Freitag, 31. Juli 2015

31. Juli 1915


Aus einem Bericht des Leutnants Wollinsky (Zugführer 6./IR 126):
„Auf dem Morgen des 30. Juli war der Sturm festgesetzt. Alles war bis ins kleinste hinein vorbereitet. Die Drahthindernisse vor der Front waren beseitigt, Sappen zur schnellen Verbindung mit dem anzugreifenden feindlichen Graben vorgetrieben, Munitions- und Materiallager angelegt, Verbandzeug und Sanitätsunterstände herge-richtet.
Die Nacht war im Begriff, einem herrlichen Sommertage Platz zu machen. Im Park Vogelgezwitscher; leichter Nebel verwischte die Spuren des Krieges. Hin und wieder ein Flintenschuß, sonst sonntägliche Stille. Es wird 4 Uhr vorüber sein. Da – ein dumpfer Klang, ein heller Streifen am dunklen Himmel, ein ohrenbetäubender Krach, und plötzlich fängt der Himmel an zu flammen, die Erde zu brennen und zu donnern. Artillerie, Minen- und Flammenwerfer speien ihr todbringendes Feuer in die feindlichen Gräben. Dunkle Gestalten lösen sich von den deutschen Gräben. Immer mehr werden es, die Hinteren suchen die Vorderen zu überholen. In allen ist ein Drang nach vorwärts, ran an den Feind. Es gilt, die Überraschung auszunützen.
Schon fangen die feindlichen Maschinengewehre an zu rattern, Schrapnells platzen über den Köpfen der Stürmenden, eine schwere Mine schwirrt über sie hinweg, ein ohrenzerreißender Krach. – aber alles ist schon in ihrem Rücken.
Mit einem Sprung sind die schwachen feindlichen Hindernisse genommen. Jetzt hinein in den Graben. Wir haben da 8. Bataillon der Londoner Rifles-Brigade gegen uns, die zur 1. Kitchener-Armee gehört, lauter junge, kräftige Leute; doch den deutschen Anprall halten sie nicht aus. Im Augenblick ist der erste Graben mit Bajonett und Handgranaten gesäubert. Nur aus den Häusertrümmern heraus ertönt das gleichmäßige Rattern der englischen Maschinengewehre. Lichter und lichter werden unsere Reihen. Bloß jetzt kein Stutzen! Soll der so erfolgreich begonnene Angriff an ein paar englischen Maschinengewehren scheitern?
„Vorwärts, mir nach!“ hört man den Führer rufen. Mit welcher Wut und Erbitterung stürzen sich die jugendfrischen kräftigen Gestalten durch den Geschoßhagel der Maschinengewehre hindurch! Viele stürzen und fallen; doch was übrig bleibt, genügt. Von den englischen Maschinengewehr-Schützen ist keiner davongekommen. Und weiter bahnen sie sich über blutende, zuckende Körper hinweg den Weg. Nur keinen Aufenthalt! Verwundete zu besorgen und verborgene Schlupfwinkel nach Gefangenen auszusuchen, ist Sache der andern, die folgen. Schweißtriefend und mit Blut besudelt kommen die ersten am Ziele an. 4 Maschinengewehre und 5 Minenwerfer haben sie erbeutet. Gefangene wurden in der rasenden Wut des Kampfes nur wenige gemacht.
Gerne wären sie weitergestürmt, dem fliehenden Gegner nach, ehe er seine Reserve-stellung am Zuavenwäldchen erreicht. Kaum konnten die Führer sie zurückhalten. Weiter vor durfte jedoch der Angriff ohne Unterstützung von rechts und links nicht getragen werden.
Also Spaten heraus und sofort angefangen, den Graben zur Verteidigung einzurichten! Der Gegenangriff wird nicht lange auf sich warten lassen.
Dabei nur kein Erschlaffen und kein Ausruhen! Mit fiebernder Eile wird gearbeitet. Aber schon hat die feindliche Artillerie uns gefunden, schon kommen die ersten Granaten, – näher und näher schlagen sie ein, zerfetzen den grünen Wiesenteppich vor und hinter uns und da haut auch schon ein Volltreffer in den Graben. Andere folgen; es gibt Tote, Verwundete, Verschüttete; aber die Arbeit geht weiter.
3 Uhr nachmittags steigert sich das Schießen zum Trommelfeuer. Ein Pfeifen und Sausen, ein Donnern und Krachen in blitzschneller Folge, 40 Minuten lang – Graben-wände stürzen, Verwundete stöhnen; aber fest und aufrecht steht der Posten in seiner Nische, den starren Blick dem Feinde zugewendet, die Nerven zum Zerreißen gespannt.
Und da steigen sie auch schon aus dem Graben, in dichten Massen. Ordentlich gemächlich im Bewußtsein, die da drüben sind jedenfalls erledigt, kommen sie näher. – das bricht den Bann; ein Sprung und unsere Leute sind an der Brustwehr. Und wir schießen, laden, schießen, bis der Lauf zu glühen anfängt. 100 m kommen sie über den Graben hinaus, 100 m haben sie noch bis zu dem unsrigen; da bricht der Sturm zusammen. Nur ganz wenige erreichen ihren Graben wieder.
Von neuem heulen die Granaten. Auf alle Verbindungswege bis zurück zu den Reserven legt sich das Feuer und dauert den ganzen Tag und die ganze Nacht. Um Mitternacht setzt wieder Trommelfeuer ein. der Himmel flammt von dem Mündungsfeuer der schweren Geschütze, leuchtende Geschoßbahnen zerschneiden den nächtlichen Himmel, blitzartig, taghell beleuchten die Flammen der platzenden Granaten und Schrapnells den Graben.
Um 3 Uhr morgens schweigt das Feuer auf einen Schlag. Leuchtkugeln aller Farben schießen in die Höhe und wie aus dem Boden gewachsen tauchen dunkle Gestalten unmittelbar vor dem Graben auf und schleudern ihre Handgranaten gegen die zusam-mengeschmolzene Besatzung. Aber noch ist die Kampfkraft unserer wackeren Schwaben nicht gebrochen; hinüber und herüber fliegen die kleinen Granaten und bald ist die Luft mit dichtem Qualm und Rauch erfüllt, der kaum mehr zu atmen gestattet; aber mit letzter Kraft wird der Feind, der an einer Stelle schon eingedrungen, in das Dunkel zurückgeschleudert. Nach einer halben Stunde ist die Gefahr vorbei. Der Feind findet nicht mehr die Kraft, seinen Angriff zu erneuern.
Aber auch wir waren völlig erschöpft. Seit 30 Stunden hatte niemand ein Auge zugetan. Zu essen und trinken gab’s nichts mehr. Vorgebracht konnte nichts werden. Die Verbindungswege waren eingeebnet und das Sperrfeuer schnitt uns fast vollständig von hinten ab. Wir waren froh, wenn wir die notwendigen Patronen und Handgranaten bekamen. Trotzdem hielten wir noch einmal 30 Stunden in dem bald anschwellenden, bald abschwellenden, aber nie aufhörenden Artilleriefeuer aus. Endlich am Abend des 1. August wurden die Sturmkompagnien vom 30. Juli durch unser III. Bataillon abgelöst.“

