Mittwoch, 31. Dezember 2014

31. Dezember 1914



Der Angriff am 31. Dezember 1914

„Zu dieser Zeit lag das II./124 am weitesten vorn, III. in der Mitte und I. am linken Flügel hingen ab. Das Bataillon lag in einer kesselförmigen Vertiefung und hatte von den höherliegenden Franzosen durch Infanterie- und M.-G.-Feuer, besonders aber durch Handgranaten viel zu leiden. Dazu kam, daß die vorgetriebenen Sappen an die feindliche Stellung so nah herangekommen waren, daß mit Entgegenminieren und Sprengen der Franzosen gerechnet werden mußte. Zweimal waren schon französische Minengänge von uns abgeschnitten worden. Um all dem zu entgehen, wurde die Unternehmung beim I. und III. Bataillon befohlen. Bei jedem Bataillon sollte durch die 2./Pi. 29 unter ihrem bewährten Führer Hauptmann Neumann je eine Einbruchsstelle in die feindlichen Gräben gesprengt werden. Durch diese Breschen sollten die Sturmtrupps nach vorwärts, rechts und links vorgehen. Der mittlere und die behelfsmäßigen Minenwerfer waren zum möglichst flankierenden Beschuß der feindlichen Gräben eingebaut. Die zur Verfügung stehende Feldartillerie sollte das Hintergelände unter Feuer nehmen.

9.23 Uhr vormittags erfolgte die Sprengung bei 3./124, die das Zeichen zum Beginn des Angriffs geben sollte, einige Sekunden später die bei der 9. Kompagnie. Die Sturmtrupps sprangen über Sturmleitern aus den Gräben vor und die Handgranatenschlacht gegen den überraschten Gegner begann. Die Franzosen kamen schnell ins Laufen, nur vor einem Blockhaus gegenüber rechtem Flügel der 3./124 entspann sich heftiger Widerstand. Aus einer höher gelegenen feindlichen Stellung kam jetzt auch lebhaftes Infanteriefeuer. Jenseits des ersten genommenen Grabens warf sich alles hin und ein kurzes Feuergefecht begann.

Beim III./124 war unterdessen der Verlauf nicht so glatt gegangen. Die Sprengung hatte hier die feindliche Stellung nicht ganz erreicht, die vorhandenen Handgranaten waren durch die Nässe unbrauchbar geworden. In diesem Augenblich, als schon beim ersten Sturmtrupp ein fühlbares Stocken eintrat, rettete Unteroffizier Suck, 9./124, die Lage. Er sprang auf den vorderen Rand des Sprengtrichters, warf einige Handgranaten in den feindlichen Graben, rief seine Leute und sprang halbrechts vorwärts, dem nächsten französischen Graben zu. Die anderen Sturmtrupps folgten ihren Aufträgen gemäß. So kam an dieser Stelle der Sturm wieder in Fluß. Auf die zurückspringenden Gegner wurde kurz gefeuert und mit dem Eintreffen von Verstärkungen ging es den Weichenden nach. Jetzt gab es kein Halten mehr, die 2. Stellung wurde genommen, ebenso eine 3. und 4. Das I./124 stürmte noch weit über die 4. Stellung hinaus vor nach Süden. In der Nähe eines französischen Hüttenlagers mußte aber Halt gemacht werden, da rechts und links jeder Anschluß fehlte. Die Kompagnien gingen befehlsgemäß auf die 4. Stellung zurück.

Musketier Schiller, 3./124, der nach französischen Tornistern als Beute vor der 4. Stellung gesucht hatte, sah auf einmal Franzosen vor sich. Er schoß auf einen Offizier und verwundete ihn am Kopf. Die dabei befindlichen Mannschaften sprangen fort, so daß es Schiller gelang, den Verwundeten gefangen zu nehmen. Es war dies der französische Abschnittskommandeur, ein Major, sein Adjudant ließ sich mit ihm zusammen wegführen. In dem Stand des französischen Kommandeurs wurden viele wichtige Akten über die Stellung und die Artillerieaufstellung gefunden.

Die Bataillone richteten jetzt die französische Stellung zur Verteidigung ein und legten nach rückwärts Verbindungsgräben an. Plötzlich schlug in die arbeitenden Mannschaften Flankenfeuer von links. Der rechte Flügel des Grenadier-Regments hatte wohl in gleicher Höhe zum I./124 hinübergedrückt, aber nach vorwärts kein Gelände gewonnen, so war der diesem Flügel gegenüberliegende Feind unbehelligt stehen geblieben. Mit dem Grenadier-Regiment sollte jetzt dieser stehen gebliebene Stützpunkt beiderseits von der Flanke angegriffen werden. Es war festgestellt worden, daß der Gegner mindestens 3 M.-G. in der Stellung hatte. Trotzdem ließ sich die 1./124 nicht halten und griff mit allen drei Zügen frontal an. Leutnant d. R. Loewer fiel an der Spitze seines Zuges, der Kompagnieführer, Oberleutnant d. R. Behren, wurde schwer verwundet. Nachdem die 4./124 von seitwärts und rückwärts eingegriffen hatte, hoben die Franzosen die Hände hoch. Zu den schon gefangenen 1 Offizier 93 Mann kamen nochmals 150 dazu. Das Ziel des Tages war glänzend erreicht. Außer den Gefangenen fielen die 3 M.-G. und viele Gewehre und andere Beute in die Hände der Sieger. Beim weiteren Ausbau der Stellung fiel noch Leutnant d. R. Wurster durch Querschläger ins Herz. Die Verluste betrugen 3 Tote, dabei 2 Offiziere, und 8 Verwundete, darunter 1 Offizier.

In der 3./124 hatten sich die Gefreiten Bischoff und Motz durch ganz besonderen Schneid ausgezeichnet, Unteroffizier Suck, 9./124, wurde für sein Verhalten zum Vizefeldwebel befördert und erhielt das E. K. I.

Die rechte Hälfte des III./124 war nicht vorwärts gekommen, da sie über deckungsloses Gelände einen vollbesetzten französischen Graben hätte angreifen müssen.“



aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Dienstag, 30. Dezember 2014

30. Dezember 1914



„Noch ehe das Jahr zu Ende ging, bewährte sich dieses neugebildete II. Bataillon am 30. Dezember durch einen überraschend ausgeführten Angriff, der dem Regiment neben 500 Meter Geländegewinn nach vorwärts etwa 250 Gefangene einbrachte; die eigenen Verluste betrugen 23 Tote und 51 Verwundete. – Die Angriffe des 1. und 30. Dezember brachten den Beweis, daß trotz der Strapazen des Stellungskampfes sich die Truppe ihren alten Angriffsgeist vollauf bewahrt hatte und in dieser Beziehung ihrem Gegner weit überlegen war. Die Namen derjenigen Offiziere und Mannschaften, welche sich an diesen beiden Gefechtstagen durch Unerschrockenheit und Pflichttreue besonders hervorgetan haben, hier aufzuzeichnen, ist nicht möglich; für die Überlebenden blieben sie ein leuchtendes Beispiel für spätere Taten. Die Verluste waren insofern recht schmerzlich für das Regiment, weil es gerade die Tapfersten aus seinen Reihen riß. Bei den Angriffen wurde die schwer ringende Infanterie von seiten der anderen Waffen in bester Weise unterstützt. Die mit den Vorbereitungen bis zuletzt beschäftigten Pioniere stellten sich an die Spitze der Sturmtrupps, um mit Drahtscheren und Handgranaten ihren Kameraden den Weg in die feindliche Stellung zu bahnen. Unsere Artillerie war durch Munitionsmangel in ihrer Tätigkeit beschränkt und konnte sich mit der immer energischer eingreifenden französichen Artillerie nicht messen. Die Fliegertätigkeit war auf beiden Seiten für damalige Verhältnisse nicht unbeträchtlich; unsere Flieger leisteten Gutes, wenn sie auch an Zahl und Unternehmungsgeist den feindlichen nicht gewachsen waren.“
 
 

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Montag, 29. Dezember 2014

29. Dezember 1914


„Am 29. Dezember hatte II./125 Gut Zakrzew in Besitz genommen und zu einem Stützpunkt audgebaut. 9.30 Uhr vormittags wurde der 52. Inf.-Brig. das in Koszlow-Szlachecki in Divisionsreserve stehende Batl. 122 unterstellt. In der Nacht hatte 52. Inf.-Brig. ein Batl. 121 aus vorderer Linie herausgezogen und in Reserve gestellt. Hierfür war rechts des rechten Flügel-Batl. Füs.-Regt. 122, das in Reserve hinter dem rechten Flügel gehaltene Batl. 122 eingesetzt worden. Nach 4 Uhr nachmittags endlich kam es zum so oft schon verschobenen Angriff, zum eigentlichen Sturme auf dem rechten Flügel kam es nicht, da sich die Truppen zur Wegnahme der durch Astverhaue geschützten Stellungen, zumal in der Dunkelheit, für zu schwach hielten. Die 36. Inf.-Div. hatte zwar Borzymow genommen, mußte es aber im Laufe des nächsten Vormittags wieder räumen. So hatte auch der 29. Dezember noch keinen greifbaren Erfolg gezeigt, zumal mit der 35. Inf.-Div. keine Verständigung erfolgen konnte, hinsichtlich des einheitlichen Befehls auf den inneren Flügeln der 35. und 26. Inf.-Div.“

aus: „Die 26. Infanterie-Division im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1927

Sonntag, 28. Dezember 2014

28. Dezember 1914


„Am 26. wurde das Regiment 122 nach Dembsk als Divisionsreserve zurückgenommen, aber schon am 28. morgens wieder an der Bahnlinie eingesetzt. Jetzt endlich war es erreicht, daß die Bataillone der Regimenter 121 und 122 nicht durcheinander gemischt eingesetzt wurden. Das Füsilier-Regiment verschanzte sich mit dem II. Bataillon einige hundert Meter östlich der Dofgruppe Zylin–Mizerka. Der Russe lag 500 Meter entfernt in gut ausgebauten Gräben und feuerte sehr lebhaft. Rechts vom II. Bataillon lagen die 176er auf gleichr Höhe, links das III. Bataillon 121. Das I. Bataillon des Füsilier-Regiments war in das Waldstück an der Bahnlinie westlich Mizerka als Brigadereserve gezogen, das III. auf Befehl der Division noch in Dembsk belassen worden (Stellungs-, Bereitschafts-, Ruhebataillon).“

aus: „Das Füsilier Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Samstag, 27. Dezember 2014

