Donnerstag, 31. August 2017

31. August 1917


„Das I. Batl. war durch diesen Großkampf derart abgekämpft und geschwächt, daß in der Nacht vom 28. auf 29. August seine Zurückziehung in den Reserveraum östlich der Straße Westroosebeke – Paschendaale in der Gegend des Heidegutes befohlen wurde, betrugen doch die Verluste an Toten, Verwundeten und Vermißten nicht weniger als 4 Offiziere, 147 Mann. Der Aufenthalt in diesem Reserveraum war auch nicht ideal zu nennen. Einige Baracken und einzelne Gehöfte, die teilweise unter schwerem Feuer lagen, dienten dem Bataillon als Aufenthalt, während jetzt das III. Batl. die Wilhelm-Stellung und das II. Batl. die 2., sog. Flandern-I-Stellung, besetzt hielt. Bis zum 1. September ereignete sich nichts Wesentliches mehr. Der Engländer scheint an der am 27. August erlittenen Abfuhr vorläufig genug zu haben, lediglich die Flieger- und Artillerietätigkeit ist auf allen drei Stellungen des Regiments unvermindert stark. Am 31. August erfolgte erneute Umstellung der Bataillone: II. ist Kampfbataillon, I. Bereitschaft und III. Reservebataillon. Die Lage bleibt zunächst unverändert; starke Feuerüberfälle auf Kampf- und Bereitschaftsbataillon fügen dem Regiment trotzdem nicht unbedeutende Verluste zu.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Mittwoch, 30. August 2017

30. August 1917


„Man kann sagen, daß während der drei Wochen eine ununterbrochene Artillerie-schlacht tobte; auf beiden Seiten kamen die Batterien nicht zur Ruhe. Die Kanoniere standen schweißbedeckt bei Tag und Nacht an ihren Geschützen und ließen eine Granate nach der anderen auf die Feinde niedersausen. Selbst die schwersten Kaliber unter-hielten ein Feuer, dessen Stärke man drei Jahre früher kaum bei den leichten Feldge-schützen gewohnt war. Je nach dem Zweck bediente sich die Artillerie allerlei Arten von Munition. Zum großen Verdruß unserer Gegner verwandten wir vornehmlich zur Be-kämpfung der feindlichen Artillerie und zur Verseuchung des Schlachtgeländes eine neue Gasgranate, das sogenannte Gelbkreuzgeschoß, das eine furchtbare Wirkung hatte und dem die Engländer nichts Ebenbürtiges entgegenstellen konnten. Sie machten gerne von Nebelgranaten Gebrauch, mit denen sie kurz vor dem losbrechenden Infanterie-angriff das ganze Kampfgelände in ein undurchdringliches Wolkenmeer einhüllten. In seinem Schutz erhoben sich die englischen Sturmreihen aus den Granattrichtern und strebten dann, wo die Beschaffenheit des Geländes es zuließ, von Tanks begleitet, dicht gedrängt in vorher festgelegter Richtung auf unsere Unterstände zu. In geringer Höhe eilten ihnen ungezählte Fliegergeschwader voraus, die sich mit Bomben und Maschinen-gewehrfeuer am Kampf beteiligten. Auf die Mitwirkung von Minenwerfern mußten beide Parteien verzichten. Aus der Rolle des Angreifers erwuchsen der englischen Infanterie große Vorteile gegenüber der unsrigen. Während jene erst kurz vor dem Sturm sich in die Hauptfeuerzone begab, mußten unsere Kompagnien sich tagelang in den wenigen engen Betonklötzen dem schweren feindlichen Artilleriefeuer aussetzen. Was das heißt, fortgesetzt Granaten von 21 cm und 24 cm Kaliber um sich herum einschla-gen zu sehen und dabei sich sagen zu müssen, daß schon die nächste dem schützenden Unterstand den Garaus machen kann, also hilflos sich und seine Kameraden einem qualvollen Erstickungstod zwischen Betonklötzen preisgegeben zu wissen, kann nur der fühlen, der solche entsetzlichen Stunden miterlebt hat. Fast täglich forderte das feind-liche Artilleriefeuer einen oder mehrere Unterstände; von ihren Besatzungen hat man nur selten noch Spuren gefunden. Schließlich kam es so weit, daß sich die Leute lieber schutzlos in Granattrichtern niederließen, als sich den gefährdeten Unterständen anzu-vertrauen.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708

Dienstag, 29. August 2017

29. August 1917


„Die beiden nächsten Tage verliefen bei lebhafter Artillerietätigkeit sonst ruhig. Am 29. August nahm die 5./124 einen englischen Oberstabsarzt, 2 Trainoffiziere und 14 Krankenträger gefangen, die sich beim Bergen Verwundeter in unsere Linie verlaufen hatten, sie gehörten der 61. englischen Division an. Sie protestierten zwar lebhaft gegen die Gefangennahme unter Hinweis auf das Genfer Kreuz, aber nachdem sie unsere Linie genau erkundet hatten, erforderte die eigene Sicherheit diese Maßnahme. 6./124 wies einen feindlichen Patrouillenvorstoß ab. In der Nacht nahm der Gegner besonders die Anmarschstraßen und das Hintergelände unter Schrapnell- und Granatsalven. Hierbei fiel Leutnant Hepp, 7./124, und 2 Mann durch Volltreffer, 7 Mann wurden verwundet.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921

Montag, 28. August 2017

28. August 1917


„In der Nacht vom 27. / 28. wurde das tapfere I./124 durch das frische II. aus Roulers abgelöst, konnte aber infolge der gespannten Gefechtslage nicht in die Unterkunft zurück, sondern mußte im Calwer-Lager unterziehen. Diese Unterbringung war nicht gut, außerdem wurde das Lager vom Gegner beschossen. Die Ablösung war außer-ordentlich schwierig geworden, da sie nicht unbemerkt vom Gegner hatt6e erfolgen können, das Regiment verlor 4 Tote, dabei Offizierstellvertreter Moosbrugger, 28 Ver-wundete und 2 Vermißte.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921

Sonntag, 27. August 2017

27. August 1917


„Durch starken Regen am 26. August abends sind die Gräben völlig verschlammt, alle Granattrichter voll Wasser. Das nach kurzer Ruhe notgedrungen schon wieder eingesetzte I. Bataillon drängt auf baldige Ablösung; sie wird ihm auf 28. August früh versprochen. Doch vorher hat das Bataillon Gelegenheit, noch zu beweisen, daß selbst eine stark ermüdete und durch Feuer und Verluste in der Gefechtskraft geschwächte Truppe (z. B. die 2. Kompagnie nur noch 20 Mann in der Stellung) Großes zu leisten vermag.
Schlagartig beginnendes Trommelfeuer leitete am 27. August 1917 gegen 2.45 Uhr nachmittags einen Großkampf ein. Schon 2.50 Uhr nachmittags ging die feindliche Infanterie in dichten Schützenlinien mit Flammenwerfern, von denen ein Träger bren-nend zu Boden stürzte, von Langemarck aus vor, während zahlreiche englische Flieger aus geringer Höhe unsere vordere Stellung mit Maschinengewehren beschossen; ihre Tätigkeit litt aber dann erheblich unter dem einsetzenden Regen und Wind.
Angesichts der englischen Angriffswellen ging nun durch die ermüdeten Grenadiere sofort wie ein elektrischer Funke das Kampffeuer. Im Nu war alles feuerbereit. Die Schützen und die Maschinengewehre eröffneten ein mörderisches Feuer auf den im aufgewühlten und aufgeweichten Boden mühsam heranstapfenden Gegner, der nach Augenzeugen kaum 100 Meter vorzukommen vermochte. Der Angriff wurde von der 1., 2. und 4. Kompagnie und den Maschinengewehren glänzend abgewiesen. In Unordnung und mit schweren blutigen Verlusten flutete der Feind zurück.
Der Kompagnieführer der 2. Kompagnie berichtete nach dem Kampf: Alle Führer und die wenigen Grenadiere der Kompagnie haben im schwersten englischen Granat- und Schrapnellfeuer, beunruhigt noch durch zahlreiche Kurzschüsse einer eigenen 15-cm-Haubitzbatterie unmittelbar hinter und in unserer Trichterlinie, mit bewundernswerter Ruhe, Tapferkeit und Entschlossenheit unter höchst ungünstigen Witterungsverhält-nissen aus- und standgehalten in gehobener Stimmung, hervorgerufen durch den großen Erfolg des Tages, der ganz auf unserer Seite war, bei verhältnismäßig sehr geringen Verlusten (nur 2 Leichtverwundete).
Ähnlich war es bei den anderen Kompagnien. Die 4. Kompagnie am linken Flügel hatte jederzeit Augenverbindung mit dem links anschließenden Res.-Regt. 120. Die am Kampftage selbst auftauchende, wenig angenehm berührende Nachricht, daß der Gegner bei 4./119 eingedrungen und von hier gegen die rechte Flanke des linken Nachbar-regiments (Res.-Regt. 120) vorgegangen sei, war lediglich Erfindung oder Wahnvor-stellung..“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Samstag, 26. August 2017

