasch zu erholen begannen. Man hatte wiederum erleben dürfen, daß schwäbische Kraft und schwäbischer Mut nicht so leicht unterzukriegen sind.
 
 

aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf. Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Montag, 26. Januar 2015

26. Januar 1915




Treumund Strebel

*4. Oktober 1881 in Riet (Württ.) Nic. W. 1899. Pfarrer in Steinkirchen. Unteroffizier*) Landw.I.R. 123. † 26. Januar 1915 beim Hartmannsweilerkopf.

Treumund Strebel ist geboren am 4. Oktober 1881 in Riet O.-A. Vaihingen a. E. als ältester Sohn des Pfarrers Martin Strebel, späteren Stiftspredigers in Oberstenfeld. Nach einer sonnigen Kindheit in Riet und seit 1886 in Musberg bei Stuttgart, kam er mit 10 Jahren in die Lateinschule nach Böblingen, wo er im Hause von Oberlehrer Hinderer Aufnahme fand. 1895–1899 besuchte er die Seminare Maulbronn und Blaubeuren. Im Herbst 1899 bezog er als Theologe die Universität in Tübingen und trat hier unserer Nicaria bei. Manches bleibende Freundschaftsband hat sich hier geschlungen. Sein seltener Vorname wurde auch sein Kneipname. In schönster Erinnerung sind ihm auch die zwei Semester im Tholuck-Konvikt in Halle a. S. (Herbst 1901/02) geblieben, die ihm wesentlich zur Erweiterung seines Gesichtskreises dienten.

Nach der ersten theologischen Dienstprüfung in Tübingen (Sommer 1903) erfüllte er seine militärische Dienstpflicht in Erlangen. Als Anstaltsvikar bei seinem Vater in Stetten i. R. begann er seinen kirchlichen Dienst (1904/06). Zwei weitere Jahre war er Stadtvikar in Untertürkheim (1906/08); es folgte die Pfarrverweserzeit in Sulz bei Nagold, Darmsheim (unmittelbar nach dem großen Brand) und Nordhausen. Seit 15. Dezember 1909 hatte er die erste eigene Gemeinde, die auch seine letzte sein sollte, in Steinkirchen O.-A. Künzelsau. Bald war er mit ihr aufs engste verbunden und hat sich namentlich auch um eine Kirchenerneuerung sehr bemüht. Am 26. April 1910 führte er Julie, geb. Kommerell von Waiblingen, als Lebensgefährtin heim. Drei Kinder wurden den Eltern geschenkt, von denen das jüngste, Siegfried, wenige Tage nach dem Heldentod des Vaters geboren wurde, noch ehe die Nachricht von seinem Tode in die Heimat gelangt war.

Bei Kriegsausbruch hatte Treumund sich am dritten Mobilmachungstag bei der Sanität in Ulm zu stellen. Als ausgebildeter Soldat hielt er es jedoch für seine Pflicht, sich alsbald zum Dienst mit der Waffe zu melden. So rückte er als Unteroffizier in der zweiten Kompagnie Landw.-Inf.-Reg. 123 ins Feld, zunächst nach Neubreisach. Am 28. August 1914 machte er bei Winzenheim westlich von Colmar das erste Gefecht mit, in dem starke französische Heeresteile ins Münstertal zurückgeworfen wurden. Mit dem 1. September begannen für seine Truppe die aufreibenden, zermürbenden Kämpfe in den Vogesen, in der Nähe von Gebweiler, anstrengende Märsche, große Strapazen und Entbehrungen, ermüdender Vorpostendienst, gefährliche Patrouillengänge, oft in unwegsamem Gelände. Das Schwere war dabei, daß der Gegner meist unsichtbar blieb; aus sicherem Versteck oder von Bäumen herab schossen die Alpenjäger auf unsere Leute. Eine rechte Erquickung war es für Treumund, daß er in diesen Monaten dann und wann als Pfarrer einen Gottesdienst halten durfte, das erstemal in einem Fabriksaal in Schweighausen; Major Sprandl dankte ihm am Schluß mit Tränen im Auge. Mehr als einmal konnte er auch Samariterdienste tun; wiederholt hat er mit eigener Lebensgefahr verwundete Kameraden aus dem Feuer getragen. Ein Lichtblick in dem kräfteverzehrenden Dienst waren wiederholte Feldwachen im Pfarrhaus zu Murbach mit seiner berühmten Klosterkirche; der katholische Pfarrer Gava kam ihm mit Herzlichkeit entgegen und war rührend auf sein und seiner Leute Wohl bedacht. Die kurze weihnächtliche Ruhe in Bühl bei Gebweiler wurde jäh gestört durch die Kämpfe bei Sennheim. Am 9. Januar 1915 hatte sein Bataillon die schwere Aufgabe, gegen die französische Ringburg auf dem Hartmannsweilerkopf vorzustoßen; der tüchtige Major Sprandl fiel, mit ihm ein Leutnant und 24 Mann. Treumund hatte mit einem kathol. Pfarrer die Beerdigung der Gefallenen zu halten; er las Worte aus Psalm 90 und 2. Samuel 1 und sprach dann kurz und ergreifend. Wenige Tage später traf ihn selbst die tödliche Kugel.

