Samstag, 30. Juni 2018

30. Juni 1918



„Am 30. Juni, um 10.35 Uhr abends, setzte auf der ganzen Regimentsfront schlagartig stärkstes feindliches Feuer ein. Gelbe Leuchtzeichen zischten aus dem Vorpostengraben und K 1 empor, zuerst deutlich sichtbar, dann allmählich verschwimmend in dem Rauch und Qualm, den der Hagel der feindlichen Geschosse in die Höhe schleuderte. Sie bedeuteten: Hilfe! Sperrfeuer!
Um 10.45 Uhr abends rollte auch auf deutscher Seite das Sperr- und Vernichtungsfeuer aus allen verfügbaren Geschützen los. Die vorher klar erkennbare Höhe 110 verschwand hinter einer Wand von Dampf und Dunst. Durch das Trommeln der gegenseitigen Artillerien tönte hell das scharfe Knallen der Maschinengewehre und das Krachen von Handgranaten. Kein Zweifel mehr – der Engländer griff an!
Die Kompanien der vorderen Linie waren gerade dabei gewesen, ihre Nachtpost-ierungen auszustellen. Da setzte plötzlich das englische Artilleriefeuer ein. Und kaum waren die ersten Granaten im Vorpostengraben, K 1 und bei den Bereitschaften einge-schlagen, da tauchte aus den vordersten englischen Gräben in der ganzen Breite der Regimentsfront eine dichte Schützenlinie, dahinter starke Reserven auf, die im Lauf-schritt auf den deutschen Vorpostengraben zueilten. Im Vorpostengraben standen etwa alle 150 Meter 3 bis 4 Mann. Die schwache Besatzung wehrte sich verzweifelt. Aber sie war zu schwach, um den Angriff aufzuhalten. Nach heldenmütiger Gegenwehr unterlag sie im Nahkampf. Der Feind eilte auf den K 1 zu. Die Teile des I. Bataillons (rechtes Kampfbataillon), die im K 1 lagen, traten zum Gegenstoß an. Im Zwischengelände zwi-schen K 1 und Vorpostengraben prallten die Gegner aufeinander. Der zahlenmäßig weit überlegene Engländer behielt die Oberhand und drang in den Kampfgraben des I. Bataillons ein. Die Verluste waren auf beiden Seiten schwer.
Beim linken Kampfbataillon – III./122 – wurde der Vorpostengraben ebenfalls über-rannt. Der K 1 hatte hier gutes Schußfeld und konnte gehalten werden. Nur am rechten Flügel ging er verloren. Die 12. Kompanie, die ihn schrittweise verteidigte, mußte ihn schließlich räumen, wenn sie der völligen Vernichtung entgehen wollte. Der tapfere Kompanieführer, Leutnant d. R. Späth, fiel hier durch Herzschuß.
Gleichzeitig mit dem Angriff gegen die Front des Regiments waren geschlossene englische Kolonnen, an der Spitze Offiziere, an der nördlichen Regimentsgrenze entlang gestoßen. Drei Minuten nach dem Einsetzen des Feuers tauchten diese Kolonnen schon, von Nord nach Süden vorstoßend, im Hohlweg vor der 2. Kompanie auf. Leutnant d. R. Sauter, der Kompanieführer der 2. Kompanie, und die dort liegenden Minenwerfer-Mannschaften warfen sich dem Feind entgegen. Nach blutigem Nahkampf gelang es, die Straßengabel bei Punkt A zu halten. Das war die rettende Tat dieses Abends. Wäre die starke englische Kolonne hier nicht zurückgeworfen worden, sondern hätte sie ihren Weg in Richtung Albert fortsetzen können, es wäre unabsehbares Unglück geschehen. Die dieses Unheil abgewehrt haben, waren nur eine verschwindend kleine Schar: Leut-nant d. R. Sauter, Sergeant Kübler, Unteroffizier Hommel, Gefreiter Ortwein, Weiß und Dietrich, die Füsiliere Schneck, Rabenstein und Thum (2. Kompanie), das Maschinen-gewehrnest Adam (Vizefeldwebel Beißwenger, Gewehrführer Hanold, Gefreiter Gun-zenhauser der 1. Maschinengewehrkompanie) und ein paar Mannschaften der Minen-werfer-Abteilung.
Wie hier im Hohlweg, so wogte auf der ganzen Regimentsfront der Kampf hin und her.
Das Wesen dieser erbitterten Kämpfe war die Ungewißheit. Es war Nacht. Eigene und englische Maschinengewehre kämmten aus nächster Nähe die Gräben ab. Von rückwärts her eingreifende Stoßtrupps entpuppten sich plötzlich als Engländer. Von der Seite anrückende Abteilungen, die ganze Salven von Handgranaten hinter die Schulterwehren schmetterten, wurden erst in der Nähe am Stahlhelm als deutsche Reserven erkannt. Aus den Wolken von Petroleum- und Nebelminen blitzen plötzlich die Bajonette geschlos-sener englischer Züge. Melder rannten fort in die Nacht hinein – in den Riegel von Granaten, den die Engländer noch immer hinter den K 1 legten. Sie kamen nicht mehr zurück.“


aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Freitag, 29. Juni 2018

29. Juni 1918



„Die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften hatten während der Offensive einen sehr anstrengenden, verantwortungsvollen Dienst.
Am 15. Juni 1918 kamen die Kommandos der 1. und 3. Eskadron von der Gruppe Ypern zu den Eskadrons nach Lager Niederflandern und Lager westlich Menin zurück unter besonderer Anerkennung der Leistungen von Lt. d. Landw. Bader, Vizew. Lämmle und sämtlicher Dragoner.
Das Regimentsstabsquartier in Halluin wurde täglich mit zahlreichen Fliegerbomben belegt. Der Stab hatte dabei den Tod des tüchtigen Sergt. Waltner zu beklagen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Dragoner-Regiment im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1935

Donnerstag, 28. Juni 2018

28. Juni 1918



„Daß die nächtliche Beschießung der Anmarschwege sich nicht vermindert hatte, mußte ebenfalls die 10. Kompagnie erfahren, welche einen Volltreffer in die Feldküche erhielt, wobei von den Essenfassern 4 Mann fielen und 13 Mann verwundet wurden.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 246 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1931

Mittwoch, 27. Juni 2018

27. Juni 1918



„Das Vorgelände war unübersichtlicher geworden. Hohes Getreide hinderte die Aussicht und begünstigte Patrouillengang In der ersten Nacht stießen zweimal feindliche Patrouillen in Zugstärke gegen den linken Flügel der 2. Kompagnie vor, wurden aber mit Handgranaten und M.-G.-Feuer vertrieben. Die feindliche Infanterie trat also schon recht unverschämt auf. Das Artilleriefeuer hatte, was Zahl der Schüsse anbelangt, eher ab- als zugenommen. Die feindlichen Kanoniere wußten jetzt aber genau in unserer Stellung Bescheid und belegten die wichtigsten Punkte reichlich mit Granaten. Vor allem hatten sie auch die Stellung unserer Geschütze heraus. Einzelne Batterien durften gar nicht mehr den Mund auftun, sonst wurden sie derartig mit Feuer belegt, daß die Kanonen aus den Deckungen flogen. Das Gasschießen hatte bedeutend zugenommen. Fast jede Nacht wurde der Ancregrund vergast, und die Ablösungen waren dann bei finsteren Nächten ganz außerordentlich schwierig. Auf die vorderste Linie wurde wenig mit Artillerie geschossen. Dagegen kamen nun häufig Gasminenüberfälle, so daß man dauernd in höchster Gasbereitschaft sein mußte und nachts kaum ein Auge zutun konnte. Das Hintergelände wurde lebhaft mit Fernfeuer belegt, und auch da wußte der Gegner genau, wohin er zu schießen hatte. Mehrmals hat er die Munitionsdepots bei Carnoy, von denen einige in die Luft flogen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Dienstag, 26. Juni 2018

