„Auch der 6. August blieb ruhig. Dann
aber kam der 7. mit seinen unheilvollen Ereignissen, bei denen das
Regiment ein Opfer seiner eigenen Tapferkeit und seines treuen Ausharrens
werden sollte.
Um 6 Uhr vormittags begann plötzlich ein lebhaftes russisches Feuer aus
Geschützen aller Kaliber auf die ganze Front des Regiments. Zahlreiche
Fesselballons standen hinter den Höhen. Flieger kreuzten über den Stellungen.
Eine halbe Stunde später schossen bereits etwa 15 feindliche Batterien auf die
vorderste Linie. Alle Artilleriestellungen der Artilleriegruppe Pfannenstiel,
sämtliche Anmarschwege, Straßenkreuzungen und die Orte Hrynowce, Kolince und
Tlumacz lagen unter schwerem Feuer. Zeitweise steigerte sich die Beschießung zu
dem Grad, für dessen Bezeichnung man im Westen das Wort „Trommelfeuer“ damals geprägt hatte. Außer Granaten
aller Kaliber schlugen zahlreiche schwere und mittlere Minen vor allem bei den
Hindernissen ein und rissen dort meterbreite Lücken. Zwei dieser Minenwerfer
wurden gegen ½7 Uhr am Kirchhof von Korolowka entdeckt und unter Feuer
genommen.
Vom Füsilier-Regiment lagen zwei Bataillone in vorderer Linie. Wie bisher
war II. Bataillon rechts, III. links, dazwischen die 4. und 1. Kompanie. Der
Rest des I. Bataillons, noch am Morgen des 7. August Heeresgruppen-reserve in
Kolince, wurde später als Regimentsreserve hinter den linken Flügel gezogen.
An sonstigen Reserven standen im Raume der 6. Kavallerie-Truppen-Division
noch zur Verfügung:
-
die Kavallerie Fuß-Division (900 Gewehre, 2 Maschinengewehre) unter
Oberstleutnant von Rohn und
-
die Schützen-Division 2./6 (700 Gewehre) unter Oberstleutnant Mierka.
Beide Abteilungen lagen 6.30 Uhr
vormittags in Kolince. Um ½9 Uhr wurde die Kavallerie-Fuß-Division von Rohn dem
Füsilier-Regiment 122 unterstellt und in zwei Abteilungen geteilt. Die eine
Hälfte unter Führung von Major Waldstein wurde Major Bürger unterstellt, die
andere Hälfte unter Graf Garibaldi hinter das II. Bataillon gezogen.
Als Reserve der Division blieb die Schützen-Division 2./6 am Südausgang von
Hryniowce und nahm Verbindung mit dem II./122 und dem rechts anschließenden k.
u. k. Infanterie-Regiment 13 auf.
Das russische Feuer hielt den ganzen Vormittag in gleicher Stärke an. Die
schweren Minenwerfer des Feindes, die außerordentlich geschickt im Gelände
versteckt waren, zerstörten einen großen Teil unserer Gräben. Bei der 12.
Kompanie waren bis 12 Uhr mittags mehr als 150 Meter Graben eingeebnet. Um ½10
Uhr war eine Verbindung zwischen dem rechten Flügel 122 und dem linken des
Infanterie-Regiments 13 nicht mehr möglich, da schwere Minen den Graben
vollkommen zerstört hatten. Das Hindernis war zerrissen. Nur die dort
eingebauten Gewehre der Maschinengewehr-Abteilung 3 waren noch unversehrt
geblieben, und das war das Wichtigste.
Von der russischen Infanterie war bis jetzt nichts zu sehen. Nur vor
Infanterie-Regiment 13 bemerkte man einige Ansammlungen, die aber durch unsere
Artillerie wieder zerstreut wurden. Allmählich jedoch war deutlich zu erkennen,
daß vor der Front des Füsilier-Regiments sich die Russen zu einem Angriff
bereitstellten. Man konnte beobachten, wie an vielen Stellen die Besatzungen
der russischen 2. und 3. Linie sich nach vorne in die Sturmstellung schoben und
sich dort in dichten Massen einnisteten. Die Artillerie erhielt daher Befehl,
ihr Feuer auf diese Stellungen zu konzentrieren.