Schon im Dezember ließen seine Briefe große Müdigkeit spüren: „Ich muß froh sein, wenn die Kraft grad noch reicht“, schrieb er am 17. Januar an seine Frau. Am 26. Januar hatte er an der Spitze einer 15 Mann starken Patrouille gegen Jägertanne und Molkenrain hin aufzuklären. Unvermutet stieß er dabei auf eine französische Feldwache, erhielt einen Schuß durch die Stirne und war wohl sofort tot. 12–20 Alpenjäger sprangen vor und umringten ihn. Seine Abteilung wich zurück. Leider gelang es auch später nicht, den Gefallenen zu bergen. Sein Kompagnieführer, Hauptmann Sautter, schrieb damals den Eltern: „Ihr Sohn war ein ganzer Mann, ein pflichttreuer, mutiger Soldat, ein wackerer Kamerad und von seinen Leuten als Vorgesetzter geliebt und verehrt, ein liebenswürdiger, warmfühlender Mensch und ein echter, gläubiger Christ ohne jeden Schein und Versuch, nach außen zu glänzen“. Treumunds Art ist damit gut gezeichnet. Er war eine fein empfindende Natur. Schon in jungen Jahren hat er nicht leicht am Leben getragen. Wer ihm näher trat, lernte immer mehr seine Treue kennen und wußte, daß er seinen Vornamen nicht umsonst trug.

Von seinem Bruder Martin.“

aus: „Gedenkbuch der Tübinger Nicaria für ihre Gefallenen“, Urach 1933
 
*) Treumund Strebel wird in der offiziellen Württembergischen Verlustliste Nr.110 als Vizefeldwebel und Offizier-Stellvertreter geführt.

Sonntag, 25. Januar 2015

25. Januar 1915

Aus der deutschen Generalstabsmeldung vom 24. Januar 1915:

„Im Argonnenwald wurden zwei französische Angriffe mühelos zurückgewiesen.“

aus: „Der Völkerkrieg“, V. Band, Stuttgart 1915

Samstag, 24. Januar 2015

24. Januar 1915


„Der jüngste gefallene Württemberger, vielleicht der jüngste Gefallene des deutschen Heeres, soll Josef Kirchenmaier von Saulgau sein, der, noch nicht ganz 15 Jahre alt, beim Füsilierregiment 122 in Russisch-Polen am 24. Januar 1915 gefallen ist und auf dem Friedhof in Koszlow-Szlachecki bestattet wurde.“

aus: „Statistik und Verluste der Württemberger im Weltkrieg 1914 – 1918“, Stuttgart 1936
 

Joseph Kirchenmaier

Dieser junge Held, ein Sohn des früheren Hausmeisters am Lehrerseminar, ist in Gmünd aufgewachsen, weilte aber bei Kriegsbeginn nicht mehr hier. Als 14jähriger Knabe rückte er ins Feld, der jüngste Soldat des württemb. Armeekorps. Noch nicht 15 Jahre alt, erlitt er 1915 in den Kämpfen vor Warschau den Tod auf dem Feld der Ehre.“

aus: „Gmünd im Weltkrieg Chronik“, Schwäbisch Gmünd 1927

Freitag, 23. Januar 2015

23. Januar 1915




„Während des Stellungskrieges in den Argonnen wurde zu jedem der vier Infanterieregimenter ständig einer unserer Offiziere kommandiert, um im Infanteriedienst, insbesondere im Grabenkrieg, ausgebildet zu werden. Fast sämtliche Offiziere des Regiments lernten auf diese Weise die Eigenarten des Stellungskampfes in den Argonnen kennen.

Bei einem dieser Kommandos wurde der Leutnant d. R. Erwin Kleinschmidt der 2. Eskadon am 12. Januar durch Gewehrschuß in der Stellung des Inf.-Regts. 124 am Knie verwundet. Zunächst schien die Verwundung nicht schwer zu sein, aber bald stellte sich Blutvergiftung ein, die den jungen, pflichttreuen Offizier in wenigen Tagen dahinraffte. Sterbend nahm er von seinem Regimentskommandeur mit einem Gruß an seine Kameraden Abschied. An seinem Grabe in Senuc widmete ihm Graf Montgelas folgende Worte:“

„Einer unserer größten Reiterführer hat gesagt: den guten Kavalleristen erkennt man daran, daß er nicht nur das tut, was ihm befohlen ist, sondern mehr. Nach diesem Wort ist unser junger Kamerad dort unten, wenn auch fern von seinem treuen Pferd, als braver Reitersmann gestorben. Denn er tat mehr, als ihm befohlen war. Durch den Mobilmachungsbefehl auf einen gefahrlosen Posten gestellt – Leutnant Kleinschmidt war zunächst Führer der großen Bagage Inf.-Regt. 124 – litt es ihn nicht lange hinter der Front. Bald war sein sehnlichster Wunsch erfüllt, er wurde in unsere Reihen vorgezogen und bald darauf kommandierte ich ihn mit den ersten Offizieren zur Infanterie vorn im Walde. Nach kurzer Zeit schon kamen anerkennende Berichte über ihn, an einem Sturm hat er teilgenommen und mit dem Eisernen Kreuz, das er sich sehnlichst gewünscht hatte, kam er zu kurzer Ruhe hier in den stillen Ort zurück, der am Fuße dieses Grabhügels liegt. Und als er wieder mit seiner Kompagnie in den Wald zog, da traf ihn als ersten von allen die verhängnisvolle Kugel. Ohne Murren und Klagen trug er seine Schmerzen und seine Ärzte haben mir gesagt, nie hätten sie einen geduldigeren und tapfereren Patienten gehabt. Und als dann die Wendung zum Schlechten kam und er sich klar war über seinen Zustand, da sah er ohne Furcht stark und frei dem Tode ins Auge. Der Tod hat ihn belohnt, indem er ihn schmerzlos und sanft umfing. Kurz bevor er hinüberging, habe ich an seinem Lager gestanden, er erkannte mich noch, und als ich ihm die Hand drückte und ihm die letzten Grüße seiner Kameraden brachte, da glitt ein zufriedenes Lächeln über seine Züge, denen schon die Hoheit des Todes ihren Stempel aufgedrückt hatte. Sanft ist er hinübergeschlafen. Möge ihm die fremde Erde, in die man ihn gebettet, leicht sein. Er ruhe in Frieden!“

aus: „Das Ulanen-Regiment „König Karl“ (1. Württ.) Nr. 19 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 22. Januar 2015