26. August 1917


„Am 25. August kam der Befehl, daß die 27. Inf.-Division die 12. Res.-Division als Kampfdivision ablöst, In den Nächten zum 26. und 27. gingen 1., 2., 4., 5., 6. und 7./49 in Stellungen der abgelösten Batterien des Res.-F.-A.-R. 12, während die 3./49 und die 8. und 9./49, welche mit dem Stab III/49 noch in ihren Stellungen zweiter Welle blieben, erst in den Nächten vom 28. bis 29. August eingesetzt wurden. Auch in den Morgen-stunden des 25. und 26. erfolgten feindliche Angriffe und die Umgruppierung der Batterien in dem die ganze Nacht unter Streufeuer liegenden Gelände gestaltete sich nicht einfach. Bei 4./49 wurde, nachdem die eine Hälfte der Batterie schon in der neuen Stellung war, die alte Stellung noch planmäßig beschossen, wobei durch einen Voll-treffer in den einzigen Unterschlupf, einem alten Keller, Kanonier Mäuerle getötet und Kanonier Käser schwer verwundet wurde. Die Batterien der II./49 und später die 3. und 9./49 traten zur Gruppe Nord, deren Führung auf dem mit dem Gren.-Reg. 123 zusam-menliegenden Gefechtsstand der Stab II./49 am 27. übernahm.“


aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Freitag, 25. August 2017

25. August 1917


„In der Nacht vom 24. / 25. wurde die vordere Linie des Res.-Inf.-Regts. 51 abgelöst. Diese Ablösung war außerordentlich schwierig, in dem heftigen Artilleriefeuer war allein schon die Befehlsübermittlung an die Bataillone eine Leistung. Am Nachmittag mußten sich Vorkommandos vorn umsehen, die Nachrichtenmittel übernommen werden und der Nachschub eingerichtet werden. Das alles war auszuführen, während der Groß-kampf tobte und nur in den Angriffen, aber nicht in der Artillerietätigkeit der Engländer eine Pause eingetreten war. Die Ablösung wurde ferner dadurch erschwert, daß die Verbände vorn gemischt waren. In das Res.-Inf.-Regt. 51 war das Inf.-Regt. 38 einge-schoben. Trotz aller Vorsicht ging die Ablösung nicht ohne Verluste durch Artillerie-feuer vor sich. I./124 unter Major Ullerich besetzte das Vorfeld tief gegliedert mit der 1. und 3. Kompagnie, se lagen ohne Stellung in Granattrichtern, Anklammerungspunkte boten einige noch erhaltene Betonunterstände aus früherer Zeit, 2./124 besetzte die Wil-helmsstellung, die 4. dahinter. Der K.-T.-K. bezog einen Gefechtsstand am Almenhof, III. Bataillon bezog die Bereitschaften vorwärts Grafenstafel, II./124 kehrte als Ruhe-bataillon nach Roulers zurück. Rechts vom Regiment lag das Gren.-Regt. 123, links Inf.-Regt. 120. Kaum war das Regiment in die Stellung eingerückt, da schoß der Gegner derartig mit Gasgranaten, daß die Masken lange Zeit aufgesetzt werden mußten.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921


Donnerstag, 24. August 2017

24. August 1917


„Vor dem Marsch in die Flandernschlacht wurde noch ein stimmungsvoller Feldgottes-dienst in Hooglede abgehalten. Die feindliche Artillerie grollte dumpf von der nahen Front herüber. „Der Feind will in unser Haus eindringen, er will da Tor einschlagen, wir hören eben die dröhnenden Schläge, die er führt. Schon splittern die Bohlen, das Tor will nachgeben. Es gilt jetzt, sich mit der ganzen Kraft dagegenstemmen, damit der Feind nicht eindringen kann,“ sagte der Feldgeistliche. Das II. Batl. wurde zuerst eingesetzt. Zersplitterte Bäume, tiefe Granatlöcher, die wir auf dem Vormarsch antrafen, zeigten, daß wir im Bereich des feindlichen Feuers waren. Immer näher kamen wir der Schlacht, die vor uns tobte, wir hatten ein Gefühl, als ob wir in einen Höllenrachen marschierten. Allmählich war es Nacht geworden, vor uns glänzte das schönste Feuer-werk. Auf allen Seiten blitzte es unaufhörlich, es war das Mündungsfeuer der feindli-chen Kanonen. Einige weit entfernte Leuchtfeuer hüllten alles in rötliches Licht. Von Zeit zu Zeit stiegen farbige Leuchtkugeln auf, das Ganze war wie bei einer Herbstfeier, aber das unaufhörliche Krachen und Splittern der Granaten brachte uns zum Bewußt-sein, daß wir keiner fröhlichen Herbstfeier, sondern einer blutigen Schlacht entgegen-gingen. Der 1. Zug der 5. Komp., bei dem ich war, kam in Vorfeldstellung. Sie war so nah am Feind, daß sie nur nachts bezogen werden konnte. Beim Schein zweier engli-scher Leuchtfeuer einige hundert Meter halbrechts und halblinks von uns und beim Aufflammen der Leuchtkugeln konnten wir unsere nähere Umgebung betrachten. Rings-um eine schreckliche Öde, in der Hölle kann es nicht trostloser aussehen. Granattrichter neben Granattrichter, fast alle bis an den Rand mit Wasser gefüllt, der ganze Boden zerfetzt. Man konnte nicht mehr unterscheiden, war hier früher Wiese oder Acker, hatte ein schön angelegter Garten das Herz erfreut oder war der Boden noch nie angepflanzt gewesen, so viele Löcher hatten die Granaten gerissen. Mühsam hatten wir uns zwi-schen den Granatlöchern hindurchwinden müssen, um in die Vorfeldstellung zu gelan-gen. Da kauerten wir jetzt in schlammigen Löchern und starrten zum Feind hinüber, das Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett schußbereit. Wo war er wohl? Nichts war von ihm zu sehen. Nur drüben, nicht gar weit entfernt, flammte unaufhörlich das Mündungsfeuer der englischen Geschütze. Zerschossene Bäume hundert Meter rechts von uns, bewe-gungsunfähig gemachte Tanks, ein abgeschossenes Flugzeug mit steil in die Höhe gerecktem Schwanz zeigten den Verlauf einer Straße und waren Zeugen von schweren Kämpfen vorangegangener Tage. Ununterbrochen rauschten hoch über unseren Köpfen die schweren Granaten hinüber und herüber. Granaten leichteren Kalibers schlugen in unserer Nähe ein und überschütteten uns mit Sand und Schlamm. Dazwischen waren Gasgranaten gemengt, die mit kaum hörbarem Knall platzten und einen widerlich süßlichen Geruch verbreiteten. Wo war der Feind? Das mußte festgestellt werden. Eine Patrouille machte sich auf den Weg und unterzog auch die zerschossenen Tanks einer genauen Besichtigung. Die Besatzung lag tot umher. In dem einen Tank war ein noch brauchbares Maschinengewehr. Es wurde herausgeholt und leistete bei den späteren Kämpfen gegen die Engländer gute Dienste. Aber auch die Engländer entfalteten eine rege Patrouillentätigkeit. Vor den Leuchtfeuern sah man von Zeit zu Zeit starke eng-lische Patrouillen vorüberhuschen, kenntlich an den flachen Stahlhelmen. Die engli-schen Gräben hatten sich angefüllt, ein Angriff stand bevor. Gelbe Leuchtkugeln stiegen bei uns hoch, die Artillerie zu Vernichtungsfeuer auffordernd. Ein Höllenkonzert ging los, auch der Engländer antwortete mit Sperr- und Vernichtungsfeuer. Das Platzen der einzelnen Granaten war nicht mehr zu unterscheiden, es war ein unaufhörliches Don-nern, Brausen, Zischen, Fauchen. Hochauf flogen Steine, Sand, Holztrümmer. Dichter Qualm hüllte alles ein. Der beißende Gestank der explodierenden Granaten erschwerte das Atmen. Leuchtkugeln aller Farben stiegen bei uns und beim Engländer in die Höhe und bildeten im Verein mit dem Mündungsfeuer der Kanonen und den platzenden Granaten ein prächtiges Feuerwerk, dessen Glanz aber allmählich im aufgewirbelten Staub und Dunst verschwand. Nach einer halben Stunde verebbte allmählich das Höllenkonzert langsam und hielt sich dann auf seiner gewohnten Stärke. Als der Morgen dämmerte, gingen wir von der Vorfeldstellung etwa hundert Meter zurück. Unterstände waren keine vorhanden, jeder mußte sehen, wie er sich in einem halbwegs trockenen Granatloch möglichst schnell einrichtete. Kaum war es hell, so kamen schon die feindlichen Flieger. Wie Augen eines Ungeheuers schauten die rot-weiß-blauen Ringe der Tragflächen auf uns herab. Das Tak-Tak-Tak ihres Maschinengewehrs verkündete, daß wir entdeckt waren. Bald hagelte es dann auch Granaten. Rechts, links, vorne, hinten spritzten Sand, Erde, Schlamm, Steine, Balken, Wellblech in die Höhe. Wie eine Schaukel schwankte der Boden unter den schweren Einschlägen. Einige der Kameraden wurden in Stücke zerrissen, andere verloren Füße oder Arme, manche wurden verschüt-tet. Nachdem die Engländer glaubten, uns durch ihr heftiges Granatfeuer vernichtet oder zum Verlassen der notdürftig hergerichteten Deckung gezwungen zu haben, suchten sie uns durch rasendes Schrapnellfeuer vollends den Garaus zu machen. Mit betäubendem Gekrach platzten die Geschosse, wie Schloßen so dicht prasselten die Bleikugeln auf den Boden. Wir waren froh, als der Tag vorbei war und wir wieder unsere Vorfeld-stellung beziehen konnten. Dort waren wir zwar näher am Feind, aber die feindlichen Granaten gingen über uns weg, die Engländer vermuteten uns nicht so weit vorne.
Drei Tage und vier Nächte mußten wir in dieser Hölle aushalten, dann löste uns das I. Batl. ab. Hungrig und durstig zogen die Überlebenden rückwärts, vergeblich suchten sie den brennenden Durst mit dem ekelhaften Wasser der Granatlöcher zu löschen. Die Ablösung war infolge des schwierigen Geländes und der stockfinsteren Regennacht so spät gekommen, daß wir bei Tag zurückmarschieren mußten. Da konnten wir die Schrecken des Schlachtfeldes schauen. Hier hatte eine Granate in eine marschierende M. G.-Abteilung eingeschlagen. Zertrümmert lag das M. G., rings herum die zerschmet-terten Schützen. Dort waren zwei Krankenträger mitsamt dem Verwundeten, den sie zurücktragen wollten, vom Tod ereilt worden. Ein Stück entfernt lagen Essenträger, die vollen Eimer noch auf dem Rücken. Ringsum Tod und Vernichtung!“



aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Mittwoch, 23. August 2017

23. August 1917


„Am 21. ging der Marsch zur 206. Inf.-Division, hinter der wir bereitgestellt werden sollten, weiter. Der Regimentsstab kam nach Andevanne. Auf allen Straßen in Richtung Buzancy sah man die Kolonnen der Division marschieren, ein strahlend schöner Tag war es, eine herrliche Gegend, und überall ertönten Marschlieder. Der ganze Krieg hatte sofort ein ganz anderes Gesicht, wenn einmal marschiert werden konnte. Eine ganz andere Stimmung kam dann auf, als in dem ewigen Stellungskrieg, der einem nach-gerade zum Halse heraushing. Aber gleich auf dem Marsche ereigneten sich einige merkwürdige Unfälle. Ein Unteroffizier des Regimentsstabes stürzte mit dem Pferd und wird schwer verletzt. Offizierstellvertreter Huber, Verpflegungsoffizier der I. Abteilung, ein außerordentlich tüchtiger und aufrechter Mann, früher im Frieden mein Wacht-meister bei der 6./13, stirbt infolge eines Sturzes vom Wagen, dessen Pferde durchgin-gen, wobei noch ein Mann verletzt wurde.
Der Anfang war nicht gut. Aber es kam bald noch schlimmer.
Als wir Andevanne erreichten, ertönte in Richtung auf die Front eine mächtige Detonation. Was war das? Fliegerbombe konnte es nicht sein, dafür war die Detonation zu stark. Ein Schuß auch nicht, man hatte sein Herankommen nicht gehört, Die boden-ständigen Truppen der 28. Inf.-Division wußten Bescheid. Es war ein neues, torpedo-artiges Geschoß von 34 cm Kaliber, mit dem der Gegner nach Romagne schoß, wo der Bahnhof und Munitionsdepots sich befanden. Wir hörten diese Einschläge mehrmals in jeder Stunde, das Kommen der Geschosse war nicht zu hören, auch in der Nähe von Romagne nicht.
Die Stimmung war überall, wohin man kam, nervös, wie sie nach ungünstig verlaufen-den Kampfhandlungen zu sein pflegte. Allmählich erfuhr man einiges aus den Kämpfen. Der Gegner hatte am 20. beiderseits der Maas angegriffen, mit starker Artillerie-vorbereitung. Der „Tote Mann“ war verloren gegangen. Vor und hatte der Gegner nach Niedertrommelung der Infanteriebesatzung unsere vordersten Gräben genommen, welch bisher die 29. Inf.-Division gehalten hatte. Teile der 206. Inf.-Division waren in die Schlacht geworfen worden, und unsere Division sollte als weitere Verstärkung einge-setzt werden, da man eine Fortsetzung der Angriffe befürchtete. Von der Front hörten wir den dauernden Artilleriekampf, dazwischen die Einschläge in Romagne.
Schon in der Nacht vom 22. auf 23. August sollten die 1., 2., 9./Res. 54 die 7,. 9., 6./265 der 206. Inf.-Division ablösen. Den Einsatz sollte die abzulösende Division leiten. Der Regimentsstab war mal wieder ausgeschaltet, was sich nach unseren Erfahrungen nie bewährte. Fremde Stäbe und Truppen hatten naturgemäß nie dasselbe Interesse wie eigene. Ihnen war das Herauskommen wichtiger, als der Einsatz unserer Batterien. Die drei Batterien sollten neue, unausgebaute Stellungen östlich Montfaucon beziehen. Der Befehl zum Einsatz erreichte die Batterien etwa um 3 Uhr nachmittags. Um 4 Uhr sol-lten die Batterieführer am Straßenkreuz Montfaucon sein, um in ihre neuen Stellungen eingewiesen zu werden. Aber sie warteten stundenlang vergebens auf einen ortskun-digen Führer. Was tun? Leutnant Ottenheimer ritt zum Artilleriekommandeur der 206. Inf.-Division zurück. Die Batterien wollten keine Stellung beziehen, die nicht genau erkundet war. Inzwischen hatten die beiden andern Batterieführer den für die „Ein-weisung“ bestimmten Offizier gefunden, der merkwürdigerweise erklärte, er sei heute selber zum erstenmal in dieser Gegend, aber der ihn begleitende Vizewachtmeister wisse ausgezeichnet Bescheid. Jetzt hatte der Vizewachtmeister das Wort. Und was sagte er? Hier ungefähr – und dabei beschrieb er mit dem Arm einen weiten Halbkreis – sollen die Batterien in Stellung gehen, dann tauchte er mit seinem Begleiter in der Dämmerung unter.
Die zweite Batterie war infolge eines falsch überbrachten Befehls schon am Nachmittag vorgezogen worden. Sie stand angespannt an einem Steilhang im Schutze dichter Büsche und Bäume. Deshalb war sie zuerst zur Stelle. Leutnant Cantner wollte die Batterie am jenseitigen Waldrand in Stellung bringen, aber es war schlechterdings unmöglich, um die mit Granattrichtern besäte und noch immer unter Feuer liegende Ostecke des Waldes von Montfaucon herumzukommen. Es blieb nur ein schmaler Raum zur Aufstellung der Geschütze übrig. Vor der Batterie führte eine ziemlich tief einge-schnittene Feldeisenbahn vorbei. Rechts gähnte ein großer Steinbruch und nur nach links hatte die Batterie ein wenig Bewegungsfreiheit.
Das Einrichten der Geschütze dauerte ziemlich lange. Die über den Köpfen hinsur-renden Flieger gestatteten die Benützung von Taschenlampen immer nur für Augen-blicke.
Eben bog auch die Batterie Bosler in ihre „Stellung“ ein. Deutlich drangen die Kom-mandos zum Abprotzen zur 2. Batterie herüber. Fast gleichzeitig schlugen die feind-lichen Granaten in die 9, Batterie.
Der Batterieführer, Leutnant d. R. Bosler, und der soeben zur Batterie kommandierte Leutnant d. R. Klemm fielen, 4 Mann waren tot bzw. starben an ihrer Verwundung: Gefreiter Laichinger aus Eberbach, F. Emmendorfer von Wolfratshausen, Georg Mahler von Asch, gest. im Res.-Laz. 18 in Dun, Jakob Möst von Talheim. Die Leutnants d. R. Stählin und Wurster, 1 Vizewachtmeister, 1 Unteroffizier und 9 Mann waren schwer, 5 weitere leicht verwundet.
Die Batterie mußte sofort wieder herausgezogen werden, da kein Offizier mehr vorhan-den war und eine Neueinteilung erforderlich wurde. Als Batterieführer wurde Leutnant Niemann vom Regimentsstab zur 9. Batterie versetzt; an dessen Stelle trat Leutnant d. R. Klotz von der 1. Batterie zum Regimentsstab.
Bei der 2. Batterie waren die Bespannungen unversehrt geblieben, aber die Geschützbe-dienungen, die dem feindlichen Feuer ohne jede Deckung preisgegeben waren, erlitten ebenfalls starke Verluste. Der 42jährige Kriegsfreiwillige Unteroffizier Hofmann aus Ludwigsburg, der Sanitätsgefreite Zumsteeg, der Kanonier Roth und Gefreiter Olpp fielen, 2 Unteroffiziere und 5 Mann waren zum Teil schwer verwundet.
Die 1. Batterie war gerade im Anmarsch. Sie suchte sich dem Feuer, das auf dem Weg Montfaucon – Septsarges lag, so gut es ging zu entziehen. In starkem Tempo fuhr sie hinter der 9. Batterie vorbei. Der inzwischen selbst verwundete Batterieführer, Leutnant d. R. Ottenheimer, ließ die Batterie am Waldrand abprotzen und schickte Protzen und Pferde schnell zurück, um größeres Unheil zu vermeiden. Die Geschütze wurden links neben der 2. Batterie in Stellung gebracht. Der Batterieführer mußte nun die Stellung verlassen und sich in Lazarettbehandlung begeben. Außer ihm waren 6 Unteroffiziere und Mannschaften verwundet.
In der Nacht vom 23. auf 24. wurden 4. und 3. Batterie eingesetzt, was sich nunmehr ohne Verluste vollzog, da die Führer Zeit gehabt hatten, sich vorher zu orientieren. Auch der Einsatz der übrigen Batterien geschah ohne Verluste.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Dienstag, 22. August 2017