Obwohl schwere Artillerie die russischen Minenwerfer fast dauernd unter
Feuer hielt, gelang es nicht, diese zum Schweigen zu bringen. Allem Anschein
nach wechselten sie ihre Feuerstellungen. Die Russen hatten auch gelernt.
Das Hauptfeuer der feindlichen Batterie lag auf dem Gelände nördlich
Korolowka. Auch stellte sich bald heraus, daß sich russische Abteilungen in
großer Anzahl nach dem Dorfe hineinschlichen. Hier lag also zweifellos die vom
Feinde in Aussicht genommene Einbruchstelle. Die Abteilung Garibaldi wurde
daher hinter den linken Flügel des II. Bataillons gezogen. Auch wurde die
Divisionsreserve – Schützen-Division 2./6 – vom Ausgang von Hryniowce weiter
nach Süden vorgeschoben, um rascher zur Hand zu sein, falls dem Feind der
Durchbruch gelingen sollte.
Es war somit alles geschehen, was an Vorbereitungen für eine Abwehr
überhaupt geschehen konnte.
Die Uhr ging auf 12 Uhr mittags. Das III. Bataillon meldete jetzt starke
russische Ansammlungen in der Mlynowka-Niederung. Die 12. Kompanie leidet
wieder scher unter feindlichem Minenfeuer.
Bei der 119. Infanterie-Division links ist ebenfalls die ganze Stellung in
Rauch und Dampf gehüllt. Die Höhe von Jakowka erhält besonders starkes Feuer.
Dasselbe Bild bietet sich rechts bei den Österreichern (Infanterie-Regiment 13
und Honved). Überall zahllose Einschläge, Rauchsäulen, Dampfschwaden.
Gegen ½12 Uhr mehren sich die Anzeichen für den unmittelbar bevorstehenden
Angriff auf der ganzen Front. Überall liegen jetzt die russischen Sturmkolonnen
vor unsern Gräben, Die Artillerie erhält Befehl, sich zum Sperrfeuer bereit zu
halten und mit aller ihr zur Verfügung stehenden Munition den erwarteten Sturm
des Feindes zu zer-schlagen.
Punkt 12 Uhr ruft es in allen noch bestehenden Fernsprechleitungen: „Die
Russen greifen auf der ganzen Front an!“
Sofort legt die Artillerie ein mächtiges Schrapnellfeuer vor die
Hindernisse. Die Maschinengewehre – von 25 war nur eines unbrauchbar geworden –
feuern in die dichten russischen Haufen hinein, Die Kompanien halten sich
prächtig. An keiner Stelle des Regimentsabschnitts vermögen die Russen über das
Drahtverhau hinauszukommen, auch da nicht, wo die russischen Minenwerfer nicht
mehr viel von einem Hindernis übrig gelassen hatten. Hier und dort kommt es zum
Nahkampf mit Bajonett und Handgranate. Aber alle Bemühungen nützen den Feind
nichts. Gegen ½1 Uhr ist kein lebender Russe mehr vor den Gräben des Regiments.
Der Angriff ist restlos abge-schlagen. Haufen feindlicher Infanterie fluten in
den 200 Meter vor unserer Stellung liegenden Graben zurück.
Um 12.30 Uhr nachmittags tritt etwas Ruhe ein. Die Verluste der Kompanien
sind verhältnismäßig gering. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Die Bataillone
fühlen sich als Herren der Lage.
Das russische Artilleriefeuer setzt von neuem ein. Um 12.40 Uhr nachmittags
tauchen aus der zerwühlten Erde vor den Stellungen der Füsiliere neue
Russenhaufen auf. Und wieder wollen sie stürmen. Aber wieder schlägt ihnen ein
Hagel von Blei und Eisen entgegen, und auch dieser Angriff bricht blutig
zusammen. Unzählige Tote liegen vor unserer Front. Der Feind verkriecht sich in
seine Stellungen. All seine ungeheure Kraft ist an der Tapferkeit und Ausdauer
der Füsiliere zerschellt.
Aber während hier auf den Höhen von Korolowka das Regiment 122 in
heldenmütigem Ringen gegen eine mehr als vierfache Übermacht keinen Fuß breit
seiner Stellung dem Feinde läßt, vollzieht sich zu seiner Rechten und Linken
das unheilvolle Geschick des Tages.