22. Januar 1915


„Johann Gehring

KRIEGSFRE. 3./BR. ERS. BATL. 53                                                                     †22. JANUAR 1915
Geb. 25. 1. 97 in Bamberg, Heimat in Ochsenhausen, Sem. Saulgau seit 1911, rückte am 11. Sept. 1914 als Kriegsfreiwilliger nach Ravensburg ein und kam im November in den Priesterwald. Ein beredtes Zeugnis seiner Begeisterung, wie es ihn losreißt von der liebenden Mutter Hand, gibt sein Gedicht „Der Freiwillige“. In kindlicher Einfalt schreibt der noch nicht Achtzehnjährige: „Er, der die Welt regiert, leitet auch mein Schicksal und er wird es schon recht machen. Sollte ich nun fallen, liebste Mutter, so gräme Dich nicht zu sehr. Mache Dir keine Vorwürfe: Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen, nein, bete für mich! Denk, eines von meinen Kindern habe ich versorgt, gut versorgt. Wer weiß, wie ich später einmal sterben würde. Denk an jene Tausende von Witwen und Waisen, die ihren Ernährer verloren haben. Ich gehe ja nur zum Vater und warte, bis Du, liebe Mutter, nachfolgst. Bleibe gesund und lebe gerne bis der lb. Gott Dich holt“. Am Hexenkessel, dem höchsten Teil des Priesterwaldes, der Stelle, wo die Franzosen andauernd vordrängten, fiel der begeisterte Jüngling am 22. Januar durch Schrapnellschuß in den Kopf. Er ruht auf dem Soldatenfriedhof am Westausgang von Vilcey sur Trey.“

aus: „Ehrenbuch  der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

Mittwoch, 21. Januar 2015

21. Januar 1915




„Die Gegend von Sennheim wurde für die Kompagnie längere Zeit der Kriegsschauplatz. Sie war heiß umstritten. Die Franzosen wollten im Oberelsaß den Rhein gewinnen; wir mußten ihnen das verwehren. So war die Höhe 425 westlich Sennheim für uns ein besonders wichtiger Punkt und die Kompagnie mußte sie besonders stark an Unterstandsbauten machen.. Am 4. Januar 1915 war die Höhe verloren gegangen, am 5. wurde sie wieder genommen. Vizefeldwebel Hoyler war Führer der Pionierbauabteilung; Oberleutnant Schnürle befand sich bei ihr. Der Kampf wogte in der Frühe des 5. Januar noch hin und her. Oberleutnant Schnürle wollte einen noch von Franzosen besetzten Graben mit einigen Pionieren säubern, wurde aber dabei verwundet und schied aus. (Leider erlag am 21. Januar 1915 der brave Kompagnieführer seiner Verwundung.) Vizefeldwebel Hoyler blieb auf der Höhe und hielt sich auf ihr mit ½ Zug 1./Res,-Pi. 20, bis am 6. Januar, 2 Uhr morgens, Ablösung erfolgte. Die Kompagnie verlor 11 Tote und Vermißte (darunter Gefr. Kettenacker, Pion. Martini, Specht, Illi, Fritz, Stadler, Schaupp). Vizefeldwebel Hoyler und 5 Pioniere wurden verwundet. Die Kompagnieführung übernahm nun der von seiner Verwundung wiedergenesene Leutnant Stohrer.“

aus: „Das württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Montag, 19. Januar 2015

19. Januar 1915



„In den folgenden Tagen und Wochen wurde der weitere Angriff gegen die russischen Stellungen ganz eingestellt, besonders nachdem weiter rechts bei Bolimow ein größer angelegter Vorstoß des XVII. Armeekorps trotz örtlicher Erfolge ohne jeden Einfluß auf die Gesamtfront des Feindes geblieben war. Es war klar: mit den augenblicklich zur Verfügung stehenden Kräften war es nicht möglich, den Russen aus seinen von Tag zu Tag stärker werdenden Stellungen zu werfen.

So entwickelte sich eben auch in Polen langsam ein Grabenkrieg, der seinen Charakter während der ganzen Zeit, in der das Füsilier-Regiment an der Bzura stand, im wesentlichen nicht änderte. Freund und Feind baute tagaus, tagein an seinen Stellungen. Es entstanden Grabennetze, Unterstände, Hindernisse. Die Gefechtstätigkeit beschränkte sich auf Patrouillenkämpfe und das „Anstehen“ von Scharfschützen, die den ganzen Tag hinter Schutzschilden lauerten und auf alles, was lebte und sich bewegte, schossen.

Als Gegner hatte man es mit ausgezeichneten russischen Truppen zu tun. Das damals an der Sucha eingesetzte I. Sibirische Armeekorps unter General Pleschkow gehörte zu den besten Verbänden des Feindes.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiswer Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Sonntag, 18. Januar 2015

18. Januar 1915


„Mitte Januar 1915 erachtete der Regimentskommandeur Ausbau der Stellung und Geist im Regiment für genügend gereift zu einer energischen Unternehmung; sie sollte als nächtliche Überraschung durchgeführt werden. In lautloser Stille wurden in der Nacht vom 17. auf 18. Januar 4 Kompagnien dem Granathof gegenüber bereitgestellt, Pioniere mit Sprengmaterial dahinter. Kein Geschütz unterbrach mit seinem Donner das nächtliche Schweigen. In den deutschen Gräben waren Auftritte, Leitersprossen und Gestelle angebracht, um  ohne Geräusch auf und über die Brustwehr kommen zu können.

