Donnerstag, 30. Juni 2016

30. Juni 1916


„Um Mitternacht wurde vor K 4 eine feindliche Patrouille, gegen unsere Stellung vor-gehend, beobachtet. Eigene Späher waren am Feinde. Die Nacht verlief unheimlich ruhig.
Von 2 Uhr nachts ab war für den ganzen linken Unterabschnitt Alarmbereitschaft befohlen. Man war auf alles gefaßt. Es wurde fleißig geschanzt. Man konnte mit Ruhe dem Morgen entgegengehen. „Bereit sein ist alles!“
Major v. Zeppelin führte für den beurlaubten Regimentskommandeur das Regiment, Hauptmann d. L. Wintterlin das I. Bataillon, Rittmeister Frhr. v. Lindenfels war Kom-mandeur des III. Bataillons.
Die Besetzung des bedrohten Abschnitts war folgende: am linken Flügel, im Anschluß an das Regiment 246, war die 8. Kompagnie unter Leutnant Kugel anstelle der 12. Kompagnie in der Nacht im Abschnitt K 5 eingesetzt worden. Daran anschließend hatte die 10. Kompagnie unter Leutnant Grünewald K 4 besetzt. Im Rupprechtsgraben lag die 11. unter Leutnant Böhner, im Stützpunkt C die 9. Kompagnie unter Leutnant Bommas. K 3 bildete den linken Flügel des rechten Unterabschnitts. Hier lag die 4. Kompagnie unter Hauptmann Suttner.
Plötzlich 3.45 Uhr morgens, setzt auf einen Schlag heftiges feindliches Artillerie- und Minenfeuer auf unsere Gräben von K 3 bis K 5, auf die Zugangswege, Rupprechts-graben und Stützpunkt C ein. Es ist noch dunkel. Sofort wird die ganze Besatzung alarmiert, durch rote Leuchtkugeln das Sperrfeuer unserer Artillerie ausgelöst. Bald rollen und sausen unsere Geschosse über die eigenen Gräben hinweg und platzen krachend vor der Front.
Regiment und Brigade werden durch Fernsprechmeldung in Kenntnis gesetzt. Auch dort hinten ist alles auf dem Posten. Der ganze Regimentsabschnitt wird alarmiert. Denn es ist kein Zweifel, es kommt ein Angriff, zum mindesten eine größere Unternehmung.
Die artilleristische Vorbereitung ist in vollem Gang.
Gleichzeitig mit dem feindlichen Feuer gegen unseren Regimentsabschnitt wurden in der üblichen Weise auch andere Teile der Front beschossen. Meldungen kamen über schweres Feuer auf Abschnitt A – rechter Flügel der Armeekorps-Front – und auf den Abschnitt der 6. Bayer. Res.-Division rechts davon; ferner wurde schweres Feuer mit Gasgeruch von unserem linken Nachbarabschnitt – Regiment 246 – gemeldet. Also an verschiedenen Stellen der Front hatte der Engländer mit seinem Feuer angepackt. Wo wird er nun angreifen? Bei uns! An der scharfen Ecke in K 5 bei der „Sappe“, von den Engländern „ducksbeak“, d. h. „Entenschnabel“, genannt, war der geeignetste und darum wahrscheinlichste Punkt.
Es werden sofort die für die Abwehr eines Angriffs erforderlichen Anordnungen getroffen. Das Regiment ist bereit.
Die Verteilung der nicht unmittelbar angegriffenen Kompagnien ist folgende: Im Abschnitt K 1 die 1. Kompagnie, in K 2 die 2., im Deckungswall die 3. Kompagnie.
Die 5. Kompagnie, Regimentsreserve in Gravelin, wird nach Halpegarbe, später nach dem Deckungswall vorgezogen. Die Infanteriepioniere, ebenfalls Regimentsreserve, werden dem III. Bataillon unterstellt.
Die Brigadereserve, 6. und 7. Kompagnie, wird nach Gravelin vorgezogen, ebenso die dazu gehörige 2. M.-G.-Kompagnie.
Währenddessen wird das feindliche Feuer auf K 4 und K 5 immer stärker und steigert sich zum Trommelfeuer. Die anderen Stellungsteile erhalten nur Abriegelungs- oder Ablenkungsfeuer, K 3 wird mit Brandminen, die 15 Minuten lang weiterbrennen, beschossen; auf Rupprechtsgraben und Stützpunkt C liegt schweres Feuer.
Es ist kein Zweifel mehr, der Angriff kommt gegen uns.
Gleich bei Beginn des feindlichen Artillerie- und Minenfeuers auf K 4 und K 5 setzen die auf erhöhten Punkten aufgestellten Maschinengewehre im rückwärtigen Gelände mit überhöhendem Feuer ein und verstärken so über unsere vorderen Gräben hinweg das Sperrfeuer unserer Artillerie. Dieses Schießen hatte jedenfalls die gute Wirkung, daß sich unsere Leute im vordersten Graben darüber freuten, und sie konnten wahrlich die Herzensstärkung brauchen.
Kurz vor 4 Uhr bemerkt der Schütze Notter der 1. M.-G.-Kompagnie bei M.-G. 6, wie einzelne Engländer gegenüber K 4 aus ihrem Graben heraussteigen. Schon vorher hatten scharfe 248er Augen beobachtet, wie einzelne Tommies an unsere Drahthindernisse heranschlichen und sie mit Drahtscheren durchschnitten.
Jeden Augenblick können sie kommen. Das sind Minuten höchster Spannung!!
Das feindliche Feuer wird vorverlegt! Dunkle Gestalten übersteigen die Brustwehr des englischen vordersten Grabens und zeigen sich nun in voller Größe. Das M.-G. 6 feuert und setzt ihrem weiteren Vorgehen ein Ziel. Ein Teil der Stürmenden fällt in den eigenen Graben zurück, zahlreiche bleiben vor ihrem Graben oder in ihrem Hindernis liegen, nur wenige kommen vorwärts und auch diese werden von unserem Hindernis erledigt oder laufen zurück.
„Sechsmal machte der Gegner den Versuch, dem M.-G. gegenüber aus seinem Graben hervorzubrechen, jedesmal aber brach er in unserem vernichtenden M.-G.-Feuer glatt zusammen“, so berichtet Vizefeldwebel Spahr.
Auf dem linken Flügel von K 4 bei M.-G. 7 lag Leutnant Kochendörffer mit seinen Leuten. Auch hier sah man gegen 4 Uhr, wie einzelne Engländer an unseren Graben heranschlichen. Sofort wurden Handgranaten geworfen und das Gewehrfeuer eröffnet. Rechts und links von M.-G. 7 greifen die Engländer als zweite Welle ihres Angriffs in dichten Reihen und in Gruppenkolonne an. Hier kommen sie vorwärts. Dem M.-G. 7 gelingt es zwar, die Feinde, die bereits dicht vor demselben sind, außer Gefecht zu setzen, doch weiter links dringen Einzelne in unsern Graben ein. Es kamen drei bis vier Linien hintereinander, mit kleineren Gruppen dazwischen, sprungweise heran. Die tapferen Schützen der 10. Kompagnie unter Leutnant Kochendörffer, tatkräftig unter-stützt durch M.-G. 7 und durch flankierendes Feuer des M.-G. 6, wehren sich aufs hartnäckigste. Leutnant Kochendörffer fällt hierbei.
Als im Vorgelände bei M.-G. 6 keine kampfkräftigen Engländer mit dem M.-G. mehr zu fassen sind, greifen die M.-G. Schützen unter dem Gefreiten Abele und dem Schützen Notter zum Gewehr und zur Handgranate, um Seite an Seite mit den Infanterieschützen im Nahkampf den immer zahlreicher von links und bald auch von hinten heran-stürmenden Feinden erfolgreich entgegenzutreten. Die Mehrzahl der Gegner fällt im Nahkampf.
Die 8. Kompagnie hatte unter dem Feuer schwer gelitten. Dazu lag sie in einem Tags zuvor „Furchtbar zusammengeschossenen“ Abschnitt. Sie hatte einen schweren Stand.
An der Regimentsgrenze gegen Res.-Inf.-Regt 246, auf dem äußersten linken Flügel des Regiments 246, gelang es den Engländern, durchzustoßen. Frontal kamen in dem zerschossenen Grabengewirr und durch die Trümmer von Drahthindernissen und Gra-benteilen nur vereinzelte Feinde durch, die vom M.-G-Feuer nicht erfaßt wurden..
Als einige Leute der 8. Kompagnie auf dem äußersten linken Flügel des Regiments-abschnitts beobachteten, daß die Engländer rechts und links von ihnen durchzubrechen drohten, glaubten sie, nach dem rechten Flügel von 246 ausweichen zu können. Um durch die engen Gräben leichter durchzukommen, stellten sie ihre Gewehre weg und arbeiteten sich mühsam nach links durch die zerstörten Grabenreste. Dabei stießen sie auf schon durchgebrochene Engländer, denen sie sich, da sie waffenlos waren, ergaben. Sie wurden gefangen genommen, mußten ihr Lederzeug ablegen und wurden ohne Bewachung in die englischen Gräben hinübergeschickt. Die von dort vorgehenden hinteren Wellen der Engländer hielten sie im Morgendunst für anstürmende Deutsche und schossen auf sie. Es sollen hierbei einige Leute gefallen sein, zwei Mann wurden verwundet und später von ihren Kameraden in die eigene Stellung hereingeholt, vier fielen in englische Gefangenschaft. Sie mußten es büßen, daß sie, wenn auch nach berechtigter Überlegung, ihre Gewehre weggestellt hatten, anstatt sie mitzunehmen und gegebenenfalls im Nahkampf auf kurze Entfernung zu gebrauchen.
Es waren dies die einzigen Gefangenen, die das Regiment in diesem Gefecht, überhaupt in der Stellung vor Richebourg, verloren hat.
Nachdem alle Munition verschossen war, versuchte die Bedienungsmannschaft des M.-G. 6, ihr M.-G. zurückzuschaffen und zu retten, damit es nicht in Feindeshand falle. Unterwegs schlug ein Schrapnellvolltreffer mitten in die Bedienung, riß das M.-G. in zwei Teile und dem Träger, dem Schützen Grad, den Kopf weg. Tief ergriffen bringen die Kameraden die Reste ihrer stolzen Waffe, aus der ohne jede Hemmung 6500 Schuß verschossen worden waren, zurück.