Ein englischer Offizier schreibt in der „Morning-Post“ unter der Überschrift „Die Hölle von Hooge“ über die Kämpfe vom 30. Juli bis 1. August:
„Unsere Nerven haben das Schlimmste über sich ergehen lassen müssen, was wir je auszustehen hatten. Wir haben die Kämpfe bei Hooge mitgemacht, über die in den Zeitungen so leicht hinweggeglitten wird, die aber in Wirklichkeit eine mörderische und fürchterliche Schlacht waren. Wer das Schlachtfeld jetzt sieht, dem gerinnt das Blut in den Adern. Von dem Wald, der dort einst stand, ist nichts als der Name geblieben. Ihrer Blätter und Äste beraubt, sanken selbst die nackten Stämme zerschmettert zu Boden. Natürlich fanden eine Menge der Unsern ihren Tod.
Die Deutschen hatten eine unserer Divisionen ganz unverhofft überfallen und unter schweres Feuer genommen. Unsere Jungens ertrugen das, ohne sich vom Platze zu rühren; aber als die Hunnen ihnen flüssiges Feuer herüberschickten, war es ihnen doch zu viel, und sie zogen sich deshalb zurück. Kein Mensch kann solch einen Feuerregen aushalten.
Unsere Division, die im Rufe steht, noch nie zurückgewichen zu sein, wurde in die Richtung der verlorengegangenen Laufgräben dirigiert. Natürlich liefen sofort aufre-gende Gerüchte durch unsere Reihen. Wir waren zwar gänzlich im Dunkeln über die uns zufallende Aufgabe gelassen, konnten uns aber nach vorausgegangenen Erfahrungen  sehr wohl denken, worauf es abgesehen war. Als der General unsere Ahnung mit einer Rede bestätigte, in der er an unser Ehrgefühl appellierte, die berühmten Traditionen der Division hochzuhalten, war jeder bereit, das Seine zu tun. Frohgemut marschierten sie in ihr Verderben. Um Mitternacht setzte unsere Artillerie ein und schien die Hunnen im ganzen Umkreis unter Feuer zu nehmen. Die Hunnen antworteten von allen Richtungen her, und das Krachen der Explosionen und Donnern der Tausende von Kanonen war einfach ohrenbetäubend und nervenzerreißend. Meilenweit sah man nichts als Rauch in den merkwürdigsten Schattierungen Etwa eine Stunde später konzentrierte unsere Artillerie ihr Feuer auf die Hoogestellung. Sandsäcke, Steine, Bretter, Erde, Ziegel, alles bewegliche Gut wirbelte in der Luft herum. Gewehrfeuer, Bomben, Granaten, Lauf-grabenmörser und Maschinengewehre, alles rasselte und knatterte durcheinander und machte ein Höllengetöse. Der fürchterliche Lärm erstickte selbst das britische Hoch, als wir sahen, wie die Hunnen ihre Kanonen aus der vordersten Linie zurückzogen. Unsere Infanterie stürzte über den Hügel vor. Wir machten ein paar Gefangene, eroberten unsere verlorenen Laufgräben zurück und begaben uns sofort an die Befestigungs-arbeiten. Schon in der Nacht darauf machte der Feind den Gegenangriff und ein furchtbares Handgemenge entstand. Wir haben seither einen der zurückgewonnenen Laufgräben wieder aufgegeben, weil er unhaltbar war und unter Kreuzfeuer stand, was aber unsere Stellung nicht beeinträchtigt hat. Eines Tages wird die Geschichte dieses Kampfes geschrieben werden. Dann wird man hören, wie unsere Division sich dabei selbst übertraf. Mein Gott, wie will ich froh sein, dieser Hölle zu entrinnen.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

Donnerstag, 30. Juli 2015

30. Juli 1915


„4.20 Uhr morgens eröffnen Flammenwerfer, Artillerie und Minenwerfer schlagartig das Feuer. 4.22 Uhr brechen die drei Sturmkompagnien, Handgranatenwerfer an der Spitze, vor und dringen im ersten Anlauf in Trichter und vorderen Graben ein; nur die 6. Kompagnie hat einen kurzen Aufenthalt dadurch, daß eine zu kurz gehende Mine in ihre Reihen einschlägt und Verluste verursacht.
Die englische Besatzung, soweit sie nicht flieht, wird gefangen oder niedergemacht; nur zwei Maschinengewehre im Angriffsraum der 6. Kompagnie leisten hartnäckigen Widerstand; aber in rücksichtslosem Draufgehen werden sie nach zähem Kampf schließlich erledigt.
Währenddessen rückt die 4. Kompagnie in den Trichter nach, greift mit einem Zug die noch von Engländern besetzten westlichsten Häuser von Hooge an, aus denen starkes M.-G.-Feuer die 2. Kompagnie flankiert und am weiteren Vorwärtskommen hindert, und füllt mit einem Zug die bei dieser Kompagnie entstandenen Lücken aus. Dank dieser Unterstützung gelingt es der 2. Kompagnie, den Anschluß an die 3. Kompagnie zu gewinnen und mit dieser nach heftigen Kämpfen um den zweiten Graben das Angriffsziel zu erreichen.
Auf dem linken Flügel ist inzwischen die 6. Kompagnie durch ein drittes englisches Maschinengewehr, das durch einen Offizier sehr geschickt bedient wird und starke Verluste verursacht, von neuem aufgehalten worden. Sie hat ihren dritten Zug bereits eingesetzt und von der 1. Kompagnie, die in den Abschnitt C nachgerückt ist, Verstär-kung erhalten. Auch das dritte Maschinengewehr wird genommen. Unteroffizier Keller aus Schwann (OA. Neuenbürg) säubert mit seinem Handgranatentrupp den vom Preußenhaus in südöstlicher Richtung führenden Graben vom Gegner, der hier noch zähen Widerstand leistet; weiter geht der Sturm und bald ist das Angriffsziel erreicht; ja Vizefeldwebel Grohe stürmt noch weit darüber hinaus dem fliehenden Gegner nach. Er wird mit seinem Zug zurückgeholt. Fast gleichzeitig mit den Schützen erreichen auch die beiden Maschinengewehre des Sturmbataillons unter Unteroffizieren Rosenstock aus Biberach und Blank aus Schramberg die vorderste Linie und beteiligen sich wirkungs-voll an dem Verfolgungsfeuer.
Der Gegner (VIII./Rifles-Brigade der 14. Division, die vorher neun Wochen im Ruhelager zugebracht hatte) war auf vorbereitete Stellungen im Zouavenwäldchen zurückgegangen. Seine blutigen Verluste waren sehr stark, die eigenen bis dahin mäßig.
5.30 Uhr morgens kann Hauptmann Erhardt bereits das erreichte Ziel und die Beute – 4 Maschinengewehre, 5 Minenwerfer, große Mengen von Waffen, Munition und Aus-rüstung und 19 Gefangene – melden. Die geringe Zahl der Gefangenen erklärt sich aus der Erbitterung, mit der Nahkampf geführt wurde, wo der Engländer überhaupt standhielt; die 4 Maschinengewehre mußten alle im Feuer gestürmt werden. Dabei zeichneten sich neben dem schon erwähnten Unteroffizier Keller, der trotz einer nicht unerheblichen Kopfwunde bei der Kompagnie blieb, bis er durch eine zweite schwere Verwundung kampfunfähig gemacht wurde, Leutnant Wollinsky, der die Sturm-abteilung der 6. Kompagnie führte, ferner die Unteroffiziere Nick der 4., Alfons Straub der 1. und Koch der 6. Kompagnie durch hervorragende Tapferkeit und Gewandtheit aus.
Der Abschnittskommandeur, Major Blezinger, war den Vorgängen des Kampfes mit scharfem Auge gefolgt und hatte alle Maßnahmen getroffen, um den Erfolg zu sichern. Seine 8. Kompagnie hatte den Befehl erhalten, eine Verbindung von der Sturmstellung nach dem Trichter und von diesem nach dem rechten Flügel der 2. Kompagnie herzustellen. Die 7. Kompagnie war beauftragt worden, die Verbindung mit dem linken Flügel der 6. Kompagnie durchzuführen.
Der Ausbau der eroberten Stellung wurde von dem Sturmbataillon, verstärkt durch weitere vier Maschinengewehre, ohne Zögern in Angriff genommen. Zur Unterstützung desselben schob Major Blezinger die 10. Kompagnie und einen Handgranatentrupp der 9. in den alten Abschnitt C vor, während das Regiment von seinem Gefechtsstand in Pozelhoek aus die 10. Kompagnie durch die 12. ersetzte und die 11. zur Verfügung von Major Blezinger stellte. Die schon vorher eingeteilten Arbeitertrupps der 1. und 4. Kompagnie durchbrachen den Feuergürtel der feindlichen Artillerie und versorgten die Sturmtruppen mit Sandsäcken, Schutzschilden und Munition. Hier wie später unter noch schwierigeren Verhältnissen beim Fort Vaux tat sich der Unteroffizier Bollinger der 1. Kompagnie durch außergewöhnliche Tatkraft und Unerschrockenheit hervor. Bald setzte jedoch feindliches Granat- und Schrapnellfeuer ein, das die Arbeiten stark behinderte und ständig zunehmende Verluste verursachte.
Unsere Artillerie, die einen Beobachter in den vordersten Graben entsandt hatte, erwiderte das Feuer zwar, aber ohne es wesentlich dämpfen zu können. Um Mittag waren Transportansammlungen hinter der feindlichen Stellung wahrnehmbar. 2.30 Uhr traf Hauptmann Erhardt in der vorderen Linie ein und verständigte die Artillerie von der Lage, die noch gespannter wurde, als bald darauf Meldung von Truppenbewegungen aus westlicher Richtung auf das Zuavenwäldchen einging. 3 Uhr nachmittags steigerte sich das Feuer der englischen Artillerie zum Trommelfeuer. 3.40 Uhr trat der Gegner aus dem Zuavenwäldchen zum Angriff an. Er brach auf halbem Wege im Feuer unserer Besatzung, die in dem großenteils eingeebneten Graben unter Hauptmann Erhardt wacker aushielt, zusammen. Die Masse der Angreifer flutete unter starken Verlusten zurück; der Rest suchte im Gelände Deckung. Auch hierbei zeichneten sich wieder die Unteroffiziere Rosenstock und Blank durch Schneid und Kaltblütigkeit aus. Ersterer bediente sein Maschinengewehr selbst und verstand es, nicht nur frontal, sondern auch flankierend vortrefflich zu wirken.
Das Trommelfeuer geht weiter. 4.15 Uhr macht die feindliche Infanterie noch einen Angriffsversuch, der aber im Keim erstickt wird. Das Feuer läßt nun allmählich nach, bleibt aber auf Stellung und Verbindungen als planmäßiges Zerstörungsfeuer liegen.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929
Kartenskizze: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart 
nach freundlicher Unterstützung durch Herrn Frank Nullmeyer

