Dienstag, 31. Juli 2018

31. Juli 1918



„Immer noch waren das III. Bataillon rechts und das I. Bataillon links in vorderer Linie, erst in der Nacht vom 30./31. trat das II. Bataillon (Hauptmann Most) an die Stelle des III. Bataillons. Dieses wiederum löste in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August das I. Bataillon ab, welches als Reservebataillon anstatt nach Rugny nach Tannières befohlen wurde. Der Grund für diese weite Entfernung der Reserve von den Kampftruppen lag in der Absicht, unsere Linien in der Nacht vom 1./2. August mit einem großen Sprung nach rückwärts zu verlegen.
Auf gegnerischer Seite wurden am 31. Juli beträchtliche Truppenansammlungen im Grunde von Wallée und an  anderen Orten wahrgenommen, nach denen man mit einem bald bevorstehenden Massenangriff auf breiter Front rechnen mußte.
Im Laufe des Nachmittags schoß sich der Gegner auf unsere vorderen Linien ein, dann ging der heiße Sommertag in verhältnismäßiger Ruhe zu Ende. Verdächtig war die beinahe völlige feindliche Artilleriestille während der folgenden Nacht. Diese Ruhe vor der Entladung des Stahl- und Eisengewitters war zu auffällig. Alles war auf seinem Posten.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Montag, 30. Juli 2018

30. Juli 1918



„Der Feind drängt bis an die Ourcq mit starken Kräften nach; durch mit M.-G. ausgestatteten stärkeren Offizierpatrouillen wird er überall am Überschreiten des Baches verhindert. Ein weites Vorfeld ist in unserem Besitz. M.-G.-Nester, im hohen Getreide versteckt, haben den Befehl, schrittweise das Gelände zu verteidigen und sich nur gezwungen auf die Hauptwiderstandslinie zurückzuziehen.
Glänzend wurde diese Aufgabe am Abend des 30. Juli vom I. Bataillon gelöst. Nach längerem schwerem Feuer auf die Hauptwiderstandslinie und Saponay greift der Franzose gegen Abend diesen Ort und die westlich davon befindlichen Teile (4. und 1. Kompagnie) mit überlegenen Kräften an. Rasch einsetzendes M.-G.- und Infanteriefeuer brachten den Angriff verlustreich zum Scheitern.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Sonntag, 29. Juli 2018

29. Juli 1918



„Als sich die Nacht herniedersenkte, kam für die Batterien der Befehl zum Stellungs-wechsel in die bei Servenay erkundeten Stellungen.
In düsterer Nacht, nur von den Abschußblitzen erhellt, ging es auf durchweichten Feldwegen zurück. Ständig begleitete uns das Störungsfeuer des Gegners.
Gerade rechtzeitig gelang es der 3. Batterie, in der von Fähnrich Weißer erkundeten Stellung feuerbereit zu sein, um die zum Sturme auf die Butte Chalmont vorbrechenden Franzosen unter mörderisches Feuer zu nehmen. Deutlich konnte man die verlassene Batteriestellung erkennen. Eben machen sich die Franzmänner daran, sich an dem leider zurückgebliebenen Vespersack zu verlustieren. Aber einige gut sitzende Granaten verderben ihnen den Appetit. Der Gegner läßt sich an diesem Tage dort nicht mehr sehen. Den nächsten Morgen kündete Trommelfeuer an, daß der Feind seinen Angriff fortsetzte. Kurz nach 6 Uhr sah man überall dichte Sturmwellen vorbrechen. Das hochstehende Getreide verhinderte unsere Infanterie, die Bewegung sofort zu erkennen. Da warnte sie das rollende Feuer unserer Batterien. Mächtige Lücken riß es in die Reihen des Feindes. Die Vorwärtsbewegung kommt ins Stocken. Wo sich eine solche Anhäufung zeigte, saß mit tödlicher Sicherheit unser Feuer dazwischen. Bald konnten wir auch die hinteren Wellen bedenken.
Ein solches Wirken war aber nur möglich, wenn jeder ohne Rücksicht auf Gefahr und Erschöpfung sein Äußerstes hergab. Und das geschah bei uns ohne Unterschied des Dienstgrades.
Unter schwerem Feuer liegen die Batterien. Zwischen Leutnant Mattheiß und Vize-wachtmeister Müller schlägt eine Granate ein. Beide werden verloren gegeben. Aber wundersamerweise blieben sie unverletzt. Die Splitter verfingen sich im Sand.
Am Abend scheiterte ein erneuter Angriff der Franzosen kläglich“

aus: „Das 2. württ. Feldartillerie.-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Samstag, 28. Juli 2018

28. Juli 1918



„Als der Morgen des 28. Juli graute, hatten sich die Schwachen Kompagnien gegen Erd- und Fliegerbeobachtung gut gedeckt, einige hundert Meter südlich Cramaille – Cramoiselle eingegraben. Diese Linie erhielt den Namen „Eisenstellung“ und sollte als Hauptwiderstandslinie gehalten werden. Nördlich Cramaille durch den Wald von Arcy wurde die Artillerieschutzstellung gelegt.
Die beiden Kampfbataillone besetzten die Hauptwiderstandslinie und das bis zur Höhe 138 reichende Vorfeld mit je zwei Kompagnien, je eine Kompagnie war nördlich Cramaille an den äußeren Flügeln des Regimentsabschnitts, je eine in der Artillerie-schutzstellung, in letzterer auch die 2. M.-G.-K. Sch.-A. 40; II. Bataillon bei Rugny, Regimentsgefechtsstand bei Branges, Gefechtstroß in Tannières.
Das Loslösen vom Feind war in mustergültiger Weise geschehen. Wie seinerzeit beim Rückzug von der Somme, hatten auch hier lange am Feind verbleibende Offizierpatrou-illen die alte Besetzung vorzutäuschen. Am 28. Juli betrommelte der Gegner die von uns geräumte Stellung auf und an der Butte Chalmont, führte einen gewaltigen Lufthieb aus und fühlte dann nach und nach an unsere neue Kampflinie heran.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Freitag, 27. Juli 2018

27. Juli 1918



„In der Nacht zum 27. wird das südliche Ourcq-Ufer planmäßig geräumt, alle Über-gänge werden gesprengt. III. und I. Bataillon halten den nördlichen Talrand besetzt, links schließt Inf.-Regt. 121 an. Auf Befehl der Brigade rücken am 27. Juli 1918 7. und 8./119 in das Bois d‘ Arcy östlich Servenay und bilden mit zwei Kompagnien des Inf.-Regts. 125 und einer Kompagnie M.-G.-Scharfschützen-Abt. 40 unter Major v. Mauch die Divisionsreserve; sie rückt 11.20 Uhr abends wegen starken Beschusses des Waldes nach Cramaille. 5. und 6./119 gehen in den Bereitschaftsraum 1,5 Kilometer südlich Cramaille. Am Abend des 27. Juli versuchte der Feind erneut mit Patrouillen aus Rich-tung Butte Chalmont vorzudringen, wird aber durch Maschinengewehrfeuer zerstreut. Eine kühn vorstoßende Patrouille der 11./119 brachte 3 Gefangene ein. Der Regiments-stab, seither in einem kleinen Waldstück südlich Cramaille, bezieht den Gefechtsstand in Foufry.
Nur zögernd und tastend folgt der Gegner. Wo sich am jenseitigen Talrand Bewegung zeigt, setzt sofort das Feuer unserer Maschinengewehre ein und zerstreut die vorfühlen-den Abteilungen.
Die feindliche Artillerie ist unermüdlich tätig und hält unausgesetzt jede Straße, jedes Waldstück, jede Ortschaft hinter der Front unter schwerem Feuer, unter dem rückwär-tige Abteilungen und Stäbe schwer zu leiden haben.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 26. Juli 2018