Unterdessen war es bei M.-G. 7a blutiger zugegangen. Kaum waren einige Schuß daraus verfeuert, saß der Gegner schon im Rücken. Mutig wirft sich Unteroffizier Krug, der an diesem Tage Geburtstag hatte, mit Pistole und Handgranaten ihm entgegen – bald liegt er bleich und todwund am Boden. Sein tapferer Richtschütze wird durch einen Bauchschuß hingestreckt, die beiden anderen Schützen Schwegler und Weber wehren erfolgreich die Feinde ab, aber das Maschinengewehr selbst bleibt stumm. Es hatte eine Ladehemmung gehabt.
M.-G. 7 beteiligte sich, wie schon oben erwähnt, aufs wirkungsvollste am Kampfe. Hier war es der tapfere Unteroffizier Allmendinger, der mit seinem M.-G. reihenweise die feindlichen Schützen niedermähte. Bald aber machte sich auch hier der Druck des Gegners von K 5 her fühlbar und nötigte die Bedienung zum Nahkampf mit Gewehr, Pistole und Handgranate. Leider fanden dabei Schütze Idler und Nannega den Tod, Unteroffizier Allmendinger und sein Richtschütze, Gefreiter Ernst, wurden verwundet. 4500 Schuß hatte er mit seinem M.-G. abgegeben. Er wurde mit dem E. K. I ausge-zeichnet und als „Auszeichnung vor dem Feinde“ zum Vizefeldwebel befördert.
Für die 1. M.-G.-Kompagnie war der 30. Juni ein besonderer Ehrentag gewesen. Stolz konnte sie auf ihre Leistungen zurückschauen und dankbaren Herzens erkennen wir 248er auch heute noch, nach Jahren, an, was wir unseren Maschinengewehrlern an diesem Tage verdankten.
Als 3.45 Uhr morgens plötzlich das feindliche Feuer mit gewaltiger Wucht einsetzte, war die Besatzung von K 5 keinen Augenblick im Zweifel, daß ein Angriff gegen diesen Abschnitt bevorstand. Alle Vorbereitungen zur Abwehr wurden getroffen.
Leutnant Kugel führte die Kompagnie, die Leutnants Buck und Schulz, sowie der Offizierstellvertreter (Off.-Asp.) Reck führten die Züge.
Im roten Feuerschein der krepierenden Geschosse entdeckte der Landsturmmann Stöhr vom Zuge Reck eine feindliche Schützenlinie zwischen unserem und dem englischen vordersten Graben. Alles macht sich schußbereit. Im Morgengrauen – es war etwa ½5 Uhr –, tritt die Schützenlinie an, nachdem die feindliche Artillerie ihr Feuer vorverlegt hatte. „Schnellfeuer!“ ertönt das kurze Kommando. Nur wenige Engländer kamen bis an unser Drahthindernis. Die meisten ereilte ihr Schicksal. Was noch übrig war, flutete zurück. Die erste Welle war abgeschlagen.
Bald dringen weiter links durchgebrochene Engländer von halblinks rückwärts gegen die Besatzung vor. Schnell nehmen einige Leute in einem Stichgraben die Front gegen sie auf und zwingen den etwa 20 Mann starken Gegner durch Gewehrfeuer zum Zurückgehen.
Bei dem lebhaften Feuern wird die Munition immer knapper, zumal da die bereitgelegte Grabenmunition verschüttet ist. Die Leute benutzen daher eine kurze Kampfpause und suchen Patronen und Handgranaten in den zerschossenen Grabenteilen. Es wird 5.30 Uhr morgens. Alarm!! Eine weitere Welle verläßt den feindlichen Graben, gleich darauf noch eine. Inzwischen ist es heller Tag geworden. Man kann nunmehr sicherer zielen und besser treffen.
„Ruhig zielen!“ – „Munition sparen!“ rufen die Zugführer. Fast jeder wohlgezielte Schuß der tapferen Schützenschar sitzt. „Unsere Leute schreien vor Freude und Wut, wenn wieder einige purzeln,“ schreibt Offizierstellvertreter Reck in seinem Bericht.
Halbwegs zwischen den beiden Stellungen bricht der Angriff zusammen. Was nicht fällt, läuft zurück in den schützenden Graben.
Wiederum tritt eine Kampfpause ein. Die Hälfte der Leute beobachtet, die anderen suchen nach Patronen und Handgranaten, reinigen die Gewehre, verbinden Verwundete, legen die Toten zur Seite, alles arbeitet und ist beschäftigt, denn jeden Augenblick kann eine neue Welle kommen. Schon strecken sie drüben im englischen Graben vereinzelt die Köpfe über die Brustwehr. Da sausen auch schon ein paar Volltreffer unserer Artillerie mitten in sie hinein. Schnell sind sie verschwunden. Die Munition wird immer knapper, die 8. Kompagnie ist ohne Verbindung mit den Nachbarn und nach rückwärts.
Leutnant Schulz schickt nun den Offizierstellvertreter Reck nach rechts, um Verbindung mit K 4 und K 5 zu suchen und Unterstützung bzw. Munition zu holen. In K 4 trifft Reck etwas 10 bis 12 Mann der 8. Kompagnie ohne Führer, aber wacker auf ihrem verlorenen Posten aushaltend. Er geht mit seinem Begleiter, Musketier Kolb, nach rückwärts auf die Förderbahn, um rascher vorwärts zu kommen. Plötzlich werden sie lebhaft beschossen aus einem Wassergraben, in dem sich etwa 15 bis 20 Engländer vorgearbeitet hatten. Sie müssen umdrehen. Unter steter Gefahr, von den feindlichen Schützen oder von der eigenen Artillerie, die inzwischen nach K 5 und K 4 das Feuer aufgenommen hatte, getroffen zu werden, arbeiteten sie sich zu 246 durch. Es hatten sich ihnen noch einige Leute angeschlossen. Reck erstattet über 246 seine Meldung an das Regiment und das Bataillon, dann tritt er mit seinen Leuten den Rückweg nach K 5 an, nachdem sie sich Handgranaten und Gewehrmunition verschafft hatten. Mit 4 Mann arbeitete er sich  auf der Förderbahn zunächst nach K 3 durch und kam zur Kompagnie, als der Feind erledigt war.
Unterdessen hielt sich Leutnant Schulz, von allen Seiten bedroht und angegriffen, mit einer kleinen Schar Getreuer auf verlorenem Posten im Abschnitt K 5 aufs tapferste gegen wiederholte Versuche der Engländer, ihn auszuheben. Mit Gewehr, Pistole und Handgranate wehrte sich das Häuflein, ringsum von den Nachbarn abgeschlossen und vom Feinde eingeschlossen. Die kaltblütige Ruhe des Führers und seine fortgesetzten Ermahnungen zum Haushalten mit den Patronen und zum scharfen Zielen verhinderten, daß die spärliche Munition vorzeitig zu Ende ging. Heldenmütig hielten sie durch, bis Hilfe kam und der Feind vertrieben war. Leutnant Schulz wurde als Anerkennung für sein und seiner Leute Verhalten das E. K. I. Klasse verliehen. Die 8. Kompagnie hatte sehr schwere Verluste. Der Kompagnieführer, Leutnant d. R. Kugel, war als tapferer Held gefallen, mit ihm gar viele seiner treuen Mannen. Die Kompagnie wurde von mir dadurch geehrt, daß Leutnant d. R. Buck, der nach dem Heldentod des Kompagnie-führers die Kompagnie stellvertretungsweise geführt hatte, als Auszeichnung außer der Reihe mit der Kompagnieführerstelle beliehen wurde.
Die Front des Abschnitts K 4 und des rechten Flügels von K 5 stand fest. Hier kamen die Engländer nicht durch. Dagegen waren sie auf dem linken Flügel von K 5 und an der Regimentsgrenze gegen 246 in unsere Stellung eingedrungen und gingen auf der Förderbahn und entlang dem Wassergraben flankierend vor. Als der stellvertretende Führer der 10. Kompagnie, Leutnant Grünewald, dies beobachtete, befahl er dem Leutnant Kucher mit 3 Gruppen des rechten Flügelzuges in einer Flankenstellung senkrecht zur Förderbahn dem Feinde entgegenzutreten. Leutnant Kucher besetzte die Stellung und verhinderte hier ein weiteres Vordringen der Engländer.
Leutnant Grünewald, der sich Leutnant Kucher angeschlossen hatte, fand später hier den Heldentod. Sobald erkannt worden war, daß es sich nicht nur um eine kleinere Patrouillenunternehmung, sondern um eine größere Gefechtstätigkeit handelte, waren Verstärkungen nach vorn geeilt. Die 11. Kompagnie war schon um 5 Uhr auf die Nachricht. daß die Engländer in K 4 und K 5 eingedrungen seien, selbständig unter ihrem Führer, Leutnant Böhner, vom Rupprechtsgraben aus durch den Lipper-Weg nach K 3 gerückt und hatte den linken Flügel dieses Abschnitts besetzt. Leutnant Lang mit dem Handgranatentrupp wurde der 10. Kompagnie in K 4 zu Hilfe geschickt.
In K 3 hatte Hauptmann Suttner, Führer der 4. Kompagnie schon gleich bei Beginn des feindlichen Feuers, das sich bis in diesen Abschnitt ausdehnte, seine Kompagnie alarmiert. Leutnant Banz führte den linken Flügelzug. Es war noch dunkel. Um etwa vor dem eigenen Drahthindernis liegende Engländer erkennen zu können, wurden Leucht-kugeln abgeschossen, um sie zu vertreiben wurden Handgranaten geworfen. Leutnant Banz, auf dem Auftritt stehend, beobachtete währenddessen über Bank. Da kam ein Schrapnellvolltreffer und schleuderte ihn in den Graben hinab. Um sich zu erholen, ging er in seinen Unterstand zurück. Hierbei sah er auf der Förderbahn zwei Engländer daherkommen, gleich darauf noch mehr. Flugs flogen ihnen Handgranaten entgegen und taten ihre Wirkung. Durch einen Unteroffizier und zwei Mann ließ Leutnant Banz die Förderbahn absperren. Dann nahm er 8 beherzte Leute der 4. und 11. Kompagnie und arbeitete sich mit ihnen im „aufrollenden Handgranatenangriff“ nach links bis zu der Stelle vor, wo Leutnant Grünewald und Leutnant Kucher mit ihren Leuten im heftigen Abwehrkampf gegen die Engländer lagen. Dort beteiligte er sich mit seinen Leuten am Gefecht mit Gewehr und Handgranate.