Mittwoch, 29. Juli 2015

29. Juli 1915


„Der Russe hatte das Gut Ignasin zu einem starken Bollwerk mit Drahthindernissen ausgebaut. Die feindliche Hauptstellung lag jedoch erst nördlich Ignasin, jenseits der großen Straße Fajslawice – Piaski.
Zur Bekämpfung des Werkes Ignasin war eine Mörser-Batterie nordwestlich Siedliska in Stellung gegangen, deren ausgezeichnete Wirkung später den Bataillonen des Regiments den Angriff sehr erleichtert hat.
Am Abend des 28. stellte sich das Regiment zum Angriff bereit, und zwar zwischen dem Infanterie-Regiment 21 (rechts) und der 20. Infanterie-Division (links). Am Waldrand südwestlich Ignasin nistete sich III. und II. Bataillon für die Nacht ein. Das I. Bataillon wurde im Wald weiter südlich als Reserve des Regimentskommandeurs zurückbehalten. Der Feind verhielt sich völlig ruhig. Er schien von dem bevorstehenden Angriff nichts zu ahnen.
Am 29. Juli, 4 Uhr vormittags, setzte planmäßig Wirkungsschießen der gesamten Artillerie gegen die feindliche Stellung ein. Gleichzeitig gab Oberst von Triebig an das II. und III. Bataillon den Befehl, die Kompanien im Schutze der Artilleriewirkung so nahe wie möglich an die feindlichen Gräben heranzuschieben. Um 6.15 Uhr vormittags sollte auf der ganzen Front zum Sturm auf Ignasin und die westlich dieses Gutes liegenden feindlichen Stellungen vorgegangen werden.
Das Vorarbeiten der Schützen gelang mit Erfolg. Die 5. und 7. Kompanie lagen gegen 6 Uhr wenige hundert Meter vor Ignasin. Ebenso die im Anschluß liegenden Teile des Infanterie-Regiments 21. Das III. Bataillon dagegen erhielt lebhaftes Maschinengewehr-feuer aus der linken Flanke, und zwar von einem Maschinengewehr-Stützpunkt an der Straße Piaski – Fajslawice. Erst als eine schwere Batterie auf diesen Stützpunkt angesetzt wurde, konnte auch das III. Bataillon sich weiter vorarbeiten.
Um 6.15 Uhr vormittags soll gestürmt werden. Aber die Artilleriewirkung erweist sich noch als ungenügend. Der Russe wirft den stürmenden Kompanien ein heftiges Maschinengewehrfeuer entgegen und läßt sich nicht aus seiner Stellung werfen.
Das Feuer der schweren Batterien muß fortgesetzt werden. Die Mörser-Batterie massiert ihr Feuer jetzt auf das Gut Ignasin. Bald ist dort alles in Rauch und Dampf gehüllt.
Um 7 Uhr vormittags gibt Oberst von Triebig dem I. Bataillon den Befehl, den Angriff des III. Bataillons auf dem linken Flügel des Regiments mit 2 Kompagnien zu unterstützen und vorzutragen, um hierdurch mit den links kämpfenden Teilen an Ignasin vorbeizustoßen und das Werk zu Fall zu bringen.
Major Bürger setzt die 1. und 3. Kompanie zur Verstärkung des III. Bataillons ein. Aber starkes feindliches Artilleriefeuer hält die beiden Kompanien auf, als sie den Wald verlassen. Durch schneidiges Vorgehen gelingt es aber der 3. Kompanie unter Leutnant d. L. Bader, die vorderen Linien des III. Bataillons zu erreichen und dadurch den Angriff wieder in Fluß zu bringen.
Gegen 8 Uhr vormittags wird der Russe in Ignasin mürbe und zeigt die weiße Flagge. Sofort dringen 5. und 7. Kompanie zusammen mit Teilen des II./21 in das Werk ein und nehmen die Besatzung – etwa 280 Russen – gefangen. Gleichzeitig wirft das III. Bataillon mit der 1. und 3. Kompanie den Feind aus seinen Gräben westlich Ignasin. Gegen ½9 Uhr nähert sich das Regiment im fortschreitenden Angriff der Straße Piaski – Fajslawice.
Schon aber schlägt den vorgehenden Schützen erneutes Feuer von der Höhe 225 nördlich der Straße entgegen. Der Feind hat seine geschlagenen Teile zu neuem Widerstand zusammengerafft. Auch seine Artillerie ist wieder erwacht und legt den Grund südlich der großen Straße unter heftiges Grant- und Schrapnellfeuer.
Der Angriff stockt wieder.
Oberst von Triebig befiehlt nunmehr, eine erneute Beschießung der Höhe 225 durch die zugeteilten Batterien. Die Fortsetzung des Angriffs wird auf 11 Uhr vormittags festgesetzt.
Die Batterien schießen ausgezeichnet. Der Russe wird schwankend. Um ½Uhr ist das Regiment im Besitz der Höhe. Der Feind ist im Rückzug auf Biskupice. –
Damit war die Entscheidung des Tages gefallen, der Durchbruch durch die Stellungen des Gegners gelungen. Zu ernstem Widerstand vermochte sich der Russe nicht mehr aufzuraffen. Das Füsilier-Regiment 122 drang im Laufe des Nachmittags zusammen mit seinem rechten Kampfnachbar, dem Infanterie-Regiment 21, von Höhe zu Höhe vor bis unmittelbar südlich Biskupice. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde das Regiment hinter den rechten Divisionsflügel als Reserve zusammengezogen. Die Bataillone nächtigten im Walde, 1½ Kilometer südöstlich Biskupice. –“




aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Dienstag, 28. Juli 2015

28. Juli 1915


„Die Zeit bis zum 29. Juli verlief ruhig, das Feuer des Gegners war normal, unsere Verluste ganz unbedeutend.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Montag, 27. Juli 2015

27. Juli 1915


„Schon am 26. Juli sollte an der Mündung der Szkwa der Uferwechsel über den Narew erzwungen werden. Pioniere 116 und Artillerie 116 rückten vor. Drüben hatten die Russen sich günstig und überhöht eingegraben. Teile deutscher Nebentruppen standen schon im Kampf. Aus Stellungen hinter Stanislawow begannen die Batterien die feindlichen Erdwerke zu beschießen. Die Pionier-Kompagnie mußte eine Brücke schlagen. Unter Granaten und Schrapnellen hatten andere das vergeblich versucht. Der Kompagnieführer, Oberleutnant Mohr, erkundeter die Stelle, das Wasser ist dort 65 Meter breit, 14 Pontons kamen zum Einbau. In der Nacht gedieh die Brücke bis auf die letzte Strecke. da setzte im Morgengrauen dicht zusammengelenktes Feuer aus allen Geschützen und Gewehren von drübenher ein.
Tags zuvor übergesetzte Deckungstruppen, durch Pioniere verstärkt, wehrten dem als jähe Überrachung gedachten Angriff. Die tüchtigste und mutigste Werktruppe baute die Brücke fertig. Die Namen sind im Kompagnietagebuch genannt: Offizierstellvertreter Ernst Glaab, Unteroffizier Bohlemann, Unteroffizier Wolfangel, die Pioniere Wahl, Schwarz, Hermann Glaab und Kneißler. Der letzte fiel bei dem kühnen Stück.“