Punkt 1.10 Uhr vrm. traten die deutschen Schützen an, sie gelangten ohne einen Schuß bis wenige Meter vor die französische Stellung. Erst als das schlechte und schmale französische Drahthindernis teils beseitigt, teils überstiegen wurde, krachten die ersten feindlichen Schüsse. Aber im nächsten Augenblick waren 2 schwäbische Kompagnien im französischen Schützengraben. Die 2 andern Kompagnien waren als Reserve rückwärts belassen worden.

Der feindliche Graben umgab Granat- und Friedhof und war von 2 Kompagnien besetzt. Ehe diese den Schlaf sich völlig aus den Augen rieben, war der größte Teil mit Kolben und Bajonett niedergemacht und über 100 Mann mit 3 Offizieren gefangen genommen. Entkommen dürften nur wenige sein.

Weiter ging der deutsche Sturm, hinein in den Granathof, während gleichzeitig ein Leuchtraketenzeichen die Artillerie aufforderte, aus allen Rohren loszudonnern, nicht auf den viel umstrittenen Hof, sondern hinter denselben. Die Verbindung von Granat- und Friedhof nach rückwärts sollte von deutschen Granaten abgesperrt werden, ein damals noch recht neues Verfahren. Es gelang vollständig, die Franzosen wußten nicht, ob Freund oder Feind in Hof und Begräbnisplatz saß, keinen Schuß gab ihre Artillerie dahin ab und keine feindliche Reserve durchschritt die Feuersperre.

In den Kellern des Granathofs lagen die gefürchteten Scharfschützen. Sie waren befreit von jedem nächtlichen Sicherungsdienst, wurden überhaupt geschont in jeder Art. Der gewöhnliche Kommißbetrieb war Sache der 2 überrumpelten Kompagnien gewesen. Aber als brave, tapfere Soldaten wollten die Scharfschützen nichts von Übergabe wissen, ein rasendes Schnellfeuer zu Kellerfenster und -türe hinen mußte einsetzen und sie niedermähen. Ehre sei diesen Helden!

Jetzt konnte die Tätigkeit der Pioniere beginnen. Sie schafften Sprengstoff und Sandsäcke zum Verdämmen in die Keller. Nach zweistündiger, eiligster Arbeit im Schweiß ihres Angesichts meldeten sie: „Sprengfertig“. Ein langgezogener Pfiff aus der Torpedopfeife rief alle Deutschen schleunigst zurück in den eigenen Schützengraben, 5 Minuten später – ein Druck auf die elektrische Leitung und mit Donnergetöse flogen die Kellergewölbe in die Luft. Freilich nicht alle, bei einigen scheint die Sprengung versagt zu haben. Sie boten schwachen feindlichen Truppen immer wieder Schutz. Aber von großer Bedeutung waren diese deckenden Reste nicht, und unsere schwerste Sorge, die Eingänge der feindlichen Minenstollen in den Granathofkellern, war zerstört, die Minengefahr für uns auf geraume Zeit beseitigt. Der Vorsprung, den das deutsche Minensystem hiemit über das französische bekommen hatte, ließ sich vom Gegner überhaupt jetzt kaum mehr einholen.

Die eigenen Verluste an Toten und Verwundeten betrugen 3 Offiziere und 31 Mann.

Wie nicht anders zu erwarten erfolgte im Lauf des 18. Januar ein französische Racheschießen; sie sandten einen achtstündigen Eisenhagel auf La Boisselle. Eine Granate durchschlug den Geschäftszimmerunterstand des Regiments. An dem Platz, an welchem der Regimentskommandeur zu arbeiten pflegte, saß zufällig der Ordonnanzoffizier Leutnant d. R. der Feldartillerie Haußer aus Ludwigsburg, Bühlers Nachfolger. Beide Beine wurden ihm abgeschlagen, nach einigen Stunden starb dieser brave und tüchtige Mann.“

aus: „Das württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Samstag, 17. Januar 2015

17. Januar 1915


Am 17. Januar 1915 fielen mit Kanonier Karl Dürr, Fahrer Gottlob Dochtermann, Kanonier Emil Müller und dem Gefreiten Xaver Rauscher vier Angehörige der 5. Batterie des FAR 65. Die Regimentsgeschichte enthält hierzu keine näheren Angaben. In der Divisionsgeschichte heißte es lediglich:
 
„An diesem Tage wurden 1./ und 5./Feldart. 65 nach Gut Szwarocin in Divisionsreserve zurückgezogen. 3./Feldart. 65 verblieb in Zylin in dreitägigem Wechsel mit 3./Feldart. 29.“

Aus: „Die 26. Infanterie-Division im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 15. Januar 2015

15. Januar 1915


„Auf der übrigen Front der Division waren besondere Gefechtshandlungen nicht zu verzeichnen. Aber nicht als ob nun hier eine beschauliche Ruhe geherrscht hätte! Für Leben und Regsamkeit sorgten neben dem äußeren auch der innere Feind, wie scherzweise die höheren Vorgesetzten genannt wurden. Der äußere Feind ließ es sich nicht nehmen, Infanterie- und namentlich Artilleriestellungen stark zu bedenken, doch war es geradezu erstaunlich, welch geringen Schaden die Beschießungen verursachten, selbst bei reichlichem Munitionsaufwand und Einsatz schwerer Artillerie. Mit Bienenfleiß wurden die Batterien immer stärker eingebaut, die minierten Stollen hielten auch stärkstem Feuer stand. Die Fliegergeschütze bei Becourt, Ferme du Mouquet und Pys wurden besonders stark beschossen. In reger persönlicher Fühlungnahme mit der Infanterie, insbesondere auch durch Kommandierung eines Artilleriebeobachters zu jedem Abschnittskommandeur, bildete sich mit der vorderen Linie ein sehr gutes Zusammenarbeiten heraus, das gute und rasche Feuerwirkung gewährleistete. Auch die leichten Munitionskolonnen wurden nicht vergessen. Tagsüber galt es Pferde, Geschirr und Wagenmaterial zu pflegen, mit einbrechender Dämmerung standen die Pferde im Geschirr. An die Front ging’s zu den Batterien, zur Munitions- und Materialergänzung, zur Infanterie mit Baustoffen aller Art durch knietiefen Morast, häufig genug im feindlichen Feuer. Manch tapferer Fahrer, manch treues Pferd kehrten nicht zurück, von La Boisselle, von Beaumont und Thiepval.“
 