Unterdessen war auch Leutnant Lang mit dem Handgranatentrupp der 11. Kompagnie zur Verstärkung der 10. Kompagnie angerückt. Während Leutnant Grünewald und Leutnant Kucher die Engländer festhielten, drückte Leutnant Lang mit seinem Trupp im Hauptkampfgraben vor bis in Höhe von M.-G. 6. Hier leisteten die Engländer heftigsten Widerstand, hier hatten sie auch ein M.-G. in Stellung gebracht und einen Stichgraben bis zur Förderbahn stark besetzt. Besonders hartnäckig verteidigten sie sich an einer Schulterwehr. Schließlich gelang es aber doch, sie zurückzudrängen. Leutnant Lang verlor dabei fast seinen ganzen Trupp. Vizefeldwebel (Off.-Asp.) Kobler und Unteroffizier Gschwend wurden durch englische Handgranaten schwer verwundet, ebenso wurden Vizefeldwebel Kurz (11.), 2 Mann der 11. Kompagnie (Oehl und Kick) und 2 Mann der 4. Kompagnie verwundet. Die Schulterwehr ging wieder verloren. So ging es zweimal hin und her. Mindestens 40 bis 50 Handgranaten waren geworfen worden. 5 tote Engländer lagen an dieser Stelle. Da Mangel an Handgranaten eintrat, mußte man sich auf die Verteidigung beschränken.
Auch Leutnant Banz hatte unter seinen Leuten Verluste, auch bei ihm gingen die Handgranaten zur Neige. Er eilte nach K 3 zurück, um bei Hauptmann Suttner einen weiteren Handgranatentrupp zu erbitten und Handgranaten zu holen. Hierbei wurde er wieder zweimal durch Volltreffer verschüttet. Trotzdem kehrte er mit Verstärkung zu Leutnant Kucher zurück. Mit Leuten verschiedener Kompagnien arbeitete er sich über M.-G. 6 hinaus, dauernd Handgranaten werfend, gegen die Engländer vor und drängte sie Schritt für Schritt zurück.
Während dieser Kämpfe rückten die Verstärkungen von rückwärts heran: die 5. Kompagnie besetzte den Rupprechtsgraben, die Infanteriepioniere den Deckungswall, die 6. und 7. Kompagnie wurden nach Halpegarbe vorgezogen, ebenso die 2. M.-G.-Kompagnie.
Die 9. Kompagnie im Stützpunkt C erhielt etwa um 6.45 Uhr morgens vom Bataillons-kommandeur den Befehl, am Betonweg entlang vorgehend, den in K 4 und K 5 eingedrungenen Feind wiede4r hinauszuwerfen. Hier lag aber schweres feindliches Abriegelungsfeuer, so daß ein Vorgehen unmöglich schien. Auf Befehl des Bataillons rückte sodann die Kompagnie durch den Mindener Weg nach vorn, um den Rupprechts-graben zu besetzen. 7.35 Uhr morgens war dieser besetzt. Später rückte die Kompagnie zur Verstärkung der 10. Kompagnie nach K 4 vor und beließ einen Zug als Sicherheits-besatzung im Rupprechtsgraben.
Teile der 3. Kompagnie waren um 7 Uhr mit Handgranaten und Munition zur Unter-stützung der 4. Kompagnie nach K 3 vorgeschickt worden, mit dem Bataillonsbefehl an die 4. Kompagnie, mit allen zu Gebote stehenden Kräften einen Gegenstoß gegen die in K 4 eingedrungenen Engländer zu führen. Diesem Befehl war die 4. Kompagnie durch Entsendung von Leutnant Banz schon zuvorgekommen.
Nach 7 Uhr traten zeitweise Kampfpausen ein. Die Engländer schienen sich in K 4 und K 5 festsetzen zu wollen, ja sie hatten schon mit einem Verbindungsgraben von ihrer Stellung nach der unsrigen begonnen. Die Kompagnien in K 4 und K 5 waren in die Verteidigung gedrängt, die Verstärkungen teilweise erst im Anrücken, die Handgrana-tenkämpfer ermüdet; es herrschte Munitionsmangel.
Die Nachrichten, die nach hinten zum Bataillon und Regiment kamen, widersprachen sich. Der Kommandeur des III. Bataillons gewann auf Grund der Meldungen und Beobachtungen die Überzeugung, daß K 5 und der linke Flügel von K 4 nur vom Feinde besetzt seien. Von den in K 5 eingeschlossenen Resten der 8. Kompagnie unter Leutnant Schulz wußte er nichts. Er bat die Artillerie, ihr Feuer auf K 4 und K 5 überzulenken, um den Feind mit beobachtetem Artilleriefeuer von dort zu vertreiben. Die brave 8. Kompagnie in K 5 kam dadurch in eine schwere Bedrängnis, ins eigene Artilleriefeuer, ohne die Möglichkeit des Ausweichens oder eines Schutzes, vom Feinde schwer bedroht.
Leutnant Banz wurde bei seinem Vordringen in K 4 durch das eigene Artilleriefeuer aufgehalten. Er hatte nur noch 3 Leute bei sich, die andern waren tot und verwundet. Er sah sich daher gezwungen, zurückzugehen und Verstärkung zu holen. Unterwegs beobachtete er, wie die Engländer in und vor ihrem vordersten Graben sich K 3 gegenüber sammelten und vermutete einen Angriff gegen K 3. Ein solcher erfolgte jedoch nicht. Immerhin machte er Hauptmann Suttner davon Meldung. Im Unterstand von Hauptmann Suttner traf er mit Leutnant Grießer, Joseph, zusammen. Dieser erhielt von Hauptmann Suttner den Befehl, an Stelle von Leutnant Banz den Handgranaten-kampf weiterzuführen, da dieser infolge Prellschusses und Verschüttung sehr erschöpft war. Mehrere Leute hatten sich freiwillig bereit erklärt, mit Leutnant Grießer zu gehen und Handgranaten mit vorzutragen. Es waren dies die Musketiere Maier, Baumeister und Nenninger der 4. Kompagnie, Gefreiter Sauter der 2. Kompagnie und Kriegsfrei-williger Stehle der 11. Kompagnie. Unterwegs trafen sie mit Leutnant Lang zusammen, der Leutnant Grießer zurief, er werde gleich nachkommen, sobald er sich etwas erholt habe, man dürfe keinen Schritt zurückweichen. Leutnant Lang war auf dem Weg zur 4. Kompagnie, um Unterstützung zu holen, denn von seinem Handgranatentrupp von 18 Mann waren nur noch 3 übrig.
Das Feuer unserer Artillerie auf die Abschnitte K 4 und K 5 machte es auch Leutnant Grießer unmöglich, vorwärts zu kommen. Er bat daher, daß das Feuer vorverlegt werde. Das geschah auch. Nun ging’s vorwärts. An einer Schulterwehr leistete ein Engländer Widerstand. Er wurde erledigt. Die ersten hundert Meter waren leicht zurückgelegt. Dann aber stieß Leutnant Grießer mit seinen Leuten auf heftigen Widerstand: aus einem Grabenstück, das die Engländer besetzt hatten, wurden sie mit Gewehrfeuer und mit Handgranaten empfangen. Es entspann sich der übliche Handgranatenkampf, bei dem etwa 50 Handgranaten geworfen wurden. Derselbe endigte mit einem vollen Erfolg. Die Engländer, etwa 40 Mann stark, verließen schließlich den Graben, Grabenstück um Grabenstück waren sie zurückgedrängt worden. In einem Unterstand wurden 3 gefangen genommen. Leutnant Grießer war etwa 150 m kämpfend vorwärts gekommen, als die Handgranaten zur Neige gingen. Er befahl dem Musketier Baumeister und zwei anderen Leuten, ein Vordringen der Engländer zu verhindern, und ging zur Kompagnie zurück, um Handgranaten und Verstärkung zu holen.
Inzwischen war Leutnant Lang, ziemlich erschöpft, bei der 4. Kompagnie eingetroffen und traf dort Leutnant Banz, zu dem er sagte: „Wir müssen unbedingt nochmals, vor sie sind noch nicht draußen.“ Nach kurzer Ruhepause rafften die beiden alle Hand-granatenkämpfer, die zur Verfügung waren, zusammen – es war soeben auch der Trupp der 3. Kompagnie eingetroffen – und gingen mit den Trupps der 4., 11. 3. und  10. Kompagnie wieder vor. Leutnant Grießer schloß sich ihnen an. Die Mannschaften wurden angewiesen, eine Kette zu bilden und dieser entlang von Mann zu Mann die Handgranaten zum Abziehen fertig weiterzureichen. Leutnant Kucher und Banz gingen, ununterbrochen Handgranaten werfend, gegen die Engländer im Graben vor und nahmen nach kurzer Zeit das von ihnen besetzte Grabenstück. Etwa 20 Engländer versuchten, den englischen Graben zu erreichen, sie wurden unterwegs abgeschossen. Ein anderer Teil wich nach rückwärts hinter unsere Gräben aus. Sie fielen oder wurden gefangen genommen.
Nun ging es ohne Widerstand vorwärts, bis der Anschluß an die 8. Kompagnie gewonnen war. Hier trafen sie auf Leutnant Schulz, als die Retter aus der Not freudigst begrüßt.
Leutnant Strodtbeck hatte vom Bataillon Befehl erhalten, mit Teilen der 3. und 9. Kompagnie und einem Teil der Infanteriepioniere nach K 5 zum Gegenstoß vorzugehen und die Engländer, die dort etwa noch saßen, hinauszuwerfen. Als er mit seinen Leuten ankam, fand er K 5 schon frei von Engländern. Er ließ seine Leute wieder abrücken, denn die 5. Kompagnie hatte schon die 8. Kompagnie abgelöst und K 5 besetzt. Auf dem Rückweg beobachtete er in einem Wassergraben noch einige Engländer. Er ging auf sie zu und rief sie an. Da sie nicht herauskamen, ging er näher auf sie zu. Leutnant Schumann und Leutnant Lang, sowie zwei Mann, die zufällig des Weges kamen, schlossen sich ihm an. Die Engländer legten auf sie an und drohten zu schießen, sahen aber bald die Aussichtslosigkeit ein. Als sie keine Rettung sahen, warf erst einer, dann alle andern, die Gewehre weg und hoben die Hände hoch. Ohne Kampf wurden sie gefangen genommen und abgeführt. Der Kampf war zu Ende.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Mittwoch, 29. Juni 2016