26. Juni 1918



„Nach kaum vierwöchiger Ruhe bezog das Regiment wieder die alte Stellung. Es war ihm nicht vergönnt gewesen, seinem Wunsche entsprechend, an einer der Angriffsfron-ten der großen Offensiven eingesetzt zu werden.
Nach Ankunft in Montauban bezieht der Regimentsstab und das III. Bataillon Unter-kunft in verlassenen Lagern südlich und westlich Montauban, 7. und 8. Kompagnie kommen in das „Kirchheimer Lager“, Stab II. und 5. und 6. Kompagnie werden sofort nach Ankunft in das Waldlager nordöstlich Fricourt vorgezogen. Fricourt bestand nur noch aus einem Straßennetz und Schutthaufen mit einigen Kellern und kaum über die Erde reichenden Gebäuderesten.
Das I. Bataillon war sofort in vorderer Linie als Kampfbataillon eingesetzt worden. Schon die ersten Tage zeigten, daß der Gegner seine Artillerie an Zahl und Kaliber bedeutend verstärkt hatte. Das III. Bataillon rückte am 26. Juni, noch in der Dämmer-ung, wie von früher ja gewohnt, zur Ablösung des Kampfbataillons des Res.-Inf.-Regt. 230 vor. In der Dunkelheit geriet das Bataillon in schweres, feindliches Störungsfeuer, wobei es zwei Kompagnieführer verlor: Leutnant Steinhilber, Führer der 12. Kompag-nie, fiel im Granatfeuer. Seine Leiche wurde erst nach einigen Tagen im hohen Gras gefunden. Leutnant Rieger, Führer der 9. Kompagnie, wurde verwundet.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708

Montag, 25. Juni 2018

25. Juni 1918



„Der Zustand der Stellungen war unbeschreiblich. In einem Chaos von Trichtern und Material standen die Geschütze; Bedienung und Munition in der Nähe in angedeuteten Unterständen. Der Munitionsersatz litt unter diesen Verhältnissen unter unendlichen Schwierigkeiten, war doch mit regelrechten Fahrzeugen hier nicht mehr durchzukom-men. Die Pferde wurden wieder wie in den Gebirgskämpfen der Vogesen zu Tragtieren, die Kanoniere schleppten in Trägerkolonnen die schwere Last. Ein unheimlicher Gast ging um: die Grippe, verbunden mit schweren Darmerkrankungen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 26 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Sonntag, 24. Juni 2018

24. Juni 1918



Johannes Schmid
VIZEF. D. R. OFFZ. ASP. 10./RES. 120                                                                        24. JUNI 1918
Geb. 25. 8. 89 in Winzeln, Sem. Saulgau 1909. U.-Lehrer in Kolbingen, Sulzbach, Hüttisheim, Hardt, Beffendorf, Hochmössingen und Waldmössingen, rückte im August 1915 nach Ulm ein. Im Jan. 1916 kam er zu Res.-Reg. 119 an die Front und kämpfte an der Somme und bei Arras. Im Juli 1917 leicht verwundet ging er nach kurzem Laza-rettaufenthalt im Nov. nach Flandern – E. K. II – und kämpfte im Frühjahr 1918 an der Avre und an der Matz. Am 23. Juni, als er eben Anweisungen für den Postendienst gab, schlug eine feindliche Granate in die Gruppe, tötete 3 und verwundete 3 andere, darun-ter Schmid schwer – Bauchverletzung, linker Arm abgerissen. Heldenmütig ertrug er die schweren Schmerzen, bis er andern Tags im Feldlazarett Beaulieu ergeben in Gottes Willen verschied. Er ruht auf dem Militärfriedhof Beaulieu bei Fontaines südwestl. Ham, Grab 414. Schmid war ein einfacher, gutmütiger Mann, der unverdrossen seine Pflicht erfüllte. Seinen Untergebenen ist er unvergessen, denn er war ihnen mehr Bruder als Feldwebel und teilte mit ihnen alles, was er hatte.“

aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

Samstag, 23. Juni 2018

23. Juni 1918



„Am 23. Juni, 12.45 Uhr vormittags, leuchtete der feindliche Horizont blitzartig in grellem Feuerschein auf. Gleich darauf ließ ein Donnerschlag die Stollen und Unter-stände erzittern. Vermischt mit Sprenggranaten rauschten Salven von Gasflaschen über den K 1 des linken Kampfbataillons hinweg und schlugen hinter diesen und im Bahn-damm bei den Bereitschaften ein. Eine dichte, undurchsichtige, süßlich riechende Gaswolke kroch langsam zähe am Boden entlang, in die Gräben und Mulden hinein, in die Unterstände und die Treppen hinab in die Stollen. Der Bahneinschnitt und jede Vertiefung sah aus wie mit weißgrauem Sand gefüllt. Im freien Gelände trieb der kräf-tige Wind die Wolke in langen Schwaden über die deutschen Artilleriestellungen hin-weg ins Hintergelände.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Freitag, 22. Juni 2018

22. Juni 1918



„Während uns der Feind jetzt wenig mehr zu schaffen machte, litten wir sehr unter Krankheiten. Es handelte sich dabei um die sogenannte Donruhr, ein weit schlimmer Ding, als die gewöhnliche Ruhr, besonders in ihren Folgen. denn vielfach zieht sie Lähmungen und Herzleiden nach sich. Unsere Verluste durch diese Krankheit waren viel größer, als die durch den Feind. Genaue Zahlen fehlen; mehr oder weniger litt aber jedermann an ruhrähnlichem Durchfall.“

aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 21. Juni 2018

21 Juni 1918



„In der Nacht vom 19./20. hatten die Bataillone gewechselt, das I. Bataillon war Kampf-bataillon geworden und schon in der nächsten Nacht hatte die 1. Komp. einen starken feindlichen Angriff abzuwehren. 12.30 nachts setzte schlagartig stärkstes Artilleriefeuer leichter, mittlerer und schwerer Kaliber auf die vordere Linie sowie die rückwärtigen Stellungs- und Verbindungsgräben der beiden nördlichen Kompagnieabschnitte ein. Das kurz darauf durch Leuchtkugeln angeforderte Sperrfeuer der eigenen Artillerie setzte rasch, aber entsprechend der Breite des Abschnitts dünn ein, lag aber gut, wie auch das Sperrfeuer der leichten Minenwerfer. Kurz nach Beginn des feindlichen Trommelfeuers stieß der Gegner mit 2 Abteilungen in Stärke von je etwa 40 – 50 Mann gegen die Sappe am rechten Flügel der 1. Komp. vor, mit der einen Abteilung den Sappenkopf, mit der andern den Fußpunkt der Sappe angreifend. Die Hauptmasse des Angreifers wurde durch Infanterie- und Maschinengewehrfeuer abgewiesen, diejenigen Teile, denen es gelungen war, in den Graben einzudringen, wurden im Gegenstoß mit Hilfe der 2. Komp. sofort geworfen.“

aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 20. Juni 2018

20. Juni 1918



„Am frühen Morgen des 19. Juni stieß eine starke feindliche Patrouille unter heftigem M. G.-Feuer und Benutzung von Gewehrgranaten gegen den Regimentsabschnitt vor, sie wurde jedoch mit blutigen Köpfen heimgeschickt. Dies schien auf der Gegenseite Verstimmung und Enttäuschung hervorgerufen zu haben, denn schon am andern Morgen 4 Uhr erfolgte ohne jede artilleristische Vorbereitung ein überraschender Angriff auf den Regimentsabschnitt, wobei es dem Gegner gelang, für kurze Zeit in unsere vordere Linie einzudringen. In energischem Gegenstoß unter tatkräftiger Leitung des Führers der 2. Kompagnie, des tapferen Leutnants d. R. Merz, gelang es aber, den Gegner sofort im Nahkampf wieder hinauszuwerfen und dabei 17 Gefangene und 1 M. G. zu erbeuten; auch ließ der Feind eine ganze Anzahl Toter zurück. Beim rechten Anschlußregiment 414 hatte sich der Gegner stark festgesetzt und erst gegen Abend gelang es dort, die Stellung zu säubern und ebenfalls Gefangene und M. G.s zu erbeuten.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Dienstag, 19. Juni 2018