aus: „Schwäbische Kunde aus dem großen Krieg“, 4. Buch, Stuttgart 1921

Sonntag, 26. Juli 2015

26. Juli 1915


„In den Nachmittagsstunden des 25. Juli eröffnete unsere Artillerie das Feuer gegen die feindlichen Stellungen bei und östlich Kunin. I. und II. Bataillon gehen – rechts Anschluß an Inf.-Regt. 125 – gegen Kunin zum Angriff vor. Der gut verschanzte Gegner schoß heftig, besonders mit Maschinengewehren. In dem deckungslosen Angriffsgelände kam der Angriff zunächst nicht vorwärts. Die Kompagnien klammerten sich daher an den erreichten Boden an und gruben sich ein. Das II. drang bis auf 300 Meter an Kunin vor, welches sich als stark besetzt erweist. Neben braven Grenadieren fiel bei der 8. Kompagnie Fähnrich Gönner, ein frischer, sehr tüchtiger junger Soldat, durch Kopfschuß. Einer vorgesandten starken Patrouille der 8. Kompagnie gelang es, einen vorgeschobenen russischen Posten zu überraschen und ihm 12 Maschinengewehr abzunehmen. Die Nacht verlief auffallenderweise ruhig; es zeigte sich aber am folgenden Tag (26. Juli), daß der Russe nicht gewillt war, die wichtige Bahnlinie Ostrolenka – Warschau leichten Kaufs freizugeben.
Auf die Meldung der vorderen Linie gegen 6.30 Uhr vormittags, daß Kunin anscheinend frei vom Feind ist, geht das II. Bataillon vor, um den Ort zu besetzen. Schon ist der Ost- und Westausgang von uns besetzt und Leutnant d. R. Matthes, der Führer der 6./119, hatte sich persönlich mit Patrouillen ins Vorgelände begeben, da setzte immer stärker werdendes feindliches Infanteriefeuer von Osten her ein. Aus Saosha drangen starke feindliche Kolonnen vor, und von Wolka her gehen Russen gegen den rechten Flügel der Stabstruppe II umfassend vor. Das I. Bataillon lag noch 500 Meter zurück und konnte bei dem unübersichtlichen Gelände nicht durch Feuer unterstützen. Um nicht von dem übermächtigen und überflügelnden Feind umgangen und abgeschnitten zu werden, räumten unsere vorgeprellten Kompagnien Kunin und gingen mit zurückge-bogenem rechten Flügel 200 Meter hinter den Dorfrand zurück. Die Lage war kritisch, als die Russen nun in Massen, einer nicht endenwollenden braunen Flut gleich, vorstürmten.
Der Bataillonsadjudant II., Leutnant Knoerzer, Alfred, eilt mit dem Unterstab an die gefährdete Stelle; Offiziere und Mannschaften beteiligen sich gleichmäßig am Abwehrfeuer. Da trifft das I. Bataillon ein; aber die Lage bleibt immer noch sehr ernst, weil der rechte Flügel weiter von den Russen überflügelt wird, denn zwischen Gren.-Regt. 119 und Inf.-Regt. 125 war allmählich eine große Lücke entstanden. Teile des III. Bataillons (12. Kompagnie und Stabstruppe III) griffen auf dem rechten Flügel energische ein, wobei der unerschrockene Führer dieser Stabstruppe, Leutnant d. R. Wildermuth, zum wiederholten Male schwer verwundet wurde. Doch die Abwehr des Feindes gelingt; der Russe kommt nicht weiter vor.
Das ganze Regiment mit der M.-G.-K. war nun zur Abwehr der Russenmassen eingesetzt worden.
Mehrfach wurden starke Angriffe abgeschlagen; immer wieder versuchte der Feind, den rechten Flügel der Grenadiere zu umfassen.
Ein Bataillon Inf.-Regt. 42 war inzwischen dem II. Bataillon zur Verfügung gestellt worden und verstärkte mit 2 Kompagnien die vordere Linie. Das brachte uns wesentliche Erleichterung. Die Absicht der 26. Inf.-Division, Saosha wegzunehmen, kam nicht zur Verwirklichung, weil neu auftretende starke feindliche Kräfte gegen diesen Ort vorgehen. Der Abend machte dem Kampf ein Ende; 2 Kompagnien des II./119 und III./121 werden bei Zu Schar als Regimentsreserve bereitgestellt. Schwer waren die Verluste des Regiments; wieder färbte das Blut zahlreicher tapferer Schwaben den feindlichen Boden. Leutnant d. R. Krauß (8.) und 55 Unteroffiziere und Grenadiere waren gefallen, die Leutnants d. R. Schmidlin, Mezger, Zutt, Wildermuth und Hopf, sowie 188 Unteroffiziere und Mannschaften verwundet, 28 vermißt. In der Nacht hielt der Gegner das brennende Kunin nur mit Patrouillen besetzt.“



aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Samstag, 25. Juli 2015

25. Juli 1915


Landsturmmann Josef Vogt
XIII. Armeek., 26. Div., Inf.-Rgt., 2. Komp.,
gefallen 25. Juli 1915.
Josef Vogt, Sohn der Schießplatzstraße 4 hier wohnenden Schuhmacherseheleute Josef und Bernhardine Vogt, letztere eine geborene Weiß, ist geboren am 5. März 1892 in Baienfurt bei Weingarten. Nach Entlassung aus der Volksschule war er 3 Jahre im landwirtschaftlichen Betrieb des Gutsbesitzers Allgayer-Zußdorf gleichen Oberamts tätig. Dann trat er in die große Maschinenfabrik Weingarten ein und arbeitete 6 Jahre als jugendlicher Arbeiter zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten.
Am 8. Januar 1915 wurde er eingezogen und erhielt beim Ersatz-Bataillon des Infanterie-Regiments 124 die militärische Ausbildung. Am 15. Mai rückte er ins Feld zur 2. Kompagnie des Infanterie-Regiments 125 in Rußland. Nur stark 2 Monate konnte Josef Vogt dem Vaterlande als tapferer Verteidiger dienen, bis er am 25. Juli 1915 durch einen Volltreffer den Heldentod für dasselbe erlitt und zwar bei Scharlatte (?) an der Narew. Näheres über seine letzten Stunden konnten die betrübten Eltern nicht erfahren. auch nichts über Ort und Art des Begräbnisses.“

aus: „Schwäbische Helden Weingarten (in Wttbg.) im Weltkrieg“, Stuttgart 1920


„Auf der bei Bshushi-Wjelkie von preußischen und württembergischen Pionieren in der Nacht vom 24./25. Juli fertiggestellten, etwa 200 m langen Brücke überschritt am 25. Juli die ganze 26. Division den in wenig eingeschnittenem Tal breit und träge dahin-fließenden Narew.
Oberhalb der Feste Roshan hatte die Garde ebenfalls in der Nacht vom 24./25. den Fluß überwunden und bei Dombrowka festen Fuß gefaßt. Pultusk fiel am gleichen Tage wie Roshan. Gallwitz stand in Warschaus Nordflanke.
Daß uns die Russen den Besitz der Narewlinie streitig machen würden, war voraus-zusehen. Die Kämpfe gingen weiter.
In erbittertem Ringen säuberte das Regiment am 25. Juli den Wald östlich Michalowa Nowoje und setzte sich darin fest. Es folgte eine entsetzliche Nacht, Regenschauer ohne Ende gingen nieder, drangen durch die Zeltbahnen und durchweichten den Boden, kalte Nebel entstiegen den sumpfigen Niederungen des Narew.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Freitag, 24. Juli 2015

24. Juli 1915


„Am 24. Juli kämpften sich die Bataillone an den Narew heran, um bei Dsbonds den Übergang zu erzwingen. Gegen 12 Uhr mittags hatte sich das II. Bataillon an den Westrand, das III. Bataillon an den Südteil von Dsbonds herangearbeitet. Durch fortgesetztes russisches Artilleriefeuer aus der linken Flanke steigerten sich hier die Verluste; auch der Führer der 10./119, Leutnant Häberlen, wurde schwer verwundet und erlag bald darauf seinen Verletzungen.
Die Brücke über den Narew hatten die Russen abgebrannt. Die Ufer des über 1,5 Meter tiefen und über 60 Meter breiten Flusses sind steil, eine Furt ist nicht vorhanden. Das I./119 begann alsbald mit dem Bau von Flößen zum Übersetzen.
Der Gegner lag 200 Meter vom jenseitigen buschigen Ufer entfernt in Stellung. Er wurde von unserer Artillerie beschossen, doch 1.30 nachmittags mußte die Beschießung aussetzen, weil ungeheure Rauchwolken des von den Russen in Brand geschossenen Dsbonds jede Beobachtung unmöglich machten.
Ein um 5.30 Uhr nachmittags vom II. Bataillon unternommener Übergangsversuch scheiterte an dem vom Ostufer einsetzenden feindlichen Infanterie- und Maschinen-gewehrfeuer und dem flankierenden Feuer der russischen Artillerie bei Kaschjewietz. Der Kommandeur des III. Bataillons, Major v. Alberti (Bernhard) erhielt hierbei bei Erteilung seiner Befehle einen Schrapnellschuß in den Oberschenkel und gleich darauf einen Kopfschuß. Seinen schweren Wunden ist dieser unerschrockene, seine Person rücksichtslos einsetzende Führer 2 Tage später im Feldlazarett Makow erlegen. 14 tapfere Grenadiere waren gefallen und eine große Zahl wurde verwundet.
Das III. Bataillon übernahm jetzt Hauptmann Bernhold, die M.-G.-K. Leutnant Hans v. Graevenitz.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 23. Juli 2015