29. Juni 1916


„Abgesehen von einzelnen nächtlichen Patrouillenkämpfen und den gewohnten Beschießungen, die da und dort Zerstörung von Stellungsteilen und leider fast täglich blutige Verluste verursachten, verlief der Monat Juni im allgemeinen ruhig. Eine sogenannte „ruhige“ Stellung war die bei Richebourg allerdings nicht, vielmehr war dauernde, gespannte Aufmerksamkeit bei Tage und besonders bei Nacht geboten, aber auf einen ernstlichen, umfangreichen Angriff oder auch nur auf eine Unternehmung größeren Stils deutete nichts hin.
Da! Am 29. Juni – das Wetter war kühl, trüb, regnerisch – 12 Uhr mittags setzte schweres Minenfeuer auf K 5 ein, hauptsächlich auf die Drahthindernisse. Um 1 Uhr beginnt feindliches Artilleriefeuer, das sich mehr und mehr steigert. Augenscheinlich handelt es sich um ein feindliches Wirkungsschießen auf die Abschnitte K 3, K 4 und K 5, sowie auf Stützpunkt C. Von 3 Uhr ab tritt eine weitere Steigerung des feindlichen Artillerie- und Minenfeuers aller Kaliber ein. Um 4 und 5 Uhr je 15 Minuten Feuer-pause! Um 6 Uhr hört das Feuer ganz auf.
In K 5 lag die 12. Kompagnie unter Leutnant d. R. Stäbler. Als dieser erkannt hatte, daß es sich nicht um einen der gewohnten feindlichen Feuerüberfälle, sondern um ein planmäßiges  Wirkungsschießen handelte, ließ er, um bei Tage unnötige Verluste zu vermeiden, den größeren Teil seiner Kompagnie nach links zum Abschnitt des Nachbarregiments 246, die anderen nach rechts nach dem Abschnitt K 4 ausweichen. Wenn dann der Feind je den Abschnitt A 5 angriff, stand hier ja das durch einen Betonklotz geschützte M.-G. 8, bei dem sich noch ein Teil der 12. Kompagnie und Leutnant Stäbler selbst befanden. Hier wollte dieser das Ende des feindlichen Feuers abwarten. Als der Graben zerstört war und nur noch der betonierte M.-G.-Stand aus den Trümmern hervorragte, lenkte der Engländer sein Feuer auch auf diesen. Es traten Verluste ein: ein Mann wurde getötet, Leutnant Stäbler und einige Leute wurden verwundet. Leutnant Stäbler versuchte, nach K 4 zu gelangen, um sich verbinden zu lassen. Unterwegs stieß er im vorderen Graben auf einige Leute seiner Kompagnie, die ihn verbanden. Dort blieb er zunächst. In einer Feuerpause ging er wieder nach K 5 zurück und traf bei M.-G. 8 noch etwa 8 Mann in Unterständen. Bei diesen blieb er. Verteidigung und Abwehr war sehr erschwert, denn der Graben war großenteils zerstört, Handgranaten und Patronen waren verschüttet. Die einzige Rettung war das Maschi-nengewehr, wenn es gelang, es in Stellung zu bringen.
Zweimal war es von seinem Stande heruntergeschossen worden, ohne daß es kampf-unfähig geworden wäre, obgleich der Betonklotz durch Volltreffer schwer beschädigt worden war.
Die Gräben waren furchtbar zusammengeschossen. Leutnant Rentschler und Vizefeld-webel Kobler (Off.-Asp.), die mit ihren Leuten nach 246 ausgewichen waren, kamen zu Leutnant Stäbler, um zu berichten, daß sie mit 30 Mann den Verbindungsweg nach 246 halten. Sie erhielten den Befehl, dort zu bleiben. Leutnant Stäbler selbst sammelte die übrige Kompagnie in K 4. Als der Feind weder sein Feuer fortsetzte, noch sonst irgend etwas unternahm, besetzte die 12. Kompagnie mit etwa 60 – 70 Mann bei Einbruch der Dunkelheit wieder K 5.
Die Kompagnie, die schon 7 Tage in diesem anerkannt schwierigsten Abschnitt einge-setzt und dem schweren Feuer der letzten Tage ausgesetzt war, hatte an Gefechtskraft stark eingebüßt. Man mußte mit der Fortsetzung des Feuers und mit einem feindlichen Angriff am anderen Morgen rechnen. Da waren frische Kräfte nötig. Auf Antrag des Bataillonskommandeurs wurde daher vom Regiment befohlen, daß die 12. Kompagnie in der kommenden Nacht durch die 8. Kompagnie in K 5 abgelöst würde. 10.15 Uhr abends wurde der Befehl ausgegeben; gegen 1 Uhr morgens war die Ablösung voll-zogen.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Dienstag, 28. Juni 2016

28. Juni 1916


„Die Verbindungen zwischen Artillerie und Infanterie blieben trotz aller opfermutigen Tapferkeit seitens der in schwerstem Feuer arbeitenden Fernsprecher der Stäbe und Batterien dauernd zerschossen. Als Notbehelf zur Übermittlung wichtiger Meldungen nahm man Zuflucht zu Winkerverbindungen. Inzwischen trat zu der Vorbereitung des Angriffs durch die feindliche Artillerie und Minenwerfer von nun ab auch das Abblasen von Gas und Rauchwolken hinzu, um eigene Infanterie und Artillerie mürbe zu machen. Diese Gas- und Rauchwolken strömten auch einige Male über die Batteriestellungen hinaus, die rechtzeitig von den Beobachtungsstellen gewarnt worden waren. Auch mit Gasgeschossen aller Art wurden die Batterien des Regiments belegt, jedoch gewährten hier die zwar recht unangenehmen, aber doch zweckmäßigen Gasmasken völligen Schutz. Auch in den folgenden Junitagen und -nächten dasselbe grausige Lied. Den ganzen Tag, die ganze Nacht hindurch schwerstes Feuer auf den Batterien. Wenn die Sonne aufgeht, feindliche Flieger in Scharen, eigene nirgends zu sehen. So bis in den späten Abend. Nachts heulen dann die schweren Geschosse ins Hintergelände auf alle Anmarschwege! Die Stäbe, die Batterieführer in ständiger Anspannung der Nerven bei Tag und Nacht. Der feindliche Angriff wird nach aufgefangenen Funksprüchen des Gegners am 29. und 30. Juni erwartet, er bleibt aber aus. Von Tag zu Tag wird die Fliegerplage schrecklicher, unerträglicher, angesichts der völlig zahlenmäßigen Unterle-genheit der eigenen.
Schwere Verluste an Material und Menschen treten nun ein. Manch braver Kanonier, manch wackerer Fahrer lassen ihr Leben. Es war ein ungleicher Kampf. Hatte doch die 26. R.-D. einen Abschnitt von reichlich 8 km zu decken, während die fünf Untergruppen der Artillerie an schweren Geschützen anfänglich nur vier russische Ringkanonen und eine einzige schwere Feldhaubitzbatterie besaßen. So kam es auch, daß das englische Feuer, das in der Zeit vom 25. bis 30. Juni auf unsere Infanterie- und Artillerie-stellungen, ja überhaupt auf alle erreichbaren Ziele niedertrommelte, auf große Entfer-nungen mit einem bisher nie gekannten Munitionsaufwand, von der eigenen Artillerie kaum erwidert werden konnte.“


aus: „Das Württembergische Res.-Feld-Artillerie-Regiment Nr. 27 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1925

Montag, 27. Juni 2016

27. Juni 1916


„Der 27. Juni beginnt in der Nacht mit außerordentlich lebhafter Beschießung der rückwärtigen Verbindungen und Laufgräben. Insbesondere wurde Courcelette mit Gas-granaten beschossen, so daß es nicht möglich war, mit den Verpflegungsfahrzeugen bis Courcelette zu fahren. Der Verpflegungs-Nachschub stockte daher für einen halben Tag. Fast während des ganzen Tages beschoß der Gegner die Stellung des Regiments mit Trommelfeuer, verstärkt durch schweres Minenfeuer. Auch Gas blies er zu wiederholten Malen ab, 7.00 Uhr vormittags z. B. derartig stark, daß der ganze Abschnitt Ovillers-Süd in Gas eingehüllt war. Die Gasschutzmittel bewähren sich vortrefflich. Da in der vorderen Linie größere Verluste eingetreten waren, wurden die vorderen Kompagnien durch Teile der Reserve-Kompagnie aufgefüllt. Ein Zug der 8. Kompagnie (bisher in der Zwischenstellung) wurde in das Nordwerk, ein weiterer Zug in den Harrer-Graben verlegt. Der dritte Graben wurde stark besetzt.“


aus: „Das 10. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 180 in der Somme-Schlacht 1916“, Stuttgart 1917