19. Juni 1918



„Nun also stand man wieder am Stammplatz bei Miraumont, dort wo die 26. Res.-Division vor zwei Jahren so ruhmvoll in der Sommeschlacht gekämpft hatte. die Gedan-ken schwingen zurück in das Jahr 1914, als die Division siegreich vordrang im Artois, um die Linie Serre – Pozières zu erkämpfen. Wie anmutig bot sich die picardische Landschaft zu beiden Seiten der Ancre. Und jetzt! Auf der Karte waren die einst blü-henden Dörfer Miraumont, Irles, Pys, Courcelette, Thiepval, Grandcourt, Beaucourt, mit denen jeden 26er ungezählte Erinnerungen verbinden, gewissenhaft eingezeichnet – alles dahin! Statt der Dörfer Schutthaufen, buchstäblich kein Stein mehr auf dem an-dern. Unkraut wucherte dort, wo einst frohe menschliche Wohnstätte gewesen. Kein Baum, kein Strauch ringsum. Die Bewohner in alle Winde zerstreut, die Kreide nach oben, den Humus nach unten gekehrt – Ströme von Blut waren hier vergossen. Wo einst der französische Bauer keimenden Samen gesät, lagen Knochen gebettet – Tod, Vernich-tung, Grauen. Das ist der Moloch Krieg, der Leben und Kultur haßt und vernichtet. Entsetzlich der Gedanke, daß diese ungeheuerliche Katastrophe des kleinen Ausschnitts Miraumont sich wiederholt tausend und abertausendmal auf der weitgespannten Front des Weltkrieges.
Wehe dem Land, das verurteilt ist, Kriegsschauplatz zu sein! Dieses Bewußtsein ließ die deutschen Kämpfer des Jahres 1914 begeistert in den Kampf ziehen, die Heimat zu schützen; dieses Bewußtsein gab den Kämpfern des Jahres 1918 die Kraft, durchzu-halten.
Die feindliche Artillerie zeigte sich recht rege. Die alten Bekannten bei Ferme de la Haie, Sailly au Bois, Colincamps und westlich Hébuterne schossen wie einst oder noch mehr. Die feindlichen Flieger suchten täglich Bapaume heim, bewarfen die Lager und erzielten leider in steigendem Maße Treffer mit empfindlichen Verlusten. Die bedenk-lich gesunkenen Pferdebestände erlitten weitere merkliche Einbuße. Durch Abgabe von Divisionen an Hauptkampffronten wurde die Besetzung der Kampflinie schwächer und schwächer.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 26 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Montag, 18. Juni 2018

18. Juni 1918



„Das I./Reg. 122 hielt nach Abwehr des feindlichen Angriffes auf Kaysug am 10. Juni noch einige Tage seine Stellung besetzt. Es hatte infolge des hohen Krankenstandes und der geringen Frontstärke aus den Bagagen letzte Reserven ausgeschieden, bestehend aus Begleitsleuten, Schreibern, Köchen und Ordonnanzen, und sie im Kaysuger Schulhaus untergebracht. In diesen Tagen kam es nur zu Patrouillengefechten im Vorgelände- Nach Fliegermeldung sollten bei Kajala an der Südbahn aus zehn Zügen Truppenausladungen stattgefunden haben.
Die Stimmung der Bevölkerung in Kaysug war zurückhaltend und keineswegs freund-lich. Die besser gesinnten Leute hatten Angst vor den Bolschewiki, während der größere Teil auf ihre Wiederkehr hoffte. Im Zusammenhang hiermit begannen auch wieder ein-zelne Hetzer und Aufrührer sensationelle Gerüchte unter der Bevölkerung und unseren Truppen zu verbreiten, wonach die Bolschewiki neue Angriffe planten. Man erkannte bald aus dem heuchlerischen Verhalten der Bevölkerung, daß es die unverhüllte Absicht der Bolschewisten war, unsere Truppen und Heimat zu revolutionieren. Am 15. Juni übergaben Parlamentäre der Kuban-Schwarzen-Meer-Armee ein Schreiben an die Division, in welchem die Einleitung von Friedensverhandlungen angeregt wurde. In Erwiderung teilte das deutsche Oberkommando in Rostow mit: „In den nächsten Tagen wird in Taganrog ein Vertreter der russischen Friedensdelegation aus Kiew eintreffen, der die Verhandlungen führen wird; das deutsche Kommando in Rostow wird seine Truppen anweisen, vom 17. Juni morgens ab bis zum Abschluß dieser Verhandlungen, die Feindseligkeiten einzustellen, falls von den gegenüberliegenden Truppen der Kuban-Schwarzen-Meer-Republik keine feindlichen Handlungen gegen die deutschen Truppen oder die Kosaken der Don-Regierung begangen werden. Ein Herankommen an die Stellungen der anderen Partei außer für Parlamentäre mit weißer Flagge gilt als feind-liche Handlung und wird mit Feuer beantwortet.
Von einer ehrlichen Verständigung konnte hier kaum die Rede sein. Die Abmachungen waren bei unserem Gegner vor Kaysug offenbar nicht durchgedrungen oder wurden nicht befolgt. Denn feindliche Patrouillen gingen weiter gegen und vor. Am 18. Juni stießen sogar 150 Mann Infanterie und 80 Reiter über den M.-G.-Hügel gegen Kaysug zweimal vor, wurden jedoch leicht abgewiesen, wobei die beiderseitigen Artillerien mitwirkten. Wir hatten 2 Tote und 1 Schwerverwundeten. In Kaysug traten verschiedene Verluste bei den Bewohnern ein und wurden mehrere Häuser zusammengeschossen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Sonntag, 17. Juni 2018

17. Juni 1918



„„Der Angriff auf die Stadt Reims findet nicht statt, die Division richtet sich zur Abwehr ein.“ So lautete die Ziffer 1 des Divisionsbefehls vom 16. Juni 1918. Die Kämpfe nah-men daher den Charakter des Stellungskrieges an. Die Bataillone wechselten sechstägig zwischen vorderer Linie am Petersberg und in Tinqueux und Ruhequartier in St. Thierry. Der Ausbau der Stellung trat in den Vordergrund, vor allen Dingen mußten Hindernisse vor die Front und die Gräben vertieft werden. Am Ausgang von Champigny nach Tinqueux wurden Küchen in den Steilhang eingebaut, hinter welchem sich auch der Verbandplatz und ein kleiner Kirchhof des Regiments befanden. Der Weiler Champigny mit hübschen Villen und Parks zeigte noch die Spuren einstigen Wohlstandes. In den Gärten gab es Gemüse, besonders Spargeln und neue Kartoffeln, die eine willkommene Bereicherung des Speisezettels bildeten. Der Veslegrund war mit prächtigen Bäumen bestanden, der Fluß, etwa 10 – 15 Meter breit und 2 – 3 Meter tief, hatte sumpfige Ufer. Ein besonders wichtiger und gefährdeter Punkt war die Gärtnerei bei Cinqueux, welche nur 300 Meter vom Gegner entfernt, von einer Feldwache des Regiments besetzt war. Von der Dachluke des Gärtnerhauses hielt der Posten Auslug. Der tadellos angelegte Garten lieferte Gemüse für Freund und Feind. Vom hochgelegenen Ruhequartier St. Thierry aus hatte man einen wunderbaren Blick auf die Stadt Reims und den Abschnitt des Regiments. Das Vesletal und die umliegenden Höhen waren landschaftlich von hohem Reiz. Das Regiment kannte Reims jetzt von drei Seiten, es fehlte nur noch der Süden. Am 17. Juni abends wurde das Infanterie-Regiment Nr. 475 aus seinem Ab-schnitt herausgezogen und wieder links neben dem Infanterie-Regiment Nr. 476 einge-setzt. Der Abschnitt des Infanterie-Regiments Nr. 127 mußte daher nach rechts verbrei-tert werden. Zur Verstärkung wurden 2 Kompagnien des Landsturmbataillons Braun-schweig, alte gute Bekannte von der Aisne her, und 2 Scharfschützen-Maschinenge-wehr-Kompagnien dem Regiment zugeteilt.“

aus: „Das neunte Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 127 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Samstag, 16. Juni 2018