26. Juli 1918



„Der Feind war auf der ganzen Front gegen die Ourcq im Vorgehen, die Unsrigen im Abbauen. In drei Kampfgruppen eingeteilt, traten zum Regiment als Gruppe III noch die 3./F.-A. 29, II./Fuß.-A. 5, ein Zug 1./Pion. 13, eine Kavalleriepatrouille 2./Ulan. 19. Die am Gegner befindliche 45. Res.-Res.-Div. und 33. Div. bedürfen, da gänzlich abge-kämpft, der Ablösung; dementsprechend führen die nächsten Tage das Regiment in den Gefechtsraum nördlich Saponay, wo es mit den zugeteilten Formationen zunächst zum Gegenstoß bei weiterem Zurückdrängen der Kampffront bereitgestellt wird und am Abend den Gefechtsabschnitt allein zu übernehmen hat. Bei der glänzenden Sicht aus dem Fesselballon wurden die Bewegungen des Regiments vorzeitig beobachtet und alle Anmarschwege unter starkes Feuer genommen, wodurch bei der Bereitstellung leichte Verluste eintreten. Sämtliche Übergänge über die Ourcq werden zur Sprengung vorbe-reitet, gleichzeitig rücken das II. und III. Bataillon in den befohlenen Abschnitt bei Saponay, I. Bataillon mit schweren M.-G. nach der Tiefe gegliedert. Bei strömendem Regen, stockdunkler Nacht, nimmt die Aufstellung der Bataillone viel Arbeit und Zeit in Anspruch, doch sie glückt trotz der starken Beschießung bis zum Morgen des 27. Juli.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Mittwoch, 25. Juli 2018

25. Juli 1918



„Schon am 24. Juli nachmittags in der Zeit von 2 bis 3.15 Uhr und von 4 bis 6.15 Uhr hatte die englische Artillerie in einem planmäßigen Wirkungsschießen mit Fliegerbeo-bachtung etwa 450 schwere Granaten auf die Abschnitte D I c bezw. D I d und auf den linken Nachbarabschnitt verschossen. Verluste waren nicht eingetreten, da die Besatz-ung rechts und links ausgewichen war. Aber der Graben und die Hindernisse hatten stark gelitten. Es mußte mit einer Unternehmung gerechnet werden, daher wurde abends erhöhte Gas- und Gefechtsbereitschaft angeordnet. In der Nacht herrschte beiderseits lebhafte Artillerietätigkeit. Eine feindliche Unternehmung erfolgte jedoch nicht.
In der Frühe des 25. Juli schoß der Engländer scheinbar ohne besonderen Grund einzel-ne Nebel- und Gasgranaten in den Ancre-Grund und hinter die Stellung. Tatsächlich wollte er für die Vernebelung und Vergasung die Windrichtung feststellen. Es war etwas Besonderes los: Da! 10.50 Uhr vormittags, mit einem Schlag, auf der ganzen Front ein-setzendes Artilleriefeuer auf Vorfeld und Hauptwiderstandslinie, das sich bald zu plan-mäßigem Vernichtungsfeuer gegen D I c und d, sowie D II a und b mit Schrapnells, Brisanz-, Nebel- und Gasgranaten steigert. Diesmal folgte eine Unternehmung. Nach Meldung des Artilleriebeobachters sollen etwa 300 Mann angegriffen haben. Vorüber-gehend drang der Feind etwa in Bataillonsstärke an der Naht zwischen den Abschnitten des Regiments 248 (D I c und d) und des Regiments 246 (D II a und b) in die Stellung ein. Im Abschnitt D I c und d gelang es den Engländern, in dem vorderen Graben vorübergehend Fuß zu fassen. Im schneidigen, planmäßig angesetzten Gegenstoß unter Führung von Leutnant Löffelhardt (Kompagnieführer der 10. Kompagnie) und von Leutnant Sturm (Kompagnieführer der 9. Kompagnie) wurden sie wieder hinausge-worfen. Etwas 150 m über das Hindernis hinaus verfolgten die Stoßtrupps und machten vier Gefangene.
Diese Gefangenen gehörten dem 8. London-Regiment-Post-Office-Rifles, also einem Schützenregiment an, das sich aus Londoner Postbeamten zusammensetzte.
Die 10. Kompagnie hat sich beim Gegenstoß besonders bewährt, und dabei hatte sie bei dem Gasminenüberfall vom 22. Juli besonders starke Verluste – 21 Mann (!) – gehabt.
Im Nebenabschnitt D II war am 24. Juli das II. Bataillon 248 eingesetzt worden. Mit den Einzelheiten und Eigenheiten dieses Abschnitts nicht genügend vertraut, war das Bataillon in einer besonders schwierigen Lage, als der Gegner angriff. Die Engländer drangen ziemlich tief in die vordere Linie ein und setzten sich dort fest, wurden dann aber durch Gegenstoß in Verbindung mit Artilleriefeuer wieder vertrieben. Wenige Minuten vor 12 Uhr ließ das Feuer nach und hörte dann allmählich auf. Der Feind zog ab. Seine Verluste waren sehr groß. In und vor dem Drahthindernis lagen zahlreiche Tote und Verwundete. Aber auch das Regiment hatte schmerzliche Verluste.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Dienstag, 24. Juli 2018

24. Juli 1918



Franz Josef Weiß
GEFR. 8./FUSS A. 13                                                                                             24. JULI 1918
Geb. 7. 12. 99 in Gutenzell, Sem. Saulgau seit 1913, rückte im Aug. 1917 nach Straß-burg zur Fußart. ein und kam im Dez. 1917 ins Feld. Am 24. Juli 1918 mußte er mit andern einen verwundeten Offizier zurücktragen, trotzdem die Batteriestellung unter Feuer lag. Ein Granatvolltreffer tötete den Verwundeten samt seinen Trägern, darunter auch Weiß. Er ruht auf dem Militärfriedhof zu Merfy nordwestlich Reims.“

aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

Montag, 23. Juli 2018

23. Juli 1918



„Die Teile des Regiments, welche am Meer lagen, bnützten die Gelegenheit zu See-bädern. Auch in den Flüssen wurde viel gebadet. Hatte man doch seit langem dazu keinerlei Möglichkeit gehabt. Eine Militärbadeanstalt in Rostow wurde erst benützungs-fähig, als das Regiment nicht mehr dort war. Die öffentlichen Badeanstalten der Stadt, alle zugleich Freudenhäuser ohne jegliche ärztliche Kontrolle, aber mit größter Unsau-berkeit, waren sehr dazu angetan, sich Krankheiten zu holen. Sie wurden deshalb auch für deutsche Heeresangehörige von der Kommandantur verboten.“

aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Sonntag, 22. Juli 2018

22. Juli 1918



„In der Nacht vom 21./22. Juli, 12.45 Uhr morgens, als die mit Essenträgern und Material beladenen Leute eines Trägertrupps im Gänsemarsch nach der vorderen Linie begriffen waren, schoß der Feind einige Lagen aus einer Gasminenbatterie ab. Dieser Gasminenüberfall traf unglücklicherweise gerade auch diesen Trägertrupp. Der Abschuß der Gasminen, der sonst meistens zu sehen und zu hören war, wurde verschleiert durch einige Lagen Brisanzgeschosse. Die in der Vorfeldlinie eingesetzten Truppen konnten ihre Gasmasken rechtzeitig aufsetzen; den Trägern, die überrascht wurden und ihre Lasten erst absetzen mußten, gelang es zum Teil gar nicht mehr, zum Teil zu spät: 7 starben, 14 erkrankten mehr oder weniger schwer an Gasvergiftung. Unter den Toten befand sich auch der Sergeant Haller (9.), der, seit Aufstellung des Regiments in der Front, lange Zeit bei den Infanterie-Pionieren verwendet worden war und nun als Sergeant in der Kompagnie Dienst tat. Ein braver Mann, Familienvater.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Samstag, 21. Juli 2018