Sonntag, 26. Juni 2016

26. Juni 1916


„Der 26. Juni fing besonders lebhaft an, denn um 1.15 Uhr nachts begann das Trommelfeuer gegen die Abschnitte P 5, P 6 und teilweise auch P 7; daran schloß sich eine englische Patrouillenunternehmung an und gegen 2 Uhr morgens hörte das feind-liche Artilleriefeuer ganz auf. Mit Einsetzen des Trommelfeuers hörte eine Patrouille der 9. Kompagnie, die seit Einbruch der Dunkelheit am feindlichen Drahthindernis gegenüber P 5 lag, laute englische Kommandos und sah eine feindliche Schützenlinie, 40 bis 50 Mann stark, aus dem englischen Graben steigen. Alsbald ging die Patrouille zurück und meldete dies dem Offizier vom Grabendienst, der sofort alarmierte. An unserem Drahthindernis angelangt, wurden die Engländer mit kräftigem Maschinen-gewehr- und Infanteriefeuer empfangen, während unser Artilleriesperrfeuer, herbeige-führt durch Abschuß roter Leuchtkugeln, sofort wirkungsvollst einsetzte. So zerschellte dieses Unternehmen an der Rührigkeit und Aufmerksamkeit unserer braven Truppe und der baldigsten Eröffnung des Abwehrfeuers.
Gefreiter Fetzer der 9. Kompagnie stand zu dieser Zeit auf Posten. Während der andere Mann des Doppelpostens die Besatzung alarmierte, wurde er plötzlich von den drei vordersten Engländern angegriffen, indem er mehrere Schläge auf den Kopf erhielt. Fetzer schoß nach dem ihm zunächst stehenden Engländer, der mit einem Schrei zusammensank. Die zwei anderen Engländer versuchten nun, Fetzer mit einer Mist-gabel, deren Zinken umgebogen waren, in die Höhe und aus dem Graben zu ziehen, da er sich aber kräftig zur Wehr setzte, so ließen ihn die Engländer fallen und verschwan-den in der Dunkelheit unter Mitnahme ihres verwundeten Kameraden.
Eine nach Aufhören des Artilleriefeuers ins Vorgelände abgeschickte Patrouille brachte folgende Beutestücke zurück: 2 Gewehre mit aufgepflanztem Seitengewehr. Bei einem derselben war am vorderen Laufende mittelst Gummibändern eine elektrische Hand-laterne in Röhrenform angebracht, deren vorderes Ende mit einer elektrischen Birne und Ovalglas abgeschlossen war. Mittelst einer Schnur konnte nun der Schütze im Anschlag den kleinen Scheinwerfer zur Tätigkeit bringen und dann den geblendeten Gegner mit Sicherheit abschießen. 5 Stahlhelme (darunter einer mit Offiziers- und einer mit Unter-offiziers-Abzeichen), 2 Drahtscheren, 2 Hämmer (eine Art von Totschläger), 3 Mist-gabeln mit umgebogenen Zinken, 2 Handgranaten, 1 Zeltbahn und 1 aus einem Stück Eisen roh hergestelltes dolchartiges, sehr spitzes Messer, das in einem ausgehöhlten Stück Holz als Scheide steckte. Letzteres erinnert lebhaft an die Expedition der briti-schen Nation gegen wilde Völker, obwohl sie dreist behaupten, für Menschlichkeit und wahre Kultur zu kämpfen.
Von 4 Uhr morgens setzte dann wieder heftiges Artillerie- und Minenfeuer ein gegen den Regimentsabschnitt, das in wechselnder Stärke den ganzen Tag über andauerte. Zu wiederholten Malen blies der Gegner Gas ab gegen unseren, sowie gegen die Neben-abschnitte, das aber teilweise in die feindlichen Stellungen zurückging. Um 11.00 Uhr vormittags erschienen auch starke Rauchwolken aus Krone-Nord und Krone-Süd. Zu ihrer Erzeugung scheinen sowohl ein Blasverfahren wie Nebelbomben verwendet worden zu sein. Die Rauchwolke zog gegen P 3 und P 4 und war so stark, daß die feindliche Linie dadurch der Sicht entzogen wurde.
Die Verluste, die bis jetzt ziemlich gering waren, vermehrten sich zusehends. Heutige Verluste: Leutnant d. R. Stöckle und Leutnant d. R. Ricker tot, Leutnant Münst schwer verwundet, 16 Mannschaften tot, 38 Mannschaften verwundet, 1 Mann vermißt.“


aus: „Das 10. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 180 in der Somme-Schlacht 1916“, Stuttgart 1917

Samstag, 25. Juni 2016

25. Juni 1916


„Im  Lauf des Juni hatten sich die Anzeichen so verdichtet, daß mit Bestimmtheit ein großer feindlicher Angriff erwartet werden mußte.
Am 24. Juni 1916, 5 Uhr vormittags, begann die Schlacht. Ein gewaltiges Artillerie-orchester spielte auf zum blutigen Völkerringen an der Somme. An das Ohr des ge-spannt lauschenden Verteidigers tönt ein Brüllen und Zischen, ein Heulen und Krachen, daß selbst die Erde bebt. Wohin das Auge blickt: Sprengwolken und Schrapnells, gewaltige Fontänen von Rauch und Staub. Und über die Erde schleicht giftgrüner Gas-hauch sengend und brennend. Es war, als schwänge der leibhaftige Teufel mit diabo-lischer Lust den Taktstock in diesem Höllenkonzert.
In die Drahthindernisse reißen Torpedominen meterbreite Gassen, wühlen hier einen Trichter, verschütten dort den Graben; Steinschlag und Eisensplitter schwirren durch die Luft; auf Schützen- und Laufgräben, auf Weg und Steg prasseln Schrapnellkugeln, jedwede Bewegung lähmend. In der Kirche von Miraumont reißt eine 24 cm-Granate das Dach vom Gestühl, Irles wird beschossen, in Pys fällt der schwarze Adler, das altrenommierte „Hardt“-Hotel, einer Granate zum Opfer. In der Nacht vom 24./25. erhellt ein gewaltiger Feuerstrahl den feindlichen Horizont, ein schweres Geschoß braust durch die Lüfte, zersplittert krachend in Bapaume, dem Sitz des Generalkom-mandos. Wo die Reichweite der Artillerie versagt, fallen die Bomben der Flieger auf Verkehr und Unterkunft; der Tod hält grausige Ernte; lodernde Flammen beleuchten das Elend der von Haus und Hof geflüchteten Bewohner der Kampfzone.
So rast das Feuer vom Morgen zum Abend, rast vom Abend zum Morgen des folgenden schönen Sommersonntags, rast in 40 km Breite von Gommécourt im Norden bis Chaulnes im Süden. Und der Verteidiger? In den mit schwäbischer Kraft und zähem Fleiß selbst geschaffenen unterirdischen Kasematten läßt die Infanterie ungefährdet den Feuerwirbel sich austoben. In diese Tiefen bis zu 10 m unter dem gewachsenen Boden, vermögen selbst die dicksten Kaliber nicht zu dringen. Mit Sicherheit und Ruhe, selbst mit Humor harren die bewährten Kämpfer der wohl nicht mehr fernen Stunde des Angriffs. Aber der Engländer greift eben nicht an; weiter speit er unentwegt aus all seinen Höllenmaschinen Tod und Vernichtung. Furchtlos und treu stehen die Leucht-kugelposten, rufen zum Alarm wenn Leuchtkugeln steigen, wenn Gas- und Nebel-wolken gegen den Graben branden. So zerrt der Angreifer an den Nerven der harten Verteidiger, die jede, auch die kleinste Feuerpause fieberhaft nützen, den Graben instand zu halten. – Sisyphusarbeit!
Doch in den Lüften tummeln sich Scharen von Fliegern. In ruhigem, sicherem Fluge, großen Geiern gleichend, schweben die Bombengeschwader ins Hintergelände; zischend saust ihr verderbenbringender Hagel in die Quartiere; über den Infanterie- und vor allem Artilleriestellungen kreisen die scharfäugigen Späher und lenken das Feuer ihrer Artillerie; im tiefsten Blau, dem Auge kaum wahrnehmbar, stoßen die englischen Flugfalken auf die an Zahl und Technik weit unterlegenen deutschen Flieger.
Schweres, wohlgezieltes Feuer liegt auf der Artillerie. Batterie um Batterie wird regelrecht bearbeitet. Schwere Granaten zerreißen den Boden unmittelbar vor und hinter den Geschützen, dazwischen fegen 12 cm mit scharfkantigen Splittern aus feinstem, silberhell glänzendem Stahl. Doch der Schaden ist gering, wenn auch jede einzelne Batterie mit hunderten von Geschossen bedacht wird. Da und dort ein Volltreffer, einzelne Geschützstände in der Beaucourt-Mulde und an der Mulin ruiné brennen aus. Im Stumpweg werden von der 4. und 5. Batterie Geschütze aus der Stellung auf den Weg geschleudert, aber die Unterstände halten stand, schützen Bedienung und Munition. Mitten im Eisenhagel wachen unerschüttert Beobachtungsoffiziere und Batterieposten, und so oft das Kommando ruft, tun die braven Kanoniere ihre Pflicht, trotz der Lücken, die der Tod in ihre Reihen reißt. Die rückwärtigen Verbindungen und Unterkünfte des Feindes, keck sich zeigende Engländertrupps werden mit Erfolg beschossen, wie auch unablässig zur Entlastung der Infanterie die lästigen Minenwerfer bekämpft und vielfach zum Schweigen gebracht werden.
Am Sonntag Nachmittag, den 25. Juni, zwischen 4 und 5 Uhr brausen in breiter Front englische Flieger gegen die deutsche Linie. Da – ein entsetzliches Schauspiel! Brennend stürzen im Norden und im Süden die deutschen Fesselballone ab. Auch der Ballon der Division, bemannt mit den Artilleriebeobachtern Leutnant d. R. Welte und Vizewacht-meister Auchter, fällt dem tückischen Phosphorsprühregen des feindlichen Fliegers zum Opfer. Beide Beobachter finden den Heldentod. Ein schwerer Schlag für die kämpfen-den Truppen, besonders aber für die Artillerie, deren Auge beinahe völlig geblendet ist. Der Fesselballon vernichtet, die eigenen Flieger in ihrer Unterlegenheit zur Ohnmacht verdammt, kämpften die deutschen Batterien wie mit einer Binde vor den Augen, während der luftüberlegene Gegner mit dem Habichtsblick seiner Flieger und Ballon-beobachter jede Falte durchforschte, auch die kleinsten Ziele erspähen und wirkungsvoll bekämpfen konnte. Die Luft war fast rein englisch. Ein für die Moral der Truppen geradezu unerträglicher Zustand.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 26 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