 

aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr 26 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Mittwoch, 14. Januar 2015

14. Januar 1915


„Im Laufe der nächsten Zeit wurden die Stellungen bei Wattweiler, Uffholz und westlich Sennheim weiter ausgebaut und verstärkt. Um Steinbach kämpften wir vergeblich; es blieb, ringsum von Höhen überragt, auf denen der Franzose stand, in seinen Händen. Zwischen Wattweiler und Uffholz kam es am 23./24. Januar 1915 zum heftigen Gefecht, an dem sich der Zug des Leutnants d. R. Schlecht bei Inf.-Regt. 161 beteiligte. Leutnant Schlecht drang mit Pionieren und Infanterie in den französischen Schützengraben, hielt ihn mehrere Stunden, bis er Rückzugsbefehl bekam, und sprengte vor Verlassen des Grabens die französischen Unterstände. Es taten sich hierbei noch hervor Unteroffizier Veit, Gefr. Sailer und die Pioniere Löffler und Meck. Bei diesen Gefechten seit 14. Januar fielen 3 Unteroffiziere und Pioniere (Unteroff. Kurtz, Pionier Schilling, Schweitzer), 4 wurden verwundet.“

aus: „Das württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkriege 1914-1918“, Stuttgart 1927

Montag, 12. Januar 2015

12. Januar 1915


„Die feindliche Infanterie schoß bei Tage sehr wenig, bei Nacht lebhaft; der Artilleriekampf war wechselnd.

Trotzdem forderte auch der Stellungskrieg an der verhätnismäßig „ruhigen“ Front täglich seine Opfer an Toten und Verwundeten, besonders in dem ungünstig gelegenen Abschnitt des Regts. 248.“

aus: „Die 54. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkriege 1914–1918“, Stuttgart 1934

Sonntag, 11. Januar 2015

11. Januar 1915


„Und am Hartmannsweiler Kopf, 4000 Meter nördlich Uffholz, gingen die Gewehre los; auch diesem Punkt, vorher der friedlichsten Waldhöhe, die man sich denken kann, mußte jetzt täglich ein knappes Wort im Heeresbericht gelten. Brigade v. Frech hatte den Tanz mit der Einschließung und Gefangennahme der Alpenjägerbesatzung des Kopfes eingeleitet; ihre bis an den Molkenrainfuß bei Jägertanne auf den Westhang der Höhe vorgeschobene Stellung wurde in der Folge von den Franzosen so lange eingetrommelt und angerannt, bis sie verloren ging; zur Stopfung des Lochs und zur Erhaltung des in diesem hochkritischen Moment von Verteidigern ganz entblößten Hartmannsweiler Kopfs wurden unsere 5. und 6. Kompagnie in seine verschneite Tannenkuppe geworfen, wo sie aufreibende Tage zu bestehen hatten, ohne Anschluß nach rechts und links, auf den nackten Schneeboden gebettet, ohne Unterschlupf gegen Frost und Sturm, ohne Verpflegung und in dauernder Gefechtsfühlung mit dem vordringenden und sehr rührigen Gegner, der ausgesuchte Truppen ins Feld führte. Unsere 5. und 6. Kompagnie waren in jenem bedenklichen Augenblick zufällig zur Hand gewesen, denn ½ II./L. 121 unter Major v. Mauch hatte eben eine Kampfzeit am Sudelkopf, 2000 Meter nördlich des Hartmannsweiler Kopfes abgeschlossen und war just abgelöst worden.“
 
 

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925

Samstag, 10. Januar 2015

10. Januar 1915


„Schon am 10. Januar griff der Gegner, der sofort nach Eroberung des „Granathofes“ zu minieren begonnen hatte, an. Mittags 2.50 ging plötzlich eine Mine hoch und drei französische Kompagnien brachen zum Sturm vor. Unter schweren Verlusten brach er im Feuer der 10. Kompagnie und der daneben liegenden 8./Res.-Reg. 120 zusammen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Freitag, 9. Januar 2015

9. Januar 1915


„Am 8. 1. teilte der Kommandeur des I./L. 123, Major Sprandel, seinen Kompagnieführern mit, das Bataillon habe soeben vom Regiment eine ehrenvolle Aufgabe erhalten: „am 9. 1. sei die Höhe des Hartmannsweilerkopfes unter allen Umständen, Jägertanne wenn irgend möglich zu nehmen; die gewonnenen Stellungen seien stark zu befestigen, so daß ein Wiedernehmen durch den Gegner unter allen Umständen ausgeschlossen sei“ (Regimentsbefehl).

Zu dem Angriff wuden dem I. Bataillon Pioniere, ein Maschinengewehrzug und zwei leichte Minenwerfer zugeteilt. Die Artillerie des Abschnitts unter Major Abel sollte den Sturm durch ein Wirkungsschießen auf die vom Feind besetzten Gipfel unterstützen. Gleichzeitig hatte III./L. 123 zur Erleichterung des I. Bataillons einen Vorstoß auf den Sudelkopf zu machen.