21. Juli 1918



„Was das ganze mit so emsigem Fleiß der Führung und so viel Schweiß der Truppe vorbereitete Unternehmen beiderseits Reims anbelangt, so war es mißglückt, weil ihm das Moment der Überraschung fehlte. General Foch hatte bedauerlicherweise, wie schon erwähnt, genaue Kenntnis der deutschen Heeresbefehle und konnte daraufhin seine Gegenmaßnahmen mit geradezu mathematischer Genauigkeit treffen. Unser Artillerie-feuer lag stundenlang bei größtem Munitionseinsatz auf leeren Stellungen, unsere Infanterie machte unter beträchtlichen Opfern einen Luftstoß und saß dann – man muß das Kind beim richtigen Namen nennen – in einer Falle.
Wir mußten in dieser mißlichen Lage noch einige Tage aushalten, wobei uns das feind-liche Feuer noch manchen wackeren Kämpfer erschlug.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Freitag, 20. Juli 2018

20. Juli 1918



„Was die Herren vom Munitionslager uns so liebenswürdig mitgeteilt hatten, das ge-schah nun, das Regiment wurde herausgezogen, voran die erste Abteilung.
Ein dumpfes Rollen von Westen her begleitete die drei Batterien am Morgen des 18. Juli auf ihrem Marsch.  Als sie gegen Mittag in ihre Unterkunftsräume bei Braisne rückten, da lag es wie eine Ahnung auf den Gemütern, daß sie sich hier nicht zur Ruhe strecken werden. Und noch hatten Fahrer und Kanoniere den Straßenstaub nicht von den Stiefeln geschüttelt, da fiel schon der Befehl an die Batterien herein; „Die Abteilung rückt sofort vor nach Nanteuil notre Dame!“ Der längst erwartete Vorstoß der Franzosen aus den Wäldern von Villers Cotterêts war erfolgt. Vorwärts denn und wieder zurück den Weg!
Glühende Julihitze, die Straßen dick mit Staub bedeckt. Immer deutlicher, je weiter sie kamen, zeichnete sich ihnen, was auf sie wartete. Bagagen, Protzen, Feldküchen, ohne Weisung und Befehl, fluteten ihnen entgegen, dazwischen Ausreißer und Drückeberger mit verstörten Gesichtern, die im Vorübereilen abgebrochene Sätze hervorstießen von Tankgeschwadern, die alles vor sich her zerstampften. Verwirrung auch in den Stäben; der Artilleriekommandeur befahl: hist! die Division: hott! So gab es für Abteilung und Batterien nur ein Kommando: selber sehen und handeln.
Die Batterien biwakierten am Straßenrain; bei Sonnenaufgang trafen sie bei Latilly an der befohlenen Stelle ein. Dasselbe Bild wie am Abend zuvor: überall zurückflutende Infanterietruppen, die in kopfloser Hast wichen, ohne einen feindlichen Angriff nur mehr zu erwarten, die Lage völlig ungeklärt. So setzte der Abteilungsführer, Hauptmann Eisenlohr, nur eine einzige, die erste Batterie ein; mit ihrem Führer ging er selber zur Höhe vor zum Erkunden.
Weit sah man von dort in das Vorgelände hinein. Reifendes, wogendes Korn, kleine Waldstücke dazwischen gestreut, Hügelwellen und flache Mulden. Im hohen Getreide vier zusammengeschossene rauchende Tanks, ein paar hundert Meter hinter uns die Trümmer einer deutschen Haubitz-Batterie. Sie war gesprengt worden auf das Gerücht: die Franzosen kommen! Wo kamen sie denn? Weit und breit war kein Gegner zu sehen, nur Trüpplein eigener Infanterie, die rückwärts liefen. Da kam wieder so eine Schar an den Artillerie-Beobachtern vorübergeschlichen. „Wohin, Herr Kamerad?“ Mit verlege-ner Mine meldete sich der angeredete Führer bei Hauptmann Eisenlohr; die Munition sei ihnen ausgegangen. Ei, da war abzuhelfen, da lagen eben fünftausend Schuß trefflicher Infanterie-Munition. Aber da wuchs die Verlegenheit des Leutnants. Seine Mannschaf-ten wollten ja keine Munition, nur fort wollten sie, weit weg von den Tanks. Wir danken für Ihre Hilfe, Herr Leutnant, und putzen Sie auch ihre Hosen gut aus, von innen nämlich!
Aber was war denn das? Leutnant Schlecht will sich eben auf der neugeflickten Leitung mit seinen Geschützen in Verbindung setzen, da ist keine Batterie mehr da! Sie hat abrücken müssen. Auf höheren Befehl! Es hieß: Die Franzosen kommen! Der feuer-leitende Offizier hatte sich auf die Hinterbeine gestellt: „Da vorne sitzt ja noch mein Batterie- und mein Abteilungsführer!“ Umsonst: „Wenn die noch da vorne sitzen,“ ward ihm zur Antwort, „dann sind sie längst gefangen.“
Wirrwarr, Kopflosigkeit oben und unten.
„Die Franzosen kommen!“ – und auf Kilometerweiten kein Franzose. Die Drähte waren zerschlagen, die Befehlsstellen nährten ihre Kenntnisse von Ausreißern von vorn, und die wußten alle nur eines: „Die Franzosen kommen!“
Einen Tag später. Noch schläft die Welt. Im Morgenzwielicht sehen wir den Führer der dritten Batterie, Leutnant Fischer, in seiner Feuerstellung zwischen La Croix und Latilly am Scherenfernrohr stehen. Siehe da, plötzlich wird es lebendig drüben am Waldsaum, ein halb Dutzend Tanks bricht aus dem Gehölz gegen unsre im Grunde liegende Schüt-zenlinie vor. „Batterie vor, offene Feuerstellung!“ Der Batterieführer selbst sitzt als Richtkanonier am linken Flügelgeschütz, das schon oben auf dem Rücken steht, die Kanonen lösen Schuß auf Schuß. Zwei Tanks sind getroffen, weißen Dampf ausstoßend bleiben sie liegen, der Rest des Panzergeschwaders verschwindet. Verlassen von ihren Schrittmachern stehen die französischen Infanteristen da, in ihre dichten Gruppen hinein fahren die Granaten.
Doch die eigene Infanterie denkt es der dritten Batterie schlecht. Sie räumt den Grund von Latilly und geht zurück. Da bekommt die Batterie Befehl zum Stellungswechsel. Es ist höchste Zeit; denn der Franzose hat aufgespürt, wer ihm den Angriff zerschlagen hat, und deckt die Batterie mit schwerem Feuer zu, an der Stellung vorbei aber hasten bereits die Trüpplein der weichenden Infanterie. Eben sind die Protzen angetrabt, drei Bespan-nungen sind abgerückt, die letzte will abfahren. Aber der Batterieführer läßt sie nicht fort: „Die Munition muß mit zurück!“ und fiebernd arbeiten sechzehn Arme zusammen. Da, ein Knall, Schmerzensrufe, ein Knäuel von Menschen und Pferden. Der Stangenrei-ter sitzt noch, von Schreck gelähmt, ohne Unterschenkel und Unterarme im Sattel. Unser Blick sucht die Stelle des Einschlags. Da erhebt sich Leutnant Fischer, als wollte er etwas befehlen, aber er sinkt lautlos wieder neben fünf schwerverwundeten Kame-raden. Die andern springen herzu und helfen, wo noch zu helfen ist; Leutnant Fischer ist hoffnungslos schwer getroffen.
Über die Höhe aber klimmen die ersten Blaujacken, und fragend schauen sich die Ka-meraden an: sollen sie ihren sterbenden Führer verlassen? Da kommt der Feldwagen und führt den Sterbenden und die Toten davon, die Kugeln schwirren um ihre Köpfe.“

aus: „Das 4. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 65 im Weltkrieg“, Stuttgart 1925