22. August 1917


„Der 22. August war wieder Großkampftag. Schon um 2 Uhr morgens streute der Gegner die vorderen Linien, besonders aber die Zufahrtswege im Hintergelände ab, wobei er Gasgranaten verwandte, so daß der reizwirkende Rauch über Lager und Bereitstellungen hinwegzog. Schon in den ersten Morgenstunden waren die Batterien alarmiert und vorgezogen worden auf ihre Bereitstellungsplätze. Stab I./49 begab sich mit dem Regimentsstab des Gren.-Reg. 123 auf den Gefechtsstand westlich Mossel-markt, wohin auch die Batterieführer kamen. Vorne war stärkstes Trommelfeuer. Auf die bereitgestellten Batterien kam viel Streufeuer, auch schweren Kalibers, wodurch bei 1./49 Kanonier Eyerich fiel und ein Mann verwundet wurde. Auch Fliegerbomben schlugen in der Nähe der Batterie ein. Die Batterien der II./49, die dem Inf.-Reg. 124 zugeteilt worden waren, bezogen neue Bereitstellungen in den Hecken bei Heidegut südlich Westroosebeke Auf die Meldung hin, daß der Angriff in der Hauptsache abgeschlagen sei, wurde II./49 wieder in ihre Biwakplätze entlassen. I./49 blieb die Nacht über bis 10 Uhr vormittags bereitgestellt. Auf dem Rückmarsch wurde Kanonier Trippel der 3./49 schwer und Fahrer Fülle des 4./49 am Kopf durch ein den Stahlhelm durchschlagendes Sprengstück verwundet. Die Batterien der III./49 hatten sich am Kampfe am 22. August lebhaft beteiligt und wurden dabei schwer beschossen, besonders die 9./49, deren Bedienung sich äußerst tapfer benahm. Die beiden Offiziere der 9./49, Leutnant d. R. Müller und Leutnant d. R. Erhardt, welche mit dem Fahrer Gommel am 22. August vormittags in die Feuerstellung vorreiten wollten, wurden auf der Straße bei Mosselmarkt durch eine Granate erfaßt, so daß Leutnant d. R. Müller sofort fiel, die beiden andern sehr schwer verwundet wurden und Leutnant Erhardt bald darauf starb. Alle drei Pferde waren sofort tot.


aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Montag, 21. August 2017

21. August 1917


„Während in der folgenden Nacht Gren.-Reg. 119 und Regiment 125 in vorderster Linie ablösten, blieb das Regiment „Stoßregiment“; keine leichte Aufgabe bei absolut unge-klärten und wechselnden Verhältnissen! In stetiger Alarmbereitschaft, jeden Augenblick gewärtig, zum Gegenstoß eingesetzt zu werden, lagen die Kompagnien schwerer Be-schießung des Hintergeländes nahezu preisgegeben. Wie ganz anders gestaltete sich das Gelände gegenüber der wechselreichen, welligen Gegend an der Scarpe bei Arras. Wohl hat Flandern seine Reize, dem Regiment nur zu bekannt vom Frühjahr 1916 her, doch hier inmitten des Großkampfes hatte der Soldat weder Zeit noch Sinn dafür. Ebenes und trotzdem durch Buschwerk, Sträucher, Bäume verdecktes Gelände breitete sich weithin aus – langgestreckte Dörfer, viele einzelne Gehöfte, zum großen Teil verlassen oder bereits in Trümmer geschossen, wiesen auf sonst dichte Bevölkerung hin. Ganz verein-zelt finden sich Betonunterstände bisheriger rückwärtiger Linien, aufgebaut zu ebener Erde, da das Grundwasser kein Eingraben gestattete, alte Gräben von geringer Tiefe, Granattrichter bilden die einzige Deckung und gleichzeitig mäßigen Schutz gegen Fliegersicht. Längst ist die starre Verteidigung aufgegeben, zerstreut im Gelände liegen die Kompagnien, Züge oder M.-G.-Gruppen. Umso mehr Selbsttätigkeit tritt an jeden einzelnen, nur von dem einen Gedanken beseelt, der Feind darf nicht durch!
Über freies Gelände suchen die vorgesandten Patrouillen Verbindung mit den vorne liegenden Regimentern, die Nachrichtenmittel sind öfters zerstört. Im fortgesetzten Wechsel wurden Kompagnien und Bataillone in Front und Flanke als Reserve tagsüber zur Verwendung der kämpfenden Truppen gestellt, dann wieder in die Lager zusam-mengezogen, hierbei am 21. August schwerer Beschießung und großer Verluste ausge-setzt. Das II. Bataillon hatte das I./119 nach wütendem Kampf bei Pölkapelle auf zwei Tage abgelöst und dadurch zwei anstrengende Kampftage hinter sich, ehe das Regiment ganz eingesetzt wurde.


aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Sonntag, 20. August 2017

20. August 1917


„Die Augustsonne brannte heiß auf das Trichterfeld, durch welches die Stoßtrupps lautlos vorkrochen. Freund und Feind schienen sich von den Anstrengungen des Vormittags auszuruhen. Rotgrünes Leuchtsignal sollte 2.30 Uhr das Riegelfeuer auf Achselklappe bis Höhenstellung auslösen und gleichzeitig sollten die Stoßtrupps vorbrechen. Das Riegelfeuer blieb aus, die Tapferen schafften es allein. Alle sprangen 2.30 Uhr auf und vor gegen den Graben, Handgranatensalven bahnten den Weg. Mit Macht stürzte sich der Stoßtrupp Bührlen mit seinem Führer und Unteroffizier Hack an der Spitze auf den Gegner, überrannte den Flammenwerfer und drei Schnelladegewehre, die erbeutet wurden. Aber der heldenmütige Führer wurde schwer verwundet vom Platze getragen, neben ihm war der tapfere Unteroffizier Hack gefallen. Auch Bührlen starb bald nach der Einbringung. Seine letzten Worte waren: „Die Festung ist frei, frei vom Feind.“ Auch der Führer des mittleren Stoßtrupps, Leutnant Hirschmann, der sich mit mannhafter Energie zum Offizier emporgearbeitet hatte, fiel beim Vorstürmen und neben ihm Unteroffizier Seng (6. Kompagnie) durch ein feindliches M.-G., das nach Erledigung der Bedienung erbeutet wurde. Beim linken Stoßtrupp wurden die Führer Vizefeldwebel Haag und Unteroffizier Eberhardt, sowie die meisten Teilnehmer ver-wundet.
So war der hartnäckige Widerstand des Gegners durch todesmutiges Draufgehen gebrochen worden. Die Franzosen wurden bei der Mittagsrast überrascht, geöffnete, Tornister, Feldflaschen, Brotlaibe, Schokolade, Konserven lagen auf dem Boden zer-streut umher, eine willkommene Beute. 9 Franzosen des Inf.-Reg. 16 wurden gefangen, 4 schwer verwundete in einen Stollen gebracht, 3 Schnelladegewehre und 1 M.-G. und sonstige Waffen wurden erbeutet. Im Graben lagen 15 – 20 tote Franzosen, darunter ein Offizier mit seinem schwarzen Diener. Etwa 150 rissen aus, von uns und auch von der Quellspitze aus lebhaft beschossen. Jetzt funkte auch unsere Artillerie. Die Gewandtheit der Franzosen beim Rückzug, ihr Frontmachen und erneutes Festsetzen im Gelände hat auf unsere Leute tiefen Eindruck gemacht. Unsere Verluste waren schwer, die des Gegners aber um das Vielfache größer; es lagen vor der Stellung und im Zwischen-gelände etwa 150 feindliche Leichen, Die Stellung war wieder restlos in unserer Hand.
Nun legte der Gegner auf die Stellung ein wütendes Sperrfeuer; wieder schossen Flieger aus geringer Höhe auf unsere Trichterbesatzungen, wieder mehrten sich die Verluste: die Offizierstellvertreter Dold und Ebinger der 10. Kompagnie und mancher brave Unter-offizier und Wehrmann sanken zu Tode getroffen nieder. Der Gegner führte in den Grä-ben der Höhenstellung Verstärkungen heran, die von uns lebhaft unter Feuer genommen wurden. Das leichte M.-G. des Gefreiten Bulling der 11. Kompagnie sollte an einem günstigen Punkt flankierend eingesetzt werden: ein Volltreffer streckte die ganze Bedie-nung zu Boden. Der gefallene Führer hatte noch das Gewehr in den Armen. Zwei Begleiter waren ebenfalls tot, die beiden andern schwer verwundet.
Zum Ausbau des zurückeroberten Grabens traf gegen 5 Uhr nachmittags ein Zug Pioniere der 1. Landw.-Pion.-Komp. XIII unter Leutnant Glenk ein. Sie kamen jedoch auf dem Wege nach vorn in schweres Feuer, so daß 13 Mann sofort ausfielen. (Einige Verwundete kamen barfuß durch den zerstörten Graben von Stuttgart III, gestützt von leichtverwundeten Kameraden.)
Offizierstellvertreter Essig, 6. Kompagnie, fiel ebenfalls, als er im Begriff war, mit sei-nem Zug den Graben zu besetzen, Vizefeldwebel Hecht, 12. Kompagnie, der mit seinem Zug denselben Auftrag hatte, wurde mit einem Teil seiner Leute schwer verwundet, andere waren gefallen.

aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Samstag, 19. August 2017

19. August 1917


„Gros und Reserve standen bei Tagesanbruch in dem waldigen Kessel 1 km westlich 491, die Vorhut 500 m weiter ostwärts vorgeschoben in Büschen dicht südlich der Rus-senkuppe.
Von 11 – 12 Uhr vormittags vereinigte die Artillerie der 117. Inf.-Division das Feuer sämtlicher Kaliber im Raume 788 – 692 – 733. Schlag 12 Uhr: Sturm!
Der Angriff ging vollkommen planmäßig vor sich. Es war ein selten schöner Tag; wol-kenlos blauer Himmel mit strahlendem Sonnenschein erleichterte die Beobachtung, erschwerte aber auch die Vorwärtsbewegung in Sicht des Feindes. Unter dem Feuer-schutz der Werfer-Kompagnie durchschnitt eine Gruppe der 5. Gebirgs-Kompagnie unter Führung des Vizefeldwebels Friedel das rumänische Drahthindernis an der von Oberleutnant Rommel gewählten Einbruchstelle, an welche sich die Vorhut ab 9 Uhr morgens vorsichtig heranschob. Beim Abstieg gegen 491 gab es trotzdem Verwundete, dann aber stieg die Vorhut im Walde und Gestrüpp, vom Feinde nicht bemerkt, gegen die Einbruchstelle auf und hielt etwa 50 m unterhalb des Drahtverhaus, während Leut-nant Wöhler mit 6 leichten Minenwerfern die Einbruchstelle, die gesamte Artillerie der Division die Höhe 788 unter Feuer hielt. Schlag 12 Uhr mittags brach der Vortrupp in die Stellung der Rumänen ein. Voraus Gruppe Friedel, deren schneidiger Führer im Handgemenge fiel, drang die Vorhut in die erste rumänische Stellung, und dem fliehenden Feinde folgend, sofort in die 600 m dahinter liegende zweite feindliche Stellung ein. Unter ohrenbetäubendem Lärm, im wütenden Feuer der Rumänen und im dröhnenden Krachen der eigenen und feindlichen Granaten drangen die Gebirgs-Kompagnien durch beide Stellungen durch und erweiterten die Eibruchstelle sofort nach Norden (5.), nach Osten (1.) und nach Süden (4. Geb.-Komp). Leutnant Leuze mit 2. M. G.-Komp. sicherte die Einbruchstelle selbst, Der Heeres-Stoßtrupp stieß über die 5. Gebirgs-Kompagnie hinaus nach Norden vor.
Auf flüchtende Haufen von Rumänen und auf feuernde M. G. und Geschütze bei Nicoresti eröffneten die Gebirgs-Kompagnien ein rasendes Feuer aus Karabinern und M. G. Auffahrende Batterien wurden zusammengeschossen; es war ein voller Erfolg! Auf der Eisenbahn bei Tirgul Ocna in 4000 m Entfernung spielte sich ein Riesenbetrieb ab.
Mehr als 500 Gefangene und dutzende M. G. waren der Vorhut in die Hand gefallen. Nun wäre es Aufgabe des Gros gewesen, auf die Vorhut rasch aufzuschließen und dieser dadurch weiteres Vorstoßen zu ermöglichen. Aber kein Gros folgte nach: Das bay-erische Bataillon I./18 hatte sich unterwegs ablenken lassen und hatte sich auf dem rechten Flügel seines Regiments mit Front nach Norden festgelegt. Vergeblich wartete die Vorhut auf die Verstärkung durch das Gros. 4 Uhr nachmittags schloß die Gruppen-Reserve unter Hauptmann Gößler auf die Vorhut auf. Inzwischen hatte der Rumäne wieder festen Fuß gefaßt und es hätte erneuter Artillerie-Vorbereitung bedurft, um den Angriff fortzusetzen. Gegen einen rumänischen Angriff von Norden wurde die 6. Gebirgs-Kompagnie zwischen die 1. und 5. eingeschoben, dann kam die Dämmerung. Es blieb nichts anderes übrig, als da zu bleiben, wo man war, nach links Verbindung mit I./18, nach rechts mit Res,-Inf.-Regt. 22 aufzunehmen, das in todesmutigem Ansturm über offenes Gelände nach Wegnahme des Cosna-Gipfels gegen Abend in die starke rumänische Stellung auf der Höhe 692 eingedrungen war. Seine Verluste waren dementsprechend schwere. Rückwärtige Bewegungen beim Feinde wurden erkannt, aber seine Nachhuten hielten überall hartnäckig ihre Stellungen, dicht vor der Front des ganzen K. u. K. VIII. Korps.



aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Freitag, 18. August 2017

18. August 1917


„Bei der 4. Armee tobte die Flandernschlacht. Die Division war zur Ablösung der 79. R.-D. bestimmt, die zwischen Langhemarck und St. Julien in Stellung war. Mit der Bahn wurde das Regiment am 15. 8. nach Roulers befördert.
Die Sache fing gleich gut an. Am 17. 8., 2 Uhr vormittags Alarm: 6 Uhr vormittags hat das Regiment gefechtsbereit nordwestlich Westroosebeke zu stehen. Die Batterien wurden dort unter Ausnützung jeder sich bietenden Deckung bespannt bereitgestellt. Nach verschiedenen Änderungen lösten in der Nacht vom 17. / 18. 8. die 2. und 8. Bat-terie ab. Die übrigen Ablösungen wurden im letzten Augenblick angehalten.
Das Regiment (ohne die eingesetzten Batterien) biwakierte bei Oostnieuwkerke. In den nächsten Nächten sollten weitere Batterien Teile des Feldart.-Reg. 221 und 183 ablösen. Am 18. 8. erhielt die 9. Batterie durch Beschießung schwere Verluste. Großkampftage folgten. Es erinnerte die ganze Lage verflucht an die Somme. Nur war der Widerstand diesmal weit besser vorbereitet.