25. Juni 1916


„Im  Lauf des Juni hatten sich die Anzeichen so verdichtet, daß mit Bestimmtheit ein großer feindlicher Angriff erwartet werden mußte.
Am 24. Juni 1916, 5 Uhr vormittags, begann die Schlacht. Ein gewaltiges Artillerie-orchester spielte auf zum blutigen Völkerringen an der Somme. An das Ohr des ge-spannt lauschenden Verteidigers tönt ein Brüllen und Zischen, ein Heulen und Krachen, daß selbst die Erde bebt. Wohin das Auge blickt: Sprengwolken und Schrapnells, gewaltige Fontänen von Rauch und Staub. Und über die Erde schleicht giftgrüner Gas-hauch sengend und brennend. Es war, als schwänge der leibhaftige Teufel mit diabo-lischer Lust den Taktstock in diesem Höllenkonzert.
In die Drahthindernisse reißen Torpedominen meterbreite Gassen, wühlen hier einen Trichter, verschütten dort den Graben; Steinschlag und Eisensplitter schwirren durch die Luft; auf Schützen- und Laufgräben, auf Weg und Steg prasseln Schrapnellkugeln, jedwede Bewegung lähmend. In der Kirche von Miraumont reißt eine 24 cm-Granate das Dach vom Gestühl, Irles wird beschossen, in Pys fällt der schwarze Adler, das altrenommierte „Hardt“-Hotel, einer Granate zum Opfer. In der Nacht vom 24./25. erhellt ein gewaltiger Feuerstrahl den feindlichen Horizont, ein schweres Geschoß braust durch die Lüfte, zersplittert krachend in Bapaume, dem Sitz des Generalkom-mandos. Wo die Reichweite der Artillerie versagt, fallen die Bomben der Flieger auf Verkehr und Unterkunft; der Tod hält grausige Ernte; lodernde Flammen beleuchten das Elend der von Haus und Hof geflüchteten Bewohner der Kampfzone.
So rast das Feuer vom Morgen zum Abend, rast vom Abend zum Morgen des folgenden schönen Sommersonntags, rast in 40 km Breite von Gommécourt im Norden bis Chaulnes im Süden. Und der Verteidiger? In den mit schwäbischer Kraft und zähem Fleiß selbst geschaffenen unterirdischen Kasematten läßt die Infanterie ungefährdet den Feuerwirbel sich austoben. In diese Tiefen bis zu 10 m unter dem gewachsenen Boden, vermögen selbst die dicksten Kaliber nicht zu dringen. Mit Sicherheit und Ruhe, selbst mit Humor harren die bewährten Kämpfer der wohl nicht mehr fernen Stunde des Angriffs. Aber der Engländer greift eben nicht an; weiter speit er unentwegt aus all seinen Höllenmaschinen Tod und Vernichtung. Furchtlos und treu stehen die Leucht-kugelposten, rufen zum Alarm wenn Leuchtkugeln steigen, wenn Gas- und Nebel-wolken gegen den Graben branden. So zerrt der Angreifer an den Nerven der harten Verteidiger, die jede, auch die kleinste Feuerpause fieberhaft nützen, den Graben instand zu halten. – Sisyphusarbeit!
Doch in den Lüften tummeln sich Scharen von Fliegern. In ruhigem, sicherem Fluge, großen Geiern gleichend, schweben die Bombengeschwader ins Hintergelände; zischend saust ihr verderbenbringender Hagel in die Quartiere; über den Infanterie- und vor allem Artilleriestellungen kreisen die scharfäugigen Späher und lenken das Feuer ihrer Artillerie; im tiefsten Blau, dem Auge kaum wahrnehmbar, stoßen die englischen Flugfalken auf die an Zahl und Technik weit unterlegenen deutschen Flieger.
Schweres, wohlgezieltes Feuer liegt auf der Artillerie. Batterie um Batterie wird regelrecht bearbeitet. Schwere Granaten zerreißen den Boden unmittelbar vor und hinter den Geschützen, dazwischen fegen 12 cm mit scharfkantigen Splittern aus feinstem, silberhell glänzendem Stahl. Doch der Schaden ist gering, wenn auch jede einzelne Batterie mit hunderten von Geschossen bedacht wird. Da und dort ein Volltreffer, einzelne Geschützstände in der Beaucourt-Mulde und an der Mulin ruiné brennen aus. Im Stumpweg werden von der 4. und 5. Batterie Geschütze aus der Stellung auf den Weg geschleudert, aber die Unterstände halten stand, schützen Bedienung und Munition. Mitten im Eisenhagel wachen unerschüttert Beobachtungsoffiziere und Batterieposten, und so oft das Kommando ruft, tun die braven Kanoniere ihre Pflicht, trotz der Lücken, die der Tod in ihre Reihen reißt. Die rückwärtigen Verbindungen und Unterkünfte des Feindes, keck sich zeigende Engländertrupps werden mit Erfolg beschossen, wie auch unablässig zur Entlastung der Infanterie die lästigen Minenwerfer bekämpft und vielfach zum Schweigen gebracht werden.
Am Sonntag Nachmittag, den 25. Juni, zwischen 4 und 5 Uhr brausen in breiter Front englische Flieger gegen die deutsche Linie. Da – ein entsetzliches Schauspiel! Brennend stürzen im Norden und im Süden die deutschen Fesselballone ab. Auch der Ballon der Division, bemannt mit den Artilleriebeobachtern Leutnant d. R. Welte und Vizewacht-meister Auchter, fällt dem tückischen Phosphorsprühregen des feindlichen Fliegers zum Opfer. Beide Beobachter finden den Heldentod. Ein schwerer Schlag für die kämpfen-den Truppen, besonders aber für die Artillerie, deren Auge beinahe völlig geblendet ist. Der Fesselballon vernichtet, die eigenen Flieger in ihrer Unterlegenheit zur Ohnmacht verdammt, kämpften die deutschen Batterien wie mit einer Binde vor den Augen, während der luftüberlegene Gegner mit dem Habichtsblick seiner Flieger und Ballon-beobachter jede Falte durchforschte, auch die kleinsten Ziele erspähen und wirkungsvoll bekämpfen konnte. Die Luft war fast rein englisch. Ein für die Moral der Truppen geradezu unerträglicher Zustand.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 26 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Freitag, 24. Juni 2016

24. Juni 1916


„Die Gebirgsartillerie sollte nun zum erstenmale auch auf dem westlichen Kriegsschau-platz als Träger artilleristischen Offensivgeistes die Infanterie beim Sturm durch Unter-stützung mit direktem Schuß aus nächster Entfernung unterstützen, eine Aufgabe, wie sie zwei Jahre später bei den großen Angriffsschlachten des Jahres 1918 noch einmal gestellt und unvergleichlich besser gelöst wurde. Die Aufgabe des Alpenkorps bestand darin, das Dörfchen Fleury bei Douaumont zu nehmen, und darüber hinaus gegen das Hauptziel Verdun vorzustoßen.
Der Grund des Versagens des Einsatzes der Gebirgsartillerie, um dies gleich vorneweg zu nehmen, lag hauptsächlich darin, daß die Urheber der Idee von falschen Voraus-setzungen ausgingen. Sie hatten die leichte Beweglichkeit unserer auf Tragtiere verlasteten Geschütze im Gebirge bewundert und gedachten nun diese Eigenschaft bei dem sumpfigen Wegnetz vor, beim Anstieg auf die Côte-Lorraine und im darauf-folgenden Trichtergelände ausnützen zu können. Man hatte aber nicht bedacht, daß diese leichte Beweglichkeit nur dank dem großen Apparat von Tragetieren usw. möglich war. Gehörte doch zu den zwölf kleinen Geschützen ein Aufgebot von über 1200 Mann und über 940 Pferden. Sowie also durch feindliches Artilleriefeuer große Verheerungen unter dieser Karawane eintraten, was nützte es dann, glücklich die Hälfte der Geschützteile unter den größten Verlusten in vorderste Linie gebracht zu haben, wenn der Rest hinten in Trichtern und Gräben lag und man nicht schießen konnte? Und gerade die Hauptbe-dingung eines Durchbruches im Stellungskriege. das Überraschungsmoment und das damit verbundene Niederhalten des feindlichen Artilleriefeuers während des Sturmes mußte hier bei Verdun entbehrt werden. Außerdem war es ein Grundfehler, die Gebirgs-artillerie im Abteilungsverbande geschlossen zu verwenden, dies hat sich immer gerächt. Nur einzelne Geschütze und Züge mit schneidigen jungen Offizieren als Führern, die in engster Verbindung mit ihren Infanteriesturmtrupps und Kompagnien diesen den Weg zum Vorwärtskommen bahnen, vermögen etwas zu leisten. Kronzeuge dafür ist der Einsatz des Jahres 1918, wo die Mitwirkung der württembergischen Gebirgsartillerie von den Infanterieregimentern in alle Himmel erhoben wurde.
in der Nacht vor dem Sturme auf Fleury stand die Geb.-Art.-Abteilung 2 bei der Ornesmühle bereit, um bei fortschreitendem Angriff über Bezonvaux, Cailettewald zu folgen. Der bayrische Zug der Geba 8 war schon seit einigen Tagen beim Ouvrage de Hardaumont, wo auch ein Abteilungs-Munitionslager errichtet worden war, in Stellung gegangen. Trotz starken Sperrfeuers gelang es der Geba 6 ohne Verluste den sumpfigen Grund des Bezonvauxbaches zu überschreiten, die Höhen des Ouvrage de Bezonvaux zu erklimmen. Hier in dem noch beinahe intakten Vorwerk befand sich eine pomphafte Inschrift der früheren französischen Besatzung: „S‘ ensevelir sous le ruines de l‘ ouvrage, plutôt que de se rendre“. Was sie seinerzeit aber nicht verhindert hat, schon auf den moralischen Eindruck unserer 42 Zentimeter hin bei noch ganz unbeschädigten Kasematten das Fort zu räumen! Durch das Wäldchen von Hardaumont, in dem es bös aussah, streckten doch nur noch einige entlaubte Bäume ihre Äste wie Besenstiele in die Luft, wurde nun bis an den andern Rand vorgezogen und in Feuerstellung gegangen. Die Geba 8 war schneidig bis in den Cailettegrund hinabgestiegen, aber nach sehr schweren Verlusten – der tüchtige Offizierstellvertreter Lupfer des württembergischen Zuges büßte hier mit vielen anderen sein Leben ein – wurde unverrichteter Dinge zurückge-kehrt, da der Infanterieangriff infolge mangelnder artilleristischer Niederkämpfung betonierter Maschinengewehrnester nicht weitergekommen war. Diese Batterie bezog nun auch anschließend an die Geba 6 in dem Wäldchen von Hardaumont Feuer-stellung.“


aus: „Die württembergische Gebirgs-Artillerie im Weltkrieg 1915-1918“, Stuttgart 1920