Beim Bataillonsstab Niebur (II.) trifft kurz nach ½1 Uhr ein
Verbindungsoffizier des Infanterie-Regiments 13 ein mit der Meldung, daß weiter
rechts – wo, war nicht genau bekannt – der Russe die Front durchbrochen habe. Anscheinend
bei Tarnowica Polna. Man nimmt die Sache zunächst nicht tragisch. Tarnowica ist
2½ Kilometer entfernt. Das Regiment erhält aber Meldung.
Gleichzeitig etwa beobachtet der Regimentsstab auf den Höhen von Jakowka
(links von uns), wo die 105. Division liegt, wie eigene Infanterie zurückgeht. Es
kann kein Zweifel sein, es sind eigene Truppen. Vom Regimentsgefechtsstand aus
sieht man ferner eine Batterie querfeldein zurückjagen. Anfrage bei der
Division. Es kommt die Auskunft, die Russen seien tatsächlich links von der
119. Infanterie-Division durchgebrochen. „Es seien aber Gegenangriffe im Gang!“
Das Regiment solle seine Stellung halten!
Und das Regiment hält seine Stellung. Aber von dem erwarteten Gegenangriff
sieht man nichts. Dafür kommen jetzt von rechts neue beunruhigende Nachrichten:
Die Front der 5. Honved-Division sei durchbrochen. Das Infanterie-Regiment 13
(unsere rechten Nachbarn) müsse seinen rechten Flügel bereits auf Punkt 288, 2½
Kilometer nördlich Tarnowica Polna zurückbiegen und habe schwere Verluste.
Wieder Anfrage bei der Division. Wieder die Antwort: Gegenangriffe seien im
Gange, dem Füsilier-Regiment drohe keine Gefahr, es solle seine Stellung unter
allen Umstän-den halten!
Und das Regiment hält seine Stellung. Um 1.20 Uhr nachmittags wird ein
neuer russischer Angriff glatt abgewiesen, wo nicht durch Feuer, da mit der
blanken Waffe.
Plötzlich aber sieht man – etwas um die Zeit dieses Angriffs – das linke
Nachbar-regiment, Reserve-Infanterie-Regiment 46, zurückgehen und von allen
Seiten die Russen in die dortigen Stellungen einbrechen. Und ganz das gleiche
Bild zeigt sich rechts. Infanterie-Regiment 13 ist überrannt, die Russen
dringen in Flanke und Rücken des II. Bataillons der Füsiliere. Der
Bataillonsstab wird überrascht, Major Niebur fällt verwundet in Feindeshand.
Sein treuer Bursche Ullrich bleibt bei ihm.
Die ganze 119. Infanterie-Division weicht jetzt, kurz nach 2 Uhr, zurück.
Links soweit man sieht, fliehende Österreicher und verfolgende Russen.
Und noch immer steht das Füsilier-Regiment zum größten Teil in seiner
Stellung.
Da kommt von der 6. Kavallerie-Truppen-Division um 2.10 Uhr nachmittags der
telephonische Befehl:
„Die Front bei Tarnowica Polna durchbrochen. Das Füsilier-Regiment 122
räumt seine Stellung und geht auf die Höhen südöstlich Kolince zurück.“
Aber es ist zu spät.
Auf dem rechten Flügel bei der 5., 6. und 8. Kompanie brechen jetzt von
allen Seiten, besonders aber von rückwärts die Russen in die Gräben ein.
Erbittert wehren sich die Kompanien. Von Osten her fluten Massen von Feinden in
die Stellungen des III. Bataillons hinein. Auf beiden Seiten umfaßt, von der
Front, Flanke und Rücken gleichzeitig mit Übermacht angegriffen, bricht die
Front des Regiments nach so heldenmütiger Verteidigung zusammen.
Das Infanterie-Regiment 13 rechts ist nicht mehr. Russische Kavallerie jagt
dort das Dustow-Tal nach Norden hinauf. Die Russen machen alles nieder, was
ihnen in die Hände fällt. Einzelne Abteilungen des Füsilier-Regiments schlagen
sich, hart verfolgt nach Norden durch gehen Hryniowce. Ein Hagel von Gewehr-
und Maschinen-gewehrfeuer schlägt hinter ihnen her. Kleine Abteilungen setzten
sich östlich des Dustow-Baches auf einzelnen Höhen nochmals fest, um die
anderen im Schutze ihres Feuers aufzunehmen.