16. Juni 1918



„Am 16. Juni traf bei einem feindlichen Minenüberfall (Flügelminen) der erste Schuß mitten in die Werferbedienung Stand 1 in der Schweppermannschlucht, die sich vor ihrem Stollen befand, und tötete Sergeant Setzer, Ldstpfl. Breisch, Ersatzres. Balb und Ldstpfl. Beha. „Ein vorbildliches Beispiel von Unerschrockenheit und treuer Kamerad-schaft haben die übrigen Männer der Werfergruppe, besonders der Ldstpfl. Trommer und der Ersatzres. Nagel gegeben, indem sie mitten im schweren Feuer ihren fallenden Kameraden zu Hilfe eilten, diese aber leider nicht mehr lebend bergen konnten“, mel-dete der Minenwerferoffizier; Leutnant Canz, dem Regiment. Die Gefallenen wurden auf dem Friedhof in Marcq am 18. Juni beerdigt.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Freitag, 15. Juni 2018

15. Juni 1918



„Im Laufe des Nachmittags wurde unser linker Nachbar abgelöst. Gegen Abend trafen auch die Vorkommandos des Res.-Inf.-Regts. 212 zu unserer Ablösung ein.
Infolge der Gefechtslage konnte die Ablösung des I. Batls. nicht sofort erfolgen. Dage-gen wurde das II. Batl. schon zwischen 9 und 11 Uhr abends herausgezogen und gelang-te nach schwierigem Rückmarsch über Le Translon – Chaudun nach Léchelle, wo es gegen 3 Uhr morgens im Eisenbahntunnel eintraf. Während so das II. Batl. wenigstens ein schützendes Dach über dem Kopfe hatte, stand das I. immer noch draußen in der Hölle des Waldes von Villers-Cotterêts. Die ganze Zeit raste das feindliche Feuer. Am Morgen des 15. folgte, nicht unerwartet, ein feindlicher Angriff. Ein schneidiger Gegen-stoß der 1. Komp. warf den Feind in seine Stellung zurück. Damit war auch dieser Kampf siegreich bestanden.
Während dieser ganzen Zeit lag der Regiments-Gefechtsstand in der Translon-Ferme unter schwerem Feuer. Kurz nach 5 Uhr früh hatte ein Geschoß schwersten Kalibers den Keller, in dem, sich der Regimentsstab mit dem zugeteilten Artilleriekommando befand, zertrümmert. Der Regiments-Kommandeur mit seinem Stab und dem der Artillerie war verschüttet. Nur den zu Hilfe eilenden Mannschaften einer Reserve-Kompagnie war es zu danken, daß die Mehrzahl der in den Trümmern Begrabenen einem qualvollen Tode entgingen. Leider hatte jedoch das zusammenstürzende Kellergewölbe schon seine Opfer gefordert. Der in allen Gefechten bewährte Regiments-Adjutant, Leutnant d. R. Grau, war mit drei braven Schützen des Stabes von den hereinbrechenden Steinmassen erdrückt worden. In wenigen Tagen hatte das Regiment zum zweitenmal seinen Adju-tanten verloren – ein tragisches Geschick!
Gegen 7 Uhr vormittags hatte das feindliche Feuer nachgelassen, so daß nunmehr auch die Ablösung des I. Bataillons erfolgen konnte. Da jedoch das Regiment nach Ablösung noch der 90. Res.-Brigade unterstand, rückte das I. Batl. zunächst in den Hohlweg nördlich  Maison Neuve-Ferme, während sich das II. Batl. für den Fall eines feindlichen Angriffs in Léchelle marschbereit hielt. Erst gegen Abend, als die Alarmbereitschaft aufgehoben wurde, rückten auch der Regimentsstab und das I. Batl. dorthin. Obwohl die Unterkunft sehr dürftig war, fühlte man sich doch nach den Schrecken des Waldkampfes hier wie in der „Etappe“. Man konnte mal wieder schlafen, ohne daß ein Ast oder Baum auf einen runterfiel, oder eine Granate einem zwischen den Beinen platzte. Auch gab es wieder warmes Essen in den kalten Magen und Wasser, um sich zu waschen.“

aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933


Donnerstag, 14. Juni 2018

14. Juni 1918





Vorbemerkung:
Heinrich Butz war am 7. Juni 1918 wegen fortgeschrittenen Alters und als Vater von vier Kindern von der 2. Kompagnie Landwehr-Infanterie-Regiment 126 zum Austausch-Kommando des Feld-Rekruten-Depots der 7. Landwehr-Division versetzt worden und zur Rückkehr in die Heimat vorgesehen. Nach dem Angriff auf die Mius-Halbinsel wurden auf Grund der zahlenmäßigen Schwäche der deutschen Truppen 400 Mann vom Feld-Rekruten-Depot der Gruppe Nord unterstellt. Die nachfolgende Schilderung der Kämpfe auf der Mius-Insel ist der Regimentsgeschichte des Ulanen-Regiments Nr. 20 entnommen.