Donnerstag, 19. Juli 2018

19. Juli 1918



„Der Gesundheitszustand der Truppe wird dauernd schlechter, der Ausfall an kranken immer stärker, die Grippe fordert nun auch Todesopfer. Durch Herausziehen einer Division im Korpsbereich, die durch keine andere ersetzt wird, ist eine Neueinteilung der Abschnitte notwendig. Das Regt. 413 übernimmt nach links zwei Kompagnieab-schnitte vom Res.-Inf.-Regt. 120, das Inf.-Regt. 399 wird vom Regiment 414 abgelöst und übernimmt den Abschnitt bis zum Bahndamm, während das für die Divisionsgrenze vorgesehene Nahtkommando, das seither von uns gestellt wurde, in Wegfall kommt. Die 4 Kompagnien vorderer Linie werden nach der Tiefe gestaffelte Linie selbst wird nur sehr schwach besetzt, eine Kompagnie des Bereitschaftsbataillons wird dem K. T. K. als Stoßkompagnie zur Verfügung gestellt, die anderen drei Kompagnien des Bereitschafts-bataillons unterstehen in und bei Marquéglise dem B. T. K. zu evtl. notwendig werden-dem Gegenstoß und zur Verteilung auf M. G.-Nester als Sicherungsbesatzung. Das II. Batl. ist zunächst in vorderer Linie, das III. in Bereitschaft und das I. im Ruhelager im Wald von Caponne. Von besonderer Gefechtstätigkeit ist zunächst nichts zu berichten.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Mittwoch, 18. Juli 2018

18. Juli 1918



„Der Rückmarsch war noch eine recht schwierige Sache. Stockdunkel war die Nacht, es regnete in Strömen. Die beiden Marneübergänge, die Schleuse nördlich Mareuil und die Brücke bei Trissy lagen unter ständigem Feuer. Der Gegner hatte offenbar besondere Überwachungs-Batterien angesetzt, die Tag und Nacht auf die Übergänge zu schießen hatten. Alle Augenblicke lohte dort eine Feuergarbe auf, gefolgt von einem donnerähn-lichen Schlag. Recht verlockende Aussichten für den Gang über die Brücken! Doch, was half’s? Man mußte. Sobald allemal eine „Schwere“ eingeschlagen hatte, rannte wieder ein Trupp über die Brücke – und schon heulte die nächste Granate heran. Am schwierigsten war die Sache natürlich mit den Pferden. Aber auch das wurde geschafft. Gegen 3 Uhr früh traf man, naß bis auf die Haut, in Vandières ein, das mit Truppen und Bagagen vollgepfropft war. An ein Quartier war nicht zu denken. Trotz der naßkalten Nacht mußte biwackiert werden. Unter Zelten und Fahrzeugen, unter Wagenplanen und Kistendeckeln suchte jeder vor Regen und Kälte Schutz so gut es ging. Die Müdigkeit war glücklicherweise so groß, daß man in der unmöglichsten Stellung schlief. Leider störte gegen Morgen die feindliche Artillerie. Unvermittelt flogen einige dicke Brocken in unsere Nähe – als Warnung. Aber was tun? Wo denn hin? Man pennte weiter, bis es gegen Morgen fröstelig wurde. Man stand auf, rekelte sich, rieb die Augen aus und trank einen Schnaps – so vorhanden. Damit war die Toilette beendet. Bald zog die Sonne herauf und weckte die alten Lebensgeister wieder. Vormittags wurden Waffen gereinigt und die Bekleidung  der nötigsten Reinigung unterzogen. Auch Pferde und Tragetiere wurden wieder mal geputzt. Dabei war aber Vorsicht geboten, da man vom feindwär-tigen Flußufer eingesehen war. Außerdem kreisten zahllose Flieger über dem Marnetal. Wollte man nicht Gefahr laufen, noch einmal eine Nacht wie in Arcis le Ponsart zu erleben, so mußte alles geschehen, um nicht erkannt zu werden. Die gegen die Marne-übergänge angesetzten Bombengeschwader kehrten immer wieder. Einigemal warfen sie neben Aufschlagbomben auch solche mit Brennzündern, die wie ein Baldachin aus Rauch und Feuer über den Brücken hingen. Der Überblick, den unser Standpunkt über das Gefechtsfeld bot, zeigte unaufhörlich neue Bilder. Hier war es ein Luftkampf, dort der Einschlag schwarzer Granaten, da ein erstürmter Schützengraben in zertrampeltem Kornfeld. Tote Pferde, aufgedunsen, die Beine von sich gestreckt, lagen umher und verbreiteten süßlichen Leichengeruch. Auch gefallene Franzosen sah man noch da und dort in den Weinbergen und Ährenfeldern, blaß und steif mit gläsernen Augen.
Nachdem Mann und Roß wieder leidlich gesäubert waren, ging es daran, die stark zusammengeschmolzenen Verbände neu zu ordnen. Aus allen 6 Schützenkompagnien, die vor zehn Tagen zum Kampf gezogen waren, konnten gerade noch 2 Kompagnien gebildet werden: Die Kompagnie Heubach aus der bisherigen 1., 2. und 6. Kompagnie und die Kompagnie Schrop aus der 3., 4. und 5. Kompagnie. So hatte die 2. Marne-Schlacht unsere Reihen gelichtet! Zu alledem schied an diesem Abend auch noch die brave Infanteriegeschütz-Batterie aus dem Verbande des Regiments, um nach Coulonges zu rücken. Nur ungern ließen wir diese lieben Waffengefährten und treuen Helfer ziehen, die uns in manch heißer Stunde brüderlich zur Seite gestanden. Unvergessen werden sie in unserer Erinnerung fortleben, die tapferen Kanoniere und Fahrer der I. G. B. 4, voran ihr trefflicher Führer, Leutnant Feninger. Noch hörte man in der Ferne das Rasseln der Geschütze, als die Sonne hinter dem bewaldeten Horizont versank. An der Front aber zuckte Geschützfeuer. Auch wir sollten von diesem „Abendsegen“ nicht verschont bleiben. Eben waren die Kompagnien dabei, sich unter Zelten und Wagen-decken zur Ruhe zu legen, als das Schicksal jäh dazwischen griff. Granaten krepierten – schwarzer Qualm – getroffen lagen einige Kameraden am Boden. Mit hastigem Griff wurden Gewehr und Gepäck erfaßt, Zeltbahn und Decke genommen und gelaufen, nordwärts dem Walde zu. Dort war es ruhiger, dort konnte man die gestörte Nachtruhe fortsetzen. Der Troß wurde an den Nordrand des Trotte-Waldes geschickt.
Während wir so bei Vandières lagen, hatten unsere M. G.-Kompagnien an den Marne-brücken keine leichte Arbeit. Die feindliche Artillerie, die fortgesetzt an Stärke gewann, verfolgte jede Bewegung vor allem an den Brückenstellen mit beobachtetem Feuer. Unter Einsatz ungeheurer Munition versuchte sie den Verkehr über die Marne zu sper-ren, um den südlich liegenden Truppen den Nachschub abzuschneiden.
Auch gegen Vandières hatte sich das feindliche Feuer verstärkt. Auf Anordnung der Brigade wurde deshalb das Regiment an den Nordrand des Trotte-Waldes verlegt. Hier bat der Regiments-Kommandeur angesichts der schweren Verluste des auf ein Drittel zusammengeschmolzenen Regiments das Armee-Oberkommando um Ablösung, um nicht durch erneuten Einsatz die Bataillone völlig aufzureiben. das A. O. K. würdigte diese Verhältnisse. Noch am Nachmittag wurde das Regiment als Divisionsreserve nach dem Wald Garenne de Villers Agron zurückgenommen.“