27. Dezember 1914


„Am 25. und 26. Dezember versuchte der Feind seinen kleinen Erfolg auszubreiten, um die vorspringende Ecke des Dorfes La Boisselle abzuzwicken. Die Angriffe scheiterten. Andererseits führte der am 27. 12. eingeleitete Gegenangriff des durch Pioniere verstärkten R.I.R. 120, wobei der Granathof vorübergehend genommen wurde, zu keinem dauernden Erfolg. Der tapfere Kompaniechef der 4. Pionierkompanie Hauptmann Neininger fand hierbei den Heldentod.“

 
 
aus: „Die 26. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1939

Freitag, 26. Dezember 2014

26. Dezember 1914


„Der Morgen des 26. dämmert herauf. Leichter Nebel liegt auf den Feldern, doch dicht genug, um die Franzosen bis ans Gaishag herankommen zu lassen, ehe sie bemerkt werden können. Auch den Bahndamm haben sie zwischen Bahnhof Aspach und Bahnwarthaus Michelbach überschritten und 500 Meter vor unserer Stellung sich einzugraben begonnen. Als der weichende Nebel ihre Umrisse zeigt, setzen sie zum Sturm an. Da schlägt ihnen ein mörderisches Feuer aus den Stellungen zu beiden Seiten der Straße am Ausgang von Niederaspach entgegen, wo die 14. Kompagnie durch 2 Züge der 9. verstärkt worden war. Die Franzosen erleiden starke Verluste. 40–50 Tote mit aufgepflanzten Bajonetten liegen noch lange vor unsern Stellungen. Was dem Feuer nicht zum Opfer fällt, kriecht zum Bahndamm zurück.

Als der Nebel gegen 9 Uhr sich verzogen hat, setzt die feindliche Artillerie ein. Vor allem gilt ihr Feuer den Stellungen um die Kirche und dieser selbst, die am Ortsrand gegen den Michelbacher Wald zu liegt. Anschaulich schildert Oberleutnant Feucht (9. L. 119) die Geschehnisse in seinem Tagebuch. Der Bericht, der unter dem Eindruck der Erlebnisse selbst niedergeschrieben ist, gibt ein klares Bild der Vorgänge und der seelischen Wirkungen dieser Kämpfe, die zum Schwersten gehörten, was wir damals erlebt hatten. „Um 12.30. kam Meldung von den Gräben um die Kirche und die Bitte um Unterstützung gegen die vorgehenden Franzosen. Major Hofacker schickt mich hinaus, um ein klares Bild von der Lage zu gewinnen und die Besetzung dort zu regeln. Ich eile mit einer Gruppe des 2. Zuges und dem Gefreiten Beck zur Kirche und an den linken Flügel der dortigen Stellung. Hier ist Unteroffizier Horn von der 14. in übler Lage. Von seinen Leuten sind noch 2 bei ihm, 2 liegen tot da, die andern sind verwundet. Drüben hinter einer Bodenwelle, etwa 400 Meter vor uns, liegt der Feind. Einzelne Schüsse kamen herüber und werden erwidert. Ich lasse meine Gruppe hier und eile mit dem Gefreiten Beck weiter durch den äußerst engen Graben. Der 1. Zug der 14. ist hier und ein Maschinengewehr. An der Ecke der Stellung, bei den Hecken, treffe ich Feldwebelleutnant Alber von der 9. Kompagnie und Süßkind mit Leuten der 15., die hier eingeschoben waren. Die Batterie, die uns beschießt, steht nach Ansicht der Leute im Kreuzwald nahe beim Bahnhaus Michelbach. Da sie gerade schweigt, kann ich’s nicht beobachten. Im nördlichen Grabenteil vor dem Pfarrhaus finde ich meinen alten Zug der 14., mit dem 1. Zug der 9. vermischt, vor. Die Leute haben eine riesige Freude, mich hier zu sehen. Von dieser Stelle aus kann ich die toten Franzosen deutlich sehen. Da die Besetzung hier zu dicht ist, schicke ich den ersten Zug der 9. unter Leutnant Koch auf den schwach besetzten linken Flügel. Dann zurück aufs Bataillon zur Meldung! Die Beschießung geht inzwischen weiter, sie wird immer heftiger. Die Läden müssen geschlossen werden, damit die Scheiben nicht springen. Wieder kommen Hilferufe aus dem Graben bei der Kirche, die andern Teile der Stellung haben nicht zu leiden. Also muß ich wieder hinaus. Ich nehme den Rest des 2. Zuges der 9. Kompagnie mit vor. Die Hälfte der Mannschaft schicke ich durch die Höfe und Gärten durch die Obergasse, die andern nehme ich mit mir die Hauptstraße entlang. Im Schutz der Kirchenmauer wollen wir uns treffen. Von dort sollen die Leute auf den Graben verteilt werden. Verwundete kommen uns vom linken Flügel entgegen, den ich vor einer Stunde frisch aufgefüllt habe. Wir kommen ohne Verluste an der Kirche zusammen. Da es augenblicklich ruhig ist, will ich rasch mit einer Gruppe in den Friedhoflaufgraben. Ich gehe voraus, der nördlichen Kirchenwand entlang, die mich gegen die Batterie vom Kreuzwald her deckt. Die Leute folgen in Reihe hinter mir.

Plötzlich – ist’s ein Schlag oder ein Druck? – ich finde mich wieder, mit dem Rücken an die Kirchenwand gelehnt, den Nachhall einer mächtigen Erschütterung im Ohr. Um mich Rauch, Qualm, Staub. Der Platz ist leer. Oder seh‘ ich rasch um die Ecke noch Gestalten verschwinden? Jetzt sehe ich neben mir am Boden zwei Leute, gekrümmt, regungslos, leise wimmernd. Daneben umgestürzte, zersplitterte Grabsteine. Ein paar Schritt davon liegt ein Mann, ebenso regungslos. Ich sehe das alles ohne klares Empfinden. Teilnahmslos sehe ich die Mauer vor mir zusammenbrechen. Schlag auf Schlag. Ins Pfarrhaus reißt’s ein gewaltiges Loch, Kreuze stürzen dicht vor mir, vom Kirchdach fallen Steine und Ziegel. Wieder ein Schlag in nächster Nähe; Mörtel und Mauerschutt überschüttet mich. Irgend woher, hoch durch die Luft, wirbelt etwas zu mir her und fällt neben mir zu Boden. Es ist ein abgerundetes Stück Lederpappe mit dem Namen des Optikers Früngel-Stuttgart in Goldbuchstaben. Es muß von der Innenseite eines Fernglastaschendeckels stammen, das irgend ein Kamerad im Graben drüben 40, 50 Schritt von mir trug. Das rüttelt mich auf. Ich sehe, daß ich dicht neben der Kirchentüre stehe, aus der jetzt ein Unteroffizier mir winkt. Ich nicke ihm zu. Das Wimmern ist verstummt, die beiden haben ausgelitten. Des einen Gewehr ist in der Mitte zerbrochen, dem andern fehlt ein Stiefel, ein Fuß. Ich eile zurück hinter den Kirchturm. Noch einer liegt dort an einem Grabstein, sein eines Bein ist am Knie ein blutiger Stumpf. Ein paar Verwundete helfen sich fort, so gut es geht, die Krankenträger eilen zur Hilfeleistung herbei.

Hinter der Kirche finde ich den Rest der Leute, der Schrecken ist ihnen deutlich anzusehen. Auf der Südseite der Kirche ist’s im Augenblick ruhig. Also die Leute durch den Friedhof zum Laufgraben geführt! Auf der Nordseite der Kirche schlägt wieder Lage um Lage ein. – Unsere Leute liegen im langsamen Feuergefecht gegen die Linien drüben im Feld. Ich komme gerade recht, um zu sehen, wie drüben vom Wald Verstärkungen kommen und die feindliche Feuerlinie verlängern. Unsere Leute schießen schneller, das Maschinengewehr, das in unserer Nähe im Graben eingebaut ist, tritt in Tätigkeit. Drüben flutet’s zurück in den Wald, manche bleiben liegen. Ich gehe weiter nach links, um dort nachzusehen. Eine Granate wirft ein Stück des Grabens ein und deckt einen Unteroffizier zu, neben dem ich eben noch stand. Drüben versuchen sie es jetzt auf andere Weise. Einzeln, ein Mann nur jeweils, kommen sie aus dem Wald und rennen in die Linie vor. Bald vergeht uns das Schießen auf den Waldrand, aus dem sie drüben vorbrechen. Granate um Granate sucht unsern Graben zu fassen. Wieder und wieder das scharfe peitschende Zischen, dumpfer Schlag im Boden oder heller betäubender Knall und hochaufspritzendes Erdreich, schwarzgelber Qualm und stechender Rauch. Lage auf Lage saust zu uns herein. In der kurzen Pause nach den 4 Schüssen muß es reichen bald zu einem Blick hinüber zu der feindlichen Infanterie, bald zu einem Wort an die eigenen Leute. Wir ducken uns, hilflos, wehrlos dem Verderben preisgegeben. Wenn doch unsere Artillerie endlich eingreifen würde! Tote und Verwundete gibt’s. Ein Unteroffizier sinkt neben mir lautlos zusammen, Granatsplitter im Kopf. Dort wird einem der ganze Kopf weggerissen, einem andern reißt’s den Unterkiefer weg. Alber arbeitet sich zu mir durch, er ist erschüttert, seine Leute sind ganz verzweifelt, denn der Graben, der bei ihnen im rechten Winkel abbiegt, wird der ganzen Länge nach vom Granatfeuer dauernd aus der Flanke bestrichen. Die Leute kann man aus ihrer Hölle nicht zurückziehen; der Graben ist ganz schmal und noch nicht ausgebaut, nirgends in der Nähe kann man die Leute unterbringen. Und drüben auf 400 Meter liegt der Feind und lauert, ob wir sturmreif sind. Lage um Lage saust auf uns nieder!

