Mittwoch, 31. Oktober 2018

31. Oktober 1918



„Anton  H e i z m a n n, Mühle.
Geb. 17. Juli 1898.
Sohn des Adolf Heizmann, Müller
und der Emma geb. Zug.
W e h r d i e n s t: im Krieg: Inf.-Regt 476/11.
Gestorben an den Folgen der Verwundung am 31. Oktober 1918 in Hirrlingen als Ers.-Rekr...

Bei dem ungemein scharfen Gefecht um Beaumont, 11 Kilometer nördlich Verdun, bei dem am 26. August 1917 Eberhardt und Deibler, fielen, waren außer dem Regiment 475 auch die Regimenter 476 und 127 der 242. Inf.-Div. in Mitleidenschaft gezogen.
Am 27. August 1917 wurde Heizmann durch Artilleriegeschoß in der „Namenlosen Schlucht“ am Hessenplatz bei Beaumont am Kopf, linken Oberschenkel, linken Fußze-hen, rechten Fußfersen, an der linken und rechten Hand verwundet.
Im Lazarett in Montmedy und dann in den Heimatlazaretten gelang seine Wiederher-stellung nie mehr ganz. Die Überlieferung behauptet, er sei an Gasvergiftung gestorben, in den amtlichen Lazarettnachweisen ist aber nirgends davon die Rede. Wahrscheinlich hat das den Sprengstückchen der Granaten anhaftende Gas den Körper vergiftet.
Von der Truppe war er mit Rentenanspruch entlassen worden. Er starb in der idyllischen oberen Mühle in Hirrlingen am 31. Oktober 1918 an den Nachwirkungen seiner Verlet-zungen.
Auf dem Friedhof in Bietenhausen ist er begraben worden.
Heizmann war 20 Jahre alt und ledig.“

aus: „Hirrlingen Kreis Tübingen (Württemberg) Ehrenbuch 1914-18“, Cannstatt ca. 1939

Dienstag, 30. Oktober 2018

30. Oktober 1918



„Der Feind schien die Absicht zu haben, weitere Opfer an Menschen nunmehr zu spa-ren, denn der in diesen Tagen durch die deutsche Regierung erbetene Waffenstillstand ließ ihn nicht unberechtigterweise hoffen, sein Ziel, die Niederwerfung Deutschlands in Bälde ohne nennenswerte weitere Verluste doch zu erreichen. Dies hinderte ihn aber nicht, uns die Überlegenheit seiner unerschöpflichen Vorräte an Material und Munition zum Bewußtsein zu bringen. Unaufhörlich sausten die Granaten aller Munitionsfabriken der Welt auf unsere Stellungen und französische, englische und amerikanische Chemi-ker hatten Giftgase aller Art fabriziert, die nun noch vor Kriegsende ihre Wirkung an uns zeigen sollten. Nebel- und Rauchbomben verwandelten das ganze Kampfgelände in ein unheimliches Nebelmeer, in dem die Tanks und Panzerwagen, denen wir nichts Ähn-liches entgegenzustellen hatten, plötzlich auftauchten und wie vorweltliche Ungeheuer Tod und Verderben in unsere Reihen spien.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Montag, 29. Oktober 2018

29. Oktober 1918



„Die Brücken über den Sambrekanal waren in diesen Tagen von deutschen Pionieren gesprengt worden. Das feindliche Artilleriefeuer ging weiter, auch mit Gasgranaten, die Reste des Regiments schmolzen, immer kleiner und kleiner werdend. Und bei alledem machten Leute des Regiments unter schneidigen Führern Patrouillenvorstöße, aus welchen sie als Sieger zurückkamen, mit erbeuteten englischen Waffen und Abzeichen.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Sonntag, 28. Oktober 2018

28. Oktober 1918



„Mit schweren Sorgen sahen Kommandeur und Führer der Zukunft entgegen. Die Kompagnien, an und für sich nicht stark, hatten durch Marschausfälle und Krankheit sehr gelitten. Die vielen feindlichen Angriffe hatten zahlreiche Opfer gefordert. So sank die Stärke der Kompagnien immer mehr; es gab solche mit einem Bestand von 10 und 12 Mann. Wohl hielt es die Stimmung aufrecht, daß bisher der Feind immer wieder seinen Rücken zeigen mußte. Allein, konnte dies auch weiterhin erzwungen werden? Der Schwabe ist zäh und nicht leicht ist er aus seiner Bahn zu werfen. Allein, wo Übermenschliches geleistet werden mußte, konnte er dies noch, mit zerrütteten Nerven, zum Umfallen müde? Ja, er konnte es. Hier bei Vouziers bekam das Wort Treue seinen Sinn. Der Geist der Zersetzung, der Untreue, im schwäbischen Kopfe fand er keinen Eingang. „Aushalten!“ hieß es; also tat man’s, und schaute nicht, wieviele noch da waren, sondern nur, wieviele kamen.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Samstag, 27. Oktober 2018