23. Juli 1915

„23. Juli 1915.
In den Vormittagsstunden des 23. Juli unterstützte die Artillerie der Division den Angriff der 3. Inf.-Div. in weitgehendstem Maße durch flankierendes Feuer. 11.45 Uhr vormittags teilte das General-Kommando mit, daß die 3. Inf.-Div. die schanze bei Zahl 105 (2 Kilometer südlich Schigi) gestürmt habe und sich zum Angriff auf Höhe 118 bereitstelle. 2.35 Uhr nachmittags hatte die 3. Inf.-Div. auch dieses Ziel erreicht und fühlte mit Patrouillen gegen die Hauptstellung bei Pritzanowo vor.
Das Artilleriefeuer wurde nunmehr auf die Hauptwerke (III) und auf die Schanzen an der großen Straße geleitet. Ein Korpsbefehl von 4.15 Uhr nachmittags bezeichnete die nächste Aufgabe der 26. Inf.-Div.: das Zurückwerfen des Gegners westlich Dsbonds und bei Mrotschki-Rembischewo bis an den Narew. Am 23. Juli, abends, war die Stellung der Infanterie der 26. Inf.-Div. folgende:
In vorderer Linie von Napjorki bis Pruschki (einschließlich) zwei Bataillone Gren.-Regt. 119, bei Beldyki ein Bataillon 119, von Pruschki (ausschließlich) bis zur Chaussee nach Roshan (ausschließlich) zwei Bataillone 125. Bei Szwidry I./125, III./121, 1. und 5. Pion.-Komp. 13, 4./29 Divisionsreserve. Bei Tluschtsch drei Eskadrons Ulanen-Regt. 20, eine Eskadron bei Lasz, M.-G.-Zug 222 und 223 bei Malki.
Am 23. Juli, 10 Uhr nachmittags, erging ein Korpsbefehl, wonach die 35. Inf.-Div. den Gegner im Narewbogen zurückgeworfen hat und im Begriffe steht, den Narew in Gegend Osztry-Kol – Bshushy-Wielkje zu überschreiten. Die Garde-Kavallerie-Brigade ist der 35. Inf.-Div. unterstellt. Ulanen-Regt. 20 (ohne eine Eskadron) hat sich dem linken Flügel der 35. Inf.-Div. anzuschließen. Die 26. Inf.-Div. hat den Angriff auf Mrotschki-Rembischewo frühzeitig einzuleiten.“



aus: „Die 26. Infanterie-Division im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1927

Mittwoch, 22. Juli 2015

22. Juli 1915


„23. Juli. Das Regiment steht verwendungsbereit bei Tluschtsch. Abends 8 Uhr Einrücken in die alten Quartiere. – Seit der Räumung des Narewbogens in der Nacht vom 21. zum 22. wurde eine unserer stehenden Patrouillen, die Unteroffizier Betz und Hechler, der Gefreite Karlein und der Ulan Wildermuth vermißt; sie gehörten zu den allerbesten und kriegserfahrensten ihrer Eskadron, daher bestand, nachdem alle Erkundungen und Nachfragen von Tluschtsch aus kein klares Bild ergeben hatten, immer noch die Hoffnung, sie könnten sich irgendwie nach Süden durchgeschlagen haben. Erst als die Bewegungen wieder in Gang gekommen waren, wurde es traurige Gewißheit, daß sie den Heldentod gefunden hatten; sie waren von Infanterie, tot, beraubt und mit schweren Hieb- und Stichwunden samt ihren Pferden ca. 200 m westlich von ihrem Aufstellungsorte in dem dort sumpfigen Gelände aufgefunden worden. Nach Lage der Sache kann kein Zweifel darüber herrschen, daß sie die auf der ganzen Linie in der den Kosaken eigentümlichen Form der Schwarmattacke ankommende russische Kavallerie zu spät bemerkt hatten, beim Zurückgehen in Sumpfgelände geraten und dort abgeschnitten worden waren. Es scheint, daß sie zunächst gefangen genommen wurden und beim Zurückgehen der Kosaken zu flüchten versuchten; als diese bemerkten, daß sie außerstande waren, die Gefangenen lebend zurückzubringen, kam es zum Kampf, in dem die Ulanen der Überzahl erlagen. Beim Vormarsch sahen wir dann das Grab, das die Infanteristen ihnen bereitet hatten.“


aus: „Bilder aus der Geschichte de Ulanen-Regiments König Wilhelm I (2. Württ.) Nr. 20“, Stuttgart 1934

Dienstag, 21. Juli 2015

21. Juli 1915


21. Juli 1915.
Die 26. Inf.-Div. sollte sich auf Grund des Korpsbefehls vom 20. Juli 11 Uhr nachmittags am 21. Juli auf Festhaltung ihres Erfolges beschränken mit starker Staffelung rechts. Ein Batl. Inf.-Regt. 42 wurde vorläufig der 26. Inf.-Div. unterstellt. Die Nacht verlief ruhig. Die Division baute die erreichte Stellung aus. Auch der übrige 21. Juli verlief ruhig.“


aus: „Die 26. Infanterie-Division im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1927

Montag, 20. Juli 2015

20. Juli 1915


„An der großen, von Südwesten nach der Festung Roshan führenden Straße hatte der Feind sich mehrere Schanzen errichtet und mit M.-G. besetzt. Zusammen mit II./125 entfalteten sich 10. und 12. Kompagnie während der Nacht bei Regen und arbeiteten sich bis auf 500 Meter an den Feind heran. Im Zwielicht schlängeln sich die Schützen der 5. und 8. Kompagnie und Stabstruppe II. Bataillon vorwärts und stellen sich mit den Reserven bereit. Schon am 19. Juli mittags wird ein Detachement Frommann, bestehend aus 6. und 7. Kompagnie und einem Zug M.-G. gebildet und auf Meldungen, daß der Feind über Pruschki im Anmarsch sei, dorthin entsandt, um gleichzeitig die rechte Flanke der Angriffstruppen zu decken.
Den Morgen begrüßen die ersten Artillerieschüsse. Nun da es Tag war, sah man das Feld zwischen den Kompagnien und der anzugreifenden Höhe 132 weit sich dehnen. Vorsichtig arbeiteten sich die Schützen vor, dort ein Zug, da eine Gruppe, das noch spärlich stehende Getreide bot wenig Deckung.
Über solch mühsamer Annäherungsarbeit stieg die Sonne höher und höher. Es gelang allen Teilen auf Sturmentfernung heranzukommen. Je mehr das Infanteriefeuer verstummte, um so stärker tobte die feindliche Artillerie. Doch auch unsererseits schlug Treffer auf Treffer in die feindlichen Erdaufwürfe und hüllte sie in eine fahlgelbe Wolke. Jetzt war es Zeit! Um 10 Uhr vormittags kam der Befehl zum Sturm. Gebückt in schärfstem Lauf ging es vorwärts, nur wenig Infanteriefeuer war noch zu spüren; durch die zerschossenen Hindernisse stürzt die Schar der Stürmenden mit brausendem Hurra auf den Feind.
Allen voran eilt der Unteroffizier Weckerle der 5. Kompagnie – er war auf vorgeschobenem Posten – als er seine Kompagnie zum Angriff kommen sah; so stand er mit seinen getreuen Begleitern zunächst allein einer feindlichen Besetzung von 120 Mann, die nachher gefangen wurde, gegenüber. Im stärksten Feuer. 30 Schritt jenseits der Schanze, kriecht er seinem verwundeten Leutnant Eisenbraun zu Hilfe und schafft ihn auf seinem Rücken in die Schanze, begab sich wieder nach vorne und übernahm die Führung des Zuges. Gegen Mittag am Kopf selbst nicht unerheblich verwundet, lehnt er es ab, zurückzugehen und bleibt bis zum andern Morgen auf dem Gefechtsfeld. Das E. K. I belohnte sein ehrenvolles Verhalten. Zum Teil ohne Mantel und Waffenrock, Entsetzen und Angst in den Gesichtern, flohen die Russen ins Innere der Festung. Viele ergeben sich mit erhobenen Händen. Die Schanzen und damit die Hauptlinie hat das Regiment in Besitz; eine Verbindung nach rückwärts über die deckungslose Ebene war jedoch unmöglich. 42 Tote, 145 Verwundete (darunter 7 Offiziere) verloren das II. und III. Bataillon.
Wie meist, so war auch hier der Sturm nur der Anfang eines wütenden Kampfes. Schon kamen in weiter Ferne sichtbar starke russische Schützenlinien heran; unsere wohlgezielten Kugeln schlugen ihnen entgegen. Ein kurz vorher erobertes M.-G. wurde in Stellung gebracht und kräftig in Tätigkeit gesetzt. Überhaupt sparten die Leute ihre Munition dadurch, daß sie aus den zahlreich erbeuteten Gewehren mit russischer Munition schossen. Immer dünner wurden die feindlichen Reihen; der Rest flutet in die Gräben zurück.
Die eroberte Stellung wurde während der Nacht mit Sandsäcken und Hindernissen sorgfältig ausgebaut. Im Morgengrauen waren die feindlichen Gräben leer, die Russen waren über den Narew zurückgegangen.
Roshan, Stadt und Festung waren in unserer Hand, der Übergang über den Fluß, der sich in wenig eingeschnittenem Tal, breit und träge, durch Sandbänke und mehrere Läufe getrennt, zu den Füßen der Stadt dahinzieht, gesichert.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921



aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Sonntag, 19. Juli 2015

19. Juli 1915


„Die Minenstollen vor unserer Front sollten nach Ansicht der Sachverständigen eine Gewähr gegen unbemerktes Minieren des Gegners bieten. Ein Unterfangen desselben durch tiefer gegrabene Minenstollen wurde bei dem hohen Grundwasserstand für unmöglich gehalten. Aber am 19. Juli, 8.10 Uhr abends, brachte der Engländer auf der Naht zwischen unsern Kompagnieabschnitten B und C eine Mine zur Entzündung, die einen Trichter von seither nicht gekannter Größe auswarf und über 100 Mann  der 7. und 8. Kompagnie, 2 Maschinengewehre, je 1 Infanterie- und Artillerie-Beobachtungs-stand, 1 Sprechstelle, 2 Minenschächte und 1 Handgranatendepot in die Luft sprengte bzw. verschüttete. Der Trichter hatte eine Tiefe von 12 m und einen Durchmesser von 40 m, sein Auswurf erstreckte sich 60 – 80 m rings um den Kraterrand, die Gräben je nach ihrer Entfernung von ihm ganz oder teilweise füllend. Gleichzeitig mit der Sprengung eröffnete der Gegner starkes Artilleriefeuer gegen die Abschnitte A und B und das Hintergelände, und seine Infanterie drang in einer Breite von 150 – 200 m in den Sprengtrichter und die anschließenden Stellungsgräben ein. – Hier traten ihnen jedoch sofort die Handgranatentrupps der 7. und 8. Kompagnie (Abschnitt B und C) entgegen.
Leutnant d. R. Goetze hatte erst am Nachmittag die 7. Kompagnie (Abschnitt C) von dem verwundeten Oberleutnant Küffner übernommen, der als Nachfolger des Hauptmanns Moschner seiner Kompagnie ein ebenso vortrefflicher Führer und Erzieher geworden war, wie dieser. Leutnant d. R. Goetze befand sich zur Zeit der Sprengung mit dem Unteroffizier Georgi von der 5./Pion.-Batl. 15 an der Einmündung des Schloßwegs in die Stellung. Mit einigen rasch zusammengerafften Leuten begannen sie sofort den rechts von ihnen eingedrungenen Engländer mit Handgranaten gegen den Trichter zurückzutreiben. Von einem zur Unterstützung gesandten Handgranatentrupp der 6. Kompagnie unterstützt, gelangten sie bis auf 20 m an den Trichter heran, wurden aber hier durch starkes M.-G.-Feuer des Engländers zum größten Teil außer Gefecht gesetzt. Der Rest grub sich im Trichterschutt ein.
Im Abschnitt B (8. Komp.) warf sich Leutnant d. R. Jehle dem eingedrungenen Feind mit zwei Gruppen entgegen. Hierbei fand der tapfere Offizier, der sich erst im März in einer gefahrvollen und abenteuerlichen Fahrt aus Chile nach der Heimat durchgeschlagen hatte, den Heldentod. An seine Stelle trat Leutnant d. R. Matt, dem es gelang, den Gegner in hartnäckigem Handgranatenkampf allmählich auf den Trichter zurückzutreiben. Als aber der Nachschub an Handgranaten infolge einsetzenden starken Artilleriefeuers aufhörte, errang der Engländer wieder einige Vorteile. Ein Versuch desselben, die 8. Kompagnie vom Trichter aus im Rücken zu fassen, scheiterte jedoch an der entschlossenen Gegenwehr der braven Mannschaft und bald traf auch die angeforderte Unterstützung – ein  Zug der 9. Kompagnie – ein und festigte hier die Lage.
Währenddessen besetzten die Bereitschaftskompagnien (11. und 12.) die zweite Stellung; die Regimentsreserve wurde mit der 9. Kompagnie im Geyerweg, mit der 10. in der Meisengasse bis zum Gefechtsstand des Abschnittskommandeurs vorgezogen, die Divisionsreserve (I. Batl.) in die dritte Stellung. Infolge der großen Ausdehnung des Sprenggebiets, der hereinbrechenden Dunkelheit, des starken Artilleriefeuers, das die Sprechleitungen zerstörte und die Meldegänger behinderte, dauerte es aber geraume Zeit, bis der Abschnittskommandeur, Major Blezinger, die Lage übersehen konnte.

Als erste Hilfe sandte er die 12. Kompagnie nach dem besonders gefährdeten Abschnitt C. Sie traf noch rechtzeitig ein, um die Verluste durch Verschüttungen und Artilleriefeuer zu ersetzen, den durch Leutnant Goetze vom Gegner gesäuberten Grabenteil zu sichern und bei der Abwehr eines frontalen Angriffs mitzuwirken, der vor unsern Hindernissen zusammenbrach. Auch das auf Anfordern prompt einsetzende Sperrfeuer unserer Artillerie hatte hierbei kräftig mitgewirkt.
9.25 Uhr abends erhielt Hauptmann Winghofer, der Führer der eben eingetroffenen Regimentsreserve (9. und 10. Komp.) den Befehl, mit je einer Kompagnie, im Schloßweg und Seeweg vorgehend, den Trichter von Norden und Nordosten anzugreifen, unterstützt durch die Feuertätigkeit der 8. und 7. bzw. 12. Kompagnie. 10.45 Uhr abends sollte der Sturm beginnen. Ein Zug der 9. Kompagnie wird auf Anfordern zur Verstärkung des Abschnitts B entsandt, von den gegen 10 Uhr abends eintreffenden beiden Kompagnien  des I. Bataillons die 3. an Stelle der 12. zur Beset-zung der zweiten Stellung verwendet und die 2. als Reserve des Abschnittskom-mandeurs zurückbehalten.
10.35 Uhr stehen 9. und 10. Kompagnie bereit und treten wie befohlen zum Angriff an. Während aber der Angriff der 10. Kompagnie aus dem Seeweg heraus im feindlichen Artillerie-Sperrfeuer zum Stehen kommt, scheitert der Angriff der 9. an dem starken M.-G.-Feuer aus dem Trichter.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