„Am Sonntag, den 9. Juni, war anscheinend alles ruhig, wie immer. Die zurückkeh-renden Patrouillen meldeten ihr: „vom Küstenschutz nichts Neues, die Bevölkerung ruhig, alles in Ordnung.“ Am Abend schwirrten Gerüchte von einer Landung bolsche-wistischer Streitkräfte, doch konnte niemand Bestimmtes sagen. Ein Patrouillenboot fuhr aus, um auf hoher See nach dem Gegner in der Nacht noch zu suchen. Da die planmäßige Patrouille der Esk. unterwegs war, wurde diese durch 2 Meldereiter davon benachrichtigt, daß Gefahr im Anzug sei und ihr aufgetragen, erneut Nachforschungen anzustellen.
Das Patrouillenboot stieß in dunkler Nacht auf den Feind, der mit 33 Fahrzeugen, darunter einigen Kriegsschiffen, gegen die Miushalbinsel im Anmarsch war; das Boot wurde auf seinem Rückzug auf Taganrog scharf verfolgt und beim Morgengrauen donnerten von hoher See her die Schiffsgeschütze, deren platzende Grüße in Taganrog eine unwillkommene Tagwacht ansagten.
Die Meldereiter erreichten bei Tagesgrauen des 10. Juni nach scharfem Nachtritt über 25 km die in Solotnia-Kosa befehlsgemäß in der Nacht vom 9. / 10. Juni untergezogene Patrouille des Sergt. Gehm, die das Auftauchen der Flotte eben bemerkte und fertig machte, um Meldung zu erstatten und erneute Erkundungen nach andern Punkten der Halbinsel anzusetzen. Die erste Meldung erreichte die Esk. 6.15 vorm. Inzwischen waren von der Esk. eine Reihe weiterer Patrouillen als Verstärkungen (Lt. Frhr. v. Watter, Sergt. Riedinger) und Relais (Sergt. Geisel und Schleeh) abgesandt worden, außerdem aber Lt. Erbgraf zu Königsegg im Kraftwagen nach vorne gefahren, um Meldungen auf dem schnellsten Wege zurückzubringen, sowie um einen Gesamt-überblick über die Lage zu gewinnen. Er traf die Patrouille im Gefecht mit dem an zwei Stellen ausbootenden Gegner, der von der See aus mit schweren Schiffsgeschützen seine Landung unterstützte. Sergt. Gehm hatte in vorbildlichem Draufgehen mit 5 Karabiner-schützen wiederholt das erste an Land haltende Fahrzeug beschossen, bis er infolge von Feuerüberfällen aus den Hecken und Häusern durch bolschewistische Franktireurs das Feld räumen mußte. Gemeiner Weise schlug sich die früher freundlich tuende Bauern-bevölkerung alsbald auf Seiten der Bolschewiken und bedrohte unsere zurückgehenden Patrouillen mit Steinen und Prügeln. Leider verlor die Esk. an diesem Morgen drei ihrer besten Ulanen, die von Bauern überfallen (z. T. auf Patrouille, teils beim Rasten in einzelnem Hofe) nun vermißt werden (Ulan Mäule und Bauer) oder tot mit schwersten Verwundungen und der Kleider beraubt (Gefr. Kugler) gefunden wurden; auch vier vorzügliche Pferde fielen durch Artilleriefeuer oder auf Patrouille.
Vorm. 10 Uhr traf Exz. von Knoerzer in der Ortsunterkunft der Esk. ein, um sich die nun zahlreich einlaufenden Meldungen an Hand der Karte vortragen zu lassen. Der gelan-dete Feind hatte an zwei Stellen Brückenköpfe gebildet und trieb nun 10 Uhr vormit-tags, während hinten die Ausladungen planmäßig fortgesetzt wurden, Schützenlinien gegen Norden und Osten vor, welchen die Ulanenpatrouillen zäh das weitere Vordringen zu verwehren versuchte. Allein die Übermacht war zu groß. Mittags war der Feind 12 km vorwärts gekommen und bedrohte Taganrog, aus dem das Generalkommando abroll-te, um nicht die freie Hand zu verlieren.
Unter dem Führer I. Res. 224 Rittmeister v. Müller (Ul. 5) (dem Sohn des früheren Regimentskommandeurs Ul. 20) trat mittags ein Detachement zusammen, bestehend aus 1 ½ Komp. Res. 224, 1 Batterie, 1. Esk, U. 20 und einem Panzerkraftwagen mit 3 M. G.s, und rückte dem anmarschierenden Gegner entgegen, der sich schon 8 km westlich von Taganrog näherte.
Da die Lage einen Angriff auf den mehrfach überlegenen Gegner nicht ratsam er-scheinen ließ, wurde eine Stellung ausgehoben und die Nacht zur Aufklärung und zum Anrollen von Verstärkungen benützt. Aber auch der Feind brachte von Stunde zu Stunde Verstärkungen von den Schiffen, sowie Landbatterien heran. Am Morgen des 11. Juni stellten die Ulanenpatrouillen diese fest. Der Tag blieb sonst ruhig, da beide Gegner beschlossen, die Verstärkungen abzuwarten und dann zum vernichtenden Schlage, wo-möglich mit Umfassung, auszuholen. So verging ein langer Tag, zum Glück funktio-nierte der Bahntransport vollkommen, trotzdem Streiks drohten, so daß Batl. um Batl., Artillerie, Munition und alles Notwendige, das aus weitester Entfernung herangezogen werden mußte, wie mit einem Uhrwerk betrieben herankam.
Auch 2 Esk. der 5. Bayr. Chevauxleger (7. Kavalleriebrigade) unter Major von Löffel-holz, der die Führung des Detachements „Nord“ übernahm, trafen nach einem Tage-marsch von 75 km an glühend heißem Tage rechtzeitig ein. Am Morgen des 12. griffen die Bolschewiken um 10 Uhr vorm. an. Sie drangen in die zwischen den beiden De-tachements „Süd“ (v. Müller), „Nord“ (v. Löffelholz) vorhandene 3 km breite Lücke, in der sich zur Verschleierung nur eine dünne (17 Karabiner starke) Schützenlinie der 1./Ul. 20 befand. Die im rechten Moment ankommenden Verstärkungen aus eigener Infanterie warfen den angreifenden Gegner auf seine Angriffsstellung zurück und drängten ihn auf seinem linken Flügel gegen Abend und im Laufe des nächsten Tages immer mehr gegen seine Ausladepunkte an der Küste. Am Nachmittag des 13. Juni übernahm Oberst Bopp (Ul. 20), Kommandeur der 53. Landw.-Inf.-Brigade, den Befehl. 5 Uhr nachm. trat alles zum Sturm an. Verzweifelt wehrten sich die Desperados, deren Reiter, 60 an der Zahl, in kühner Attacke den Durchbruch zur Flucht riskierten. Bis zu Leitung „Süd“ durchdringend, fielen die letzten von den Karabinern der Ulanen nieder-geschossen. In einem Gehölz an der Landungsstelle zusammengepfercht, versuchten Tausende die Flucht auf Flößen und Fischerseglern, die von Artillerie, M. G. und Schützen mit Feuer überschüttet wurden, wollten auf ihren Pferden im seichten Meere der Steilküste, die Tod und Verderben spie, entlang reitend, an unbewachter Stelle das rettende Ufer erreichen. Vergebens. Der Tod hielt reiche Ernte. Ein Schlachten war’s, nicht eine Schlacht zu nennen, dem die Nacht ein Ende setzte. Der Rest mit einer Anzahl von Weibern ergab sich auf Gnade und Ungnade, welch letzterer alle, da Pardon weder verlangt noch gegeben wurde, im Feuer von M. G. fielen. Von den 10 000 gelandeten Bolschewiken sind wohl kaum 1000 Mann, diese meistens verwundet, entkommen. Die Beute betrug 7 Geschütze, viele M. G. s, Massen von Gewehren und Munition auf den Transportschiffen, von denen 9 nicht mehr vom Lande abkamen, und sonstiges Kriegsmaterial aller Art.“


aus: „Bilder aus der Geschichte de Ulanen-Regiments König Wilhelm I (2. Württ.) Nr. 20“, Stuttgart 1934

Mittwoch, 13. Juni 2018

13. Juni 1918



„Unablässig lag das feindliche Artilleriefeuer auf dem Wald. Ächzend splitterten dessen Stämme im Granathagel. Ungeheuerlich dröhnten die Einschläge. Dazwischen klatsch-ten Gewehr- und M. G.-Geschosse mit scharfem Knall gegen das Astwerk. Holz- und Eisenfetzen flogen surrend umher. Ein unbeschreibliches Gewirr von Ästen und Stäm-men sperrte den Weg.
Trotz alledem traten 10 Uhr vormittags die Stoßtrupps des I. Bataillons an und drängten, der Feuerwalze folgend, den hartnäckigen Verteidiger schrittweise zurück. Bald war jedoch die Verbindung nach rechts und links abgerissen. Unsere Patrouillen stellten fest, daß beide Nachbarn zurückgeblieben waren. Die rechts anschließende 4./211 wurde zwar auf die Höhe des Württ. Gebirgs-Regiments vorgeführt, die links angrenzende 3./218 erklärte aber, daß sie wegen schwerer Verluste zunächst nicht weiter vorgehen könne.
Dessen ungeachtet setzte Leutnant d. R. Schropp mit seiner 3. Komp. den Angriff fort und erreichte gegen 11 Uhr vormittags die Schneise, etwa 1500 m östlich La Beauve. Inzwischen waren auch die 1. und 2. Komp. unaufhaltsam gegen den Waldrand östlich Montgobert vorgestoßen. Nach letztem, verzweifeltem Widerstand des Gegners nördlich La Beauve gelang es, dort in der „2. Pariser Stellung“ einzudringen, diese ein Stück weit nach beiden Seiten aufzurollen und dann abzuriegeln. Die Stoßtrupps folgten dem weichenden Gegner bis zur großen Straße, wo sie vor dem Widerstand feindlicher Reserven Halt machen mußten. Währenddessen wurde beobachtet, wie der Gegner, offenbar überrascht durch unser schnelles Vordringen, nördlich Montgobert zurückging. Aus dem Ort selbst galoppierten französische Artilleriegespanne heraus, um die noch östlich davon stehenden Geschütze zurückzuholen. Gegen 2 Uhr nachmittags meldete Vizefeldwebel Köpcke, der Sturmtruppführer der 2. Komp., daß sich der Feind gegen den linken Flügel seines Sturmtrupps heranziehe. Allem Anschein nach war der Feind auf unserem linken Flügel infolge des Zurückhängens des Res.-Inf.-Regts. 218 noch nicht genügend erschüttert und suchte jetzt dort einen Gegenstoß anzusetzen. Sofort wurden Sicherungen vorgeschoben, denen es auch nach hartem Kampf gelang, einen starken, von Südwesten kommenden Gegner zurückzuschlagen. Nun richteten sich die Kompagnien, verstärkt durch die 2. M. G.-Komp., etwa 100 m jenseits der genommenen feindlichen Stellung zur Verteidigung ein.
Auf die Meldung von Oberleutnant Roller, daß das I. Batl. die „2. Pariser Stellung“ und damit das befohlene Tagesziel erreicht habe, folgte 2 Uhr nachmittags folgender Regi-mentsbefehl:
„I. Batl. geht über die „2. Pariser Stellung“ (dicht östlich der Straße Valsery – Ferme La Beauve) vorläufig nicht hinaus. Das Vorarbeiten des Res.-Inf.-Regts. 211 rechts und des Res.-Inf.-Regts 218 links muß abgewartet werden. Verbindung mit dem linken bzw. rechten Flügel dieser Regimenter ist zu nehmen. Patrouillen sind zur Sicherung bis über die große Straße vorzuschieben. Die eroberte Stellung ist zur Verteidigung einzurichten und zu halten. I. und II. Batl. nehmen sofort Tiefengliederung ein und sichern ihre Flanken.“
Der Gegner machte verzweifelte Versuche, das verlorene Gelände zurückzugewinnen. Seine Artillerie tat ihr Äußerstes, um uns den Aufenthalt im Walde unmöglich zu ma-chen. Vergebens. Jeder Versuch, unsere Linie zu durchbrechen, scheiterte. Die Gebirgler wichen nicht. Restlos wurde die Stellung gehalten. Aber unter schweren Opfern – 16 Tote, 86 Verwundete!“