27. Oktober 1918



„Am 26.10. erneuter Angriff. Dem vereinigten Feuer gelang es, ihn im Keime zu erstik-ken.
Am folgenden Tage legte der Feind den Hauptdruck gegen die rechte Nachbardivision.
Bei der 1. Batterie traten an diesem Tage bei einem Feuerüberfall schwere Verluste ein. Leutnant Bantlin, der erst vor wenigen Tagen ihre Führung übernommen hatte, fiel, mit ihm 2 Kanoniere. Leutnant d. R. Müller und 7 Kanoniere wurden verwundet.
Nachdem am 27. und 28.10. Angriffe gegen den rechten Flügel der Division gescheitert waren, hielt der Feind in den letzten Oktobertagen Ruhe.“

aus: „Das 2. württ. Feldartillerie.-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Freitag, 26. Oktober 2018

26. Oktober 1918


„Die Artillerietätigkeit blieb dauernd sehr lebhaft. Entweder kamen lageweise Vernich-tungsfeuerwellen oder kurze heftige Feuerüberfälle. Die vorderste Linie und der Regi-mentsgefechtsstand dicht dahinter waren die gesuchtesten Ziele. Mit dem 26. Oktober nahm die Zahl der feindlichen Flieger zu, wie am Cornillet schießt sie die feindliche Artillerie ein. Auch gegen unsere Minenwerfer ist das feindliche Artilleriefeuer gerich-tet. Leider hat in diesen Kampftagen unsere eigene Artillerie wieder und wieder zu kurz geschossen und unsern Linien dadurch sehr weh getan. Diese Kurzschüsse sind mit größter Wahrscheinlichkeit auf die schlechte Munition und unsere ausgeschossenen Ge-schützrohre zurückzuführen.“

aus: „Die Geschichte des Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 476 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Donnerstag, 25. Oktober 2018