Samstag, 18. Juli 2015

18. Juli 1915


„Auf schlechten Feldwegen rückte das Füsilier-Regiment um 11 Uhr abends als Vorhut der Division über Tarnogora – Romanow nach Krasnostaw. In der Morgendämmerung erreichte die Spitze die Stadt. Nebel stiegen aus dem Wieprztal.
Vom Verlauf der eigenen oder feindlichen Linien war nicht das mindeste bekannt. Zu Erkundungen war keine Zeit gewesen. Als es hell wurde, erkannte man drüben auf den Osthängen  des Wieprz-Tals russische Abteilungen, an denen man bisher im Schutz der Dämmerung auf kaum 1400 Meter entlang marschiert war. Es war damals noch Bewegungskrieg reinster Sorte! Über den Reitertrupp des Regimentsstabs pfiff eine Salve hinweg.
Der Regimentskommandeur versammelte das Regiment zunächst im Südteil von Krasnostaw, gedeckt gegen die feindlichen Höhen, und erkundete die Kampflage. Allmählich klärte sich das Bild.
Der Russe hatte sich östlich Gory und Zastawie eingegraben und lag im Kampf mit dem Regiment Elisabeth, das er stellenweise durch starke Teilangriffe schwer bedrängte. Südlich vom Regiment Elisabeth waren deutsche Truppen nicht aufzufinden. Es „sollte“ südlich Zastawie ein in seiner Stärke und Zusammensetzung unbekanntes „Detachement v. Luck“ stehen, mit dem Fühlung zu nehmen vorläufig aber nicht gelang.
Gegen 3 Uhr vormittags schlugen die ersten feindlichen Granaten in Krasnostaw ein. Um die selbe Zeit flackerte auch auf den Höhen jenseits des Wieprz das Infanteriefeuer auf, das bisher geschwiegen hatte. Gleichzeitig ging bei Oberst von Triebig, der sich bei der Kirche von Krasnostaw befand, der Divisionsbefehl ein, „im Angriff mit dem Regiment, zusammen mit den Elisabethern, sich in Besitz der Höhe 256 östlich Gory zu setzen“.
Südlich vom Gardekorps, so hieß es im Divisionsbefehl weiter, sollte die 22. Infanterie-Division im Kampf um den Wolica-Abschnitt stehen. Diesen Übergang zu erleichtern, war der Zweck des Angriffs der 105. Division.
Oberst von Triebig gab hierauf folgenden Befehl an seine Bataillone:
„Der Feind hält die Höhe 256 östlich des Wieprz. Garde-Grenadier-Regiment Elisabeth liegt mit rechtem Flügel etwa am Weg Gorny – Lany. Füsilier-Regiment 122 setzt sich rechts vom Regiment Elisabeth in den Besitz der Höhe 256, I. Bataillon im Anschluß an die Garde, III. Bataillon rechts vom I. Das II. Bataillon rückt hinter den rechten Flügel des Regiments zum Schutz der Südflanke. Ich bleibe zunächst an der Brücke von Krasnostaw.“
Die Ausführung dieses Befehls begann etwa um ½4 Uhr morgens. Die Bataillone überschritten die Wieprz beinahe unbehelligt vom Feind und stellten sich am Ostrand von Gory bereit. Von diesem Dorf aus zogen sich die Hänge sehr steil nach Osten hinauf, so daß im Dorfe unten völlig ungesehen die Entfaltung der Truppe vorgenommen werden konnte.
Gegen ¼5 Uhr morgens erstiegen die 3. und 4. Kompanie rechts vom II. Bataillon der Garde-Grenadiere die Steilhänge. Gleichzeitig beschoß der Russe Gory und die vorgehenden Schützen mit Schrapnells. Um ½5 Uhr wurde das Feuer auf den etwa 900 Meter entfernten Gegner eröffnet. Wenig später traten auch die vordersten Kompanien des III. Bataillons rechts vom I. in den Kampf.
Nach kurzem Feuergefecht hatten sich die Kompanien des Füsilier-Regiments bis 5 Uhr auf 2100 Meter an den Feind herangearbeitet. Nachdem von hier aus der Russe weitere 15 Minuten unter lebhaftes Feuer genommen worden war, sah man einzelne Leute des Gegners durch die Kornfelder zurückschleichen. Andere liefen unter Schwenken von weißen Tüchern über. Die Höhe 256 wurde hierauf um ½6 Uhr morgens vom I. und III. Bataillon erstürmt und dabei etwa 100 Russen gefangen.
Dadurch daß das I. Bataillon nun nicht in östlicher, sondern etwas südöstlicher Richtung zum Angriff vorgegangen war, hatte sich bei Wegnahme der Höhe 256 zwischen diesem Bataillon und dem Regiment Elisabeth eine Lücke gebildet. Eine Schwenkung oder ein Seitwärtsrücken war angesichts des Feindes, der noch östlich Höhe 256 mit seinen Hauptkräften in Stellung lag, nicht möglich. Aus diesem Grunde wurde um ½8 Uhr vormittags das II. Bataillon des Regiments auf dem linken Flügel in der erwähnten Lücke eingesetzt. Diese Bewegung dauerte mehrere Stunden, da das Bataillon, das den Schutz der Südflanke des Regiments übernommen und hierzu bereits zwei Kompanien südöstlich Zastawie entwickelt, hatte, diese Teile erst wieder einziehen und im Wieprz-Tal nach Norden rücken mußte. Gegen Mittag war die Verschiebung durchgeführt. Die Fortsetzung des Angriffs wurde auf ½1 Uhr nachmittags festgesetzt.
Es galt nun, den Gegner, der auf den Höhen westlich Lany lag, zuwerfen und Lany zu erreichen. Der Feind war stark. Seine Artillerie entwickelte seit 9 Uhr vormittags eine äußerst lebhafte Tätigkeit. An mehreren Stellen traten empfindliche Verluste ein. In Gory flog ein Munitionsdepot in die Luft.
Nur langsam konnten die Kompanien ostwärts Boden gewinnen.
Gegen 2 Uhr nachmittags gingen aus den Waldstücken südlich Lany überraschend starke feindliche Abteilungen zum Angriff gegen das III. Bataillon vor, das unter dem Befehl des Hauptmanns v. Seel auf dem rechten Flügel des Regiments kämpfte. Das Bataillon warf jedoch nicht nur den Angreifer mit blutigen Köpfen zurück, sondern drängte ihm auch noch bis zur Höhe 245 nach und hielt sich dort tapfer gegen einen weiteren russischen Vorstoß, der gegen ½3 Uhr einsetzte.
Beim I. und II. Bataillon war um diese Zeit der Angriff völlig ins Stocken geraten. Oberst von Triebig schob daher das ihm seit 1 Uhr nachmittags unterstellte III. Bataillon des Infanterie-Regiments 129 zwischen das I. und II./122 ein, um den Angriff erneut in Fluß zu bringen. Allein das sehr starke feindliche Artilleriefeuer und die unzureichende eigene Artillerieunterstützung – unsere Batterien hatten sehr ungünstige Stellungen – machten einen weiteren Angriff unmöglich. Die Division entschloß sich deshalb gegen ½5 Uhr nachmittags, den Angriff für diesen Tag einzustellen. Die Bataillone erhielten den Befehl, sich für die  Nacht in den erreichten Stellungen einzugraben. Als weiterer Rückhalt für feindliche Vorstöße wurde am Abend noch das II. Bataillon des Infanterie-Regiments 129 dem Füsilier-Regiment unterstellt und nach der Mulde südlich Gory gezogen.“




aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Freitag, 17. Juli 2015

17. Juli 1915


„Am 17. Juli vormittags überschritten das I. Bataillon (ohne 1. Kompagnie), das III. Bataillon und die M.-G.-K. den tief eingeschnittenen Oshitz auf einer von Pionieren geschlagenen Notbrücke bei Leng. Ein am östlichen Ufer frisch ausgeworfener Russen-graben war leer.
Nach entsetzlichen Regentagen war endlich wieder sonniges Wetter eingetreten. Frisch und flott ging der Vormarsch ohne besondere Störungen von Leng aus in südlicher Richtung weiter. Da wurde dem kampflosen Vordringen abermals Einhalt geboten Die Russen hatten den scharf hervortretenden, von einer kleinen weißen Kapelle gekrönten Höhenzug Gory Kschishewszkija besetzt und sich in dessen dunklen Wäldern in kleinen Gruppen eingenistet, die auch von der Artillerie schwer zu fassen waren. Die zum Angriff auf Gory Kschishewszkija angesetzten Grenadiere kamen bis zum Abend an den Fuß des Hügels heran, vermochten ihn aber nicht zu ersteigen. Es wurden daher für den 18. Juli eingehende Vorbereitungen für einen umfassenden Angriff von Süden her getroffen, sie gelangten aber nicht zur Durchführung, weil der Russe es vorzog, die Höhe während der Nacht zu räumen.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Donnerstag, 16. Juli 2015

16. Juli 1915


„Abends wurde nun folgender Regimentsbefehl erteilt: „Gegner hat den Angriffen der Brigade zu widerstehen vermocht. Die Brigade steht vor einer mit allen Mitteln ausgebauten Stellung. das Regiment baut seine Stellungen aus. Am 16. Juli erfolgt Mörserbeschießung, nach welcher sich das Regiment in den vollen Besitz des Bramura-Werks setzen soll.“
Der 16. Juli war dann ein Tag gesteigerten Kampfes. Gegen 7 Uhr vormittags schossen sich unsere 21-Zentimeter-Mörser auf das Bramura-Werk ein. Nach 2 Stunden folgte das eigentliche Wirkungsschießen und um 10.20 Uhr das Sturmschießen. Bald darauf gingen die Grenadiere zum Angriff vor und erreichten auch die Schanze, die sie jedoch gegenüber dem keineswegs erschütterten, an Zahl weit überlegenen Gegner nicht zu halten vermochten. Unsere Artillerie hatte gegen das stark ausgebaute Erdwerk nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Der Feind hatte in äußerst widerstandsfähigen Unter-ständen Deckung gefunden; sein Maschinengewehrfeuer war nach wie vor gleich stark.
Um 2 Uhr nachmittags ging ein Befehl der 51. Inf.-Brigade ein, wonach der Angriff auf die Bramura-Schanze zunächst nicht zu erneuern sei, weil die rechts von uns vorgehende 35. Inf.-Division durch eine Linksschwenkung in Bälde den Gegner im Rücken bedrohen werde und das Korps links von uns den Orzyc überschritten habe.
Dem Regiment fiel nun die Aufgabe zu, den ihm gegenüberliegenden Feind festzuhalten. Dies erfolgte durch 2 Scheinangriffe des II./119 und der M.-G.-K. unter Leitung des Major Frhr. v. Hügel, dem dieserhalb auch das I. Bataillon unterstellt worden war.
Die Bramura-Schanze, vom Feinde wieder stark besetzt, lag inzwischen unter ständigem Feuer unserer Artillerie. Auf Höhe des Südrandes des Dorfes Bramura schanzten sich inzwischen die Kompagnien des Regiments ein.
Nachmittags 5 Uhr räumten die Russen die Schanze und verschwanden unter geschickter Ausnützung des Geländes in den Wäldern. I. und II./119 folgten sofort bis Jacionzek und erkundeten Übergänge über den Oshitz.
Die letzten Tage waren recht verlustreich gewesen. 19 tapfere Grenadiere waren gefallen, darunter Leutnant d. R. Roese (Herbert) und Kenngott; 164 verwundet, unter ihnen Leutnant d. R. Bullinger, Leutnant Ruff, Offizierstellvertreter Ludwig und Geilsdörfer; 14 Mann wurden vermißt.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Mittwoch, 15. Juli 2015