aus: „Das 2. württ. Feldartillerie.-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 17. August 2017

17. August 1917


„Für die Nacht vom 17./18. wurde die Ablösung der im Abschnitt Langemark eingesetz-ten Truppen der 79. und 183. Inf.-Division befohlen. Mit welchen Schwierigkeiten dies verbunden war, läßt sich schon aus dem Divisionsbefehl vom 17. 7 Uhr abends entneh-men, der folgende Stelle enthält: „Die zur Ablösung der Kampfabschnitte bestimmten Regimenter , 119 rechter Abschnitt und 125 linker Abschnitt, sind planmäßig bis zur Wilhelmstellung vorzuführen. Von hier aus findet die Ablösung der vorderen Linie statt, sobald über deren Verlauf Einweisungskommandos Klarheit geschaffen haben und das Vorführungskommando sichergestellt ist. Ist das nicht so rechtzeitig möglich, daß das Vorführen noch bei Dunkelheit erfolgen kann, so findet die Ablösung der vorderen Linie erst vom 18./19. August statt.“
Für den Regimentsabschnitt war die Einteilung in 2 Unterabschnitte mit je einem Kampfbataillon, II. Bataillon Nord, I. Bataillon Süd, vorgesehen, dahinter sollte das III. Bataillon als Stoßbataillon auf den ganzen Regimentsabschnitt verteilt werden.
In der vorderen Linie traf man auf Teile von vier vollständig durcheinandergekommenen Regimentern, sie gehörten teils der 79., teils der 183. Division an. Führer waren nicht vorhanden, der Verlauf der einzunehmenden Stellung mußte erkundet werden. Unsere Vorkommandos waren in das Kampfgewirr des Gegenstoßes hineingeraten, sie waren von den Regimentern der 79. Division sogleich zurückgeschickt worden. Während der Ablösung war das von Fliegern geleitete Artilleriefeuer außerordentlich heftig, es lag gleichmäßig schwer auf vorderer Linie und Hintergelände. Es ist daher erklärlich, daß es nur einem Kampfbataillon, dem Bataillon Hug (II.) gelang, die Ablösung der vorderen Linie in der Nacht vom 17./148. durchzuführen, das I. Bataillon nahm erst in der darauf-folgenden Nacht die vorgesehene Stellung ein. Leutnant d. R. Gnädig (1. Kompagnie), der sich in der ersten Arrasschlacht (23. April 1917) besonders hervorgetan hatte, wurde dabei so schwer verwundet, daß er uns am 20. August durch den Tod entrissen wurde.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–

1918“ׅ, Stuttgart 1923

Mittwoch, 16. August 2017

16. August 1917


„Am 15. August ging an die Division der Ruf nordwärts nach belgisch Flandern, wo heftige hin- und herwogende Kämpfe im Gange waren. Langemarck hatte wiederholt den Besitzer gewechselt, war aber schließlich ebenso wie Poelkapelle in deutscher Hand verblieben. Nach äußerst harten, verlustreichen Kampftagen harrten die dortigen zer-mürbten Divisionen dringend auf das Eintreffen frischer deutscher Kräfte.
Nach beschleunigtem Abtransport von Loos über Lille – Tourcoing – Courtrai – Iseg-hem nach Roulers und sofort anschließendem Fußmarsch erreichte das Regiment im Laufe der Nacht 15. / 16. August Hooglede (Regimentsstab, I. und II.) und Bevern (III.). Von 79. Inf.-Division erhält es kurze Orientierung über die Lage: „Stellungen sind keine vorhanden, werden auch keine gebaut. Im Abschnitt für Gren.-Regt. 119 bisher 2 Regi-menter in vorderer Linie, weil durch schwere Verluste sehr geschwächt. Angriff der Engländer am 15. August früh bei Langemarck blieb im Sumpf stecken. Eigene Artil-lerie sehr stark und großer Munitionseinsatz..“ Soweit die Lage; die Plätze der vorderen Linie waren nicht genau bekannt. Nur so viel wußte man aus allen Mitteilungen, die jetzigen vorderen Truppen mußten bald abgelöst werden, ehe sie im zehrenden Kampf vollends verbluteten.
Am frühen Morgen des 16. August setzte vorne auf der ganzen Linie schlagartig Trom-melfeuer ein.
Nach kurzer – auch noch durch Fliegerbomben gestörter – Nachtruhe marschiert das Regiment am 16. August auf Befehl der 51. Inf.-Brigade als Stoßregiment an den Wald südlich Westroosebeke, wo es 9.20 Uhr vormittags eintrifft, von feindlichen Schrapnells begrüßt. Das erst 3.40 Uhr morgens in Beveren eingetroffene III. Bataillon wird auf Lastkraftwagen heranbefördert.
Unterwegs begegnet man Verwundeten von der Front und deutschen Geschützen im Rücktransport. Die Geschützrohre waren mit der Zeit nach ungeheurer Inanspruch-nahme trotz der anerkannten Güte des Materials ausgeschossen und auswechslungs-bedürftig. Das Kurzschießen auf eigene Gräben und Truppen war mit eine Folge früher wohl nie geahnter Abnützung der Kanonenrohre und der beschleunigten Massenher-stellung der Munition, welche im Übrigen gut und wirkungsvoll war.
Teile der Tags zuvor in den Abschnitt gesandten Vorkommandos des I. und II. Bataillons kamen um die Mittagszeit zum Regiment – einzelne verwundet – zurück; sie waren bis in die vordere deutsche Linie gekommen in dem Augenblick, als der Feind von Langemarck her in Schützenlinie und dahinter in dichten Kolonnen angriff und vertei-digten sich mit zwei von der sich zurückziehenden alten Besatzung zurückgelassenen Maschinengewehren, bis auch sie – zum Teil schon umgangen – starke Übermacht zum Rückzug zwang. Leutnant d. R. Wendel und einige Grenadiere wurden vermißt, Leut-nant d. R. Waaser verwundet.
Die am Vormittag des 16. August vom Regiment über Nord- und Südrand Poelkapelle vorgesandten Offizierpatrouillen, Leutnant d. R. Weinbrenner (I. Bataillon) und Keinert (II. Bataillon) meldeten gegen 1 Uhr nachmittags, daß nach der Einnahme von Lange-marck der Feind auch die Wilhelmsstellung und Winterstellung (letztere ca. 1 Kilometer südwestlich Poelkapelle) erreicht und Poelkapelle unter sehr schweres Feuer genommen habe. Der Gegenstoß der 183. Inf.-Division mit den Regimentern 418 und 440 sei im Gange.
Tatsächlich hörte man auch von vorne ununterbrochenes Trommelfeuer und Gefechts-lärm. Das Hintergelände riegelte der Feind durch starkes Feuer ab. Bald darauf, etwa 2 Uhr nachmittags, traf die erfreuliche Nachricht ein, daß die Winterstellung sowie die Wilhelmsstellung östlich und nördlich Langemarck (hier durch die 5. Bayr. Inf.-Division) wieder in deutschem Besitz sei.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Dienstag, 15. August 2017