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Dienstag, 12. Juni 2018

12. Juni 1918




„Der Verlauf der vorderen Linie war hier bei Serre etwa derselbe wie vor den Kämpfen im Juli 1915, südlich Hébuterne bis La Signy-Ferme einschließlich. Es war eine Trich-terstellung fast ohne Unterstände, nur das Bereitschaftsbataillon hatte einige, teilweise vom Regiment selbstgebaute Unterstände. Sonst war von den alten Bauten und Anlagen des Regiments aus dem Jahr 1916 nichts mehr zu sehen. Das Massengrab vom Juli 1916, die großen Küchenunterstände bei den „Fünf Weiden“. die Feste Soden mit ihren Unterständen waren nicht mehr zu finden; Serre war vollständig mit Brennessel über-wuchert. Überall lagen noch tote Pferde herum; ein besonderes Kommando zum begra-ben derselben hatte wochenlang zu tun. In den kommenden Wochen herrschte rege Kampftätigkeit. Dauerndes Artilleriefeuer, besonders bei Nacht, starke Feuerüberfälle mit nachfolgenden Patrouillenvorstößen. Handgranatenkämpfe, Minenfeuer, systemati-sche Beschießung einstiger Unterstände mit Gasgranaten, Beschießung der Anmarsch-wege wechselten gegenseitig ab. Auch Flieger beteiligten sich an dem Kampfe mit Maschinengewehren und warfen Bomben aus geringer Höhe auf die Stellung ab. Das Reservebataillon in Grévillers wurde oft von Fliegern angegriffen. Am 11. Juni hatte das I. Bataillon allein 1 Toten und 22 Verwundete durch eine Fliegerbombe. Der englische Flieger beherrschte alles.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922

Montag, 11. Juni 2018

11. Juni 1918


„Am 11. Juni wurde das schwer erschöpfte R. 120 abgelöst durch Regiment 408. Während dieser Ablösung erfolgte ein Angriff der Franzosen gegen Bethancourt. Nach vorausgegangenem Trommelfeuer drang ihre Infanterie in den Ort ein. Das I./R. 120 war schon aus Bethancourt herausgezogen aber noch nicht gesammelt. Der Bataillons-führer, Hauptmann Gebhardt, raffte vom Bataillon zusammen, was zusammenzuraffen ging, stieß damit hinein in das Dorf und warf die Franzosen wieder hinaus. 50 Gefan-gene machte das Bataillon bei seinem Vorstoß. Die Franzosen gingen zurück auf Mache-mont. Das Sammeln des Regiments konnte seinen Fortgang nehmen.
Die Verpflegung in den 3 Kampftagen war nicht schlecht gewesen. Überdies erbeutete das Regiment große Mengen von französischem Weißbrot, Kaffee, Tee, Schokolade und dergl. Über den Sanitätsdienst der 11. Division dagegen wurde sehr geklagt.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Sonntag, 10. Juni 2018