Langsam, unendlich langsam verrinnt die Zeit. Hin und wieder können wir aufatmen und hinübersehen, wie die Kirche hinter uns ganz in Rauch und Staub verschwindet, ein Stück um das andere vom Dach und Turm herunterbröckelt. Ein schwacher Trost, daß offenbar nur Feldbatterien schießen. Dann werden wir selbst wieder zugedeckt. Hier tönt lautes Jammern eines Getroffenen, dort dringt in meiner Nähe hinter einer Erdmauer ununterbrochen lautes Beten zu mir her. Mehr als einmal prasseln abgeschlagene Äste, fallen Eisenteile und Erde auf mich nieder. Warten müssen, den Kerl da drüben nicht am Kragen packen können, warten müssen, die Zähne zusammenbeißen, bis der Tod kommt oder die gräßliche Verstümmelung! Stunde um Stunde vergeht. Endlich, endlich läßt das Feuer nach, werden die Lagen seltener. Es ist ½5 Uhr geworden, der Tag geht zu Ende.

Vorsichtig richten wir uns auf. allmählich kehrt der frohe Mut wieder. Es bleibt ruhig. Kommt jetzt der letzte Anlauf der feindlichen Infanterie? Doch vom Feind zeigt sich nichts neues, er scheint fürs erste genug zu haben. Als es dämmert, kommt der 3. Zug der 9. Kompagnie zur Entlastung. Wie freut man sich, sich wiederzusehen! Nun kann ich’s wagen, aus dem Graben zu steigen und mich umzusehen. Der Laufgraben ist an mehreren Stellen völlig verschüttet. Im Friedhof liegt ein wüster Haufen von Grabsteinen, einzelne Gräber sind aufgewühlt, die gegen die Franzosen deckende Mauer ist völlig verschwunden, das große Eisentor ist ein wirrer Knäuel. Am linken Flügel sind 2 Unterschlüpfe völlig zusammengeschossen, der Graben völlig verschüttet. Da liegt Vizefeldwebel Süßkind tot und starr. Seine Beförderung zum Offizier hatte ihn nicht mehr lebend erreicht. Krankenträger kommen und suchen die Gräben ab. Stabsarzt Dr. Bingel sucht zu helfen wo er kann, kriecht in den engen Gräben umher, um die erste Hilfe selbst zu bringen. Sie finden reiche Arbeit. Wir stehen im Graben, aufgerüttelt bis ins Innerste bei so viel Elend, das wir um uns sehen und jeder sucht vor dem andern die hellen Tränen zu verbergen, als die Toten und schwerverwundeten Kameraden fortgetragen werden. Insgesamt fielen hier auf dem engen Platz um die Kirche 12 tot, 40 verwundet aus.

Nun waren die Anordnungen für die Nacht zu treffen. Der Graben mußte instandgesetzt und scharfe Wacht gehalten werden. Geschützte Räume gibt’s nicht mehr, so muß alles im Graben liegen bleiben.

Auf einmal ist beim Gegner drüben Bewegung zu beobachten. Der Vollmond steht am Himmel. Mit dem Glas kann man eine Menschenreihe feststellen, die sich auseinander zieht. Der Aufstellung nach scheinen sie schanzen zu wollen. Täuschen wir uns nicht? Man glaubt Stimmen zu hören, ärgerliche, widersprechende. So, als ob die Leute mit der Anordnung nicht zufrieden wären. Und nach ein paar Minuten verschwinden sie alle im Walde wieder.

So vergehen die Stunden der Nacht. Da kommt endlich die langersehnte Ablösung. 3 Schwadronen des Saarburger Ulanen-Reg. 15 übernehmen die Stellungen. Sie waren bei Ypern gewesen und waren die Sache schon eher gewohnt. Die 9. Kompagnie kam nach Oelenberg, die 10. und 14. nach Schweighausen in Reserve.““
 
 

aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Donnerstag, 25. Dezember 2014

25. Dezember 1914


„Am Morgen des 25. waren auf der ganzen Linie beim Gegner lebhaftere Bewegungen bemerkbar, insbesondere suchten seine Patrouillen überall nahe an unsere vordersten Linien heranzüfühlen. Auf dem linken Flügel beobachtete man 6 Kompagnien auf dem Marsch von Rodern nach Oberaspach. Um 12 Uhr mittags an diesem windigen und kalten Weihnachtsfest, gingen starke feindliche Schützenlinien vom Westausgang von Oberaspach auf den Bahnhof Aspach und die Bahnlinie vor. Auch am Bahnwarthaus im Michelbacher Wald zeigten sich starke Abteilungen. Alle diese Schützenlinien nähern sich in sehr weiten Abständen dem Bahndamm. Die Stärke schätzt man auf ungefähr 10–12 Kompagnien. Es hat zuerst den Anschein, als wolle der Gegner gegen das Ochsenfeld vorstoßen. Eine Offizierspatrouille der 1. Kompagnie, die dort liegt, wird zur Aufklärung gegen den Bahndamm vorgetrieben. Sie stellt die Angriffsmaßnahmen des Gegners fest, ihr Führer, Leutnant Weitbrecht, wird dabei schwer verwundet.

Um ¾1 Uhr setzt nun schlagartig die französische Artillerie mit allen Kalibern auf der ganzen Linie ein. Niederaspach brennt bald an 3 Stellen, in der Idiotenanstalt steht die Turnhalle in Flammen. Die 9. und 10. Kompagnie wird nach Niederaspach vorgezogen und erreicht den Ort glücklich, trotz des lebhaften Infanterie- und Schrapnellfeuers, das auf sie niederfegt, als sie deckungslos über die Wiesen zwischen Schweighausen und Niederaspach in dünnen Schützenlinien hinweggehen muß. So steht um 1 Uhr mittags das ganze Regiment in vorderster Linie kampfbereit.

Verfolgen wir zuerst die Kämpfe auf dem nördlichen Teil, im Raum von Uffholz–Sennheim. Hier liegt das Artilleriefeuer am stärksten auf Steinbach, wo die 8. Kompagnie eingesetzt ist und auf den Höhen zwischen Steinbach und Uffolz, wo die 5. Kompagnie steht. Diese hatte noch am Morgen unter Anleitung einer kleinen Pionierabteilung mit Unterstützung einer Arbeiterkompagnie die Stellung ausgebaut und verstärkt. Da geht der Gegner um ½3 Uhr mit seiner Infanterie zum Angriff über. Breite Schützenlinien laufen gegen Steinbach und die Höhen vor Uffholz an. Ihre Artillerie hämmert auf die deutschen Linien. Bis auf 500 Meter kommen sie auf den Höhen heran und graben sich unter dem Schutze ihrer ratternden Maschinengewehre ein. Die 3. Kompagnie hatte die Linien der 5. verstärkt und nach rechts verlängert. Über die Weinberge von Sennheim war sie im heftigsten Granat- und Schrapnellfeuer zur Unterstützung der schwer bedrängten 5. Kompagnie herangekommen. Zwischen beiden wurden noch 1½ Züge der 3. Kompagnie des zur Verstärkung herangezogenen Landsturmbataillons Mannheim eingesetzt. So gelang es dem weiteren Vordrängen der Franzosen hier einen Riegel vorzuschieben, der Gegner erlitt in unserem Infanteriefeuer erhebliche Verluste, sein Angriff stockte.

Auch vor Steinbach ging es ihm nicht anders. Aus der Richtung Schletzenburg und Hirnlesstein ging er hier mit mehreren Zügen in losen Schützenlinien vor. Die 8. Kompagnie nimmt ihn unter Feuer, in dem sein Angriff zusammenbricht.

Auf der Höhe 425 versuchen feindliche Schützenlinien in Stärke eines Bataillons am Nordabhang der Höhe gegen die Stellungen der 6. vorzugehen. Der Franzmann glaubt mit seiner Artillerie die Deutschen erledigt zu haben. Da schlägt ihm wider Erwarten kräftiges Feuer entgegen, aus der Flanke schießen Teile der 8. in sie hinein und mit großen Verlusten fluten die Franzosen in die Wälder zurück.

Die Stellungen am Südhang der Höhe 425 und im Thur-Tal griff der Gegner an diesem Tage mit Infanterie nicht an, während er dafür sein Artilleriefeuer äußerst heftig auf diesen Teil niedergehen ließ. Die dort liegende 4. Kompagnie zog ihre 3 Züge nach dem vordersten Gebäude vor. „Kleine Gebirgsgeschütze, Feldgeschütze und schwere Batterien wetteifern“, heißt es in einem Feldpostbrief, „miteinander, die Häuser unserer Fabrik zu einem Schutthaufen zusammenzuschießen und unsere Schützengräben, die wir den ganzen Tag besetzt hielten, einzuebnen. Wir haben den Verlust manches braven Landwehrmannes zu verzeichnen. Unsere wiederholt während des Gefechts instandgesetzte Telephonleitung war inzwischen wieder abgeschossen, so daß jede rückwärtige Verbindung ausgeschlossen war, umso mehr, als eine Überbringung von Meldungen durch Gefechtsordonnanzen wegen des tollen Schrapnellhagels fast unmöglich geworden war. Als gegen Abend die Franzosen auf 425 vorgehen, kann unser rechter Flügel sie aus der Flanke unter Feuer nehmen. Zugleich wurde das Schwächerwerden des feindlichen Artilleriefeuers von uns dazu benützt, unsere Toten und Verwundeten aus den Gräben herauszutragen und zurückzuschaffen. Ein Zug hielt über Nacht unsere Gräben besetzt, während die beiden anderen in den zusammengeschossenen Gebäuden ein notdürftiges, wenn auch feuchtes Nachtlager fanden. Die Räume stehen teilweise unter Wasser. Auf Kisten und Brettern hocken die Leute herum, das Gewehr schußbereit im Arm. Die Verpflegung erfolgte in der Hauptsache aus den Weihnachtspaketen. Spät in der Nacht gelingt es den braven Feldküchen, sich bis zu den Baudryfabriken vorzuarbeiten und ihr warmes Essen an die Mannschaft zu verteilen.“ Mit Einbruch der Nacht wird die 7. Kompagnie, die den Tag über in den Schützengräben um Sennheim in ebenso heftigem Artilleriefeuer lag, herausgezogen und zum Schutze der rechten Flanke des Regiments nach Uffholz herübergeworfen. Sie besetzte sämtliche Ausgänge diese Ortes und stellte die Verbindung mit der Höhe gegen Steinbach durch Patrouillen her. Um Mitternacht wurde sie durch eine Kompagnie des Inf.-Reg. 25 verstärkt, die die seither vorhandene Lücke zwischen diesen beiden Regimentern schloß.