15. August 1917


„Am 8. August kam der Befehl zur Ablösung der Division durch die 10. bayrische Res.-Division. In den Nächten zwischen dem 8. und 12. August wurden die Batterien und Stäbe durch das bayrische Res.-F.-A.-R. 20 abgelöst. Die abgelösten Teile des Regiments marschierten in folgende Ortsunterkünfte: Regimentsstab uns die ganze II./49 nach St. Hilaire, Stab I./49 mit 1. und 2./49 nach Bethencourt, 3./49 nach Quiévy, Stab III./49 und 7./49 nach Haucourt, 8./49 nach Fontaine und 9./49 nach Ligny. Die Batterien hielten in den nächsten Tagen Unterricht in allen Dienstzweigen, Übungen im Karabinerschießen und Handgranatenwerfen ab, bei welch letzterer Übung sich bei 7./49 leider ein schwerer Unglücksfall ereignete, infolgedessen ein Unteroffizier getötet und drei Mann schwer verwundet wurden.“


aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Montag, 14. August 2017

14. August 1917


„Am 10. August setzte rege Fliegertätigkeit der Franzosen ein. Die am rechten Flügel befindliche 1. Kompagnie ließ sich durch die 2. ablösen, ebenso die 1. M. G.-Kom-pagnie durch die 2. M. G.-Kompagnie in vorderster Linie. 5 M. G. der 1. M. G.-Kom-pagnie lösten in Hagen-Süd ab. Der 12. August brachte eine sehr heftige Artillerie-beschießung der ganzen Stellung und der rückwärtigen Verbindungen und damit den Auftakt zur Abwehrschlacht bei Verdun. Am 13. und 14. wurde das Feuer so stark, daß der Angriff der Franzosen stündlich zu erwarten stand. Die noch verfügbaren 4 M. G. wurden vorne eingesetzt. Am 14. August steigerte sich das feindliche Artilleriefeuer aus allen Kalibern noch erheblich, ebenso wurde die ganze Stellung mit Gas belegt. An diesen Tagen fielen 14 Mann, 5 wurden verwundet und 3 trugen schwere Gasvergif-tungen davon.“


aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929

Sonntag, 13. August 2017

13. August 1917


„13. 8. 17. Der Tag graut, trüber wickelt sich die Gegend aus der Dämmerung. Müde und angerackert erhebt man sich. Doch plötzlich bricht mit hellem Glanz die Sonne hervor und in blendendem Licht liegt alles da.  Schon beginnt ein rumänisches M. G. zu rattern, verflucht nah. Alles geht in Stellung und wartet. Langsam nähert sich das Geknatter unserer Gegend. Feindliche Artillerie überschüttet uns mit ihren Zuckerhüten. Unser 3. Zug ist schon im Feuerkampfe mit dem Gegner, der von rechts umgehen will. Der Rumäne kommt in unser Flankenfeuer und schwankt. Dem 3. Zug auf dem Cosna-Gipfel steht eine ungeheure Übermacht gegenüber. Ein schweres Feuer von Infanterie, M. G., Schrapnells, Granaten und Handgranaten prasselt auf uns paar Leute hernieder und auf unsere preußischen M. G. Oben habe ich toll zu tun, zusammen mit Dr. Lenz und zwei Krankenträgern verbinde ich. Ein Mann liegt ganz links weit vor der deutschen Linie ganz oben auf der Höhe mit Kopfschuß. Wie ich ihn verbinde, krabbeln auf drei Meter Entfernung einige Rumänen den Steilhang herauf. Mein Begleiter schießt. Als Antwort kommt eine Handgranate, ohne zu schaden. Wir schleppen den Verwundeten zurück, aufrecht im feindlichen Feuer. Weitere Verwundete folgen, werden von leicht verwundeten Kameraden zurückgebracht; immer mehr. Unser Verbandplatz liegt unmittelbar hinter der Kampflinie in einem Granattrichter, 20 m unterhalb des Gipfels. Der Kampf wird rasend! Ein unglaubliches Feuer liegt auf uns. Den Lärm vermehrt das Krachen unserer Artilleriegeschosse, die haarscharf über unsere Köpfe hinweg in die Rumänen fahren.  Leutnant Hummel fällt. Mit Leutnant Stellrecht schleppe ich ihn zum Verbandplatz. Bauchschuß, aussichtslos, Schlagaderverletzung, nach fünf Minuten tot. Den M. G. geht die Munition aus; sie packen zusammen. Krankenträger nehmen die Schwerverwundeten auf den Rücken und rasen den Berg hinab. Das rumänische Feuer hat sich noch gesteigert. Granaten explodieren dicht neben unserem neuen Granatloch-Verbandplatz, über uns platzen Schrapnells. Unten rüber, uns umgehend, drängen die Rumänen. Wenn wir nicht gefangen werden wollen, dann wird’s Zeit. Dr. Lenz und ich sausen los. Rechts nördlich sind die Rumänen noch 10 m von uns weg, bis zur Deckung sind es noch 50 m. Endlich, endlich sind wir bei unsern Leuten in der Deckung. Verstärkung trifft ein. Die Rumänen berennen die Hänge von Norden und Osten, die wir zusammen mit den Bayern reichlich dünn besetzt halten. Spät am Abend komme ich zur Ruhe, auf dem Verbandplatz schlafe ich wie ein Toter, meine Kompagnie finde ich nicht mehr. Ich finde sie am 14. August morgens im Gestrüpp lagernd. Die Kompagnie hat gestern 40 Mann verloren. Ein allgemeiner Angriff der Rumänen mittags wird in wahnsinnigem Trommelfeuer unserer Geschütze erstickt. Das Rollen, Zischen, Poltern über unsere Köpfe hinweg ist grauenerregend.“


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Samstag, 12. August 2017

12. August 1917


„12. August 1917. „Artilleriekampf!“ – für die Daheimgebliebenen ein Wort, das in den Heeresberichten der Obersten Heeresleitung ohne viel Aufhebens gelesen wurde, für den Mann an der Front aber ein Erleben von ungeheurer Tragweite bedeutete. Schon Ende Juni steigerte sich der Artilleriekampf, ein Unternehmen jagte das andere, Tage und Nächte waren ausgefüllt mit Arbeit, die den vollen Einsatz der Kraft jedes Einzelnen verlangte. Bedrückend ist das Gefühl der zahlenmäßigen Unterlegenheit, dazu noch die Beschränkung im Munitionsverbrauch. Unter solchen Umständen dem Feinde doch die Stirne zu bieten und seine Artillerie auch etwas „einzuseifen“, das gibt Mut und gesteigerte Arbeitsfreudigkeit. Schade, daß die Verpflegungsration diese Steigerung nicht mitmachen konnte. Sie war und blieb mager – wie wir. Eine Ausnahme machte nur noch der Sonntag, der Braten und Salat brachte – manchmal auch etwas weniger! So war auch der 12. August wieder mal ein Sonntag. Es schien, als hätte man jenseits Avocourt auch das Bedürfnis nach Ruhe, und freute sich des herrlichen Sommertages und noch mehr, daß die Geschütze hüben und drüben ruhig waren. Man wusch sich mal wieder ordentlich; der Batteriebarbier Röckle, den „Dolch“ in der Zigarrenkiste, spuckte ordentlich auf seine Kalodermaseife und machte ein gutes Geschäft. Er hat uns oft mit „zarter Hand“ unterm Messer gehabt. So auch an diesem Sonntag. Man war guter Laune und die Stellung war „sauber wie am Sonntag“. Es war 4.30 Uhr nachmittags, als sich erst mehrere Flieger von drüben zeigten. „F-l-i-e-g-e-r-d-e-c-k-u-n-g!“ rief der Posten, und schon heulten die ersten „vier“ vom Hermont herüber. „Die sind nicht aus Pappe!“ meinte unser „Schnuckle“. Kurz darauf die nächsten vier, welche aber ins Beausognetal rutschten. Aber dann kam jede Lage näher; die Flieger hatten sich erheblich verstärkt und hielten sich die wenigen deutschen Flugzeuge vom Leibe. Was nun folgte, war ein wohlgeleitetes Feuer schwerster Kaliber von etwa 5 bis 6 Batterien aus Richtung Hermont und Cigalerie. Ich hatte Dienst am Telephon im Offizierunterstand. Die Leitung nach dem linken und rechten Zug war 10 Minuten nach Feuerbeginn noch intakt. Freund Theo Golz meldete sich: „Alles da, ich rufe dir von Zeit zu Zeit wieder an.“ Nach 5 Minuten mache ich Leitungsprobe. Linker Zug meldet sich, rechter Zug nicht. das Feuer, das auf der Stellung lag, hat sich inzwischen gesteigert, die Unterstände erbeben, Wasser dringt ein und steht bald 20 cm hoch im Verbindungsstollen zwischen Offizierstand und dem Stollen des linken Zugs. Zwei Stunden schon hämmern schwere Granaten herein. Gott sei Dank, bis jetzt halten unsere Stollen. Die Arbeit, der Schweiß, welcher tief unter der Erde auf den Felsengrund des Cheppy rann, war nicht umsonst gewesen. Habt heute noch Dank, ihr braven Kanoniere, Albinger, Bayha, Alber, Weiß, Widmann, Benz, Heilig usw.
Es war kurz nach 7 Uhr abends. Die Einschläge hörten auf. Es waren wohl die Rohre heiß und eine Pause konnte uns und denen drüben nichts schaden. Rasch heraus und Umschau gehalten. Wer kennt nicht den Geruch frischer Granateinschläge? Rasch herüber nach dem rechten Zug! Aber wo war denn dieser? Nichts mehr erinnerte an sein Aussehen vor etwa zwei Stunden. Ein Trichterfeld. Doch was hören wir da? Ver-zweifelte Hilferufe mit schwacher Stimme. Wir kommen näher und finden Kanonier Teuffel im Luftschacht des rechten Unterstandes eingeklemmt. Bald ist er befreit, und nun weiter im Luftschacht, die Kameraden retten. Zuerst stoßen wir auf Kanonier Plappert. Schwer verwundet bringen wir ihn nach oben. Hans Bok, welcher nach heldenhafter Gegenwehr am Ende des Krieges noch fiel, gab dem Verwundeten Trost im Gebet. Kurz darauf wurde er von den Schmerzen erlöst. Was wir nun weiter sahen im Unterstand, darüber zu schreiben versagt der schreibenden Hand die Kraft. Wir haben 11 tote Kameraden, den ganzen rechten Zug, geborgen. Ihre Namen sind: Unteroff. Theo Golz, Hörter (Waffenmeister), Christian Müller, Gefr. Widmann, Geißlinger, Benz (Sanitäter), Kann. Alber, Burkhardt, Weiß (R.), Peter, Wetzel. Das waren mit unsere Besten. Wenn der rechte Zug schoß, das war geschossen. Und die braven Leute wußten dies und hatten berechtigten Stolz darauf! und jetzt? Bleich und leblos, und doch sahen uns einige noch lächelnd an, als lebten sie. Unteroff. Golz, der mir wieder anrufen wollte, hatte den Fernsprecher noch ans Ohr gelegt. Der Tod hat ihm verboten, anzu-rufen. Unfaßlich schien uns der Verlust, doch die beendete Feuerpause rief uns zurück in die rauhe Wirklichkeit. Und nun folgte eine Nacht des Grauens. Wehrlos im Stollen sitzen, ein unheimliches Feuer auf der Stellung liegen, das drückt auf die Stimmung. Die Nachricht von dem großen Verlust konnten wir durch Läufer weitergeben, und spät abends kam noch unser Batterieführer, Herr Oberleutnant Dill, in die Stellung. Ein gütiges Geschick hatte ihn unversehrt durch den Feuer- und Eisenhagel wider in unsere Mitte geführt. Unsere Stollen hielten noch immer stand, und so graute der Morgen. 14 Stunden lag nun schon das Feuer, als man scheinbar drüben auch müde war. Die feindlichen Flieger besahen sich des Morgens in aller Ruhe das Werk der Zerstörung, und sie konnten zufrieden sein, denn nichts mehr war übrig geblieben – außer dem linken Zug. Und seine beiden Geschütze waren unversehrt! Nachdem wir an Stelle der zwei zerstörten Geschütze Ersatz erhalten hatten, stellten wir die neuen Geschütze auf den linken Flügel der Batterie. Der linke Zug hat also das Erbe des vernichteten rechten Zuges angetreten. Noch 18 Tage haben wir dort unsere Pflicht in schwerstem Artilleriekampf getan, bis uns der 31. August endlich Ablösung brachte. Unsere Toten vom 12. August aber haben wir auf dem großen Friedhof in Romagne sous Montfaucon bestattet “