Donnerstag, 23. Juni 2016

23. Juni 1916


„Juni. Die im vorigen Monat erreichte Linie sollte angesichts der Kämpfe auf dem Ostufer, die viele Kräfte verlangten, und deshalb auch starke Abgaben an schwerer Artillerie auf dem Westufer nötig machten, im allgemeinen gehalten und nur an einzelnen Stellen verbessert werden. Diesem letzteren Zweck diente ein Angriff der 54. Inf.-Div. am 7. gegen Gräben östlich der Höhe 304, am 27. gegen Gräben südlich Camardwald, und am 30. ein solcher der 108. Inf.-Brig. Unsere Unterstützung bestand neben der Artilleriebekämpfung im Wirkungsschießen gegen die Südostecke des Waldes von Avocourt und die ganze Gegend südlich davon. Da der Gegner an seinen Gräben nördlich des Dorfes Avocourt eifrig weiterarbeitete, wurde vom 13. bis 19. täglich ein Wirkungsschießen gegen diese durchgeführt, vom 20. ab richtete es sich gegen die „Spinne“. Um die Gräben vor dem Südrand des Waldes von Avocourt besser bestreichen zu können, wurde ein Zug der 9. Batterie in eine vorgeschobene Stellung südlich des Beausognegrundes gebracht.
Am 4. war der zweite Zug der 1. Batterie in die alte Stellung der 4. Batterie gefolgt, am 14. gingen die zweiten Züge der 4. und 6. Batterie in die vordere Stellung. Die Beschießungen der Batterien häuften sich in diesem Monat und betrafen alle Batterien mehr oder minder, besonders galten sie im linken Abschnitt dem Nest, das 2., 3. und 5. Batterie bildete, und der Gruppe Neu-Württemberg; im rechten in gleicher Weise wie früher der 7., 8. und 9. Batterie und der Gruppe Alt-Württemberg; aber auch die vorgeschobenen Haubitzbatterien (4. und 6.) bekamen bald nach ihrer Feuereröffnung lebhaftes Feuer.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Feldartillerie-Regiment Nr. 2 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Mittwoch, 22. Juni 2016

22. Juni 1916


„Die beiderseitige artilleristische Tätigkeit blieb noch eine Zeitlang sehr rege. Am 14. Juni wurde Leutnant Schweizer vor seinem Unterstand von einem Granatsplitter tödlich getroffen, eine beträchtliche Anzahl tapferer Kameraden folgte ihm an diesem Tag und den folgenden Tagen in den Tod.
Allmählich nahm der Stellungskrieg aber wieder die Formen an, wie wir sie schon im Anfang des Jahres eingehend  kennen gelernt haben. Angriffsabsichten waren beim Gegner nicht festzustellen, er begnügte sich mit dem erzielten Prestige-Gewinn.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

Dienstag, 21. Juni 2016

21. Juni 1916


„Im Monat Juni zeigten sich, den Angehörigen der Division wohl unbewußt, doch schon die ersten Vorboten der Sommeschlacht. Die feindliche Patrouillentätigkeit wurde entschieden lebhafter und dreister. Am 5. Juni wurde im Abschnitt A (Reg. 245) eine starke feindliche Patrouille unter Zurücklassung von 6 Toten abgewiesen, am 9. Juni gelang es einer englischen Patrouille, nachdem die Besatzung gefallen bzw. schwer verwundet war, ein Maschinengewehr im Abschnitt C (Reg. 248) wegzunehmen. Im Abschnitt M blieb das Reg. 246 Herr des Zwischengeländes bei sehr reger, erfolgreicher Patrouillentätigkeit.
Aber auch das Artillerie- und Minenfeuer, besonders gegen den Abschnitt C (Reg. 248), nahm merklich zu, dementsprechend war auch die eigene Artillerietätigkeit sehr lebhaft. Allerdings forderte das feindliche Feuer, besonders bei den Regimentern 246 und 248, täglich blutige Opfer.“


aus: „Die 54. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkriege 1914–18“, Stuttgart 1934

Montag, 20. Juni 2016

20. Juni 1916


„Der Fronteinsatz machte eine Aufteilung des Bataillons nötig. Die 1. Kompagnie unter Hauptmann Raiser und Feldwebel Strauß wurde nach St. Blasien gelegt, die 2. unter Hauptmann Holland mit Feldwebel Roser, samt dem Bataillonsstab nach Burg-Breusch, die 3. unter Hauptmann Schickhardt mit Feldwebel Baumeister in die Schützengräben am Spitzemberg, die 4. unter Hauptmann Bardili mit Feldwebel Herter nach Proven-chères. Während die 1. Kompagnie außerhalb des französischen Feuerbereichs allerlei Dienste in und hinter der Front zu verrichten hatte, bestand die Tätigkeit der 2. zumeist aus Wachtdienst in Saales und beim Divisionsstab, dessen Bedeckung sie war. Die 4. stellte neben der Ortswache weitere Wachen im „Granatwäldchen“ mit den Nachtposten im Favegrund in vorderer Linie, dann in Beaulay, in Petite- und Grande-Fosse. Die in der Front eingesetzten Teile standen in gut ausgebauter, dauernd verstärkter Stellung dem Feind gegenüber und wurden im Wechsel von den anderen Kompagnien abgelöst. Die Unterkünfte und Wachen lagen zumeist im Schußbereich der französischen Batterien, die nicht gerade untätig waren. Doch blieben die Verluste gering, auch in der Grabenstellung am Spitzemberg.“


aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929

Sonntag, 19. Juni 2016

19. Juni 1916


„Es waren häufig solche Feuerüberfälle, teilweise mit Gasmunition, und viele Unterneh-mungen sowohl von englischer als auch von deutscher Seite. Sie verursachten immer Verluste, große Beschädigungen der Stellung und Beunruhigung der Besatzungen, besonders auch der verantwortlichen Führer. Diese waren oft längere Zeit im Unge-wissen, denn es dauerte immer einige Zeit, bis sie klar sahen und erkennen konnten, was eigentlich los war. Man mußte ja immer auf einen Angriff gefaßt sein. So wurde man dauernd in Spannung gehalten.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922

Samstag, 18. Juni 2016

18. Juni 1916


„Die Verluste in der Stellung waren trotz des zeitweise recht heftigen feindlichen Artilleriefeuers gering. Dagegen begann die manchmal wahnsinnige Hitze auf den Gesundheitszustand der Truppe bedenklich zu wirken. Eine Magen- und Darmkrankheit griff erheblich um sich. Auch brachte das Sumpfgelände zwischen Bogorodica und Stojakovo einige Malariafälle zum Ausbruch.
Für die Kranken konnte in Stojakovo sehr gut gesorgt werden. Die Ärzte, Stabsarzt d. Ldw. Dr. Staiger, Oberarzt d. R. Dr. Landerer und Mutschler, sowie Assistenzarzt d. Ldw. Dr. Grundler hatten in einigen Häusern des Dorfes ein „richtiges“ Lazarett mit innerer und äußerer Station eingerichtet, in dem in einer besonderen Küche für die Darmkranken gekocht werden konnte. Dadurch wurde es möglich, eine große Anzahl Kranker, die man unter sonstigen Verhältnissen hätte abschieben müssen, dazubehalten und nach ihrer Wiederherstellung sie ihren Kompanien wieder zuzuführen.“


aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Freitag, 17. Juni 2016

17. Juni 1916


Die 1. Landwehr-Pionier-Kompagnie XIII. war im Juni 1916 in Waldlagern im Wald von Montfaucon untergebracht und dem Württembergischen Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 120 zum Stellungsbau und Minierarbeiten zugeteilt. Über die Zustände im Wald von Avocourt berichtet die Regimentsgeschichte des L.-I.-R. 120:

„Da begann etwa am 10. Juni das Unwetter. Es goß von früh bis spät. Alle Gräben verwandelten sich in Seen, kein einziger Zugangsgraben war gangbar zu halten. Der Anmarsch vom Emontwald bis zur vordersten Linie dauerte bei solchen Verhältnissen mindestens 6 Stunden; naß, in Schweiß gebadet, kam man vorne an, denn jeder Schritt war ein Kampf mit dem zähen Boden des Trichterfeldes. Und nicht viel anders war es auf den grundlosen Wegen im Anmarschgelände, besonders wenn man nicht über den Eckhof, sondern über die Sturzäcker südlich Ivoiry marschierte. Die Ablösungs-bewegung wurde daher auf zwei Nächte verteilt. In der ersten Nacht lösten Stützpunkt und Kompagnie X, in der folgenden die Kompagnien V und Z ab. Trotz des schlechten Wetters dauerte jedoch die Kampftätigkeit an; sie lebte auf, als sich um Monatsmitte das Wetter für kurze Zeit besserte.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Donnerstag, 16. Juni 2016