25. Oktober 1918



„Am 25. Oktober 6.45 Uhr vormittags setzte im Abschnitt der Division schlagartig Trommelfeuer auf die vordersten Linien, auf erkannte Reserven und Batteriestellungen sowie auf rückwärtige Unterkünfte, insbesondere auch wiederum auf Neuville und auf Anmarschwege ein.
Das Feuer auf die vorderste Linie wanderte 7 Uhr vormittags feuerwalzenartig nach Norden. Gleichzeitig wurde der West- und Südrand von Vesles von den Höhen östlich und nordöstlich von Grandlup mit heftigem Maschinengewehrfeuer belegt. Zahlreiche Mannschaften und drei leichte Maschinengewehre der 12. Kompagnie wurden dadurch außer Gefecht gesetzt.
Die 10. Kompagnie hatte schon um 6 Uhr vormittags von Pierrepont eine Patrouille über die Kanalbrücke vorgesandt, um die Stärke des Gegners festzustellen, der sich in den Häusern an der Wegegabel westlich Pierrepont eingenistet hatte. Die Häuser waren stark besetzt. Außerdem wurde ein auffallend lebhafter Verkehr auf dem westlichen Kanalufer festgestellt. Die Maschinengewehre am Südwestrand von Pierrepont gaben darauf Stö-rungsfeuer auf das westliche Kanalufer ab, bis sie durch das gut liegende Vorbereitungs-feuer französischer Artillerie zum Schweigen gezwungen wurden. Während dieses Feu-ers arbeitete sich der Gegner nahe an Vesles und Pierrepont heran und stellte sich zum Angriff bereit.
Zugleich mit dem Zurückverlegen des Artilleriefeuers brach der feindliche Angriff, ohne vorausgehenden Schützenschleier, in dichten Massen gegen die beiden Dörfer Vesles und Pierrepont vor. Vesles wurde mit den Hauptkräften von Westen her, da, wo sich kein Sumpf befindet, angegriffen. Hier waren 2 Züge der 12. Kompagnie mit 6 Maschinengewehren eingesetzt. Trotzdem, wie wir gesehen haben, schon vor Beginn des Infanterieangriffs erhebliche Verluste durch feindliches Artilleriefeuer bei der 12. Kompagnie eingetreten waren, hielt sich die Besatzung des West- und Südwestrandes von Vesles lange Zeit gegen vielfache Übermacht. Inzwischen gelang es dem Gegner sich im unübersichtlichen Sumpfgelände mit kleineren Abteilungen von Süden und Süd-osten her an Vesles heranzupürschen, die dort eingesetzten Postierungen im Nahkampf zu überwältigen und die Besatzung des Westrandes im Rücken zu fassen. In der Front von einem weit überlegenen Gegner beschäftigt, im Rücken bedroht, blieb der Kompag-nie nichts anderes übrig, als sich kämpfend durch das Dorf auf die Hauptwiderstands-linie hart nördlich Vesles durchzuschlagen. Den am Süd- und Südwestrand stehenden Teilen ist es nicht mehr geglückt, sich zurückzuziehen, sie fielen in Feindeshand.
Der Gegner drängte der 12. Kompagnie auf dem Fuße in dichten Massen nach. Die 2 Züge der 6. Kompagnie, welche die Sicherheitsbesatzung der Hauptwiderstandslinie nördlich Vesles bildeten, waren durch das halbstündige Trommelfeuer geschwächt und erschüttert und nicht in der Lage, dem Vordringen des Gegners vor der Hauptwider-standslinie halt zu gebieten. Sie mußten zugleich mit den Resten der 12. Kompagnie bis in die Höhe noch weiter zurückstehender schwerer M.-G.-Züge ausweichen, konnten jedoch mit deren Unterstützung das Überschreiten der Hauptwiderstandslinie östlich der Klein Caumont Ferme zum Stehen bringen. Gute Dienste leitete hierbei auch ein Geschütz beim K.-T.-K. und zwei leichte Minenwerfer einer Tankkampfgruppe, beide etwa in der Mitte zwischen Vesles und Cuirieux.
Das 6.45 Uhr vormittags einsetzende feindliche Artilleriefeuer hatte die Fernsprech-leitungen vorwärts des Regimentsstandes Neuville an mehreren Stellen zugleich gestört. Mit dem B.-T.-K. in Cuirieux konnte erstmals wieder 10.50 Uhr vormittags durch Fernsprecher verkehrt werden. Die Blinker vermochten vor 9 Uhr vormittags des dich-ten Bodennebels wegen nicht durchzudringen.
Der Regimentskommandeur in Neuville hatte das gleichfalls in Neuville befindliche Ruhebataillon (II.) 7 Uhr vormittags alarmiert. Durch schriftlichen Befehl wurde vom Bereitschaftsbataillon de K.-T.-K. eine Kompagnie (2/3 6.) zum Schutze der rechten Flanke unterstellt, der Rest des II. Bataillons hatte den Auftrag, gegen einen über die Hauptwiderstandslinie auf Cuirieux durchstoßenden Gegner zum Gegenstoß anzutreten.
Demzufolge rückte die 7. Kompagnie in die Gegend östlich des Straßenkreuzes 82,5 und die 5. Kompagnie besetzte die Höhe südwestlich Cuirieux. Bei den während des Vormittags vom Gegner verschiedentlich mit starken Kräften unternommenen Versu-chen. aus Vesles heraus auf Cuirieux vorzudringen wurden die 5. Kompagnie und 1/3 6. Kompagnie zur Verstärkung der schwachen Teile der 12. und 2/3 6. Kompagnie einge-setzt.
9 Uhr vormittags wurde das I. Bataillon nach Cuirieux vorgezogen. Dort erhielt es 10.25 Uhr vormittags den Befehl, aus der Mulde westlich Cuirieux mit rechtem Flügel Richtung Klein Caumont Ferme, mit linkem Flügel entlang der Straße Cuirieux – Vesles  (83,7 – Vesles) zum Gegenangriff vorzugehen und sich in den Besitz der Caumont Ferme zu setzen. An Stelle des I. Bataillons wurde dem Regiment das II./417 zur Ver-fügung gestellt, das in Gegend Cuirieux rückte.