aus: „Das Württembergische Landw.-Feld-Art.-Regiment Nr. 2 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Freitag, 11. August 2017

11. August 1917


„11. 8. 17. Der Marsch geht los, voraus die 2., 3., dann die M. G.-Komp. Lautlos bewegt sich die lange Schlange am Waldesrand entlang zur Deckung; der Rumäne sollüberrascht werden. Etwa drei Stunden lang mit vielen Pausen marschieren wir, bergauf, bergab. Die 6. Gebirgs-Kompagnie mit zahlreichen württembergischen und bayerischen Maschinengewehren steht schon frontal im Feuerkampf. Wir steigen die letzte Höhe hinauf, und etwa 200 Meter unter dem Waldrand warten wir. Die 3. Kompagnie wird verteilt, 1. und 2. Zug als linke, der 3. als rechte Seitendeckung; ich gehe mit dem 1. und 2. Zug. Die Rumänen haben uns bemerkt; ein Geschoßhagel überschüttet uns; doch drauf geht’s. Raus aus dem Wald mit Hurra! Vorne ein Dutzend Rumänen, die das Gewehr weggeworfen haben. Der Gipfel des Cosna liegt vor uns, getrennt durch eine langgestreckte Runz. Ich habe einen prachtvollen Überblick über die Angriffsbewegung der Unseren. Vor mir freies, sich senkendes Gelände, dahinter der steil ansteigende Cosna, von dessen Rücken ein tolles Feuer prasselt; in möglichster Deckung im Sturm auf den Berg begriffen, Gebirgsschützen, gefolgt von Bayern. Um mich pfeifen die M. G.-Geschosse. Im hellen, grünen, mit Büschen bewachsenen Gelände reglose schwarze Punkte: die Toten – Rumänen und Deutsche. Lange Gefangenenzüge marschieren bergab; ein bewegtes Gefechtsbild! Mit einem Rumä-nen, der meinen Verbandsrucksack trägt, gehe ich vor. Oft muß ich Deckung suchen vor pfeifenden Geschossen. Endlich bin ich bei der Truppe! Meine 3., die 2. Komp. und die 3. M. G.-Komp. umgehen den Cosna-Gipfel, eine lange und mühselige Lauferei. Endlich sind wir im Rücken der Rumänen, aber die Kerle sind riesig standhaft; sie halten den Gipfel. Langsam sinkt der Tag; in den letzten Sonnen-strahlen sehen wir im Tal die gleißenden Türme und Dächer von Tirgul Ocna.
Kein Essen, kein Wasser! Und unten glitzert das breite Silberband eines Stroms herauf. Mit Zwieback und schmutzigem Wasser löschen wir die dringendsten Bedürfnisse. Dann sinken wir in Deckung hinter Büschen todmüde in Schlaf, während vor uns die Gewehre knattern.“


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Donnerstag, 10. August 2017

10. August 1917


„Der 8. August war der erste Angriffstag der Kampfgruppe Sproesser. 11 Uhr vormittags Sturm! Unter wenig Widerstand wurden gleich drei Stellungen überrannt. Der Feind wich und die ersten „Aba“- (Wasser) Rufe der teilweise schwer verwundeten Rumänen ließen die Härte und Schrecklichkeit des Krieges erkennen. In der Nacht vom 8. auf 9. August wurden wir durch schweres Artilleriefeuer belästigt. Am 9. holte der Gegner zu einem verzweifelten Gegenangriff aus, der aber glänzend zurückgeschlagen wurde. Der Morgen des 10. brachte den Befehl zum Eingreifen in den Kampf. Nach kurzem Marsch hatten wir die vordere Linie erreicht, der Feind verfügte über reiches Waffenmaterial, besonders Schnellade- und Maschinengewehre. Am Saume eines Waldes wurde Stellung genommen und um die Mittagsstunde wurde der Sturm befohlen. Mit großen Abständen ging die erste Welle vor, ei Zug der 2. Gebirgs-Kompagnie. Die 5. folgte nach und schwärmte ein, der Kampf war in vollem Gang, unsere Verluste wurden größer und größer. Das Schlachtfeld im wahren Sinn des Wortes lag vor uns. Die zweite Gruppe der 5. Gebirgs-Kompagnie, bei welcher ich mich befand, wurde zur Spitzengruppe, war also hart auf den Fersen des Gegners. Ein beinahe unausstehliches Feuer durch des Feindes Schnellade- und Maschinengewehre spie uns entgegen. Eine Höhe war genommen, vollständig erschöpft fiel ich um, hinter einigen Gesträuchern, wo ich meine durch das schweißtriefende Antlitz ganz überlaufenen Brillengläser reinigte; doch ich mußte weiter. weiter. Der Berghang, der jetzt überschritten werden mußte, war kahl. Von der gegenüberliegenden Höhe prasselte Geschoßgarbe auf Geschoßgarbe, aber die ganze Spitzengruppe war dennoch durchgekommen und eine Geländewelle schenkte uns eine kurze, durch Ermüdung und Erschöpfung nötig werdende Ruhepause. Nun wurde die Spitze abgelöst, beim Zurückgehen fällt unser R. M. durch Kopfschuß, die Kugel durchschlug glatt den Stahlhelm. ein weiteres Vordringen an diesem Tage schien unmöglich, da nun der Deal Cosna vor uns lag, dessen Erstürmung unsere vollständig erschlafften Glieder nicht mehr ausgehalten hätten.“

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933