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Dienstag, 17. Juli 2018

17. Juli 1918



„Auch westlich Reims war der Angriff nach anfänglichen Erfolgen auf der ganzen Linie festgefahren; schon am zweiten Tage wurde deutlich, daß die weitgesteckten Ziele der Offensive nicht zu erreichen waren und so wurde sie auf höheren Befehl auch östlich Reims eingestellt. Die Brigade gliederte sich zur Abwehr der zu erwartenden Gegenan-griffe in die Tiefe; das Grenadierregiment (alle 3 Bataillone) wurde in der Hauptwider-standslinie der früheren 1. französischen Stellung hinter 121 und 125 bereitgestellt. Das halbe II. Bataillon wurde durch I./121 in der Nacht 16./17. Juli in vorderer Linie abge-löst. Der Gegner überschüttete die ihm wohlbekannten Stellungen und Unterstände mit Artilleriefeuer, trat aber nicht zum Gegenangriff an.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Montag, 16. Juli 2018

16. Juli 1918



„Punkt 1.10 Uhr flammen die Mündungen ungezählter Geschütze auf, heulend und zi-schend rauschen die Geschosse über die dichtgefüllten Gräben hinweg, wie blitzschnelle Glühwürmer sieht man einzelne Geschosse am Nachthimmel feindwärts ihre Bahn ziehen; aber keine Überraschung bringen sie leider dem Gegner, der – sei es durch Ver-rat, sei es durch seine glänzend arbeitende Spionage, der gewissenlose Schwätzer und Wichtigtuer in Feld und Heimat nur allzu reichlichen Stoff lieferten – über Stunde, Mittel und Ziele des Angriffs genau unterrichtet war und die Abwehr aufs zweck-mäßigste vorbereitet hatte. Die französische Artillerie antwortet zuerst lebhaft, aber nach kurzer Zeit verstummen die feindlichen Geschütze. Die drüben mögen genug zu tun haben, um sich vor der verderblichen Wirkung der Gasgranaten zu schützen. Macht sie sich doch infolge der ungünstigen Windrichtung selbst für den Angreifer unangenehm genug fühlbar; in dicken Schwaden zieht Gas und Rauch von der französischen Stellung herüber, so daß auch auf deutscher Seite alles zur Gasmaske greifen muß.
Auf die befohlene Sekunde treten die vorderen Regimenter zum Sturm an, kaum eine Viertelstunde später folgt das Grenadierregiment, in Reihen zu einem, an der Spitze das II. Bataillon, dahinter Regimentsstab, I. Bataillon und Minenwerferkompagnie. Schon kurz nach dem Antreten setzt die Gegenwirkung der französischen Artillerie ein, deren in Erwartung des Angriffs weit zurückgezogene Batterien von der deutschen Artillerie-vorbereitung überhaupt nicht gefaßt worden waren. Schon vor Erreichung des Höhen-rückens Luginsland, der sich zwischen Hochberg und Cornillet erstreckt, geraten die Bataillone in heftige Feuerüberfälle mit Gas- und Splittermunition. Die Verluste waren jedoch trotz des anfangs sich verstärkenden feindlichen Artilleriefeuers relativ gering. Unter den beim Vormarsch Gefallenen befand sich der tapfere Führer der 6./119, Leutnant d. R. Giersch. Am 20. Januar hatte er sich noch im Urlaub am friedlichen Fuß-ballkampf der Regimentsmannschaft gegen die 1. Mannschaft der Stuttgarter Kickers auf deren degerlocher Spielplatz mit Begeisterung und Jugendfrische beteiligt.
Dem unerschrockenen Leutnant d. R. Bruder, der schwer verwundet lag, konnte der Regimentskommandeur im Vorbeigehen noch Trost spenden. Mannhaft ertrug er seine Todeswunde, der er kurze Zeit nachher erliegen mußte.
Beim Überschreiten des Höhenrückens zeigt sich die ganze gegen Prosnes und wei-terhin zur Maas sich dehnende Ebene in einem dichten Schleier von Nebel, Rauch und Gas gehüllt, schweres Feuer liegt auf dem Zwischengelände und der 1. französischen Stellung. Trotzdem erleiden die Bataillone beim Abstieg in die Ebene, wohin zunächst das II. Bataillon im Anschluß an Regt. 121 folgt, nur geringe Verluste. Dagegen wird das feindliche Artilleriefeuer den Begleitbatterien des Feldart.-Regt. 29 und der Infan-teriegeschützbatterie zum Verhängnis. Dicht hinter der Infanterie suchen sie über die zahllosen Gräben und Trichter, über Kalkgeröll, Drahtgewirr und Trümmer von Unter-standsbauten dem Angriff zu folgen, unermüdlich greifen Pioniere und Grenadiere hel-fend in die Speichen der Geschütze und Protzen, aber nur Schritt für Schritt geht es vorwärts und bald fordern die schweren französischen Brisanzgranaten ihre Opfer unter der Bedienung und Bespannung.
Allmählich zerstreut die schon in den Morgenstunden heiß brennende Sonne die Nebel-schwaden und ermöglicht vom Hochberg aus, wo Regiments- und Brigadegefechtsstand sich befinden, einen – wenn auch durch das Grabengewirr und hügelige Trichterfeld beeinträchtigten – Überblick über den Stand des Kampfes. Der Brigadestab hatte, kaum auf dem Hochberg angelangt, durch einen Volltreffer schwere Verluste. Der Regiments-stab entging nur wie durch ein Wunder dem gleichen Schicksal. Die Regimenter vor-derer Linie hatten, dicht hinter der vorwärtsschreitenden Feuerwalze in Rauch und Qualm vordringend, den 1. französischen Graben überschritten. Er war leer, wohl schon vor oder gleich zu Beginn unseres Feuers geräumt, kein Toter, keine Waffe war darin zu finden. Auch der 2. Graben war von den Sturmwellen ohne Widerstand überschritten worden, aber dahinter saß der Franzose in zahlreichen Maschinengewehrnestern, um die alsbald ein wütender Kampf entbrannt war. In stundenlangem heißem und aufreibendem Ringen, Schritt für Schritt den zäh verteidigten Boden erkämpfend, hatten die Sturm-regimenter den Angriff hier vorwärts getragen und standen nun in der Gegend der Rö-merstraße, wo der Kampf teils noch in langsamem Fortschreiten war, teils in heftigem Infanteriefeuergefecht zum Stehen zu kommen drohte. Dicht hinter Regt. 121, zum Ein-greifen bereit, stand das II./119; es hatte, über Wald Beilpicke vorgehend, gegen 9 Uhr vormittags die Gräben westlich Wichmann-Wäldchen erreicht. Das I. war dem II. Bataillon gefolgt und bis in die Gegend des Wichmann-Wäldchens vorgerückt, das III. auf Befehl der Division zunächst am Hochberg verblieben. Hier sah man bald in den zusammengeschossenen Gräben blaugraue Schlangen die Höhe sich heraufwinden, ge-fangene Franzosen, große, kräftige Gestalten, ausgezeichnet genährt und gekleidet, von selbstbewußter Haltung. Was sie auf Befragen erzählten, eröffnete für den Fortgang des Angriffs wenig günstige Aussichten: seit Tagen war ihnen die Stunde des Angriffs be-kannt gewesen, die vordersten Gräben waren geräumt, die Artillerie weit zurückgezo-gen, das Sperrfeuer weittragender Batterien in neuen Stellungen übertragen worden, die vom deutschen Wirkungsschießen überhaupt nicht gefaßt werden konnten. Trotzdem war es gelungen, den Angriff im Divisionsabschnitt auf beinahe 5 Kilometer vorzutra-gen. Bei der rechten Nachbardivision war er vor der 2. Stellung ins Stocken geraten, so daß die vorderen Teile der 26. Division im Kampf um die Römerstraßen-Stellung schwer unter flankierendem Feuer von rechts zu leiden hatten. Mehrfache Versuche der 3. G.-Inf.,-Division, auf die Höhe der von den Regimentern 121 und 125 erreichten Linie vorzustoßen, scheiterten im feindlichen Feuer.
Eine vom Regimentskommandeur zur Verbindung mit der rechten Nachbarbrigade ent-sandte Patrouille meldete 5.20 nachmittags: „Rechtes Regiment der 3. G.-Inf.-Division liegt mit seinen vordersten Teilen an der Römerstraße, linker Flügel stark zurückgebo-gen; dieser (Lehr.-Inf.-Regt.) liegt dicht südlich Parallelwald, vor ihm halten sich die Franzosen in der Römerstraßenstellung (also in der Flanke von Inf.-Regt. 121).“
Zur Sicherung der offenen Flanke und zur Verbindung des rechten Flügels der Division mit dem Lehr-Infanterieregiment wurde nun vom Grenadierregiment „Königin Olga“ das halbe II. Bataillon (6. und 7. Kompagnie) und die 2. M.-G.-K. an der bedrohten Stelle eingesetzt.
Die 8. und 5./119 blieben am Wichmann-Wäldchen zur Verfügung des Regimentskom-mandeurs.
Oberst Frhr. v. Gemmingen hatte von 1.30 Uhr nachmittags den Regimentsgefechtsstand in der 2. französischen Stellung nördlich des Wäldchens Beilpicke, das, gänzlich zer-schossen, nicht mehr als Wald zu erkennen war, eingenommen.
Dem Inf.-Regt. 125 waren auf Befehl der Brigade 2 Kompagnien des I./119 (1. und 2.) zur Verfügung gestellt worden.
Von stundenlangem erbittertem Kampf in Sonnenglut, Qualm und Kreidestaub er-schöpft, lagen die Angreifer vor dem stark ausgebauten feindlichen Stellungssystem an der Römerstraße. Ein auf 7 Uhr abends befohlener neuer Angriff der 3. G.-Inf.-Division, 26. Inf.-Division und der links vorgehenden G.-E.-Division kam bei ungenügender Artillerievorbereitung und starker feindlicher Gegenwirkung nicht zur Entwicklung.
Nachdem Teile der Artillerie in der Nacht weiter vorgezogen worden waren, wurde am Vormittag des 16. Juli der Angriff auf Prosnes erneuert. Das II. Bataillon mit der 6. und 7. Kompagnie und 2. M.-G.-K. in vorderster Linie griff 11 Uhr vormittags zusammen mit dem I./121 und der rechts stehenden Garde an. Im heftigsten Artillerie- und Maschi-nengewehrfeuer stießen die Kompagnien bis fast an den Nordrand des Dorfes vor. Aber der Gegner stand hier in wohlvorbereiteten, planmäßig ausgebauten Stellungen unter dem Schutze seiner unversehrten mächtigen Artillerie, während die eigene Artillerie über das Trichtergelände nur zum kleinsten Teile hatte folgen können. Die Anschluß-truppen rechts stießen auf unüberwindlichen Widerstand und wie ein Keil ragte die 6. Kompagnie aus der allgemeinen Linie heraus, notdürftig durch die 7. Kompagnie gegen Flankenangriffe gesichert. Die Lage war auf die Dauer nicht haltbar und zur Vermei-dung weiterer Verluste wurden die beiden Kompagnien nachmittags wieder in die Römerstraßenstellung zurückgenommen.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Sonntag, 15. Juli 2018