Der Angriff wurde am 9. Januar, 12.40 Uhr nachmittags, von den deutschen Geschützen eröffnet. Leider war die Artilleriebeschießung viel zu schwach und viel zu kurz. Nur 40 Minuten waren dafür vorgesehen, und damit sollte die Stellung „sturmreif“ gemacht werden! Auch lag das Feuer schlecht. Die Artillerie war an Gebirgsschießen nicht gewöhnt; die Witterungseinflüsse waren so stark, daß fast alle Schüsse entweder zu kurz oder zu weit gingen. Dadurch wurden die Sturmkolonnen teilweise schwer belästigt, teilweise wurde die feindliche Stellung überschossen. Ebenso ungenügend war das Feuer der leichten Minenwerfer. Punkt 1.20 Uhr nachmittags stürmten die Kompagnien los, die 1./L. 123 von Süden, die 4. von Osten, die 2. von Westen. Die 3. Komp. blieb zunächst in Reserve. Das Sturmgepäck auf dem Rücken, das Gewehr in der Hand, bahnte sich die Infanterie durch Schnee und Eis den steilen Waldeshang hinauf den Weg. Rasch ging’s voran. Der Feind, der (durch Verrat der Landesbewohner?) vom Angriff genaue Kenntnis hatte, war ausgezeichnet im dichten Wald versteckt. Auf hohen Tannen saßen, von Zweigen eingehüllt und unsichtbar, auserlesene Scharfschützen, die mit wohlgezieltem Einzelfeuer die nichts ahnenden Angreifer empfingen. Trotzdem gelang es der 1. und der 4. Komp., die Kuppe zu erreichen und bis auf 20 m vor den starken Drahtverhau der festungsartigen Stellung heranzukommen. Die 2. Komp. geriet zu weit nach Osten und schob sich hinter die 1. Komp., so daß die Umfassung nicht zur Durchführung kam. Nun eröffnete der gut verschanzte Feind das Feuer, das aus der Flanke verheerend wirkte. Schwere Verluste traten ein. Der tapfere Major Sprandel, der, den Degen in der Hand, hinan gestürmt war, wurde von den scharfen Augen eines Baumschützen sofort erkannt und schwer verwundet. Nach 20 Minuten hauchte er seine Seele aus. Die Führung des Bataillons fiel Hauptmann Graf zu, der sich bei den Leuten seiner 1. Komp. in der vordersten Linie befand. Er wollte nun, den Plan der Umfassung wieder aufnehmen, die 2. Komp. nach Westen schieben und dann mit dem Bajonett die Stellung stürmen. Es war nicht auszuführen. Zu stark und tief war das Drahtverhau, zu wohl versteckt der Gegner; zu rasend das Feuer, das er den Stürmenden, die sich in den hart gefrorenen, felsigen Grund nicht einzugraben vermochten, entgegenschleuderte. Die „Feuerüberlegenheit“ war auch mit den Maschinengewehren nicht zu erreichen. Es rächte sich die Wirkungslosigkeit des Feuers unserer Artillerie. Die Zahl der Toten und Verwundeten mehrte sich. So geriet der Angriff ins Stocken. Noch einmal versuchte Hauptmann Graf um 4.20 Uhr den Sturm zu wagen. Er scheiterte am wohlgezielten Feuer der berggewohnten Alpenjäger. Da erteilte schließlich General v. Dinkelacker dem Bataillon vom Tale aus telephonisch den Befehl, das Gewonnene zu halten und zu befestigen. Das Ziel des Tages war nicht erreicht.

Die Stellung und die Stärke der feindlichen Besatzung war viel stärker, als die Führung geglaubt hatte. Ohne stärkere und bessere Artilleriekräfte und ohne ein exaktes Zusammenarbeiten dieser mit der Infanterie mußte ein solcher Angriff fehlschlagen. Immerhin aber war auf der Kuppe des Berges win Bodengewinn von 258 m zu verzeichnen und mittelbar war dadurch erreicht, daß die eigene Artillerie am Osthang des steilen Berges sich aufstellen und zur Bekämpfung des Hirzstein beitragen konnte. Auch war dem Gegner eine weitere taktische Ausnutzung des in die Rheinebene vorspringenden Berges sehr erschwert.

Aber dieser Gewinn war sehr teuer erkauft. Die Infanterie mußte, wie so vielfach zu Beginn des Krieges, ihn teuer bezahlen. Gefallen sind Major Sprandel und Leutnant Brehme, sowie 35 Mann; mutig waren sie in den Tod gegangen. Schwer verwundet wurden Hauptmann Herzog, der tapfere und allseits beliebte Führer der 4./L. 123, die Leutnants Sanders (zum zweiten Male), Speketer, Locher, Wergo und 73 Mann. Es war ein schwerer Tag des I. Bataillons gewesen, aber hell leuchtet das todesmutige Vorgehen und die zähe Ausdauer der braven Wehrleute in der Geschichte des Regiments. Die ganze Nacht blieb das Bataillon vor dem Feinde, in bitterster Kälte – 10 Grad R des Nachts – und in 60 m hohem Schnee liegen. So gut als möglich grub man sich ein oder setzte aus Steinen, Eis und Schnee eine Brustwehr auf.

Der Vorstoß des III./L. 123, der den Angriff des I. Bataillons begleitete, verlief planmäßig und kostete wenig Blut (nur 2 Mann verwundet).

