Donnerstag, 22. September 2016

22. September 1916


„Was wohl keiner im ganzen Regiment für möglich gehalten hätte, ist nun Tatsache geworden. Das meist aus jungen, unerfahrenen Mannschaften zusammengesetzte Regiment, dessen Offiziere großenteils nur g. v.* waren, ist nach nur sechswöchigem Aufenthalt in ruhigster Stellung an der Westfront ausersehen worden, in der bis dahin größten Schlacht des Krieges mitzukämpfen. Ehrlich gesagt, wohl war es uns allen damals nicht ganz, nicht weil wir den Kampf gefürchtet hätten, sondern weil uns die Erfahrung gegenüber „alten“ Regimentern fehlte. Abes was sein mußte, mußte sein. Unterstellt der 1. Armee von Below (XIV. Reservekorps, Gruppe Stein), ist das Regiment zunächst Heeresgruppen-Reserve der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern, deren Gefechtsstreifen dicht nördlich der Somme verlief. Bis 9. September wurde nun fieberhaft an der Ausbildung der Kompagnien für den bevorstehenden Kampf gearbeitet, es werden Schützengräben und Unterstände gebaut, Drahthindernisse gelegt, Handgranaten geworfen, Tag und Nacht wird Angriff und Abwehr auf  Feldstellungen geübt, kurz, man sucht noch rasch, uns „sommefähig“ zu kriegen. Am 10. September geht’s nach vorn, zunächst mit der Bahn von Caudry aus über Cambrai nach Croisilles, ohne Pferde und Bagage, die in Bullecourt und Cambrai untergebracht werden, während das I. Batl. in Mory, II. in Noreuil, III. in Bihucourt alarmbereit in Ortsbiwak liegen, Regimentsstab in Gomiecourt. Mit dem 11. September beginnt für die Bataillone eine tragische Zeit. War das Regiment schon aus dem ursprünglichen Verband der 204. Inf.-Division herausgerissen worden und empfand der Schwabe dabei ein gewisses Heimweh, so wurde nun auch noch das Regiment in zwei Teile gespalten und 1½ Bataillone (II. Batl. und 3. und 4. Komp.) der 2. Garde-Res.-Division, 1½ Bataillone (III. Batl. und 1. und 2. Komp.) der 52. Inf.-Division unterstellt; Führer der 1. Gruppe ist Major Menzel, der 2. Gruppe Hauptmann Jonas. Die Gruppe Jonas (52. Inf.-Div., 104. Inf.-Brig.) rückt am 12. September über Sapigny, Bihucourt, Achiet le Grand nach Achiet le Petit vor und geht in der Nacht über Puisieux und Serre in Stellung, wo sie Teile des Inf.-Regts. 169 im 2. und 3. Graben ablöst. S 1 und S 4, Dorfrandstellung, Tübingerstellung, Schlüsselstellung, Landwehrstellung des Abschnitts Süd sind nun für einige Zeit ihr Aufenthalt. War auch die eigentliche Sommeschlacht etwas südlicher, so kann man nicht sagen, daß es bei uns ruhig zugegangen wäre. Störungsfeuer aller Kaliber, bis zu den berüchtigten 38ern mit Verzögerung, den Unterstandsknackern, Minen bis zu 2 Ztr., M. G.-Schnellfeuer, Grabengeschütze, tieffliegende und schießende Flieger waren lauter Attribute dieser ruhigen Stellung an der Sommefront. Bis zum 24. September lag die Gruppe Jonas westlich Serre in den oben bezeichneten Stellungen, ein Großangriff erfolgte hier in dieser Zeit nicht, doch brachte das gut geleitete Störungsfeuer den mit dem Ausbau der Stellung beschäftigten Truppen reichlich Schaden. Die 6 Kompagnien der Gruppe Jonas lösten sich in regelmäßigem viertägigem Turnus in den einzelnen Stellungen ab, wobei die vordersten die begehrtesten waren, denn  die „Rollwägele“ waren hauptsächlich den rückwärtigen Linien zugedacht. Kurz vor der Ablösung fiel der erste Offizier des Regiments, Leutnant Dolbatsch, Zugführer in der 2. Kompagnie, am 22. September durch Minensplitter, als er die Bauarbeiten seines Zuges im Abschnitt S 4 im vordersten Graben beaufsichtigte. In Achiet le Petit haben wir ihn begraben.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936
Bild: „Württembergisches Kriegstagbuch“

*g. v.: garnisonsverwendungsfähig

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