Gegen 7 Uhr abends versuchte der Gegner noch einmal seine Infanterie auf der Höhe von Uffholz und Steinbach vorzutreiben und dort Schützengräben auszuheben. Er wurde aber durch das lebhafte Feuer der 3. und 5. Kompagnie wieder zurückgetrieben. Bei diesem Kampf wurde der kleine Scheinwerfer, der so viel treue Dienste getan, von den Franzosen zerschossen.

Während der Nacht feuerte die feindliche Artillerie ununterbrochen auf Sennheim, Uffholz und Umgebung, insbesondere auf die Zufahrtsstraßen. Wiederholt versuchten feindliche Patrouillen vorzufühlen, namentlich auf 425, aber jedesmal ohne Erfolg. In der Nacht kam noch die 3. und 4. Kompagnie des Landw.-Inf.-Reg. 40 zur Unterstützung und wurde auf 425 und in Steinbach eingeschoben. Außerdem kam in der Nacht das Inf.Reg. 25 in Wattweiler an, um den Gegner am nächsten Tage aus seinen neu eingenommenen Stellungen östlich der Herrenfluh am Waldrand gegen Steinbach und Wattweiler zu vertreiben. Das I. und II. Bataillon trat noch in derselben Nacht unter den Befehl von Oberst v. Strantz und sollte den Angriff des Regiments 25 in der Front unterstützen.“

 
aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923
 
 

Ausschnitt aus „Karte des Deutschen Reiches 1:100 000 West“, Blatt 642 Gebweiler
 

Mittwoch, 24. Dezember 2014

24. Dezember 1914


„Um diese Zeit begannen die Franzosen gegen La Boisselle Kaliber zu verwenden, wie sie bisher im Feldkrieg noch nie dagewesen waren. In ihrem Feuer brachen die Kellerdecken, die leichten Unterstände zusammen, die Verluste schwollen wieder mächtig an. Das heißt, im Vergleich zum feindlichen Munitionseinsatz blieben sie an den meisten Tagen recht gering, aber das Höllenfeuer dauerte ja fort, Tag für Tag, und da summierten sich die Verluste fürchterlich.

Am 24. Dezember, nach vierstündigem Trommelfeuer aller Kaliber, erfolgte ein französischer Sturm auf den Granathof. Er fiel in des Angreifers Hand. Als aber der Franzmann auch in das Dorf eindringen wollte, da warfen sich ihm die Reste der 4., 5. und 8./R. 120 entgegen. Im Bajonettkampf, ja mit Kolben und Fäusten rangen Schwaben und Bretonen, die Franzosen mußten wieder weichen. Ein deutsches M.-G., das schon völlig zertrümmert und bis zur Unbrauchbarkeit zerschossen war, versuchte der Feind als Trophäe zu erbeuten. Der Kampf um diese fast wertlose Waffe wurde zur heiß umstrittenen Ehrensache. Das Gewehr blieb in deutscher Hand.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Dienstag, 23. Dezember 2014

23. Dezember 1914

Gottlob Mündler wurde mit der Württembergischen Verlustliste Nr. 105 vom 1. Februar 1915 als verwundet gemeldet. Mit Württembergischer Verlustliste Nr. 415 vom 10. Juli 1916, also eineinhalb Jahre später, wurde er als vermißt gemeldet. Zum gegenwärtigen Stand meiner Nachforschungen – Württembergische Verlustliste Nr. 700 vom 13. September 1918 – war über das Schicksal von Gottlob Mündler immer noch nichts bekannt.

Montag, 22. Dezember 2014

22. Dezember 1914


„Tödliche Verwundung des Oberarztes Dr. Locher

Bei der 5. Batterie waren Verluste eingetreten. Eben war Dr. Locher von den Feuerstellungen zurückgekommen. Keinen Augenblick besann er sich, den gefährlichen Weg noch einmal zu machen. Im Straßengraben pirschte er sich vor. Das ganze Gelände lag unter Strichfeuer. Der Mond beschien hell die beschneite Gegend und ließ jede Bewegung weithin erkennen. Da die Verwundeten in der Batterie keinerlei Deckung fanden, wurde beschlossen, sie zurückzuschaffen. Doch der Russe erkannte die kleine Abteilung sofort und eröffnete das Feuer auf sie. Einem der ersten Schüsse fiel Dr. Locher zum Opfer. Oberstabsarzt Dr. Mann ließ den halbseitig Gelähmten auf den Verbandplatz bringen. Dort hieß es Abschied nehmen von dem lieben Menschen und im ganzen Regiment hochgeschätzten Arzt. Eine Woche später erlag er im Feldlazarett seiner schweren Verwundung.“

aus: „Das 2. württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Samstag, 20. Dezember 2014

20. Dezember 1914


„20. Dezember. Marschbereit in Demsk, Patrouillen und Posten wie vor. Vormittags anhaltendes Schrapnellfeuer auf Demsk.

1 Uhr nachmittags schweres Granatfeuer. Hier begab es sich, daß einer der Offiziere des Stabs sich eben auf einen Stuhl niedergelassen hatte und von dem nicht nur als Kriegsmann, sondern auch als Friseur bewährten Gefreiten Riedinger der 1. Eskadron gerade fertig eingeseift war, als ein sonderbares, klatschendes Geräusch im Hof ertönte. Riedinger streckte seine Nase durch das Fenster hinaus, stellte eifrig fest, daß es sich um einen blindgegangenen sogenannten Handkoffer handelte und rief nur noch: „Ich mein‘ als, Herr Stabsarzt, ‘s isch gscheiter, mer lends“, woraf dann beide sich dem nunmehr unvermeidlich gewordenen Abmarsch des Regiments anschlossen. Postierungen und Patrouillen wurden belassen. 5 Uhr abends traf das Regiment in Swarocin ein.“
 
 

aus: „Bilder aus der Geschichte des Ulanen-Regiment König Wilhelm I (2. Württ.) Nr. 20“, Stuttgart 1934

Freitag, 19. Dezember 2014

19. Dezember 1914


„In der Nacht vom 18./19. Dezember brachen die Russen beim Nachbarregiment mit gewaltsamem Gegenangriff durch. Die 12. Kompagnie führte der Unteroffizier Müller aus Besigheim; sie ließ den Feind nicht heran. Doch plötzlich sah sich Müller in Flanke und Rücken seiner Kompagnie bedroht. Kutz entschlossen ließ er kehrt machen und schlug sich durch energisches Draufgehen durch, den Russen hierbei noch schwere Verluste zufügend. Kaum von neuem in Stellung, benützte er die erste Gelegenheit, am andern Tag in flottem Gegenangriff wieder seine alte Stellung zu erobern. Von der 9. Kompagnie sehen wir an anderer Stelle den Musketier Frenz, als er eben der Bzura zuspringen wollte, mit schwerem Arm- und Brustschuß liegen. Das feindliche Feuer nicht achtend, eilt ihm der Gefreite Brodowsky derselben Kompagnie zu Hilfe, kniend verbindet er ihn und zieht ihn mit Unterstützung eines Kameraden bald kriechend, bald kniend vorwärts in eine Mulde, bis sie glücklich in Deckung gelangen und mit Einbruch der Dunkelheit den Verwundeten bergen können.

In der wackeren M.-G.-K. befand sich der Unteroffizier Laub aus Pflugfelden. Er sieht, wie vier Russen ein M.-G. zurückziehen. Auf die Frage des Kompagnieführers: „wer holt es?“ springt er mit seinem Kameraden Wolfangel aus Ettingen und Ziegler aus Pflugfelden vor, worauf die Russen, die aufgepflanzten Seitengewehre sehend, flüchten. Nicht weit vom feindlichen Graben kommen sie glücklich in den Besitz des M.-G. und schaffen es bei Dunkelheit, hocherfreut über ihre Tat, zurück.

Ein andermal gelang es der russischen Übermacht – es war das einzige Mal – ein M.-G. zu entreißen. Alle Schützen hatten ihre Pistolenmunition verschossen. Der Schütze Gaiser wird erstochen, Baur I verwundet, Böhringer durch einen Stich in die Hand kampfunfähig, die andern überwältigt, an Händen und Beinen gepackt und gefangen. Aber nicht lange! Nicht umsonst hat der Kompagnieführer im Frieden seine Leute zu schnellem Entschluß erzogen; sie benützen den ersten Moment, sich durchzuschlagen und kehren wohlbehalten zurück. Dem braven Schnaufer aus Eglosheim und Unteroffizier Maier aus Backnang war es inzwischen gelungen, das zweite Gewehr zu retten, sogar den liegengebliebenen Dampfablaßschlauch aus dem schon vom Feind besetzten Graben wiederzuholen.