Das Armeeoberkommando sah nun ein, daß es andere Mittel bereitstellen mußte, um zum Ziel zu gelangen, wollte es nicht die Kräfte des Landw.-Inf.-Reg. 123 völlig verbrauchen. Das I./L. 123 und die 8./L. 123 wurden zurückgezogen.“
 
 

aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 123 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Donnerstag, 8. Januar 2015

8. Januar 1915


„Erst am 8. Januar suchen die Franzosen nach heftiger Artillerievorbereitung auf Höhe 322 vorzustoßen, um so diese das Dollertal beherrschenden Stellungen in Schach zu halten, während ihr Hauptangriff Oberburnhaupt gilt. Sie werden aber mit empfindlichen Verlusten ihrerseits wieder in den Wald zureückgetrieben. Ihr Angriff war vor der Niederaspacher Stellung nicht über ihre Stellung hinausgekommen. Auch im anschließenden Abschnitt gegen Oberburnhaupt blieben sie nach anfänglichen Erfolgen gegen die 40er stecken und verloren in der Folge ihre gewonnenen Geländeteile zum größten Teil wieder.

Am 9. Januar schlug auch für das III. und IV. Bataillon die Ablösungsstunde. Schon am 3. Januar sollte sie stattfinden, aber die Lage war so wenig geklärt, daß an eine Ablösung noch nicht gedacht werden konnte. Die Anstrengungen der letzten 5 Wochen hatten die Kräfte erschöpft, die Gesundheit der Leute hatte schwer gelitten, bleich waren die Gesichter geworden, schwere, grippeähnliche Katarrhe hatten einen jeden gefaßt. Es war Zeit, daß man wieder sich erholen und aufschnaufen durfte. Das II. Bataillon Landw.-Inf.-Reg. 110 löste die beiden Bataillone ab, die über Heimsbrunn nach Altkirch sich in Bewegung setzten, um dort mit den beiden vorausgegangenen ersten Bataillonen in die Wacht im Hirzbacher Wald sich zu teilen. Wie gerne ließ man die alten Stellungen hinter sich und die Orte, in denen man so viel Angenehmes und Unangenehmes erlebt hatte. Die Häuser waren leer geworden, denn schon am 4. Januar hatte man den Bewohnern befohlen, das Dorf zu räumen. Aber es fehlte an Wagen und Zugtieren und so konnten die Ärmsten, die die Heimat aufgeben mußten, nicht einmal ihre Habe mitnehmen. Nur das Allernotwendigste führen sie mit sich fort. Ergreifende Szenen spielen sich vor den Augen der Landwehrmänner ab, die mithelfen, wo sie können. Jeder ist froh, daß dies grausame Schicksal den Seinen noch erspart ist.“

aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Dienstag, 6. Januar 2015

6. Januar 1915


„Der Abtransport im Osten litt unter den großen Entfernungen und dem Fehlen fahrbarer Wege. Landstraßen im westeuropäischen Sinn waren noch seltener als die wenigen Eisenbahnlinien. Darüber hinaus waren kaum unseren Feldwegen vergleichbare Verbindungswege vorhanden: bei trockenem Wetter zur Not für Fuhrwerke benutzbar, bei Nässe voll tiefer Löcher und Rinnen oder sie lösten sich in unergründlichen Sumpf auf. Deshalb ging in Rußland der Verkehr meist zu beiden Seiten des eigentlichen Wegs, je nach der Witterung. So entstanden Verkehrsstreifen von oft 100 Meter Breite und darüber. Gleichwohl waren Kraftwagen gar nicht zu entbehren. Die Riesenentfernungen waren anders überhaupt nicht zu bewältigen. Die Sanitätsautos überwanden Schwierigkeiten in Sumpf und Sand, die man nicht für möglich gehalten hätte. Federn- und Achsenbrüche waren freilich häufig und der Wagenverbrauch war gewaltig. Auch die Krankenwagen der Sanitätskompagnien wurden ganz anders mitgenommen, als im Westen, und zu Anfang in Polen kam es vor, daß sie zur Reparatur nach Gnesen, ja Berlin zurückgeschickt werden mußten und wochenlang ausfielen. Am besten bewältigten die Geländeschwierigkeiten die kleinen russischen Leiterwagen mit den flinken Halbponys („Panjes“), die ebenso wie leere Proviantkolonnen zum Verwundetentransport verwendet wurden. “

aus: „Das Sanitätswesen im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1924

Montag, 5. Januar 2015

5. Januar 1915


„Am Vormittag des 5. Januar beschossen die Batterien der 26. und 35. Division, darunter1 Mörser- und 7 schwere Batterien, das Grabenstück vor dem I. Bataillon, wo der Einbruch in die feindliche Stellung erfolgen sollte. Dieser war auf 1.45 Uhr nachmittags festgesetzt. Als Zeichen, daß um diese Zeit das eigene Artilleriefeuer auf die rückwärtigen Stellungen der Russen sprang, sollte ein Minenwerferzug – damals noch etwas ganz Neues!.– eine Salve auf den russischen Graben abgeben. Hierauf wollte die Infanterie möglichst in einem Sprung in die feindliche Stellung einbrechen.

Das Feuer lag den ganzen Vormittag über gut auf den gegnerischen Gräben. Das eigentliche Wirkungsschießen setzte gegen 11 Uhr ein. Oberst von Triebig befahl, daß das II. Bataillon dem I. beim Sturm unmittelbar sich anschließen sollte, und daß das in Reserve befindliche III. Bataillon dem Angriff so dicht zu folgen habe, daß es jederzeit zum Eingreifen bereit war. Major Wolff rückte daher gegen ½1 Uhr nach der Gegend des Dorfes Zylin und stellte von dort aus seine Kompanien im dritten Graben des Regimentsabschnitts bereit.