10. Juni 1918




„Der große Augenblick war gekommen, die Offensive begann auch für uns.
Schon am 8. Juni – die Truppe ruhte – ritten die Stäbe des Regiments und der Bataillone vor und erkundeten die mitgeteilten Bereitstellungsplätze für den Angriff. Es ergab sich, daß diese Plätze Nacht für Nacht unter schwerstem feindlichem Feuer lagen. Unter solchen Umständen hätte man mit großen Verlusten rechnen müssen, noch ehe man in den eigentlichen Kampf trat. Oberstleutnant Fleischmann stellte daher den Antrag, daß das Regiment erst bei Beginn des Vorgehens dort einzutreffen habe. Das wurde geneh-migt.
R. 120 und seine Begleitbatterie marschierten daher in der Nacht vom 8. auf 9. Juni zunächst nur in die Gegend nördlich und nordöstlich Cuy und warteten hier das weitere ab. 12.50 vorm. begann am 9. Juni das Vorbereitungsschießen der deutschen Artillerie, der Gegner erwiderte nur schwach. 2.30 vorm. wurde vom Regiment der Marsch wieder aufgenommen nach den Bereitstellungsplätzen; es war eine stockdunkle Nacht mit dich-tem Nebel.
Zwei Stunden später erfolgte die elektrische Zündung von 800 deutschen Minen, zu-gleich das allgemeine Angriffssignal. Auch unser Regiment hatte sich auf dieses Zei-chen wieder in Bewegung gesetzt, von den Bereitstellungsplätzen aus. Alles war in fieberhafter Spannung.
Doch nach kurzer Zeit trat schon wieder eine Stockung ein, das vor uns marschierende Grenadierregiment 10 konnte über den sumpfigen Divettegrund nicht hinüber. Die Kompagnien dieses Regiments mußten teils durch Umwege, teils auf andere Art das Hindernis überwinden.
Währenddessen stellte das I./R. 120 einen behelfsmäßigen Übergang her und schob sich über diesen heran gegen Thiescourt, wo es 6.30 vorm. anlangte. Das Dorf selbst lag unter feindlichem Feuer, deshalb blieb das I. Bataillon nördlich davon in der alten franzö-sischen Stellung.
Das II. Bataillon traf den Oberbau der Brücke bei Evricourt zerstört an, die Pfeiler standen noch unverletzt. Ein neuer Oberbau wurde gelegt; vorsichtig überschritten, sobald dies möglich war, auf halbfertigem Steg 2 Kompagnien den Divettegrund.
Für all diese Brückenbauten war keinerlei Material bereitgestellt worden; auch mußten die einstigen Infanteriepioniere aus ihren jetzigen Kompagnien erst zusammengeholt werden. Das alles brauchte viel Zeit. Währenddessen lag der Divettegrund nicht nur stark unter feindlichem Feuer, er war auch so sehr vergast, daß Aufenthalt und Arbeit hier nur mit Maske möglich war.
Um 9.20 vorm. traf, freudig begrüßt, die Nachricht ein, Plémont westlich Thiescourt und Thiescourt selbst samt den südlich vorliegenden Häusern seien genommen, Connectan-court wahrscheinlich durchschritten, an den Divetteübergängen werde noch gearbeitet. Die Brigade habe sofort den stürmenden Bataillonen der 11. Division zu folgen. Die Fahrzeuge sollten nachkommen, sobald die Divettübergänge dies ermöglichten.
Das I./R. 120 ging von Thiescourt aus weiter vor, bis in die vorderste Linie des Kampf-es, um hier links neben Grenadierregiment 10 in das Gefecht einzugreifen. Vom II. Bataillon rückten auf den eben genannten Befehl hin sämtliche Kompagnien über den Divettegrund hinüber, das III. Bataillon blieb noch als Reserve des Regiments in der Gegend von Cuy.
Der deutsche Angriff rechts von uns schritt gut vorwärts, auf dem Lörmont aber, also vor uns, war das Grenadierregiment 10 auf heftigen Widerstand gestoßen.
Um 2 nachm. mußte hier von neuem das Vorbereitungsfeuer der deutschen Artillerie einsetzen, dann gelang es dem Regiment 10 und dem mittlerweile links daneben eingetroffenen I./R. 120 auf dem Nordwesthang des Berges vorwärts zu kommen, bis etwa 150 Meter unterhalb der Kuppe. Hier aber stand man vor einem fast völlig unver-sehrten Drahthindernis und über dieses hinweg raste uns französisches M.-G.- und Gewehrfeuer entgegen. Es gab kein anderes Mittel, als möglichst gedeckt nochmals abzuwarten, bis die Artillerie nochmals Bahn geschossen haben würde, um dann dicht hinter deren Feuerwalze vorzustürmen.
Alles war hiezu vorbereitet, die Artillerie entsprechend verständigt, da traf der Befehl ein, die 204. Division ohne R. 120 habe behufs anderweitiger Verwendung sofort von hier abzurücken, unser Regiment sei der 11. Division unterstellt.
Das II./R. 120 hatte unterdessen bei Evricourt auf dem äußersten rechten deutschen Flügel sich entwickelt. Gegenüber dem sehr starken Gegner war es aber dem Bataillon ebenso wie dem preußischen Regiment 408 links daneben nicht gelungen, erheblich vorwärts zu kommen.
Jetzt, wo die 204. Division samt ihrer Artillerie herausgezogen werden mußte, jetzt verzögerte sich der Wiederbeginn des Angriffs auf den ersten Teil des Lörmonts natur-gemäß.
R. 120 zog zunächst seine 11. und 12. Kompagnien das erste Treffen vor und stellte sie dem I. Bataillon zur Verfügung. Dieses füllte mit den beiden Kompagnien die große Lücke rechts neben sich aus, zwischen den Grenadieren und dem Bataillon selbst.
Der Rest des III. Bataillons rückte als Regimentsreserve an den Nordrand von Thies-court, ebenso ein Zug der Begleitbatterie.
Nach 8 abds. konnte der Angriff wieder aufgenommen werden. Die Artillerie arbeitete aus allen Rohren, doch leider schoß die schwere wiederholt zu kurz und veranlaßte insbesondere beim I. Bataillon starke Verluste.
Von solchen Dingen ist die moralische Wirkung noch schlimmer als die tatsächliche.
8.30 konnte die Infanterie wieder antreten. Einzelne französische M.-G,-Nester leisteten hartnäckigen Widerstand, dazwischen aber brach der deutsche Angriff durch und nahm dann die M.-G.-Nester von der Seite her.
Auch das II. Bataillon bei Evricourt vermochte jetzt nach vorwärts Boden zu gewinnen. Nach einer Stunde war der Lörmont in unserem Besitz, die Bataillone des R. 120 lagen am Süd- und Südosthang des Berges, der Anschluß an die Nebentruppen, rechts Regi-ment 10 und links Regiment 408 war vorhanden.
Erbeutet hatte das Regiment 1 Geschütz, 30 schwere und viele leichte M.-G., 19. M.-W. Die eigenen Verluste betrugen an Toten 1 Offizier und 40 Mann, an Verwundeten 3 Offiziere und 108 Mann.
Gegen den Kellerwald gingen Patrouillen vor. Ein Nachdrängen in größeren Abteilun-gen verbot die Dunkelheit, welche nun rasch sich über dem unübersichtlichen Gelände ausbreitete. Die Truppen biwakierten daher in ihrer Kampfstellung.
Am andern Morgen, am 10. Juni, rückte die Division weiter vor. R. 120 trat aber erst um 120.15 vorm. an und zwar durch die Mulde von Orval. Man erreichte die Straße nach Ribécourt und stieß hier auf den Anfang des Regiments 408. R. 120 mußte halten, um erst dieses durchzulassen. Jetzt schlugen feindliche Granaten auf den von uns eben verlassenen Lörmont und die Orvalmulde ein; die Marschkolonne des Regiments blieb augenscheinlich unbemerkt.
12.10 konnte wieder angetreten werden. Dabei benutzte das III. Bataillon die Straße Orval – Cambronne, das II. marschierte links daneben, das I. links neben diesem; allge-meine Richtung Attèche-Ferme.
Sobald aber die Spitzen der Bataillone die Hochfläche südlich Orval erreichten, empfing sie starkes M.-G.- und Gewehrfeuer aus südlicher Richtung, besonders von der Attèche-Ferme her. Das I. und III. Bataillon traten alsbald ins Gefecht, das II. wurde als Reserve hinter das I. genommen.
Das III. Bataillon erhielt jedoch auch Feuer aus dem Kellerwald, also von halbrechts her. Der 11. Kompagnie mit 2 M.-G. gelang es, über den Wiesengrund in den Wald gegen des Gegners Flanke vorzudringen. Die 12. Kompagnie warf den Feind, der die Gräben östlich der Straße besetzt hielt, zurück und stieß ihm dann in südlicher Richtung nach. Die 9. und 10., M.-W. und Begleitbatterie folgten auf der Straße. So erreichte das Bataillon kämpfend die Höhe, auf welcher die Ferme gelegen ist, und schickte sich an, den Hof selbst zu nehmen.
Das I. Bataillon war unterdessen mit seinen vordersten Teilen aus dem Wald heraus-getreten. Da sah sich die Spitze einem vierfachen Grabensystem gegenüber. Es gelang, ihr sich bis an das davor liegende Drahthindernis heranzuschleichen und dieses zu durchschneiden. Die Spitzenkompagnie folgte. Zwar fiel der Führer, Leutnant Binder, aber durch die Drahtlücke hindurch drang die Kompagnie weiter; die übrigen Kompagnien des I. Bataillons griffen ein und das ganze französische Grabensystem wurde aufgerollt.
Doch die Ferme selbst zeigte sich stark befestigt und besetzt, so daß der Auftrag des I. Bataillons, links an derselben vorbeizustoßen, zu einer taktischen Unmöglichkeit wurde. Hauptmann Gebhardt, der stets bewährte Bataillonsführer, setzte auf eigene Verantwor-tung seine Kompagnien zum links umfassenden Angriff gegen die Ferme an.
Noch aber schlugen in dieser deutsche Granaten ein, mit Leuchtkugelzeichen mußte man erst die deutschen Geschütze zum Schweigen veranlassen. Dann ging der Angriff vorwärts, unaufhaltsam vorwärts. Zur Unterstützung des I. Bataillons waren noch die 11. und 12. Kompagnie eingetroffen; um 2.15 nachm. befand sich die Attèche-Ferme im Besitz der 6 Kompagnien.
2 französische Offiziere und 200 Mann fielen als Gefangene in deutsche Hände, der Rest, etwa 300, entflohen in südliche Richtung.
Das III. Bataillon war mittlerweile vollzählig herangekommen, es folgte gemeinsam mit dem I. dem weichenden Feind. Die Begleitbatterie fuhr im Galopp auf und sandte ihm ihr Feuer nach.
Auch das II. Bataillon, bisher Regimentsreserve hinter dem I., rückte gegen die genom-mene Ferme nach. Da schlugen von rückwärts her deutsche Granaten wieder in diese ein. Vielleicht war das Mißverständnis veranlaßt worden durch den Kanonendonner des eben erwähnten Verfolgungsfeuers. Das II. erlitt Verluste und wich nach Süden aus.
Etwa 1 Kilometer südlich Attèche mußte das Regiment zunächst einmal seine gänzlich durcheinandergekommenen Verbände ordnen. Dann erst konnte wieder angetreten werden, und zwar nunmehr vom II. Bataillon auf Antoval, vom III. auf Ribécourt, das I. folgte dem III. Eine Reihe M.-G.-Nester empfingen die Bataillone mit ihrem Feuer. Doch man nahm sie eines um das andere. Aber langsam nur kam das Regiment auf diese Art vorwärts und die beiden Führer der vorderen Bataillone, Major Schmidt und Haupt-mann Wider, wurden verwundet.
So erreichte das III. Bataillon Ribécourt, mußte aber angesichts des Ortes noch einmal Halt machen, weil deutsches Artilleriefeuer in demselben einschlug. Erst nach Aufhören desselben stieß das Bataillon durch den Ort hindurch bis zur Kanalbrücke. Einige Franzosen, die im Begriff waren, die Brücke zu sprengen, wurden abgeschossen, der Kanal überschritten und die Zündleitungsdrähte durchschnitten.
Weiter ging es, über La Verrue-Ferme nach der Oisebrücke. Auf 100 Meter schon waren die vordersten Schützen herangekommen, da flog mit Donnergetöse die Brücke in die Luft. Auch die andern in der Nähe befindlichen Oiseübergänge waren zerstört.
Leutnant Schmidt von der 11. Kompagnie durchschwamm den Fluß und holte einen am Südufer liegenden Kahn. In diesem setzten ein paar Mann über. Sie fanden das Gelände hier bis auf einige Patrouillen frei vom Feind.
Auf die entsprechende Meldung hin schob das Bataillon eine seiner Kompagnien über die Oise vor, mit den andern besetzte es Ribécourt und die Kanalbrücke. 2 Kompagnien des Gegners, welche – anscheinend abgeschnitten – von Pimprez her auf Ribécourt marschierten, wurden mit Feuer empfangen und ergaben sich. Ähnliches Schicksal hatten Franzosen, welche von Ville und Dreslincourt her abziehen wollten.
Das II. Bataillon kämpfte sich indessen mühsam in Richtung Antoval vor, überwand verschiedene M.-G.-Nester und nahm 2 noch feuernde 15 Zentimeter-Batterien. Von einer dritten entflohen im letzten Augenblick die Bedienungsmannschaften, die Ge-schütze fielen in die Hand des II./R. 120. In Antoval und Cambronne stieß das Bataillon auf starken französischen Widerstand, die deutsche Kraft reichte nicht mehr aus, den-selben zu brechen, der Siegeszug kam vorläufig ins Stocken.
Das I. Bataillon endlich hatte der Regimentskommandeur über das vom III. genommene Ribécourt nachgezogen und dann gegen Bethancourt angesetzt. Aber auch im letzteren Ort leisteten die Franzosen zähen Widerstand. Da traf gegen 9 abends das II./408 bei unserem Regiment ein.
Mit Hilfe dieser noch ziemlich frischen Truppe und kräftig unterstützt durch das Feuer eines Zuges der Begleitbatterie gelang es, Bethancourt zu nehmen. Doch mußte dabei Haus um Haus dem Feind abgerungen werden.
Jetzt war auch Cambronne und Antoval für den Feind unhaltbar, sie fielen in unsere Hand.
Unsere Verluste am 10. Juni waren weniger schwer gewesen als tags zuvor. Sie betrugen an Toten 2 Offiziere und 13 Mann, an Verwundeten 44 Mann mit 2 Offizieren. Reich, überreich aber war unsere Beute. 34 Geschütze, darunter viele schwere, hatte R. 120 genommen, ferner eine Unmenge M.-G., 1 Auto, Munition, Gewehre, Kriegsmaterial aller Art. Mindestens 800 Gefangene, darunter 20 Offiziere, hatte man nach rückwärts abbefördert.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Samstag, 9. Juni 2018