Wieder an anderer Stelle griffen die Russen am 19. früh morgens unsere Gräben an und begannen sie teilweise schon mit Erfolg aufzurollen. Während noch in der Front gekämpft wurde, erscheint der Feind im Rücken. Da sehen wir Teile der 6. Kompagnie aus dem Graben heraus im Kampf, mit dem Bajonett sich den Weg schaffend, um sich aus der unglücklichen Lage zu befreien. Inzwischen hat ein Reservezug dieser Kompagnie einen Keil gebildet, um die Anstürmenden blutig abzuweisen. Mutig steht ein Unteroffizier – sein Name ist nicht mehr bekannt – auf einem Sandhügel vor der Artillerie und sammelt mit mächtiger Stimme seine Kameraden, mit ihnen eine schützende Mauer für die Artillerie bildend. Mehrere Salven und starkes Feuer genügte zur eiligen Flucht der Feinde.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 18. Dezember 2014

18. Dezember 1914


„Am Abend des 17. wurde von der Division befohlen, daß in der Nacht die Infanterie durch die Pionier-Kompanie 13 überzusetzen und gleichzeitig eine Pontonbrücke bei Kozlow Szlachecki zu bauen sei. Das III./122 wurde als erstes zur Sicherung des Übersetzens und des Brückenschlags in Pontons auf das jenseitige Ufer gefahren. Hier stellte sich das Bataillon im Halbkeis um die Brückenstelle auf. Eine feidliche Patrouille, die von Norden her durch Feuer das Übersetzen stören wollte, wurde verjagt.

Im Anschluß an das III. Bataillon ging gegen 1 Uhr nachts das II. über den Fluß. Dieses Bataillon rückte rechts vom III. Bataillon in die Gegend nördlich Tyzinogi vor. Die Russen schienen bis zur Bahnlinie bei  Kenszyce zurückgewichen zu sein. Das I. Bataillon blieb vorerst noch als Regimentsreserve auf dem westlichen Ufer. Weiter links hatte Alt-Württemberg die Bzura überschritten.

Es hatte am frühen Morgen des 18. Dezember 1914 ganz den Anschein, als ob sich die russische Front tatsächlich im Rückzug befinde und man es immer wieder nur mit schwachen Nachhuten zu tun habe, wenn sich irgendwo ein Widerstand bemerkbar machte. Das Übersetzen der ganzen Brigade war ohne ernstliche Störung durch den Feind durchgeführt worden. Die vorfühlenden Patrouillen stellten zunächst nur russische Postierungen an der Bahn fest, die 1800 Meter östlich der Bzura von Norden nach Süden führte.

Durch das Übersetzen war leider wieder ein Vermischen der Verbände eingetreten. Unmittelbar links vom II./122 lag am Morgen des 18. Dezember das III./121 unter Oberleutnant Aigner. Das III./122 hatte in den frühen Morgenstunden den Auftrag erhalten, die nordöstlich von Kozlow Szlachecki liegenden Waldstücke zu durchsuchen und vom Feind zu säubern. Das Bataillon mußte dadurch weiter nach Norden rücken und wurde deshalb nachmittags dem Infanterie-Regiment 121 unterstellt, während dafür das links vom Bataillon Niebur liegende III./121 unter das Kommando des Oberst von Triebig trat. Der ganze Brigade-Abschnitt teilte sich so wieder einmal in einen nördlichen „Abschnitt von Gais“ und einen südlichen „Abschnitt von  Triebig“

In den späten Vormittagsstunden verdichtete sich der feindliche Widerstand am Bahndamm merklich. Es war jetzt deutlich zu erkennen, daß der Gegner von Osten her Reserven erhalten hatte. Um 1.15 Uhr nachmittags befahl die 52. Infanterie-Brigade den Angriff gegen die russische Stellung. Trotz der geringen eigenen Artilleriewirkung stürmten die Bataillone über den Bahndamm hinaus und machten viele hundert Gefangene. Allein derr Russe verfügte über sehr große Reserven und setzte gegenüber dem Abschnitt v. Gais (besonders vor der Front des III./122) und auch gegen das III./121 zu einem mit großen Massen geführten Gegenangriff ein, der ihm wieder den Besitz der Bahnlinie brachte. Die Bataillone hielten sich jedoch einige hundert Meter westlich der Bahn und gruben sich an den Waldrändern ein. Das II./122 auf dem rechten Flügel des Abschnitts von Triebig lag starkem Feind in Kenszyce gegenüber, war aber nicht angegriffen worden. Das I. Bataillon war seit dem frühen Morgen nach Tyzinogi als Reserve vorgezogen.

Diese am Nachmittag entstandenen Stellungen wurden bis zum 19. Dezember morgens gehalten. Da kam ein zweiter Russensturm von Nordosten her.“



aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 17. Dezember 2014

17. Dezember 1914


„Langsam vergingen den beiden Bataillonen bei Ovillers die Monate Oktober und November. In ewig gleicher Einförmigkeit verflossen die Tage und bleierne Langeweile begann zu drücken. Auch der Dezember schien nichts Neues zu bringen. Wohl hörte man von allerlei Gerüchten der Etappe, las von Durchbruchsversuchen, die die französischen Zeitungen verkündigten und sah nach dem Turm der Kathedrale von Albert, der immer noch stand und französische Artilleriebeobachter trug. Die Nachbarregimenter meldeten Bewegungen und Truppenansammlungen hinter Albert. Die Heeresleitung mahnte zur Wachsamkeit. Aber nichts Besorgniserregendes war zu erkennen. Da setzte am 14. Dezember nachmittags heftiges Artilleriefeuer auf Ovillers, besonders die Stellungen des II. Batl. ein und wütete am 16. Dezember von morgens bis abends. Schwer litt die 6. Kompagnie am Westrand des Dorfes. Als es dunkel wurde, bemerkte eine Patrouille unter Unteroffizier Böcker, wie 30 bis 40 Franzosen mit Bündeln in der Hand in einem Kleeacker zwischen den Linien vorgingen. Einige Artillerieschüsse vertrieben den Gegner. Aber Böcker, nun mißtauisch geworden, durchstreifte das Zwischengelände immer wieder. Die Franzosen waren auffallend unruhig, sprachen, schanzten und lärmten, so daß man den Eindruck gewann, es bereite sich etwas Außerordentliches vor. Das Regiment befahl daher erhöhte Gefechtsbereitschaft. Gegen 2 Uhr morgens bemerkte ein Horchposten der 6. Komp., der 200 Meter vor der Stellung in einem Loche lag, wie 8–10 Franzosen 50 Meter vor ihm schanzten und gab Feuer. Es klirrte, wie wenn Stahl auf Stahl schlägt. Da schlichen die Leute des Postens in die Flanke des Gegners und schossen abermals. Hell schrie einer auf und die Franzosen zogen sich eilends zurück. Patrouillen stießen nach, fanden Schutzschilde und merkwürdige, auf Rädern laufende, bis 4 Meter lange Holzgestelle, die ausgehöhlt und mit Sprengpatronen gefüllt waren. Pioniere stellten fest, daß es Minen zum Sprengen der Hindernisse waren. Nun war klar, daß der Angriff bevorstand. Als der Morgen des 17. Dezember anbrach, war das ganze Regiment gefechtsbereit.

Gegen 7 Uhr hörte man bei Thiepval Gefechtslärm. Kurz darauf tauchten vor der Stellung der 8. Komp. die Franzosen in geschlossenen Kolonnen auf. Infanterie und Maschinengewehre eröffneten sofort das Feuer, das von rechts durch die 5. Komp. flankierend unterstützt wurde. Ganze Reihen wurden von den dichten Geschoßgarben niedergemäht; aber immer neue Massen wälzten sich aus dem Grund vom Authuiller Wald herauf. Die Wucht des ganzen Angriffs war auf das II. Batl. gerichtet. Der weit vorgeschobene Baumposten der 7. Komp. war in Gefahr, abgeschnitten zu werden und zog sich zurück. Sofort setzten sich die Franzosen darin fest. Auch vor der 6. und 7. Komp. wurde es lebendig; aber kaum überschritten die vordersten Schützen die Höhe von Ovillers, so prasselten ihnen aus dem Schützengraben der beiden Kompagnien Kugeln entgegen. Die 4. Kompagnie und Teile des Res.-Reg. 120 an der Steinbruchstellung bei La Boisselle griffen von links her in den Kampf ein. Schlagartig setzte das Feuer der Artillerie, die am Südwestrand von Pozières auf das verabredete Zeichen gewartet hatte, ein und schob einen Feuerriegel vor die feindlichen Gräben und hinter die Angreifer. Es war Wahnsinn, gegen diesen Feuerwall anrennen zu wollen. Das Feld bedeckte sich mit Toten und Verwundeten. Wer fliehen konnte, floh. Die andern warfen die Waffen weg und gaben sich gefangen. Aber im Baumposten, der vorgeschobenen Feldwache, zu der ein langer Laufgraben führte, saßen die Franzosen dicht massiert. Ein Gegenstoß, der versucht wurde, kam nicht über den Graben hinaus. Da wurden Maschinengewehre in erhöhte Stellung gebracht. Die Haubitzen jagten ein paar Granaten in das Grabenstück und nach wenigen verheerenden Schüssen ergab sich die Besatzung. 293 unverwundete und 56 verwundete Gefangene wurden eingebracht und viele Waffen und Ausrüstungsgegenstände erbeutet. Ein feindlicher Angriff um Mitternacht auf den Baumposten mißlang aufs neue. Grauenvoll sah es vor der Front des Regiments aus. In Haufen und Reíhen, wie sie der Tod beim Anmarsch hingeworfen hatte, lagen die Gefallenen da. Verwundete schrien um Hilfe. Mitleidig versuchten die Schwaben zu helfen. Aber Gewehrfeuer aus dem französischen Graben trieb sie zurück. Tagelang hörte man noch das Wimmern der Sterbenden. Fünf französische Regimenter waren zum Angriff auf Ovillers versammelt worden, die Regimenter 19, 116, 118, 215 und das 41. Kolonialregiment. An 500 Tote lagen im Zwischengelände. Um 2 Uhr war der Angriff abgeschlagen. Erbittert hämmerte die feindliche Artillerie wieder auf die Stellung des Regiments, um die geschlagene Infanterie zu rächen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Dienstag, 16. Dezember 2014

16. Dezember 1914


„Auch am 16. ließ das feindliche Artilleriefeuer nicht nach und verursachte starke Verluste und bedeutende Schäden in der vorderen Stellung, die nur mit Aufbietung aller Energie und mit tatkräftiger Unterstützung der Pioniere, in der Hauptsache während der Nachtstunden, ausgebessert werden konnten. Leutnant Rümelin, der bewährte Führer der 2. Kompagnie, wurde von einer Granate zerrissen. Major Wald wurde am Arm verwundet, behielt aber die Führung seines Bataillons bis zum 19. bei.