15. Juli 1918








Im Felde, 15. Juli 1918


Geehrter Herr Schmid!

            Ich habe Ihnen leider die überaus traurige Nachricht zu geben, dass Ihr lieber Sohn
            Wilhelm heute morgen den Heldentod gefunden hat, nachdem er eben erst aus dem Urlaub zurückgekehrt war.
            Ein Stück einer in seiner unmittelbaren Nähe einschlagenden schweren Granate verwundete ihn an beiden Füßen, so schwer, daß er ohne einen Laut über Schmerzen + seiner Lebensgefahr nicht bewusst, alsbald sanft entschlummerte. Auf dem Regimentsfriedhof in C … wird er seine ewige Ruhe finden.
            Lieber Herr Schmid, wenn ich Ihnen sage, daß durch diesen Verlust die Kompagnie eine Lücke bekommt, so möchte ich mich persönlich dessen auch nicht verschließen, daß ebenso ich einen trefflichen Kameraden, einen äußerst zuverlässigen + schneidigen Soldaten in ihm gehabt habe; Ihr Wilhelm war beliebt bei Allen, wer ihn kannte, freute sich an ihm.
            Aus diesem Gunde ist er uns unersetzlich, das Andenken an diesen guten Kameraden wird immer bestehen bleiben.
            Der Nachlass wird Ihnen nächster Tage zugehen.
            Helfe Ihnen + Ihrer Familie der allmächtige Gott, diesen Verlust zu ertragen.
            Ich begrüße Sie bestens

Ltn. Zitzer.





18. 7. 18

Sehr geehrter Herr Schmid!

              Von meinem Komp. Führer Herrn Leutnant Zitzer wird Ihnen bereits die tieftraurige Mitteilung zugegangen sein, daß Ihr lieber Sohn Gefreiter Wilhelm Schmid am 15. 7. 18 Vorm. den Heldentot für das geliebte Vaterland erlitt. Auch ich, in meiner Eigenschaft als Kompagnie Feldwebel möchte es nicht versäumen Ihnen, sehr geehrter Herr Schmid anläßlich des Ihnen und Ihrer werten Familie widerfahrenen herben Verlustes mein aufrichtiges Beileid auszudrücken. Die ganze Komp. trauert für den in so jungen Jahren Dahingegangenen, um einen lieben unvergeßlichen Kameraden, der stets ein Vorbild war für die Übrigen mit seinem unerschrockenen Mute, seiner ausdauernden Arbeitsfreudigkeit und nicht zuletzt in wirklich ehrlicher Kameradschaft. Ganz besonders mir war Ihr lieber Wilhelm ans Herz gewachsen, nachdem er, wie Ihnen bekannt sein dürfte, mehrere Monate den Dienst als Komp. Radfahrer zu meiner vollsten Zufriedenheit versah. Erst vor Kurzem wurde er vom Herrn Komp. Führer von diesem anstrengenden Posten enthoben, um ihm, bei seiner Tüchtigkeit die wohlverdiente Anerkennung, einer Beförderung nicht vorenthalten zu müssen. So wurde er am 3. 6. 18 vom Gemeinen sogleich zum planmäßigen Gefreiten, unter Überspringung des überzähligen Gefreiten ernannt. Er war zur Beförderung zum Unteroffizier in nächster Zeit in Aussicht genommen. Nun ist er leider dem Kriege zum Opfer gefallen.
              Gestern am 17. 7. Nachm. 5.oo betteten wir ihn zur letzten Ruhe im Soldatenfriedhof zu Carnoy bei Albert. 4 Unteroffiziere 13 Mann der Kompagnie gaben dem Dahingeschiedenen unter meiner Führung das letzte Geleite. Den Offizieren der Komp. war leider nicht möglich von der Stellung abzukommen. Nach der kirchlichen Einsegnung u. den Trostworten des Divisions-Geistlichen nahm Herr Oberst u. Brigadekommandeur Reinhardt, unser früherer Regimentskdr. das Wort und widmete den dahingegangenen lieben Kameraden in markanten Worten einen ehrenvollen Nachruf. Nachdem eine Regimentsmusik zum Abschied „Ich hat einen Kameraden“ spielte, war die erhebende Trauerfeier beendet.
              Der Friedhof wird von einem besonderen Kommando unserer Division ständig in Ordnung gehalten. – Die Nachlaßsachen Ihres Sohnes gehen heute per Post an Sie ab und dürften Sie in absehbarer Zeit in deren Besitz kommen. Das durch einen Urlauber an Ihren Sohn gesandte Packet erreichte ihn leider nicht mehr. Ich öffnete es daher und sende Ihnen die Zahnbürste mit Paste mit seinen übrigen Sachen zurück. Das Brot würde auf dem weiten Rücktransport wohl verderben und entnahm ich es daher, um es anderweitig zu verwenden. Beiliegend eine kleine Entschuldigung hierfür. Seine Uhr mit Geldbörse werden Sie auf dem Dienstwege in einiger Zeit empfangen.
              Ich wiederhole nochmals die Versicherung meines tiefsten Beileides und grüße Sie