Um ½3 Uhr erreicht das Füsilier-Regiment das Dorf Hryniowce. Von einem
Front-machen auf den Höhen südöstlich des Dorfes kann keine Rede mehr sein.
Russische Kavallerie und dahinter Infanterie kommt aus Nordosten, aus Richtung
Tlumacz. Drüben, wo das Regiment 13 zurückflutete, sieht man Munitionskolonnen
und Bagagen nach Norden jagen. Dahinter her Reitergeschwader des Feindes. An
irgend eine Führung ist nirgends mehr zu denken. Wo der Divisionsstab ist, weiß
niemand. Aus Hryniowce fliehen die Einwohner mit Sack und Pack und tragen dazu
bei, die Straßen zu verstopfen. Überall wogt und flutet es nach Norden und
Nordwesten zurück. Kosaken attackieren Bagagen nördlich Hryniowce, werden aber
vertrieben.
Oberstleutnant von Alberti hatte in dieser Lage nur noch einen Gedanken,
einen Wunsch, die Reste seines Regiments an irgend einer Stelle wieder in eine
Linie zu bringen, und eine wenn auch noch so schwache Front zu schaffen, in der
das allgemeine Zurückfluten wieder zum Stehen gebracht und den Russen nochmals
Halt geboten werden kann.
Nordwestlich Kolince verläuft etwa in der Linie Zadne – Nadorozna eine
zweite vorbereitete Stellung. Hierein werden alle Teile des Regiments und die
österreichische Fuß-Division gewiesen. Der Regimentskommandeur steht an der
Straße Kolince – Nadorozna, wirft die beiden noch intakten Kompanien des I.
Bataillons (2. und 3.), die nicht in vorderer Linie gestanden, in die Gräben
nördlich der Straße und gibt jeder ankommenden Abteilung ihren Platz.
Gegen 3 Uhr liegt das, was vom Regiment noch vorhanden ist, in dieser
Stellung.
Weiter westlich gelingt es nicht, die zurückkommenden Teile des k. u. k.
Regiments 13 in dieser Stellung zum Halten zu bringen. Die Leute haben völlig
den Kopf verloren und hasten nach Norden weiter.
Schon schlagen die ersten russischen Granaten auch in diese Stellung. Am
Walde westlich Hryniowce tauchen Kosaken auf.
Rechts (westlich) vom Regiment 122 ist niemand mehr. Der Feind dringt dort
unaufhaltsam vor. Die Füsiliere müssen ihren rechten Flügel zurückbiegen, um
von den Russen nicht erneut in der Flanke gefaßt zu werden.
In der Stellung liegen etwa 450 Mann des Regiments. Von der 2.
Maschinengewehr-kompanie (Maentel) kommen 4 Gewehre zurück. Sie werden am
rechten Flügel eingebaut. Von der 1. Maschinengewehrkompanie weiß man nichts.
Der Führer, Ober-leutnant Bauer, ist verwundet, Leutnant May gefallen. Die
Maschinengewehrabteilung 3 hat im Kampf alle 8 Gewehre verloren. Ihr Führer,
Hauptmann von Pogrell, ist vermißt (gefallen). Links ist nirgends etwas von
Nachbartruppen zu sehen. 40 gesammelte österreichische Dragoner sichern gegen
die Wälder. Gegen 4 Uhr nachmittags erschei-nen einzelne Versprengte des k. und
k. Landwehr-Regiments 2 bei Nadorozna.
Zahlreiche russische Kolonnen sieht man nach Hryniowce und Kolince
hineinströmen. Auf den Höhen hinter diesen Dörfern erscheint ein großes
feindliches Reitergeschwader, dem eine weiße Standarte vorangetragen wird. Aus
Richtung Tlumacz rücken starke Abteilungen heran. Aus der Gegend von Korolowka kommen
große feindliche Reserven in geschlossenen Formationen.
Und hier steht einsam und müd gehetzt ein Häuflein von 450 Füsilieren und
ein paar hundert Österreicher!
Russische Batterien fahren im Galopp am Wege Korolowka – Hryniowce auf. Am
Dorfrand von Kolince wogen jetzt lange feindliche Schützenketten.