Zwischen 1 und 2 Uhr nachmittags steigerte sich das feindliche Feuer zu außerordentlicher Heftigkeit. Der Beschießung folgte ein Angriff auf Höhe 60, der zurückgewiesen wurde. Gegen 5 Uhr nachmittags wurde der vorgeschobene Graben vor der Mitte der Stellung 126 mit Minen beworfen und zum Teil zum Einsturz gebracht. Der anschließende Infanterieangriff brach in unserm Feuer zusammen; vergebens versuchten die französischen Offiziere, mit dem Revolver in der Hand, ihre Leute wieder zum Vorgehen zu bringen. Das Verhalten unserer Mannschaften war auch jetzt noch über jedes Lob erhaben. Oberstleutnant Schmidt* schreibt darüber; „Unsere Mannschaften standen unentwegt auf ihren Posten, schmutzig, voll Lehm, zitternd vor Kälte und Nässe und hielten doch aus. Jeder Einzelne war ein Held.“

Ein Vorbild an Kaltblütigkeit war der Offizierstellvertreter der 2. Kompagnie, Friedrich Fischer aus Glatten (OA. Freudenstadt), ihm ebenbürtig der Musketier Koppenhöfer der 1. Kompagnie, der auch im schwersten Feuer so ruhig schoß wie auf dem Schießplatz, und es nie unterließ, das Ergebnis laut anzusagen.

Ein Regiments-Tagesbefehl erkannte die außerordentlichen Leistungen der Bataillone an. Der Regimentsgefechtsstand wurde auf Wunsch der Brigade nach Calvaire verlegt. Außer dem Regimentsadjudanten hatte der Stab noch sechs Gefechtsordonnanzen verloren. Der Regimentsschreiber, Sergeant Huck, ließ es sich aber nicht nehmen, seinen Dienst im Gefechtsstand zu versehen; auch das tollste Feuer konnte ihn in seiner Arbeit nicht stören.“

*Damals Kompagniechef der 3. Kompagnie

aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Großherzog Friedrich von Baden im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Montag, 15. Dezember 2014

15. Dezember 1914


„Ehe noch der Morgen des 15. Dezember dämmerte, war ein Zug der 6. Batterie bis auf 300 m hinter der eigenen Schützenlinie am Südostausgang von Antosin  in Stellung gegangen; ein tollkühnes Unternehmen, doch keiner der Kanoniere dachte an Gefahr, solange der Batterieführer, Hauptmann Lobenhoffer, in der Nähe war. Er hatte den Platz persönlich erkundet und leitete in der Nacht den Einbau. Mit dem ersten Sonnenstrahl eröffnete von neuem die ganze II. Abteilung den blutigen Tanz. Der Russe sucht wie ein waidwunder Eber seine Bedränger abzuschütteln und holt zu letzten verzweifelten Hieben aus. Um die Mittagszeit wachsen plötzlich bei der 5. Batterie unter mächtigem Getöse schwarze Rauchbäume aus dem Boden; Erdschollen und Splitter sausen umher, alles duckt sich unwillkürlich in den Gräben; niemand läßt sich aus der Fassung bringen durch das Getöse der russischen schweren Artillerie; die Batterie hat ganz andere Kanonaden in Frankreich bei Sommaisne und in den Argonnen über sich ergehen lassen. Doch da will es der Zufall, daß eine Granate dicht hinter dem Beobachtungswagen in Mannshöhe in den Stamm einer Pappel schlägt; ein Krach, ein vielstrahliger Blitz, der aus einem dichten schwarzen Rauchballen zuckt, und am Beobachtungswagen sinken tapfere Artilleristen zu Tode getroffen nieder. Da liegt der tüchtige Unteroffizier Holzwarth und der Unteroffizier der Res. Berliner, der stets so besorgt um seine Untergebenen gewesen ist. Und auch dem furchtlosen Batterieführer, Hauptmann Schulz, hat ein Splitter eine Beinwunde gerissen, von der er nicht mehr aufstehen sollte.

Inzwischen setzt der Russe von Stare Wenzyki her zum Gegenstoß auf Antosin an. Auf nächste Entfernung muß sich der vorgeschobene Zug der 6. Batterie der Angreifer erwehren. Über ihn  fauchen die russischen Schrapnells ins Dorf hinein. Die Munition geht zur Neige, die Gefahr wird groß. Vom Regiment kommt der Befehl zum Zurückgehen. Aber ein Stellungswechsel ist unter den Augen des Feindes unmöglich. Der Zug hält aus. Inzwischen gelingt der Sturm der 25. Res.-Division auf Karolkow. Mit den letzten Schüssen bekämpfen am sinkenden Abend die 2 Geschütze der 6. Batterie nochmals vorbrechende feindliche Unterstützungen und feuern in flüchtende Haufen. Karolkow ist genommen, 2000 Russen sind gefangen, die andern im Rückzug nach Osten.“

aus: „Das Württembergische Feldartillerie-Regiment „König Karl“ (1. Württ.) Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1928

Sonntag, 14. Dezember 2014

14. Dezember 1914



„Kurz vor Gyzice ließen heftiges Infanterie- und Artilleriefeuer den Vormarsch stocken. Das Infanteriefeuer kam aus einer Stellung zu beiden Seiten der Marschstraße westlich Wenzyki Stare. Ohne Zaudern wurden das Gren.-Regiment links, das Regiment 125 (ohne III. Bataillon) rechts der Straße zum Angriff angesetzt. Mit lichten Schützenlinien, deren Verluste aus den Reserven ersetzt wurden, ginge es langsam – man mußte sich unterwegs manchmal in dem offenen Gelände eingraben –, aber doch sicher und zielbewußt dem Gegner auf den Leib. Um 7 Uhr war man im Besitz der feindlichen Gräben, die sofort umgedreht d. h. zur Verteidigung nach Osten brauchbar gemacht wurden. Das war sehr notwendig gewesen, denn die Russen griffen am 14. Dezember noch vor Tagesanbruch in dicken Massen an. Unter schweren Verlusten wurden sie zurückgeschlagen.

Das III. Bataillon hatte am 13. von Pietrow aus vorgehend den Angriff der Grenadiere unterstützt und verblieb bei Nacht im Verbande des Gren.-Regiments auf dessen linkem Flügel, sich dort eingrabend.

Wie gewöhnlich hatte der Russe sich in mehreren Stellungen hintereinander festgesetzt, es galt also am 14. gegen die zweite Linie anzustürmen. Demnach Divisionsbefehl: „Der Angriff wird fortgesetzt.“ Er glückte aber nicht, wie am Tage zuvor, es konnten heute nur geringe Fortschritte gemacht werden, insbesondere deshalb, weil der linke Flügel der Brigade in der Flanke bedroht wurde und das III./125 nach dem Wäldchen westlich Kusawki Front machen mußte.

In den Kämpfen bei Wenzyki Stare fielen am 13. Leutnant d. R. Lempp, am 14. die Leutnants d. R. Aufrecht und Grieble. Immer mehr und mehr schmolz, auch infolge von Verwundung und Erkrankung, die Zahl der Offiziere zusammen, verschiedene Kompagnien mußten schon von Unteroffizieren geführt werden.“

 


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1927

Samstag, 13. Dezember 2014

13. Dezember 1914


„Am 13. Dezember morgens wurde sofort die Verfolgung aufgenommen. Das II. Bataillon übernahm die Sicherung, bis die 51. Inf.-Brigade sich auf der Straße Wszeliwy nach Brzozow-Stary zum Vormarsch versammelt hatte, und besetzte um 11 Uhr vormittags Brzozow-Stary; I. und III. folgten als Gros. Gegen 12 Uhr bekam das II. Bataillon Befehl, auf Gizyce weiter vorzugehen. Der Vortrupp, 5.Kompagnie, erhielt am Westrand plötzlich Feuer, aber kurz entschlossen griff die Kompagnie sofort an und drang in den Ort ein, bis vom Ostrand von Gizyce her lebhaftes Feuer weiteres Vorgehen zunächst unterband; 6. und 7. Kompagnie wurden alsbald neben der 5. eingesetzt, während die 8./119 noch in Reserve zurückgehalten wurde. Unterdessen war auch das I. Bataillon herangekommen und sandte die 4. Kompagnie nördlich der Straße nach Ruszki vor; sie kam – im Anschluß rechts an II./119 – aber infolge stark überlegenen Feuers des Gegners nicht über den Ostrand des Parkes von Gizyce hinaus; die 3. Kompagnie blieb zur Verfügung des Bataillonskommandeurs; die 1. und 2. waren Regimentsreserve in Gizyce. Rechts von 119 wurden die 125er angesetzt.

Für den Abend wurde der Angriff gegen die Russen, die sich an dem Wegekreuz 1 Kilometer östlich Gizyce eingegraben hatten, befohlen. Um 7 Uhr sollte angegriffen werden; zu diesem Zwecke wurde das III. Bataillon – bisher Brigadereserve – am rechten Flügel zur Unterstützung des I./125 eingesetzt. Auch das II. und I. Bataillon verstärkten ihre vordere Linie. Das I. Bataillon staffelte die 3. Konpagnie links heraus zu Verbindung mit dem über Piotrow vorgehenden III./125 (s. Textsk. 19).