Der Angriff des I. Bataillons kam nach anfänglich gutem Vorwärtsschreiten – wobei 10 Franzosen als Gefangene eingebracht wurden – bald in dem heftigen Maschinengewehr- und Infanteriefeuer aus unserer bisherigen, nunmehr vom Feinde dicht besetzten Haupt-widerstandslinie sowie in dem zusammengefaßten, gutliegenden Feuer der feindlichen Artillerie zum Stehen.  Teile der 2. Kompagnie konnten späterhin vorübergehend in der Hauptwiderstandslinie Fuß fassen, sie wurden jedoch von erdrückender Übermacht wieder zurückgedrängt.
Die zwischen Vesle und Pierrepont stehenden 2 Züge der 9. Kompagnie lagen den gan-zen Tag über in hartem Abwehrkampf gegen starke aus nordwestlicher und westlicher Richtung gegen ihre Flanke gerichtete Angriffe. Dem einmütigen Zusammenwirken der leichten und schweren Maschinengewehre, einer leichten Minenwerfergruppe sowie der Gewehrgranatenschützen und der mit Handgranaten reichlich ausgestatteten Stoßtrupps unter der Führung des stets bewährten tapferen Leutnants d. R. Traber ist es zu verdan-ken, daß die Stellung restlos gehalten und der Gegner, der sich mehrmals bis auf nächste Entfernung hatte heranarbeiten können, immer wieder zurückgeworfen wurde.
Nicht minder heftige Kämpfe spielten sich während des ganzen Tages um den Besitz des „Kopfes“, einer Erhebung westlich Pierrepont, ab.
7 Uhr vormittags hatte der Gegner nach ausgiebiger Artillerievorbereitung und nachdem er die Besatzung der Brücke am Südwestausgang von Pierrepont mit Hilfe zahlreicher Maschinengewehre und Gewehrgranaten niedergekämpft hatte, sich durch überra-schendes Vorbrechen von mindestens drei Kompagnien aus den dicht westlich der Kanalbrücke gelegenen Häusern den Übergang über den Kanal erzwungen und war mit weiteren starken Kräften in das Dorf eingedrungen. Die am West- und Ostrand von Pierrepont stehenden Teile der 10. Kompagnie konnten den Gegner, nachdem er einmal mit gewaltiger Übermacht in die Hauptstraße eingebrochen war, an der Besitznahme des ganzen Dorfes nicht mehr hindern, sie mußten sich, um nicht in Gefangenschaft zu gera-ten, an die am Nordausgang des Dorfes liegende Brücke, welche die einzige Rückzugs-möglichkeit bildete, durchschlagen. Eine Aufnahme des Kampfes, Mann gegen Mann im Dorf, bot bei der gewaltigen zahlenmäßigen Überlegenheit der Franzosen keinerlei Aussicht auf Erfolg.
Leutnant d. R. Fischle der 10. Kompagnie gelang es mit seinem Zuge in der Nähe des Nordausganges von Pierrepont noch rechtzeitig erneut Front zu machen, drei noch feuerbereite leichte Maschinengewehre einzusetzen und durch ihr Feuer die in der Dorfstraße nach Norden vordringenden Massen zum Stehen und in Verwirrung zu brin-gen. Darauf nahm auch Leutnant d. R. Gagstätter, der mit einem Zug der 9. Kompagnie und einem schweren M.-G.-Zug die Besatzung des „Kopfes“ bildete, den Kampf gegen den Gegner auf, der nun den Nord- und Ostrand von Pierrepont stark besetzte, im Dorfinnern mehrere Kompagnien sammelte und zu weiterem Vorstoß bereitstellte. Leut-nant d. R. Fischle konnte sich am Nordausgang des Dorfes nicht lange halten, er zog sich auf den „Kopf“ zurück und unterstellte sich dem Leutnant d. R. Gagstätter.
Sehr geschickt wußte der Franzose seine Feuerwalze mit dem Vorwärtskommen seiner Infanterie in Einklang zu bringen. Auch seine sonstigen Maßnahmen waren gewandt und zielbewußt. Auf dem Kirchturm von Pierrepont und auf anderen hohen Gebäuden tauchten Maschinengewehre auf, welche den „Kopf“ und das Gelände östlich des „Kopfes“, aus dem der Austritt aus dem Sumpfgelände vom „Kopf“ nach Osten allein zu bewerkstelligen war, vollkommen beherrschten.
Sämtliche Versuche des Gegners, sich in Besitz des „Kopfes“ zu setzen, wurden von der tapferen Besatzung, welcher mit leuchtendem Beispiel die Leutnants d. R. Gagstätter und Fischle vorangingen, meist erst nach erbittertem Nahkampf abgewiesen.
Munition und Nahkampfmittel gingen allmählich zur Neige, die zunehmenden Verluste schwächten die Widerstandskraft immer mehr und mehr, da traf gegen 2.30 Uhr nach-mittags auf Befehl des Regiments ein Zug der 5. Kompagnie – einzeln mußten sich die Leute im feindlichen Maschinengewehrfeuer vorarbeiten – mit Munition zur Verstär-kung ein. Mit dieser Hilfe wurde nicht nur der Kopf gehalten, sondern die tapfere Besatzung des Kopfes warf sogar noch feindliche Abteilungen, welche sich bis dicht an die eigenen Gräben hatten vorarbeiten können, aus selbständigem Entschluß im Gegenstoß in das Dorf zurück.
Der Verlust von Vesles und Pierrepont ist dem Einsatz vielfacher feindlicher Übermacht zuzuschreiben, deren Angriff nach sorgfältiger, sehr wirksamer Artillerievorbereitung die Kompagnien, welche in unübersichtlichem Gelände die Dörfer mit schwachen Kräften zu verteidigen hatten, nicht standzuhalten vermochten.“



aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–
1918“ׅ, Stuttgart 1923

Mittwoch, 24. Oktober 2018

24. Oktober 1918



„Die Nacht verlief sehr unruhig. Das feindliche Feuer verstärkte sich gegen Morgen immer mehr; der erwartete Angriff kam jedoch nicht. Ein großer Übelstand war es, daß infolge der großen Inanspruchnahme der eigenen Geschütze, der verschiedenartigen Munition und aus anderen Gründen die Zahl der Kurzschüsse sich sehr steigerte. Die trotz der großen Märsche und Kämpfe im dauernden Regen in guter Stimmung befind-liche Truppe litt aufs äußerste darunter. Mit allen Mitteln wurde Abhilfe erstrebt. Die Befehlsverhältnisse beim Regiment hatten sich durch die Unterstellung zweier fremder Truppenteile sehr schwierig gestaltet. So bestimmte die Brigade den Austausch des II./24 mit dem I./475. Letzteres Bataillon zählte aber nach den Kämpfen vom 21. Okto-ber um die Sybillenhöhe nur noch 26 Mann. Das Regiment sah sich daher genötigt, diese in eine Kompagnie zusammenzunehmen und mit der 7. und 9. Kompagnie in vorderste Linie einzusetzen, die durch die Wegnahme des II./24 erheblich geschwächt war.
Das feindliche Feuer hatte bei Tagesanbruch nachgelassen; von 3.30 Uhr nachmittags an setzte es erneut ein. Die Verwendung von Minen und schweren Geschossen ließ den Schluß auf baldigen Angriff zu. Dieser kam 4.40 Uhr nachmittags. Vor dem Abschnitt des II. Bataillons kam der Franzose kaum aus seinen Gräben; Infanterie und Maschi-nengewehre zwangen ihn sofort nieder. Beim III. Bataillon kam der Feind an die eigene Stellung heran; auch dieses schickte ihn unter blutigen Verlusten heim. Durch unglückli-che Umstände war es nicht gelungen, das Sperrfeuer der eigenen Artillerie auszulösen. So trug die Infanterie allein, trefflich unterstützt von ihrer Minenwerferkompagnie, die Last des Kampfes.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Dienstag, 23. Oktober 2018