Rechts in den Wäldern soll sich irgendwo eine Abteilung des k. und k. Infanterie-Regiments
13 gesammelt haben. Aber bis zu ihr klafft eine kilometerbreite Lücke. Der
Kommandeur des Regiments 13 erklärt, er könne diese Lücke nicht ausfüllen.
Einen Gegenstoß des Regiments 13, den Oberstleutnant von Alberti verlangt, um
das Loch zu schließen, lehnt Regiment 13 als unausführbar ab. Die Füsiliere,
die jetzt schon auf eine Front von 3 Kilometern verteilt sind, können die Lücke
nicht besetzten.
So bleibt sie offen – und in sie hinein stößt der Feind unaufgehalten und
unbeschossen.
Es ist 5 Uhr nachmittags. Mancher wünscht, „es wäre Abend und die – “, doch
halt, das paßt diesmal durchaus nicht. Wo ist die 119. Division? Wo mag die
105. sein. Niemand ahnt es. Man sieht nur Russen und wieder Russen.
Da kommt von irgendwo her der Befehl der 6. Kavallerie-Truppen-Division:
Das Regiment solle weiter zurückgehen! Die Truppen der Division würden auf die
Höhen südöstlich Przeniczniki zurückgenommen werden.
Es ist höchste Zeit. In der bekannten Lücke zwischen 122 und 13 sind
bereits stärkere feindliche Abteilungen durchgestoßen. Schon kommt
Maschinengewehrfeuer von Rückwärts. Die Westflanke ist fast völlig umklammert.
Am linken Flügel gehen 200 Österreicher, die dort mit den Füsilieren die
Stellung besetzt hatten, ohne Befehl zurück. Russische Infanterie steigt die Hänge
gegen Nadorozna herauf. Aus Kolince heraus kommen große geschlossene
Infanterie-Abteilungen.
Um ½6 Uhr befiehlt der Regimentskommandeur den weiteren Rückzug nach
Nordwesten auf Przeniczniki. Er hätte es wohl auch ohne Befehl der Division
getan, um seinen letzten 450 Mann das Schicksal des Regiments vom Vormittage zu
ersparen, nämlich von beiden Seiten gefaßt und erdrückt zu werden.
Es gelingt, die dünne Besatzung der Gräben – alle 12 Meter liegt 1 Mann –
in einem ordnungsmäßigen Rückzug durch eine versteckte Waldschlucht, die
Oberstleutnant von Alberti von einer früheren Erkundung bekannt war, in die
befohlene Linie zurück-zubringen. Ohne diesen verborgenen Waldweg wäre das
Regiment nicht mehr zurück-gekommen.
Auf der Höhe 310 überbringt ein Ordonnanzoffizier der 6.
Kavallerie-Truppen-Division den Befehl der Gruppe Kraewel, „die Stellung sei
bis zum letzten Mann zu halten.“ Dieser Befehl paßte nicht mehr zur Lage. Wäre
er in Wirklichkeit ausgeführt worden, so hätte er neben unnötigen blutigen
Opfern höchstens den Erfolg gehabt, den Russen den Vormarsch zu erleichtern.
Denn hinter dem Füsilier-Regiment und der 6. Kavallerie-Truppen-Division stand
zur Stunde kein Mann Reserve mehr.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung hatten die zurückgehenden Teile des
Füsilier-Regiments die Höhe 310 erreicht. Es wurden rasch 3 Bataillone
gebildet. Führer des I. Bataillons mit 180 Mann war Major Bürger, das II.,
gleich stark, Leutnant Hachtel. Das III. führte Major Wolter. Diese sogenannten
„Bataillone“ gruben sich beiderseits der Höhe 310 nebeneinander ein, Front nach
Südosten. Beim II. und III. Bataillon wurden je 2 Maschinengewehre eingebaut.
Rechts schloß die Kavallerie-Fuß-Division Rohn an bis zur Höhe 287. Links
waren, trotz dauernden Suchens durch Patrouillen, nirgends eigene Truppen zu
finden.
Der Russe drängte zunächst nicht mehr nach. Man konnte jetzt mal
aufschnaufen. Bis Mitternacht fielen nur einzelne Schüsse.
Trotz des schweren Schlages war die Stimmung der Mannschaften immer noch
gut. Ohne Gepäck und Mantel mußten sie in der kalten Nacht in ihren nassen
Schützen-löchern liegen.“
aus:
„Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4.
württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921