              hochachtungsvoll
Bachschmid
Offz. Stellv.




Samstag, 14. Juli 2018

14. Juli 1918



„Der 14. Juli war ein wunderschöner Sommersonntag. Unter lachendem Himmel wurde in Frankreich das Nationalfest gefeiert. Der Pariser Burgeois konnte sich der Festes-freude in ungestörter Begeisterung hingeben, nicht so der Franzmann an der Front, denn dem ließen wir keine Ruhe. „Wir müssen jeden Augenblick auf einen Angriff gefaßt sein,“ sagte der französische General Gourand in einem Befehl vom 7. Juli an die Soldaten seiner Armee.
Nach 8 Uhr vormittags teilte sich der Nebel, wir konnten nun mit bewaffnetem und unbewaffnetem Auge Um- und Ausschau halten. Das ist also der berühmte Hochberg, links davor die zerklüftete Bärenburg und dort noch weiter links der Keilbreg. Rechts begrenzt der Luginsland die Fernsicht. Kahl und staubig, von ungezählten Granaten durchsiebt, erheben sich diese im April 1917 in Feindeshand gefallenen Bergkuppen als stumme Zeugen opfervoller Kämpfe; vor Jahresfrist ist hier noch viel deutsches Blut geflossen, mit Ehrfurcht gedenken wir der gefallenen Helden. Es sind starke beherrsch-ende Höhen diese Kreidefelsen, sie bilden mit den dahinter liegenden Stellungen eine gute Wehr, dessen ist sich auch der Franzose wohl bewußt. „Ihr habt alle das Gefühl,“ sagt General Gourand in seinem Befehl vom 7. Juli weiter, „daß niemals eine Abwehr-schlacht unter günstigeren Bedingungen angenommen wurde. Ihr kämpft auf einem Gelände, das eure zähe Arbeit in eine furchtbare Festung verwandelt hat, die unbe-zwingbar bleibt, wenn alle Zugänge in guter Hut sind.“
Auf den heißen 14. Juli folgte eine gewitterschwere, stürmische Nacht. Lautlos setzten sich die Bataillone gegen 11 Uhr abends in Bewegung und erreichten nach und nach die vor dem Sturm einzunehmenden Stellungen, das II. Bataillon (Hauptmann Ackermann) gewinnt Anschluß an das Regiment 121 rechts (das Schulter an Schulter mit der 3. Garde-Division zu kämpfen hat), während das III. Bataillon (Hauptmann Hug) links die Fühlung mit dem 6. Garde-Res.-Regiment (Garde Ers.-Division) herstellt. Das I. Bataillon (Hauptmann Kopp) rückt hinter das III. Bataillon. Mühsam arbeiten sich die jedem der beiden Sturmbataillone zugeteilten zwei Begleitgeschütze, von Pionieren unterstützt, durch das Trichterfeld, ebenso mühsam die Minenwerfer, deren kleine Räder unter der schweren Last tief einsinken. Mit Riemen werden die Werfer vorgeschleift, viel Munition kann für sie nicht mitgeführt werden, es ist so wenig, daß sich die Mühe, die der Einsatz dieser Werfer erfordert, kaum lohnt. Vorsichtig, aber eifrig gehen ge-wandte Hände daran, Sturmgassen ins eigene Drahthindernis zu schneiden.
Das feindliche Streufeuer fordert einige Opfer, die Verluste sind aber erträglich, merk-würdig, der feindliche Artillerieabschuß klingt schon seit dem 14. Juli entfernter, als an den Tagen zuvor. Das gibt zu denken.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–
1918“ׅ, Stuttgart 1923

Freitag, 13. Juli 2018

13. Juli 1918







„Da – gegen 4 Uhr morgens ein ohrenbetäubender Knall, kurz darauf ein zweiter. Was war das? Aus dem Schlafe geschreckt, lag man mitten im Feuer. Rings herum brannte es, die Baracken waren verschwunden. Verzweifelte Hilferufe unter brennenden Trüm-mern. „Da drunten liegt unser Hauptmann, rettet ihn,“ gellte es durch die Nacht. Da-zwischen wimmerten Verwundete. Pferde rasten über den Brandplatz. Leute rannten halbnackt nach allen Seiten auseinander.
„Das Lager wird beschossen!“ schrie irgend einer. Im selben Augenblick zwei zuckende Blitze, ein infernalisches Heulen, zwei donnernde Einschläge. Das Lager lag unter dem Feuer schwerer Artillerie – die Folge des feindlichen Fliegerbesuches gestern morgen. Es war ein Bild des Schreckens. Nur in Hemd und Unterhose rannte jeder um sein Leben. Immer wieder sausten ein paar schwere Geschosse auf unser Lager nieder. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatten die ersten Granaten eingeschlagen und furchtbar getroffen. Eines der hochbrisanten Geschosse hatte als Volltreffer in eine Mannschafts-baracke, das andere mitten in die Offiziersbaracke getroffen und beide in Atome zer-rissen. In wenigen Minuten war das Lager verlassen. Haushoch loderten die Flammen. Gierig fraß das Feuer alles bis zum letzten Rest. Dazwischen knallte die zurückge-bliebene Munition wie ein Feuerwerk. Unablässig heulten neue Granaten heran. Erst als es hell wurde, stellte die feindliche Batterie ihr Feuer ein. Langsam und vorsichtig näherte man sich der Stätte der Verwüstung. Ein schauerlicher Anblick bot sich da. Voll-kommen verkohlt, Arme und Beine verkrampft nach oben gerichtet, lagen die Leichen der gefallenen Kameraden inmitten der niedergebrannten Baracken. Nicht weniger als 19 Tote, darunter Hauptmann Junge, Leutnant Büttler und Hügel, sowie 55 Verwundete hatte die nächtliche Beschießung gekostet. Fast das gesamte Gepäck, der größte Teil der Ausrüstung und Bekleidung, sowie einige Pferde und Fahrzeuge waren den Flammen zum Opfer gefallen. Erschütternd war der Eindruck dieser Katastrophe für alle, die sie miterlebt.“