23. Oktober 1918



„Die Nacht vom 22. bis 23. Oktober war klar und mondhell. Man sah fast bis an die Häuser von Bazuel hinüber. Um 1 Uhr vormittags meldete Leutnant Sattler, der mit 30 Mann der Sturmabteilung der Division einen Teil des Vorfeldes besetzt hielt, daß sich englische Tanks vor der Front bereitstellen. Die feindliche Infanterie benehme sich auf-fallend laut.
Ein neuer Angriff stand also bevor.
Die Besatzung des Vorfeldes eröffnete das Feuer. Einmal hier, einmal dort auftauchend, schoß sie in die englische Bereitstellung hinein. Auch die Minenwerfer des Regiments, die Leutnant d. R. Schmalzried leitete, schickten ihre Minen zum Feind hinüber. Die eigene Artillerie schoß kräftiges Vernichtungsfeuer. Um 2.30 Uhr vormittags begann der Engländer mit Trommelfeuer – so stark und ausgiebig wie noch nie in den Vortagen. Ein Hagel von Geschossen prasselte auf Ors und die deutschen Batterien nieder. Die Hauptwiderstandslinie des Regiments hatte der Gegner anscheinend nicht entdeckt. Sie bekam daher weniger Feuer, als das Gelände dicht dahinter, wo die Engländer wohl die Stellung vermuteten. Unter die Granaten aller Kaliber, die unaufhörlich einschlugen, mischten sich einzelne Lagen von Phosphor- und Nebelgranaten. Die Fernsprechlei-tungen wurden durchgeschossen. Die Fernsprecher des Nachrichtenzuges versuchten die Drähte zu flicken – es war eine aussichtslose Arbeit. Die Meldehunde verweigerten in dem wilden Feuerkessel den Dienst.
Es war 3 Uhr vormittags geworden. Das Feuer raste weiter.
Um 3.20 Uhr vormittags rasselten die englischen Tanks heran. Die leichten und schwe-ren Maschinengewehre gingen ihnen, soweit sie in dem dichten künstlichen Nebel erkennbar wurden, mit S. m. K.-Patronen zu Leibe. Der englischen Infanterie, die hinter den Tanks folgte, schlug ungeschwächtes Feuer entgegen. Sie warf sich in Deckung oder flutete zurück. Nach seitheriger englischer Gewohnheit setzte nunmehr verstärktes Artilleriefeuer auf die jetzt erkannte vordere Linie des Regiments ein. Diese wich nach vorne aus, nistete sich unkenntlich im Gelände ein und begann sofort mit ihren Maschi-nengewehren zu feuern, sobald sich ein Ziel vor ihr zeigte.
Links vom Regiment, beim Infanterie-Regiment 478, erscholl zeitweise kräftiges Infan-teriefeuer, ein Zeichen,. daß das brave Schwesterregiment noch im Besitz seiner Stel-lung war. Rechts vom Füsilier-Regiment, über dem Bahndamm drüben, wo vor dem englischen Angriff die Reste des Infanterie-Regiments 479 unter Hauptmann Schaal gelegen hatten, war es dagegen still geworden. Patrouillen des I. Bataillons, die Verbin-dung aufnehmen wollten, stießen auf Engländer. Bald darauf meldete sich Hauptmann Schaal beim Regimentskommandeur in Ors. Er berichtete, daß das englische Artillerie-feuer mit verheerender Wucht seine Stellung getroffen habe, so daß es seinen Mann-schaften nicht mehr möglich war, sich gegen die feindliche Übermacht zu halten. Eng-lische Infanterie befinde sich bereits hinter seinem Gefechtsstand.
Ähnlich hieß es, solle es beim linken Flügelregiment der 17. Reserve-Division sein, das rechts von der Abteilung Schaal gelegen hatte. Auch hier sei die erkannte vordere Linie schwer beschossen und zurückgedrängt worden.
Eine Alarmnachricht jagte nunmehr die andere. Ein Pionier erzählte, die Engländer seien in einen am Bahnhof Ors gelegenen Stollen eingedrungen. Er selbst sei mit knap-per Not durch den zweiten Ausgang entkommen. Andere meldeten, auf dem Bahnhof Ors stünden bereits feindliche Tanks. Um nicht von Norden her umfaßt zu werden, setzte Oberst von Alberti das letzte, was er hatte, die Fernsprecher und die Ordonnanzen des Regimentsstabes, an den Eingängen von Ors ein. Hauptmann Schaal erhielt mit 6 Mann den Befehl, die Brücke, die die Rue du Oui über den Sambre-Kanal führte, zu besetzen. Sie lag nach einer Meldung des Hauptmann Schaal bereits unter englischem Maschinengwehrfeuer.
Nun war alles verausgabt, bis auf den Stationstrupp des Regimentsstabes, der die – nicht funktionierende – Leitung zur Brigade aufrecht erhalten sollte. Wo das II./122 stand, war um diese Zeit nicht bekannt.
Das englische Feuer dauerte mit unverminderter Heftigkeit an. Es war wie eine Erlö-sung, als um 5.45 Uhr vormittags ein Meldegänger des Hauptmanns Aichholz die Meldung überbrachte, daß die Front des Füsilier-Regiments noch an der alten Stelle halte. Um auch rechts vom Regiment Klarheit zu schaffen, machten sich zwei Offiziere des Stabes, Leutnant d. R. Stierle und Leutnant d. R. Köpf, auf den Weg zum rechten Regimentsstab. Sie kehrten lange nicht zurück. Oberst von Alberti war in schwerer Sorge, ob sie nicht dem feindlichen Feuer zum Opfer gefallen seien. Endlich, nach bangem Warten, kehrten sie erhitzt, aber mit zufriedenen Gesichtern zurück. Sie hatten zwar den Stab des rechten Nebenregiments nicht gefunden, aber von einem Batail-lonsführer erfahren, eine Kompanie des Infanterie-Regiments 162 stünde noch am Bahnhof Ors.
Seit Beginn des englischen Trommelfeuers war die Verbindung mit der Brigade unter-brochen. Oberst von Alberti entschloß sich daher, als ältester Offizier die Führung der einzelnen kämpfenden, teilweise weit auseinanderliegenden Bataillone in die Hand zu nehmen. Das I. und III./122 hatte seine Stellung weiter zu halten. I. und II./478, II./122 und die Kompanie des Infanterie-Regiments 162 am Bahnhof Ors bekamen ihre Ab-schnitte zur Verteidigung zugewiesen. Ob dieser Befehl zu allen Stellen durchgedrungen ist, ist nicht bekannt geworden. Das II./122 bekam ihn und hielt dementsprechend den Bahnhof Ors besetzt.
Es war inzwischen 8 Uhr vormittags geworden. Das feindliche Trommelfeuer begann nachzulassen. Um 8.15 Uhr vormittags war es in Störungsfeuer übergegangen.
Von Major Baumann, dem Führer des Infanterie-Regiments 478, erfuhr Oberst von Alberti, daß die Brigade auf Grund der Lage nördlich und südlich von Ors den Befehl gegeben habe, hinter den Sambre-Kanal zurückzugehen. Um 2 Uhr nachmittags begann Hauptmann Aichholz, seine Truppen (I. und III.), die in der Flanke schwer bedroht waren, langsam abbauen zu lassen. Fechtend zogen sie sich auf das noch am Bahnhof Ors bereitliegende II. Bataillon, von hier über den Kanal zurück und besetzten den Kanaldamm. Nachdem sich Oberst von Alberti an Ort und Stelle überzeugt hatte, daß die Besetzung durchgeführt war, gab er kurz vor 3 Uhr nachmittags auch dem II. Ba-taillon am Bahnhof Ors den Befehl, zurückzugehen. Die Masse der englischen Infan-terie folgte dem Bataillon nicht. Leutnant d. R. Schoder führte seine Kompanien am hellen Tage, angesichts der zaghaft vorfühlenden englischen Patrouillen, über die Brük-ke bei Rue du Oui hinter den Kanal zurück. Als der letzte Mann die Brücke über-schritten hatte, sprengte sie ein voreiliger Pionier vorzeitig in die Luft.
Das II. Bataillon besetzte den ihm zugewiesenen Teil der Kanalböschung links neben dem I. Bataillon. Das schwache III. Bataillon wurde herausgezogen und als Reserve hinter den rechten Flügel gelegt. Die II. Abteilung des Feldartillerie-Regiments 238, die seit März 1917 in guten und in bösen Tagen treu zum Regiment gehalten hat – ihr Führer Hauptmann Mauthe stand nach einem scherzhaften Ausspruch des Obersten von Alberti â la suite des Füsilier-Regiments 122 – baute ihre Geschütze hinter dem Regi-ment auf. Als vollends die Maschinengewehre und Minenwerfer ihre Aufstellung einge-nommen hatten, stand das Regiment wieder kampfbereit dem Feind gegenüber.“


aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Montag, 22. Oktober 2018

22. Oktober 1918



„Etwa um 2.30 nachts ging beim Regiment der Befehl ein, daß heute, am 22. Oktober um 7.30 früh, der Angriff festgesetzt wird. Der Feind muß über die Aisne zurückge-worfen werden.
Patrouillen des I. und II. Batls. haben durch ständiges Vorfühlen festgestellt, daß der Feind noch da ist, wo er sich gestern abend eingeschanzt hat. Dauernd liegt eigenes Sperrfeuer auf den Brücken über die Aisne und den Straßen zwischen dem Dorf Vandy und der Stadt Vouziers.
Punkt 7.20 früh setzt unsere Artillerie zu kurzem, energischen Feuerschlag ein; sofort fordert der Franzose durch gelbe Leuchtkugeln Sperrfeuer an, das alsbald kommt. Punkt 7.30 brechen unsere tapferen Männer aus ihren Löchern hervor; sofort knattert wieder aus der rechten Flanke rasendes Maschinengwehrfeuer und bringt dem II. Batl. schwere Verluste bei. Langsam kommt links das I. Batl. vorwärts, sein Kommandeur, Haupt-mann d. R. Schier, ist bei der vordersten Linie, er dringt bis ganz nahe vor den ersten Graben der Brunhildenstellung vor; obwohl am rechten Knie durchschossen, verläßt er sein Batl. nicht, und harrt aus, bis der Blutverlust ihn zwingt, das Kommando an Leut-nant d. R. Kaufmann abzugeben. Nach 9 Uhr ist die Höhe 163, die sich zwischen der Oldershauser- und der Sibyllenhöhe vorwärts erhebt, in der Hand des I. Batls. Unser Artilleriefeuer liegt zu weit vorne, es muß näher herangezogen werden, der Infanterie-angriff geht nicht so schnell vorwärts, wie die Artilleristen wohl annehmen.
Ein feindliches Fliegergeschwader erscheint ohne tätig zu werden. Von der Kuppe 172 südwestlich der Oldershauserhöhe setzt Maschinengewehrfeuer dem II. Batl stark zu; mit Erfolg richtet unsere Begleitbatterie ihr Feuer dorthin, immer noch ist die 9./Feld-art.-Reg. 6, die uns für heute in Aussicht gestellt ist, nicht da. Das Regiment fordert diese Batterie dringend von der Untergruppe an, sie soll sofort über Quatre Champs auf der Straße nach Vandy vorkommen; dort wird sie den Regimentskommandeur finden. Aus dem Gefechtslärm links bei 127 und 475 erkennen wir, daß es auch dort vorwärts geht, aber unser rechter Nachbar greift nicht mit an.
Gegen 11 Uhr kommt der erwartete feindliche Gegenstoß mit endlosen Massen, er richtet sich in der Hauptsache gegen das I. Batl. auf Höhe 163. Hauptmann d. R. Schier, der trotz seiner Verwundung noch hier steht, nimmt seine tapferen Männer – es sind höchstens 80 Mann – geordnet nach de Ausgangsstellung zurück. Dort bricht sich der feindliche Stoß, kein Franzose kommt einen Schritt weiter. Von einem Einsatz der schwachen Reste des bayr. Res.-Reg. 24, die in Aussicht gestellt werden, verspricht sich der Regimentskommandeur keinen Erfolg. Wir müssen, zum Angriff zu schwach, halten was wir haben. Der Regimentskommandeur fordert leichte Maschinengewehre und Bedienungsmannschaften und Draht an, um die Waldränder zu verdrahten. Der uner-müdliche Ordonnanzoffizier, Leutnant d. R. Gottlob Berger, stellt beim Nachbarregi-ment rechts die Lage fest. Allem nach hat dieses Regiment den Angriff nicht mitge-macht, jedenfalls ist ein Erfolg nicht zu verzeichnen.
Unser III. Batl. unter Hauptmann Jörling war auf dem linken Flügel des Schlachtfeldes neben dem III. Batl. 2. bayr. Inf.-Reg. unter Hauptmann Schenk eingesetzt worden. Es hatte am 21. Oktober mehrere Tschecho-Slowaken gefangen genommen und war am 22. Oktober früh eingesetzt worden, von Süden her die Brunhildenstellung am Hang der Sibyllenhöhe rechts herauf aufzurollen. Nach gutem Vordringen von einigen hundert Metern stockte der Angriff in dem unübersichtlichen Gelände. Ein Volltreffer brachte dem in vorderster Linie befindlichen Bataillonsstab empfindliche Verluste bei. Erbittert wird um einen Stollen, dann an der Ban-Mühle am Fournellesbach, wo der Bataillons-arzt Dr. Weinhardt zeitweise den Verbandplatz eingerichtet hat, gekämpft. Wieder und wieder schlagen schwere deutsche Granaten auf diese unsere Stellung nieder; nach rückwärts gesandte Meldungen um Abhilfe bleiben ohne Erfolg.
Gegen 4 Uhr abends setzt feindliches Maschinengwehrfeuer ein; feindliche Leuchtku-geln fallen dicht vor uns nieder, wo die 3. M. G. K. unter Leutnant Frhr. v. Hermann mit Vizefeldwebel Berger und Unteroffizier Gasser aus ihren 6 M. Gs. und einem erbeuteten französischen Maschinengewehr unermüdlich schießt. Jetzt kommen feindliche Maschi-nengewehrgeschosse auch von hinten. Da bleibt dem Hauptmann Jörling, der die Stel-lung bis zum äußersten hielt,  dem aber ein Gegenstoß des Inf.-Reg. 127 keine Entlas-tung gebracht hatte, nichts übrig, als den Rückzugsbefehl zu geben, mit seinem Stab Mann hinter Mann den Unterstand zu verlassen und sich in dem Gestrüpp nach rück-wärts durchzuschlagen. Dem Bataillonsadjutanten Leutnant Gunkel gelingt es; Leutnant Frhr. v. Hermann fällt auf einen Misthaufen und als er wieder aufsteht, sieht er Haupt-mann Jörling, Leutnant Winter, den Regimentstambour Vizefeldwebel Dettling, Vize-feldwebel Berger und Unteroffizier Gasser nicht mehr.
Die Reste des Bataillons, etwa 70 – 80 Mann, sammeln sich mit 3 Maschinengewehren der 3. M. G. K., die ihre Kastenmunition gerettet hatte, bei Hauptmann Schenk, der sie bei Claire-Fontaine unter dem Kommando des Leutnants Gunkel aufbaut. Vergeblich warten dieser Adjutant und das Bataillon auf den Kommandeur – Hauptmann Jörling kommt nicht mehr. Er war mit der Pistole in der Hand in dem Gestrüpp von einem großen Haufen Tschechen umringt worden und fiel in die Hände des Feindes; ebenso der Rest des Stabes.
So verlor das III. Batl. seinen Kommandeur, der es seit Juli 1917 kommandiert und vor Reims, vor Verdun, bei Conchy, an der Arnes und an der Aisne mit größter Auszeich-nung geführt hatte, geliebt und verehrt von jedem Mann und jedem Offizier. Das Batail-lon unter Leutnant Gunkel ist dann von dem III. Batl. Inf.-Reg. 127 unter Hauptmann v. Hartlieb aufgenommen worden und hielt die Verbindung nach links mit dem Käseberg, bis später Hauptmann Sautermeister vom Inf.-Reg. 475 das Kommando übernahm.
Sobald die Verhältnisse es erlauben, wird an der ganzen Front mit Nachdruck gearbeitet. Leider hat der Verlauf des Tages nicht gehalten, was der Morgen versprach, dagegen haben wir viele Helden verloren; es fehlt der Tapferste der Tapferen, Hauptmann Jörling und der heldenmütige Hauptmann Schier. Solche Führer, solche Vorbilder in allen mili-tärischen Tugenden sind nicht mehr ersetzt worden.“