16. Juni 1916


„Am 5. Juni 1916 kam der Befehl, die Stellung Ovillers zu besetzen und dort das Res.-Inf.-Reg. 109 abzulösen. Damit trat das Regiment in den Verband der 52. Res.-Inf.-Brigade (v. Auwärter). Die Besetzung geschah in den Tagen vom 6. – 8. Juni derartig, daß der Regimentsstab in Courcelette Quartier bezog, das I. Batl. (Hauptmann Heyberger) den Abschnitt Ovillers-Nord mit den Kompagnieabschnitten P 1 (3. Komp.), P 2 (4. Komp.), P 3 (1. Komp.) und P 4 (2. Komp.), dahinter als Reserve die 7. Komp., das III. Bataillon (Major Scupin) den Abschnitt Ovillers-Süd mit den Kompagnie-abschnitten P 5 (9. Komp.), P 6 (10. Komp.) und P 7 (11. Komp.), dahinter als Reserve die 12. Komp. Das II. Batl. (Major Keerl) ohne 7. Komp. kam zunächst nach Le Sars in Reserve, und hatte von dort aus Arbeitskommandos zum Ausbau der vorderen Linie zu gestellen. Trotzdem das Res.-Inf.-Reg. 109 viel getan hatte im Ausbau der Stellung, so gab es doch noch eine Unmenge von Arbeiten aller Art, die im Interesse der Verteidi-gungsfähigkeit mit aller Energie in Angriff genommen werden mußten. Das Draht-hindernis vor der Front war sehr verstärkungsbedürftig, es fehlte noch an gut minierten Unterständen und an genügend Verbindungsgräben, und vor allen Dingen mußte ein gesichertes Kabelnetz zur Erhaltung der Fernsprechverbindung bis zu den Kompagnie-führern vorderster Linie gelegt werden. Die vom Res.-Inf.-Reg. übernommene Gefechts-Befehlsstelle des Regiments befand sich am Nordostausgang von Ovillers in einem ziemlich tief minierten Unterstand, jedoch war die Lage dicht hinter dem 3. Graben und außerdem hinter dem äußersten linken Flügel recht ungünstig, auch gestattete die nähere und weitere Umgebung derselben keinerlei Einblick in irgend einen Abschnitt des Regiments, weshalb sofort mit dem Bau einer neuen Gefechts-Befehlsstelle zu beiden Seiten des Stockacher Grabens etwa 250 Meter südlich des Weges Pozières – Thiepval begonnen wurde.
Auch in der Zwischenstellung, welche sich von Pozières nach der Ferme du Mouquet hinzieht, wurde unter der Leitung des Leutnants d. L. Meyer-Basil mit Arbeitskom-mandos des II. Batls. fleißig an dem Bau von Unterständen gearbeitet; doch bald fingen die Engländer an, mit schweren Kalibern diese Arbeiten zu stören, so daß der Bau oft unterbrochen werden mußte.
Mehr und mehr steigerte sich das feindliche Artilleriefeuer auf der ganzen Front; man hatte den Eindruck des planmäßigen Einschießens auf die Hauptpunkte der Stellungen und alle rückwärtigen Verbindungen, die englische Fliegertätigkeit wurde immer reger, die Zahl der feindlichen Fesselballons vermehrte sich zusehends und noch manche andere Anzeichen deuteten darauf hin, daß der Gegner eine Unternehmung großen Stils vorbereitete.“


aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 15. Juni 2016

15. Juni 1916


„Als am 13. Juni die kanadischen Bataillone endlich zum Angriff schritten, war die einzige Hoffnung die nie versagende Tapferkeit der in vorderer Linie kämpfenden Infanterie. Allein die Übermacht des Gegners war dieses Mal zu groß; nach erbitterten Kämpfen mußte ein Teil des eroberten Geländes aufgegeben werden. Verhältnismäßig groß war die Zahl unserer Leute, die tot oder verwundet in die Hände des Gegners fielen; der Rest kehrte unter unsäglichen Beschwerden in unsere alte Stellung zurück. Doch noch war nicht alles verloren. Unter der persönlichen Führung des Kommandeurs des III. Bataillons, Hauptm. d. R. Conz, sowie des Oberleutnant Schmid, Führer der 10. Kompagnie, scharte sich alles, was noch irgendwie kampffähig war, zusammen und trat mit unvergleichlichem Schneid zum Gegenstoß auf die Höhe 59 an. Sie wurde wieder unser und blieb es von nun an. Die Doppelhöhe 60 dagegen blieb auf Dauer verloren. Das Schwerste war überstanden; der Gegner begnügte sich mit seinen Erfolgen und ließ seine Kampftätigkeit abflauen.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922

Dienstag, 14. Juni 2016

14. Juni 1916


„Am 13. Juni setzte gegen 2.30 Uhr morgens sofort heftiges Trommelfeuer ein, bald darauf, 2.45 Uhr, ging beim Feind ein roter Doppelstern hoch, worauf sofort unser eigenes Sperrfeuer einsetzte; aber auch auf die um 3.10 Uhr morgens beim Feind hochgehenden roten Doppelsterne erfolgt kein Angriff, hingegen schwillt sein Infanterie- und Maschinengewehrfeuer an. Gegen 3.35 Uhr vormittags gehen auf der ganzen Linie auch bei der 27. Inf.-Division links rote Doppelsterne hoch, das feindliche Artilleriefeuer läßt etwas nach, das eigene macht Sperrfeuer. Aus der vorderen Linie sind von 4 Uhr morgens ab keine Meldungen zu bekommen; sämtliche Fernsprech-leitungen sind abgeschossen und die todesverachtenden Telephonisten noch unterwegs.
Da, 4.30 Uhr, läuft vom K.T.K.*, Major Wolff, wie vom III./125 die Meldung und bald darauf von der Brigade die Nachricht ein, daß, nachdem 120 die Doppelhöhe geräumt habe, auch 125 zurückgehe. Ein Meldegänger der 5./119 hatte gleichzeitig an den K.T.K. die Meldung gebracht, daß die Kompagnie nach Abweisung des Gegners vor der Front nun von neuem Gegner im Rücken angegriffen worden sei, in heftigem Kampfe stehe und dringend um Unterstützung bitte.
Die Bereitschaftskompagnien (9. und 11.) treten sofort zum Gegenstoß durch die mit Teilen sich zurückschlagende 5. und dann auch 7. Kompagnie, welche indessen eben-falls in ihrer linken Flanke angegriffen worden war, an, konnte aber das Gefecht hier nur noch durch Zurückbiegen des linken Flügels der alten Front gegen die Stamm-Stellung 125 wieder herstellen. Die 6. und 8. Kompagnie hatten durch heftiges Infanteriefeuer ihren Gegner in der Front unter sichtbaren großen Verlusten zurückgeschlagen. Die 10. und 12. Kompagnie wurden dem II. Bataillon auch unterstellt zur etwaigen Unter-stützung der Kompagnien in der Front. Vornehmlich die 11. Kompagnie hatte durch wirksames Feuer das Vorgehen des Gegners gegen Nordosten und damit das Aufrollen unserer Stellung unterbunden.
Bei dem auf 8 Uhr vormittags festgesetzten, dann auf 8.30 Uhr verschobenen Gegenstoß der Brigade – rechts 119 mit dem unterstellten I./121 (Major Frhr. v. Lindenfels), links 125 und 120 – auf die Höhe 62 und 60 erreicht die 11./119 und die 1./121 in energischem Anlauf den ersten englischen Graben; die 11. unter Leutnant Wildermuth dringt gegen 10 Uhr vormittags bis in die 2. englische Linie vor. Die 2., 3. und 4./121 besetzten die Höhe 62 und standen dann links rückwärts gestaffelt in der Lücke zwischen 125 und 11./119, welche sich in der 1. englischen Linie festgesetzt und Patrouillen in der 2. englische Linie, wo keinerlei Anschluß war, belassen hatte.
Auf Befehl der Division ging dann 119 in die alte Sturm-Stellung zurück mit Sicherungen in der 1. englischen Linie.
Heldenhaft hatte sich am linken Flügel der Regimentsstellung der nach dem unauf-hörlichen, Tod und Zerstörung bringenden, feindlichen Feuer verbliebene Rest der 5. Kompagnie (Führung von Leutnant d. R. Scheurlen) gegen den Feind in Front, Flanke und Rücken gewehrt. Nur ein kleiner Teil konnte sich rückwärts durchschlagen, die übrigen lagen tot oder verwundet oder verschüttet oder gerieten – meist auch verwundet oder betäubt – in Gefangenschaft. Ähnlich ging es bei der nächstfolgenden, der 7. Kompagnie, welche ebenso wie die anschließende 6., den linken Flügel zurückbog. In der Front des Regiments war, wie schon erwähnt, der Gegner trotz starker Überlegenheit und Frischen gegenüber den durch das wahnsinnige Feuer betäubten Verteidigen abgewiesen, von denen viele im heftigen Geschoßhagel dauernd in der Stellung unterwegs waren, um weniger beschossene Grabenteile aufzusuchen und zu warten, bis auch sie getroffen oder verschüttet wurden.
„Da tritt kein anderer für ihn ein,
Auf sich selber steht er da ganz allein.“
Das trifft in solchen Lagen besonders zu. Hier war nicht viel mit Befehlen zu machen. Jeder mußte der Lage entsprechend selbständig handeln. Die mit den stärksten Nerven mußten die  anderen mit hoch halten.
Kein Wunder, daß nach der Ablösung viele Leute ernst und still einhergingen. So Durchlebtes, der Anblick der Zerfetzten und Stöhnenden, der durch die Wucht der großen, mit überlautem, scharfem Knall berstenden und schon durch den Luftdruck die Besatzung umeinanderwirbelnden Granaten bleibt nachhaltig im Gedächtnis. Man braucht Zeit zur Ruhe.
Auch dem Schreiber dieses, der sonst gute Nerven hat, ging es nach den unerhörten Kämpfen an der Somme so. Nach dem Überstandenen war man innerlich mürbe. Im damals nach den Kämpfen erhaltenen Urlaub traten einem mitten in der Unterhaltung plötzlich die Bilder des Kampffeldes und die toten Kameraden in lebhafteste Erinnerung und riefen ernste Stimmung hervor.
Am Abend des harten Tages wurde das stark mitgenommene II. Bataillon vom I. Bataillon abgelöst.
Die Verluste des Regiments betrugen:
20 Mann tot.
9 Offiziere, 78 Mann verwundet.
3 Offiziere, 46 Mann vermißt.
In den schweren Tagen und Kämpfen vom 3. bis 13. Juni 1916 hatte das Regiment einen Gesamtverlust von:
1 Offizier und 178 Mann tot.
15 Offiziere, 519 Mann verwundet und
72 Vermißte (zum Teil auch gefallen oder verwundet in Gefangenschaft).“

aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

*K.T.K.: Kampf-Truppen-Kommandeur