Um 1 Uhr ist die russische Stellung in dichte Rauchschwaden gehüllt. Ab und zu sieht man aus dem Dunst und Dampf unter ohrenbetäubendem Knall eine hohe Rauchsäule aus der Erde zischen. Die Mörsergranaten sind mitten in der Arbeit. In der Nähe des Weges fliegt ein Unterstand in die Luft, deutlich erkennt man die aus dem Graben geschleuderten Balken und Bretter. Einmal wird gemeldet, eine feindliche Befehlsstelle sei getroffen worden. Genau habe man zahllose Karten und Papiere aus der Erde fliegen sehen. Es war aber nur eine Latrine gewesen. Von den Russen ist nichts zu sehen, alle haben sich tief verkrochen.

Kurz vor ¾2 Uhr schießen die Minenwerfer ab. Ein dröhnender Knall. Unmittelbar darauf stürzen die Kompanien des I. Bataillons in den feindlichen Graben. Hier und dort will sich noch ein Russe wehren. Aber umsonst! Schon stehen die Füsiliere am Grabenrand. Nach wenigen Sekunden ergeben sich die Russen scharenweise. In 10 Minuten sind über 600 Gefangene gemacht und 6 Maschinengewehre erbeutet. Eines davon hat der zugeteilte Pionierzug erobert.

Auf dem linken Flügel hatte die 5. und 6. Kompanie den Sturm mitgemacht und ebenfalls einige hundert Russen gefangen. Ja auch Teile des III. Bataillons – wie die 11. und 12. Kompanie – hatten sich nicht mehr halten lassen, sondern waren mit nach vorne gestürmt.

Die Russen zogen sich gegen die Sucha zurück. Oberst von Triebig befahl, dem Feind bis an die Häuser von Dorf Sucha zu folgen, dann aber zunächst nicht weiter vorzugehen, da die 51. Infanterie-Brigade ihre Stellungen nur auf dem rechten Flügel überschritten und starker Gegner nach wie vor noch Vorwerk Zylin besetzt hatte. Auch beim rechten Nachbarn, dem Infanterie-Regiment 176, war die Lage gegen 3 Uhr durchaus noch nicht geklärt. Die bisherigen Kampftage hatten aber zur Genüge gelehrt, daß im Gefecht mit den Russen eines erstes Erfordernis war: die dauernde Wahrung des Anschlusses nach rechts und links. Auch siegreiche Teilstöße einzelner Abteilungen – selbst in der Stärke von Brigaden – die den Russen noch so empfindlich trafen, wußte er mit der Masse der ihm zur Verfügung stehenden Reserven von beiden Seiten zangenartig zu packen und zu erdrücken, sobald die Flanken des Angreifers nicht durch festen Anschluß der Nachbartruppen gesichert waren.

Das Dorf Sucha sollte also nicht überschritten werden. Die sehr durcheinander geratenen Kompanien wurden neu eingeteilt und das II. Bataillon als Reserve im alten Graben östlich Zylin gesammelt. Das II. Bataillon lag links, das I. rechts, dicht bei den ersten Häusern von Sucha. Zwischen beiden Bataillonen aber war eine 150–200 Meter breite Lücke. Die Bataillone erhielten zwar Weisung, ihre inneren Flügel so zu verlängern, daß diese gefährliche Lücke ausgefüllt würde. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, gleich eine neue Kompanie an dieser Stelle einzusetzen. Jedenfalls aber wurde die Lücke nicht mehr, oder nur mangelhaft geschlossen.

Bei Einbruch der Dunkelheit schien der Russe sich mit den Hauptkräften auf das nordöstliche Sucha-Ufer zurückgezogen zu haben. Unsere Patrouillen stießen gegen ½7 Uhr abends diesseits des Baches nur noch auf schwächere feindliche Streifabteilungen. Kurz nach 7 Uhr wurde das II. Bataillon aber plötzlich von starken Kräften angegriffen und mit seinem linken Flügel auf die alte russische Stellung zurückgedrängt. Dort wurde der Angriff abgewiesen, und es trat wieder Ruhe ein. Um 10 Uhr indessen brach der Russe mit dicken Haufen aus Sucha heraus gegen das I. Bataillion vor. Offenbar drängten auch starke feindliche Kräfte durch die noch vorhandene unglückselige Lücke zwischen den beiden Bataillonsflügeln hindurch. Denn das Bataillon Bürger sah sich plötzlich auf seinem linken Flügel durchbrochen und mußte auf den am Nachmittag erstürmten ersten Russengraben zurückweichen. Hier aber wurden die anstürmenden Kolonnen des Gegners, der während der Nacht noch viermal anzugreifen versuchte, unter großen Verlusten abgewiesen. Der Führer der Maschinengewehrkompanie, Leutnant Maentel, der sich hierbei besonders auszeichnete, wurde schwer verwundet. Die 10. und 11. Kompanie, die bei den Angriffen des Feindes in das II. Bataillon eingeschoben worden waren, trugen unter ihren Führern, Leutnant Wolf (Emil) und Leutnant d. R. Schaffert, ebenfalls in hervorragender Weise zur Abwehr der Angriffe bei.

Eigentümlich war bei diesen Nachtangriffen der Russen, daß viele Leute der angreifenden Abteilungen nicht mit Gewehren, sondern mit Knüppeln bewaffnet waren. Als es hell wurde, zeigte sich, daß man starken russischen Abteilungen etwa 400 Meter gegenüberlag, die sich an den südlichsten Häusern von Sucha festgesetzt hatten. Der Angriff am 5. Januar hatte also zwar einen Erfolg gebracht, bei dem das Füsilier-Regiment sich in Besitz des ersten russischen Grabens gesetzt und dem Feind 1000 Gefangene mit 6 Maschinengewehren abgenommen hatte. Das eigentliche Ziel des Angriffs, den Gegner über die Sucha zu werfen und dadurch die Vorwärtsbewegung der 26. Division wieder in Fluß zu bringen, hatte aber infolge des Eingreifens starker feindlicher Reserven nicht erreicht werden können“



aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921