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Donnerstag, 12. Juli 2018

12. Juli 1918



„Der Munitionsbestand war 1400 Brisanz-, 1100 Blaukreuz- und 300 Gelbkreuzgrana-ten. Mißlich, daß die Munition fast ohne Deckung gegen Beschuß dalag. Denn der Geising war neuerdings das Ziel zunehmender Feuerüberfälle des nervös (oder wis-send?) gewordenen Gegners. Beinahe auf jeden Schuß von drüben aber flog hüben Munition hoch. Die Höhe war ja seit zwei Tagen derart mit Artillerie bestückt, daß dies gar nicht anders sein konnte. Dabei war der fallende Hang, auf dem wir standen, bei Tag und Nacht mindestens einigermaßen einzusehen.“


aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Mittwoch, 11. Juli 2018

11. Juli 1918



„Am 21. Juni kam das ganze R. 120 in eine Stellung an den Feind, bei Vignemont, auf den rechten Flügel der Division. Deutsche und Franzosen arbeiteten hier eifrig an ihren recht mangelhaften Schützengräben. Posten- und Patrouillenschießereien waren an der Tagesordnung, auch gab die feindliche Artillerie viel Streufeuer ab. Infolge dieser Verhältnisse stieg der tägliche Verlust auf durchschnittlich 5 Mann. das schon erwähnte 5 Tage-Fieber nahm überdies zu. Größere Unternehmungen aber fanden in der ganzen Zeit von fast 3 Wochen, bis zum 9. Juli, nicht statt.
An diesem Tag jedoch, 4.15 vrm., setzte schlagartig feindliches Trommelfeuer ein in breiter Front. Der Feind griff alsdann mit Tanks und nachfolgender Infanterie die rechte Nebendivision an. Das Ruhebataillon des R. 120 wurde marschbereit gemacht, kam aber nicht zur Verwendung. Irgend ein Angriff gegen das Regiment selbst erfolgte nicht.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Dienstag, 10. Juli 2018

10. Juli 1918



„Der Anmarsch ist noch schlimmer als früher. Erleichtert atmen wir jedesmal auf, wenn wir unsere Kompagnien glücklich durch den Ancregrund gebracht haben. Der Weg nach vorn führt immer noch über das freie Feld, er ist vom Gegner ganz und gar eingesehen. Der Engländer legt schon auf einzelne Leute, die sich bei Tage im Gelände zeigen, Artilleriefeuer aller Art, vor allem die in ihrer tatsächlichen wie auch in ihrer morali-schen Wirkung furchtbaren Brisanzgranaten. Eine Ablösung bei Tage ist deshalb voll-ständig ausgeschlossen, und bei Nacht? Auch da hat es der Tommy sehr leicht. Wir haben ja nur eine Möglichkeit, den Weg von und zur Stellung zu machen, und das ist eine schmale Holzbrücke über die Ancre und ein ebenfalls schmaler Pfad durch den versumpften Ancregrund. Diesen Anmarschweg hält der Engländer fast dauernd unter Feuer, das sich oft zum Trommelfeuer steigert. Er vergast ihn außerdem mit Gasgrana-ten.
Es gehört sehr viel Glück dazu, den günstigen Augenblick zu erwischen. Wie oft liegen wir oben auf der Höhe hinter der Ancre, bei der Kiesgrube, oder bei der Viviersmühle oder vorn am Bahndamm und warten, bis das Feuer etwas nachläßt. Gespannt lauscht das Ohr auf jedes Geräusch. Wenn man glaubt, sie geben etwas Ruhe, dann eilt man im Laufschritt weiter. Und wenn du dann mitten im Ancregrund bist, dann hörst du plötzlich links und rechts in dem Sumpf ein leises Fauchen wie von einem zum Sprung bereiten Tiger. Eine leichte Nebelwolke steigt da und da auf. Du mußt genau hinsehen, um sie in der Dunkelheit zu erkennen. Es ist Gas! Heraus mit der Gasmaske, willst du nicht, daß deine Lunge elend verbrennt. Und nun kannst du nicht mehr rennen, denn ruhig muß der Atem gehen, sonst bekommst du nicht genügend Luft; deine Leute können nicht mehr, wenn auch das niederträchtige Kichern des Sensenmannes bald näher, bald ferner das Ohr erschrecken läßt. Die Sorge um dein eigenes Leben tritt vollständig in den Hintergrund, nun du die Verantwortung für deine Kompagnie hast, für so viele brave Leute, für so viele Familienväter, die zu Hause Weib und Kinder haben. Endlich der Bahndamm, endlich bis Kiesgrube! Ein schwerer Stein fällt dir vom Herzen, erleichtert atmest du auf. Nun erst mal kurz verschnaufen, und dann weiter!
Wie ein gehetztes Wild sichern wir mit allen Sinnen. Niemand kann uns sagen, wann die englischen Artilleristen eine Pause machen, wann wir’s wagen können. Wir müssen uns auf unser Fingerspitzengefühl und auf gut Glück verlassen. Es ist ganz eigenartig, welche Sicherheit wir dabei bekommen, es offenbaren sich in uns und um uns geheime Kräfte.
Auf einmal glaubst du eine innere Stimme zu hören: „Da mußt du weggehen; mach‘ daß du weiterkommst, sonst fällst du dem Tod zum Opfer“. Es ist nicht das erste Mal, daß du plötzlich diese Eingebung spürst. Wiederholt schon hast du dieser geheimnisvollen Stimme nachgegeben und hast dann kurz darauf feststellen müssen, daß sie recht hatte, daß sie dir dein Leben gerettet hat, daß du, hättest du ihr nicht gefolgt, längst in Atome zerrissen wärst.
Du stehst an der Kiesgrube, drunten im Ancregrund krachen ekelhafte Brisanzgranaten, zischen die widerlichen Gasgranaten. Du zögerst, in den Grund zu steigen. Plötzlich hörst du dieses zarte Stimmchen, du gibst deiner Kompagnie Befehl zum Weitermarsch. Verwundert sehen dich deine Leute an: „Herr Leutnant, hören sie nicht das Krachen da unten? Wir gehen ja sehenden Auges dem Tode entgegen!“ Du läßt dich nicht beirren: „Ohne Tritt, Marsch!“ Sie haben gehorchen gelernt, sie folgen dir, bestimmt aber nicht sehr gerne. Unten kracht es immer noch, du kommst dem Winseln der Granaten, dem Brodeln des Gases immer näher. „Herr Leutnant ….!“ Da läßt der Lärm auf einmal nach, höchstens noch einige Gasgranaten bohren sich in die Wiesen. Und wenn du dann vorne bist, wenn du deine Kompagnie in Stellung gebracht hast, wenn du dich überzeugt hast, daß deine Posten richtig aufgestellt sind und daß sie gut aufpassen, dann lehnst du dich an die Grabenwand, dein Blick verliert sich im am prächtigen Sternenhimmel.“

aus: „Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“, Stuttgart 1932

Montag, 9. Juli 2018

9. Juli 1918



„Am 6. 7. wurde das ganze Regiment im badischen Lager bei Hauteregniville vereinigt.
Schlechte Wasserverhältnisse nachten weite Wege zum Tränken nötig. Die Verpflegung litt an Eintönigkeit. Pferdefleisch war sehr beliebt.
Doch das wurde alles in Kauf genommen, im Gedanken, daß es wieder vorwärtsgehen solle.
Die nächsten Tage waren den eingehenden Vorbereitungen für den Angriff gewidmet. Die Berechnungen für die Feuerwalze wurden wieder und wieder gepr0ft. Das Gelände, so gut es ging, erkundet.
Starke Kommandos mußten zur Munitionierung gestellt werden. Harte Tage für die Be-teiligten. Manch Donnerwetter war notwendig, um Ordnung in die Massen der Kolon-nen zu bringen.
Die Batterien der II. und III. Abteilung gingen in der Nacht vom 8./9. 7. in Stellung. Leider erlitt die 5. Batterie dabei erhebliche Verluste.“

aus: „Das 2. württ. Feldartillerie.-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921