So vorbeitet geht das Regiment zum  Surm vor. Die feindliche Stellug wird mit verhältnismäßig geringen Verlusten genommen. Der Gegner ließ hiebei einige Hundert Gefangene in unserem Besitz.

Es war schwierig, die in regnerischer, tiefdunkler Nacht durcheinandergekommenen Vebände wieder zu ordnen. Die eroberte Stellung wurde von den Grenadieren sofort eingerichtet.“

 


aus: „Das Grenadier-Regiment Königin Olga (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Freitag, 12. Dezember 2014

12. Dezember 1914


„Das Konzert der schweren Artillerie war von Tag zu Tag stärker geworden und hatte anscheinend der gegnerischen Artillerie, die sich immer weniger bemerkbar machte, tüchtig zugesetzt. So war der Tag, der die Entscheidung bringen sollte, der 12. Dezember, langsam herangerückt. Die 4. Batterie schob unter dem Schutz des Nebels am Vormittag 2 Geschütze bis dicht hinter den vordersten Graben bei Krzysk vor und 2.30 Uhr nachmittags, kurz vor dem Antreten zum Sturm, nahm der Rest der 4. Batterie unter dem Schutz des Feuers der gesamten Brigade und mehrerer Fußarilleriebatterien Stellungswechsel im Galopp nach vorne vor. Auf dem linken Flügel des Regiments in Poljeßie stand der ehgrwürdige Brigadekommandeur, General von Schippert, der manchen Frontagalopp der 4. Batterie auf dem Cannstatter Wasen gesehen hatte. Er, der in Gedanken schon mit seinem militärischen Leben abgeschlossen hatte, gab seine Bewunderung für die militärische Leistung mit lauten Worten kund. Jetzt sieht man überall die Infanterie aufstehen, das Schlachtfeld ist eine Sekunde belebt mit einer Menschenmauer und plötzlich steigt aus den russischen Gräben eine graubraune Masse empor, man vermißt das Blitzen der Bajonette; dagegen flattert da und dort ein weißes Tuch, andere erheben die Hände. Der Kampf ist aus! Einen Augenblick bedeckt dunkles Gewimmel die Leere des Schlachtfeldes. Aber nur einen Augenblick; dann sammeln sich die Herden hinter den Leittieren und schließlich marschiert ein schwaches Regiment – 2500 Mann – in Kolonne zu vieren im Gleichschritt an der Artillerie vorbei in die Gefangenschaft. Man hört noch einige Schüsse in der Ferne; inzwischen ist es so dunkel geworden, daß an einen Stellungswechsel nicht mehr zu denken ist.

Mit Tagesanbruch hatte die II. Abteilung mit der Spitze der Batterien an der Straße Bargowe – Wrzeliwy zu stehen. In der ersten Morgendämmerung werden mit Mühe die Gräben des bisherigen Schlachtfeldes überwunden; hier stürzt ein Pferd, dort bleibt ein Geschütz stecken, aber nur für Sekunden, schon sind die Kanoniere zur Stelle, fassen in die Zügel, wirken mit den Rädern oder helfen mit dem Spaten. Als die Straße, die bisherige russische Stellung, erreicht ist, leuchtet im Osten das erste Morgenrot. Doch welch ein Anblick: Von den Chausseebäumen liegt die Hälfte der Zweige am Boden. Der Schützengraben ist durchweg mit einer Kopfdeckung versehen, in die Schießscharten aus den Blechkästen etwa in Zigarrenkistengröße, in die die russische Munition eingepackt ist, eingebaut sind. Alle 2 Schritt liegt ein Toter. Ja, die Russen haben sogar Tote in der Verzweiflung in die Brustwehr eingebaut und ab und zu ragt dräuend ein Arm oder ein Bein aus dem Erdwall heraus. Daß die Russen buchstäblich von der Wucht des deutschen Artilleriefeuers in ihren Gräben hinabgedrückt wurden, bewies die Benutzung eines Teils der Munitionskästen als Nachtgeschirr. Kurz ein Bild so schauerlich, wie es weder der Maler des „Morgenrot“ noch der Pinsel eines Wereschagin zu malen gewußt hat und das ich auch in den folgenden 4 Jahren nirgends gräßlicher gesehen habe.“
 
 

aus: „Das Württembergische Feldartillerie-Regiment König Karl (1. Württ.) Nr. 13 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1928

Donnerstag, 11. Dezember 2014

11. Dezember 1914


„Auf Divisions-Befehl zog sich die 41. württ. Ers.-Inf.-Brigade in ihre Hauptstellung zurück und verstärkte die inzwischen fertiggestellten Feldwachstellungen vor dieser. Brig.-Ers.-Batl. 51 half am Ausbau dieser Stellungen. Bei den Stellungsbataillonen 54 und 52 herrschte abgesehen von feindl. Artilleriefeuer Ruhe. Vom 5. Dezember ab hatte das Brig.-Ers.-Batl. 53 im Abschnitte der Brigade Nicolai die Stellung bei der Quelle Père Hilarion inne. Am 7. Dezember glückte es den Franzosen gegen diese Stellung eine Sappe vorzuteiben. Im Gegenangriff wurden sie aber wieder auf ihre Ausgangsstellung zurückgeworfen. Bis zum 12. Dezember wurde in dem dichten Walde hin und hergestritten. Da die Vorpostenstellungen zum Teile nur bis auf 10 Meter sich gegenüberlagen, war es nicht möglich diese zur hartnäckingen Verteidigung auszubauen.“

aus: „Die 51. württ Ersatz-Infanterie-Brigade im Weltkriege 1914–17“, Stuttgart 1926

Mittwoch, 10. Dezember 2014

10. Dezember 1914


„Trübe bricht der Morgen des 10. Dezember an. Die Russen beginnen schon früh mit ihrer Kanonade, ein Schrapnellkugelregen ergießt sich über Brzeziny, Maschinengewehre feuern die lange Dorfstraße ab. In Brzeziny liegt der Regimentsstab. General von Martin hat keine Ruhe innerhalb seiner vier Wände, wenn draußen die Geschütze toben, er muß selbst sehen, wohin des Feindes Geschosse zielen. Seinen Adjudanten verbietet er, ihn zu so früher Morgenstunde zu begleiten und verläßt das Haus. Nur wenige Schritte, da fällt er einem verirrten Infanteriegeschoß zum Opfer, anderen Tages hat das Herz eines Soldaten von vorbildlicher Pflichttreue aufgehört zu schlagen, ein schwerer Verlust für das Regiment Kaiser Friedrich. Während seine Siebener draußen am Feinde stehen, wird ihr Kommandeur im schneebedeckten Gottesacker von Sanniki zu Grabe getragen. Einige Wochen später soll er auf dem Pragfriedhof in Stuttgart seine letzte Ruhestätte finden. Wir umstehen trauernd das offene Grab. Es nimmt zwei Helden auf, den Helden von Messines und seinen Sohn, der als Pionier-Oberleutnant am vorletzten Tage des Jahres am Westrand der Argonnen fiel.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Dienstag, 9. Dezember 2014

9. Dezember 1914


„Am 9. Dezember traf der Anfang der 35. Inf.-Div. bei Kiernozia ein. Der Sturm wurde für 2.15 Uhr nachmittags befohlen. Zum eigentlichen Sturm kam es aber nicht, da sich die Lage bei der 25. Res.-Div. kaum verändert hatte. Südlich (rechts) der 25. Res.-Div. löste die 35. Inf.-Div. die 1. Inf.-Div. ab, während die nördlichen Teile der 51. Inf.-Brig. durch das III. Res.-K. (5. Res.-Div. erreicht am 9. Dezember Slubice) abgelöst wurden, III. Res.-K. sollte sich bis zur Weichsel ausdehnen.

Abends hatte die 52. Inf.Brig. (Inf.-Regt. 121) die Stellung auf der Kapellenhöhe bei Zaluskow genommen. Es wurden 200 russische Gefangene gemacht. Füs.-Regt. 122 kam nicht über den Ostrand des Waldes nordöstlich Wszeliwy hinaus.“
 
 

aus: „Die 26. Infanterie-Division im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1927

Sonntag, 7. Dezember 2014

7. Dezember 1914


Aus einem Brief des Leutnant d. R. Alfred Roth (II./IR 125):

„Hier steht ein Posten, dort hat ein Mann günstiges Schußfeld und feuert, dieser ißt, jener schreibt, der putzt sein Gewehr oder seine Sachen, einer sinnt in stillen Gedanken nach der Heimat, ein anderer beobachtet den Einschlag der eigenen oder feindlichen Donnerkeile, manche tauschen ihre Meinungen und Eindrücke aus oder erzählen sich von ihren seitherigen Erlebnissen – und über allem dieses nervenzerrütternde Getöse der Schlacht, das Donnern der schweren und leichten Geschütze, daß der Boden dröhnt und manche der kunstvoll in den leider nur zu leichten Sand gebauten Höhlen umfällt oder stark erschüttert wird. Gewaschen hat sich von uns seit sieben Tagen keiner mehr, heute früh aber haben wir mit Hilfe der Liebesgaben unsere Wäsche völlig gewechselt, was wohlige Gefühle weckt. Unter den Liebesgaben befanden sich auch Zigarren. Auf je 10 Mann entfallen – drei. Wie sie verteilen? Da meint einer: immer drei kriegen eine, der eine zieht, der andere schnappt nach dem Rauch, der dritte spuckt aus, der zehnte ist Nichtraucher.

Meine Ernährung besteht des Morgens aus einigen Schlucken kalten Tees oder Kaffees, des abends aus kalter Suppe. Das Essen muß aus den Feldküchen kilometerweit herangeholt werden, wobei fast stets einige Leute abgeschossen werden. Mein Schokoladevorrat ist ausgegangen, Post bekommen wir nur spärlich. In einer elenden Hütte entdeckten wir einen Kübel Sauerkraut, das uns roh und kalt ganz herrlich schmeckte.