15. Juli 1915


„In der Nacht grub man sich in einer Stellung an den Südrändern von Helenow Nowy und Helenow Sztary ein, rechter Flügel – III. Bataillon – an der Wengjerka, dann folgten II. und I. Bataillon. Da die Frontausdehnung für das Regiment allein zu groß war, wurde zwischen das III. und II. Bataillon noch das II./121 (Major Brummer) eingeschoben. Der Gegner stand uns gegenüber in der ungefähren Linie Wjeliodrosh – Bramura; bei Bramura befand sich auf überhöhender Geländewelle ein starkes Bollwerk.
Nach dreiviertelstündigem Feuer der Feldgeschütze wurde am andern Morgen (158. Juli) 10 Uhr zum Angriff angetreten. Das feindliche Artilleriefeuer störte wenig, wohl aber das Infanteriefeuer aus der Front und Maschinengewehrfeuer von der Bramura-Schanze. Es ging nicht recht vorwärts, auch die von rückwärts einschwärmenden Verstärkungen vermochten die vorderen Linien nicht mit vorzureißen. Zeitweise will es den Anschein gewinnen, als würde der Angriff ganz erlahmen, doch immer wieder gelingt der Sprung einer kleinen Abteilung, kriecht eine Gruppe näher an den Feind heran, aber zum Einbruch in die vorzügliche feindliche Stellung reichen die Kräfte nicht mehr aus. Die russischen Kugeln reißen schmerzliche Lücken in unsere Reihen und verringern auch die Zahl der Führer, Leutnant Ergenzinger und Leutnant d. R. Bantlin* fallen inmitten ihrer Züge, mehrere andere Offiziere erleiden schwere Verwundungen.
Man hatte sich mühsam unter schwersten Opfern an den Feind herangeschoben, aus seiner festen Position herausdrücken konnten wir ihn nicht, schwere Artillerie war nicht zu entbehren.
Um die sich von Stunde zu Stunde steigernden Verluste einzuschränken, wurden die Schützen auf eine Entfernung von etwa 1000 m vom Feind zurückgenommen. Hier gelang es um Mitternacht, eine verteidigungsfähige Linie herzustellen. Das II./121 wurde 1 Uhr nachts herausgezogen.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

*Vizefeldwebel d. R. Bantlin wurde durch Armee-Ordre vom 19. Juli 1915 zum Leutnant der Reserve befördert.

Dienstag, 14. Juli 2015

14. Juli 1915


„Am 14., dem französischen Nationaltag, planten die Franzosen einen allgemeinen Angriff, wie durch am 13. gemachte Gefangene ausgesagt wurde. Die Vorbereitungen zur Abwehr wurden am 13. getroffen. Die in Grandpré weilenden Teile der 3. und 6./49 wurden in der Nacht zum 14. in Stellung gebracht, 3./49 links der Haubitzbatterie auf Höhe 170, 6./49 aufgeteilt zu 5./49 und auf Höhe 212, wo der Zug des F.-A.-R. 33 wieder abgerückt war. Nach überaus heftiger Artillerievorbereitung, besonders gegen unsere Batteriestellungen, griffen am 14. um 9.20 Uhr vormittags die Franzosen westlich des Waldes an. Unter dem Schnellfeuer unserer Batterien brach der Angriff zusammen. Dasselbe Schicksal hatten zwei weitere Angriffsversuche, wobei der im Wald aufgestellte Flankierungszug unter Leutnant d. R. Wanner (Robert) vorzüglich sich bewährte. Das heftige Feuer der französischen Artillerie lag dieses Mal mitten in den Batteriestellungen, wo mehrere Volltreffer vorkamen, darunter einer bei der 3./49, der zwei der tüchtigsten Kanoniere, den Gefr. Reinwald und Siegel und den Kriegsfreiwilligen Schäuffele tötete und den Unteroffizier Stock verwundete. Das Geschütz wurde vollständig zerrissen. Die Batterie mußte ihre Stellung nach dem linken Flügel verlegen. Die ersten in dieser Stellung Gefallenen wurden in einem damals entstandenen schlichten kleinen Friedhof an dem Wäldchen der Stellungsmulde begraben, wo die Gräber in dauernder Pflege der in der Nähe kämpfenden Kameraden lagen. Im Walde auf Beobachtung war tags zuvor der jugendliche Fähnrich Stein der 4./49 durch einen Volltreffer tödlich getroffen worden, ebenso der Kriegsfreiwillige Haag der 2./49 und Gefr. Kieffer der 4./49. Hinter den Abschnitten der Infanterie-Regimenter waren inzwischen recht ausgedehnte mit der Zeit schön angelegte Waldfriedhöfe entstanden. Außerdem zeugten noch viele Einzelgräber in der Umgebung von Binarville von dem schon so reichlich geflossenen Blute der vielen Tapferen.“



aus: „Das 3. Württembergische Feldartillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Montag, 13. Juli 2015

13. Juli 1915


„Der 13. Juli brach an, es war ein regnerischer und naßkalter Tag, wie die vorher-gehenden.
2.30 Uhr vormittags traf der Regimentsstab auf seinem Gefechtsstand bei Punkt 164 ein. Um die gleiche Zeit besetzten die vordersten Kompagnien der Bataillone Frhr. von Hügel (I.) und Frhr. von Crailsheim (III.) mit ihren Sturmwellen die Sturmgräben, mit ihren Reserven die Zwischenstellung und die Verbindungswege, das Bataillon Sproesser (II.) rückte als Reserve in die Hauptstellung. Fröstelnd, in Mäntel, Decken oder Zelte gehüllt, an den Grabenwänden kauernd, wartete das Regiment der Dinge, die da kommen sollten.
4.30 Uhr vormittags setzte das Feuer der eigenen Artillerie ein, ging ganz allmählich in planmäßiges Wirkungsschießen über und verstärkte sich schließlich zu ungeheurem Trommelfeuer. Die Feldgeschütze dreier Armeekorps und 60 schwere Batterien überschütteten den Gegner mit ihrem Eisen aller Kaliber, die Erde zerfetzend. Die feindliche Stellung war ganz in Gasschwaden, Rauch, Schmutz und Staub gehüllt, der Boden bebte. Die Antwort seitens der Russen war schwach.
Plötzlich nach diesem Höllenlärm trat Totenstille ein. Wenige Minuten zuvor – 8.39 Uhr vormittags, mit der Minute, wie befohlen – verließen die ersten Sturmwellen den Graben. „Mit diesem Augenblick,“ sagt Albert Leopold in seinem Werkchen „Im Schützengraben“ so trefflich, „war das bewußte Einzelleben gleichsam ausgelöscht, es gab nur noch eine geschlossene, irgendwie zusammengeschweißte Einheit von Kämpfern, es gab nur noch einen Willen, von dem alle gleichermaßen erfüllt waren, und der alle gleich trug und leitete. Jeder wußte was not tat.“
Trotz des verheerenden Artilleriefeuers waren die Drahthindernisse nicht so lückenlos zerschossen, wie wir vermutet und gehofft hatten und die feindliche Stellung zeigte durchaus noch Leben. So wurden beim Vorgehen die äußeren Flügel der Bataillone aus den Flanken heftig von Maschinengewehren befunkt, so daß sie zum Teil dorthin die Front nehmend, kurze Zeit in ihrem Drange nach vorwärts aufgehalten wurden, im großen Ganzen ging aber alles programmäßig.
Die erste Welle durschnitt das Drahthindernis und bewarf den Gegner mit Handgranaten, die anderen Wellen folgten und setzten die Säuberung der Gräben fort. 10.15 Uhr vormittags hatten wir die befohlene Linie erreicht und waren damit Herren von Osowiec und der Schanze östlich Osowiec. Die Stellung wurde umgedreht, Schutzschilde wurden aufgestellt, Drähte vor die Gräben geworfen, die Maschinen-gewehre aus der Sturmstellung nachgezogen, Annäherungswege zur neuen Stellung ausgehoben, die Telephonleitungen nachgebaut.
Daß dies nur der Anfang unserer blutigen Arbeit war, wußten wir nur zu genau, hatte doch der Russe das ganze Vorgelände, Felder, Brachland und Sümpfe meilenweit bis zur Narewfront mit einem kunstvollen Netz von Schanzen und Gräben durchflochten, in dem er unserem weiteren Vordringen die Stirn bieten konnte und es wohl auch versuchen würde.
Um 3 Uhr nachmittags rückte das Regiment in die Linie Osowiec-Süd – Wegegabel zu Szla vor und verblieb dort die Nacht, mit dem Befehl, diese Linie unbedingt zu halten. Die Russen griffen nicht an. Bestürzt von der Przasnysz drohenden Umklammerung gaben sie Przasnysz auf, opferten alle Zwischenstellungen und zogen sich auf ihre südlich und östlich von Przasnysz verlaufende zweite Hauptstellung – ungefähre Linie Zjechanow – Sjeljona – Krasnosielc – zurück. Als die Sonne sank, sah man lange Kolonnen auf Makow zurückfluten, umleuchtet vom Feuerschein brennender Dörfer. Um diese Zeit durchschritten auch schon starke Kräfte der Armee Gallwitz die Trümmerstätte von Przasnysz, der Feind durfte nicht zur Ruhe kommen.
Der Erfolg des Tages kostete dem Regiment 70 Tote und 237 Verwundete. Zwei von den erst bei Czarzaste ins Feldregiment eingestellten Fähnrichen – Gräter und Höschele – erlagen ihren vor Osowiec erhaltenen Wunden am 14. bezw. 17. Juli.“



aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923