9. Juni 1918



„Um 12.50 Uhr morgens begann die Artillerievorbereitung mit einer Mächtigkeit, daß die Erde erzitterte. Das erste war wieder das Vergasen der feindlichen Artillerie. Bald setzte auch empfindliche feindliche Gegenwirkung ein. Bei 4./49 wurde Blaukreuz-munition zur Explosion gebracht und die Batterie mußte vorübergehend die Stellung räumen. Die Batterie hatte auch später sehr unter dem feindlichen Feuer zu leiden, so daß Unteroffizier Lendler und Kanonier Weißhaar fielen und Kanonier Brucker und Notz schwer verwundet wurden und die Batterie am Abend ihre Stellung verlegen mußte.  Auch bei 6./49 wurden zwei Mann schwer verwundet. Bei 5./49 fielen infolge von Beschädigungen nach und nach alle Geschütze aus, so daß die Batterie andern Tags nach Fréniche rücken mußte, um sich neu auszurüsten. Mit Beginn des Sturmes um 4.20 Uhr vormittags wurden auf der ganzen Front gleichzeitig tausend mittlere Minen abge-schossen. Es war im Verein mit dem Artillerietrommelfeuer ein in der Weltgeschichte nie dagewesenes Ohrenschauspiel.
Um 4.20 Uhr vormittags nach Beginn der Feuerwalze schied die I./49 aus ihrem Gruppenverband aus. Es war noch vollständig Nacht und für die in der Gegend Bussy bereitgestellten und bis Forsthaus – Grunewald allmählich herangezogenen Protzen war es keine Kleinigkeit, sich zwischen den immer noch in der Feuerwalze begriffenen Kompagnien hindurchzuwinden, um aufzuprotzen. Es gelang jedoch ohne Schaden, trotz vereinzelt noch einschlagender schwerer Schüsse, die Abteilung an der Vormarsch-straße der 204. (württ.) Inf.-Division, welcher die I./49 und einige Stunden später auch die III./49 zugeteilt waren, bereitzustellen. Die I./49 sollte dem Res.-F.-A.-R. 27, dem sie, wie auch später die III./49 unterstellt war, folgen, während die II./49 bis auf weiteres aus ihrer bisherigen Stellung den Angriff der 202. Inf.-Division zu unterstützen hatte. Die Vormarschstraße der 204. Inf.-Division, ein schlechter, auf Cuy zuführender Wald-weg, war lange Zeit verstopft und dazu unter dem Feuer vernichtender Einschläge mittelschweren Kalibers, so daß die Abteilung in einer recht unangenehmen Situation war. Von 1./49 fiel dabei Unteroffizier Dürr und wurden Unteroffizier Gaiser, sowie sechs Pferde verwundet. Nach langem Aufenthalt ging es weiter auf Cuy.
Die III./49 war zu gleicher Zeit über Suzoy dorthin gelangt. Beide Abteilungen kreuzten sich dort. Die I./49 mit dem Befehl auf Höhe südlich Cuy, III./49  mit dem Befehl bei Evricourt in Stellung zu gehen. Letzteres erwies sich als unmöglich, da der Angriff der Infanterie ins Stocken geraten war und die überragenden Höhen des Loermont und südlich Connectancourt noch nicht erklommen waren. III./49 wurde bald darauf nach Lassigny dirigiert und dem Regimentsstab unterstellt, welcher um 10 Uhr vormittags von dem Kommando als Aka-Gruppenstab abtrat und das Kommando über die schwere Artillerie der 204. Inf.-Division zu übernehmen hatte und zu diesem Zweck sich bei dem Artilleriekommandeur dieser Division, Oberst Frhr. v. Mühlen, auf dem Divisions-Gefechtsstand bei Lagny einfand.
Recht unglücklich traf es die I./49. In der am Vormittag erfolgten schwersten Beschies-sung von Cuy war eine Pause eingetreten. Das bei Cuy in Betracht kommende Gelände war derart unwegsam, daß nur ein steiler Hohlweg die Zufahrt zu den Stellungen südlich des Ostausgangs von Cuy bildete. Als die vorderste, die 1. Batterie in diesen Hohlweg eingebogen war, wurde sie, wohl durch feindliche Flieger, entdeckt und mit einem Feuerüberfall schweren Kalibers erfaßt. Die nachfolgende 2./49 wollte kehrt machen, um auf einem anderen Weg in die Stellung zu gelangen; am Ostausgang von Cuy trafen sie vernichtende schwere Brisanzgranaten. Das Bild war ein erschütterndes. Überall liefen losgerissene verwundete Pferde blutend herum. Bei 2./49 war der durch seine Tapferkeit und Pflichttreue so hoch geschätzte, mit dem Eisernen Kreuz I. Kl. ausge-zeichnete Sergeant Eble und Unteroffizier Beyer, Gefr. Kümmerle, Kanonier Kohler, Heinkel und Kottmann gefallen. Leutnant Sigwarth so schwer verwundet, daß er nach zwei Tagen starb. Außerdem waren von der 2./49 noch 6 Mann verwundet, 6 Pferde getötet und 3 verwundet; bei 1./49 waren 2 Mann schwer verwundet, 5 Pferde getötet und 4 verwundet. Bei dieser Gelegenheit muß derjenigen anerkennend gedacht werden, welche trotz des todbringenden feindlichen Feuers den Verwundeten und Sterbenden Hilfe leisteten und durch zweckdienliche Anordnung es ermöglichten, daß die zusam-mengeschossenen Gespanne trotzdem die Batterien rasch in Stellung brachten. Unter diesen Persönlichkeiten sei neben manchen anderen der Wachtmeister Waldmann der 2./49 und auch der Stabsveterinär Dr. Reichert, der in diesem Augenblick bei der 2./49 marschierte, genannt.“