Des Einschwärmen unserer Verstärkungen und das Überbringen von Meldungen und Befehlen war bis jetzt ungeheuer verlustreich für uns, so daß wir nur noch bei Dunkelheit und des Nachts es vollziehen. Ein Mann wurde beim Strohholen abgeschossen. Zahlreiche Tote konnten wir noch nicht begraben, weil die Gefahr dabei zu groß ist. Unteroffizier Fleck der 8. Kompagnie, ein sehr tüchtiger Soldat, von seinen Leuten sehr geachtet, weil für sie besorgt, will sich nicht davon abbringen lassen, einen gefallenen Musketier zu beerdigen. Während er das Grab auswirft, wird er heftig beschossen. Eben ist er fertig und will den Gefallenen in das Grab legen, da trifft ihn selbst das tödliche Blei. Fleck fällt in das von ihm selbst gegrabene Grab. Ehre dem Braven!“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Samstag, 6. Dezember 2014

6. Dezember 1914


„6. Dezember. Unterkunft in Sielce. Aufstellung wie am 5., Unterstellung unter 51. Brigade. Patrouillengang am südlichen Weichselufer unmöglich, da der Russe shr geschickt alles, was nicht Sumpf war, besetzt hat.

11.30 Uhr läuft der Befehl ein, mit einem halben Pionierzug und einer leichten Feldhaubitze, die dem Regiment unterstellt werden, die Orte Suchodol, Pieszyski-Ilowskie, Kempa-Antoninska von Kosaken zu räumen. Nachdem die Haubitze das Vorgehen der Schützen vorbereitet hatte, ging die Einnahme der Orte leicht vonstatten. Weiter nach Osten vorzudringen, war unmöglich, da dort der Gegner, anscheinend auch Infanterie, aus Schützengräben heftig Widerstand leistete.“

aus: „Bilder aus der Geschichte des Ulanen-Regiments König Wilhelm I (2. Württ.) Nr. 20“, Stuttgart 1934

Freitag, 5. Dezember 2014

5. Dezember 1914


„Auf Grund des am 4. Dezember um 6 Uhr abends eingetroffenen Divisionsbefehls war Ilow ohne Rücksicht auf Verluste sofort in Besitz zu nehmen. Laut Besprechung der beiden Bataillonsführer (v. Groll und Henning) gingen um 11.15 Uhr abends die 7. und 8./119 als Feuerstaffel gegen den Wald, das I./125 und III./119 gleichzeitig gegen Ilow vor.

Sobald die Kompagnien zum Angriff ansetzen, erhalten sie sofort sehr heftiges Feuer aus der Front und von flankierenden Maschinengewehren aus dem Waldrand; der Angriff kommt zum Stehen. Hauptmann Freiherr Speth von Schülzburg wird schon zu Beginn des Vorgehens durch 2 Gewehrschüsse schwer verwundet. 1.30 Uhr vormittags wird auch die seitherige Reservekompagnie, 10./119, in den Kampf geworfen. Ihr Führer, der unerschrockene Rittmeister Walter Freiherr von Wöllwarth-Lauterburg, fällt durch Kopfschuß. Langsam wird Gelände gewonnen; der Feind verteidigt sich sehr hartnäckig. Je ein  Halbzug der 11. und 12./119 unter Offizierstellvertreter Kayser (11.) stoßen mit einem Zug der 3./125 unter Leutnant Aufrecht durch Ilow durch, wobei ihnen 2 M.-G., 2 Munitionswagen und eine Feldküche in die Hände fallen. Die schwachen Kräfte verlieren aber die Verbindung nach rückwärts, da aus dem Wald kommende feindliche Infanterie die Stellungen vor Ilow wieder besetzt. Beim Bajonettangriff auf eine von Osten nach Ilow anrückende russische Kolonne kommt Offizierstellvertreter Benzinger, Führer der 12. Kompagnie, verwundet von seinem Halbzug ab und bleibt vermißt. Beim Vordringen am Ortsrand verbliebene Mannschaften, insbesondere der 12. Kompagnie, fielen meist in erbittertem Handgemenge oder gerieten in russische Gefangenschaft. Offizierstellvertreter Kayser bringt ungefähr 20 Mann und Meldung über den Kampf zum Bataillon zurück. Der tapfere Leutnant Körper (11.) war durch Herzschuß gefallen.

Mit den schwachen Kräften war ohne genügende Artillerieunterstützung ein weiterer Angriff unausführbar. Das Verhalten unserer Leute war nach Aussage eines Mitkämpfers über jedes Lob erhaben, mit großem Schneid folgten sie ihren Offizieren, ungeachtet der bald eintretenden starken Verluste.

das III. Bataillon hatte schwere Verluste und bedeutend an Gefechtskraft verloren; sämtliche Kompagnieführer und etwa 380 Mann, unter ihnen auch Fahnenjunker-Unteroffizier Maag, waren geblieben. Hauptmann Frhr. v. Speth, der als verwundet nicht gleich gefunden war, wurde von Patrouillen der 9. Kompagnie gesucht. Diese braven Grenadiere, die ihren Führer nicht verloren geben wollten, kamen entweder ohne Ergebnis oder gar nicht zurück. Schweren Herzens mußte die Kompagnie ihren tapferen, beliebten Führer seinem Schicksal überlassen, was in diesem verbitterter Riesenkampfe nicht immer zu vermeiden war.

Ein Glück war es, daß der Gegner nicht beweglicher und unternehmender war, ein Gegenangriff der an Zahl viel stärkeren Russen hätte bedenkliche Folgen gehabt, da dem Regiment keine Reserve mehr zur Verfügung stand.

Der Angriff des I./119 im Verein mit Inf.-Regt. 125 auf Zaluskow kam trotz Aufbietung aller Kräfte in starkem feindlichem Flankenfeuer bald zum Stehen. Die Bataillone gruben sich in den erreichten Stellungen ein. Ein am 5. Dezember nachmittags auf höheren Befehl erneut unternommener Angriff der stark ermüdeten und geschwächten Truppe blieb ohne Erfolg. Der Gegner verhielt sich im allgemeinen ruhig, so daß wir unsere Stellungen verstärken konnten.“

 
 
aus: „Das Grenadier-Regiment Königin Olga (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 4. Dezember 2014

4. Dezember 1914


Auszug aus einem Brief des Kriegsfreiwilligen Eduard Winler (7./LIR 121):

„Am 4. Dezember, früh 4 Uhr, brach mein Bataillon von Altkirch auf. Es war frisch und trocken, aber nicht kalt für den Dezember, kein Schnee. In der Dunkelheit marschierten wir an; Ziel und Zweck waren unbekannt und stumm zogen die Kompagnien ihre Straße. Dicht neben uns stieg linker Hand der Illberg auf, rechts mußte das Illtal liegen. Es ging an einzelnen Häusern vorbei, hernach durch eine Ortschaft: Hirzbach. Langsam dämmerte es, die Wolken bekamen Farbe und ein leuchtendes, mächtiges Bild trat aus dem Schatten hervor: die ersten Strahlen der Sonne tauchten das Hügelland mit seinen kahlen Wäldern in Rot; über der Landschaft stiegen im Süden in tiefstem Blau die Schweizer Berge auf; purpurne Streifen säumten den Horizont Morgenrot!

In geringer Entfernung vor uns Gewehrknattern. Die düstergraue Kolonne rückt, vom Druck der Ungewißheit und Erwartung belastet, stetig weiter; jeder weiß jetzt, daß die nächsten Stunden Bedeutendes, vielleicht das Ende bringen; das macht unsicher und zugleich trotzig und bereit, die Beklemmung durch die Tat zu brechen. In der Deckung einer Bodenwelle dicht hinter der Feuerlinie entwickeln wir uns – das Bedrückende schwindet, sachliche Ruhe beherrscht uns; wir schreiten in lichten Schützenlinien durch einen Wald und vermischen uns mit Teilen des badischen L. 110 und den Wachstuchhelmen badischen Landsturms. Gleich darauf setzt unser erster Angriff überraschend für den Feind am rechten Flügel ein, meine Kompagnie greift unterstützend ein. Wir bekommen schwerstes Gewehrfeuer und es pfeift wild um uns; unser Stoß aber prallt machtvoll vor und glückt im ersten Zug; Nahkampf mit dem Bajonett, in dem wir den Feind werfen; er flieht. Pulverdampf zwischen den Bäumen; am Boden winden sich verwundete Franzosen, Tote liegen in ihren Rothosen da, Feldgraue dazwischen. Ein grausiger Anblick, diese starren, blutüberströmten Körper. Ich sehe alles, gedanken- und verständnislos, ohne Erschütterung; ich empfinde kein Mitleid und kein Erbarmen. Gefangene – Südfranzosen – werden zurückgeführt; meine Kompagnie sammelt und ordnet sich zum Hauptschlag auf das Zentrum des anzugreifenden Abschnitts.

Das II. Bataillon ist jetzt in fast zwei Kilometer Breite bereitgestellt; es setzt ohne Feuervorbereitung zum Sturm an. Sprungweise gehen wir von Baum zu Baum vor; ein Regen von Kugeln aus Gewehr und Maschinengewehr umzischt uns, unsere Hornsignale reizen auf. Ehrgeiz treibt jeden, in der vordersten Reihe zu stehen. Mit ungehemmter Energie treffen wir auf die Franzosen und überwältigen sie an vielen Punkten. Um einen französischen Stützpunkt zwischen dem zweiten und dritten See, den sie zäh verteidigen, entspinnt sich ein erbitterter Nahkampf, den in der Hauptsache der 2. und 3. Zug meiner Kompagnie ausfechten. Wieviele Stunden darüber dahingegangen sind, weiß ich nicht; mir schienen es Augenblicke. Mit einbrechender Dämmerung rangen wir auch diese Befestigungen nieder; der Tag war damit als voller Erfolg entschieden, blutig auch für uns: meine 7. allein verlor 60 Tote und Verwundete und ähnlich lag’s bei den übrigen Kompagnien. Auch der Bataillonsführer, Hauptmann Marcks, wurde verwundet und Hauptmann Spindler trat an seine Stelle.“
 
 

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925