aus: „Die Geschichte des Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 476 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Sonntag, 21. Oktober 2018

21. Oktober 1918



„Für den 21. Oktober war ein großer Angriff angesetzt, um die Lage an dem äußerst wichtigen Brückenkopf bei Vouziers wiederherzustellen. Die 199. Inf.-Division sollte rechts anschließend an die 1. bayr. Inf.-Division die Oldershäuser Höhe nehmen. Dieser selbst fiel der Angriff auf die Sybillenhöhe zu, während das links anschließende 1. Garde-Regiment z. F. die Fürtstenhöhe von Süden her aufrollen und Chestres nehmen sollte. Dem Regiment wurden das Sturmbataillon 2 und das II. Bataillon des 24. bayr. Inf.-Reg. unterstellt. Es sollte sich, sobald ein Erfolg des 1. Garde-Regiments z. F. bemerkbar war, dem Angriff anschließen. Das I. Bataillon des Inf.-Reg. 475 wurde dem 2. bayr. Inf.-Reg. unterstellt und nach Gegend Ballay gezogen. Es bekam außerdem die Begleitbatterie 5./281 mit.
Trotz der geringen Neigung eines biederen bayrischen Landwehrmannes zum Angriff  (er meinte: „heit geht nix z’samm‘“) begann dieser nach kurzem Feuerschlag 8 Uhr vormittags. In raschem Ansturm nahm das I. Bataillon die vordere feindliche Linie nördlich Claire-Fontaine. Dann aber geriet sein Angriff ins Stocken. Da protzte die Begleitbatterie 5./281 unter Führung des einstigen Adjutanten des Regiments 475, Hauptmann Burr, auf und schuf über die Infanterielinie vorgehend den Angreifern mit einigen wohlgezielten Treffern Luft. Dann aber begann ein Wettlauf zwischen Infanterie und Artillerie. Nach kurzer Zeit war die Sybillenhöhe im Besitz des I. Bataillons. Leider wurde dessen tapferer Führer, Rittmeister Jobst, dabei schwer verwundet. Die Olders-häuser Höhe kam nicht in den Besitz der 199. Inf.-Division; von ihr aus hatte das I. Bataillon schwer unter Flankenfeuer zu leiden. Von der Sybillenhöhe auf die Aisne-brücken zurückgehende feindliche Kolonnen erlitten durch das Feuer der Begleitbatterie schwere Verluste.
Inzwischen war es dem 1. bayr. Inf.-Reg. gelungen, den Käseberg zu erstürmen. Trotzdem von links noch kein Erfolg bemerkbar war, entschloß sich das Regiment 475 zum Angriff. Es stieß in den Waldstücken „Waldeinsamkeit“ und auf Höhe westlich „Evawald“ auf starken Widerstand. Jedoch konnte der Feind dem Ansturm der kriegsgewohnten Schwaben nicht widerstehen und mußte weichen. Am Abend stand das III. Bataillon im Anschluß an das 1. bayr. Inf.-Reg. auf dem Käseberg mit linkem Flügel an der von Chestres nach Osten führenden Straße. An dieses schloß sich das II. Bataillon am Ostrand der Fürsten-höhe an.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921

Samstag, 20. Oktober 2018

20. Oktober 1918



„In der Nacht vom 19./20. Oktober drang der Feind bei Beveren über die Lys und besetzte das Dorf. Das Schützenbataillon 30 wurde wiederum eingesetzt und ging an der Straße Vije St. Eloi – Harlebeke in Stellung. Das Bataillon erhielt die Aufgabe, eine Linie entlang des Feldweges Beveren – Desselghem zu halten und hatte rechts Anschluß an die 13. Husaren, links an die 7. Res.-Dragoner. Die Schützeneskadron Dragoner 25 wurde mit 3 Gruppen in verschiedene Gehöfte dieser Linie verteilt, die 4. Gruppe blieb an der großen Straße als Reserve zurück.
Bereits in den frühen Morgenstunden des 20. Oktober konnte das Bataillon erkennen, daß es von beiden Seiten umgangen war, englische Patrouillen streiften schon südlich der großen Straße. Gegen 7 Uhr vormittags legte der Feind Trommelfeuer auf die Straße und das ganze dahinterliegende Gelände. Gleichzeitig rückte der Engländer in der Däm-merung und unter dem Schutze künstlicher Vernebelung gegen die Straße vor und um-ging die von den Schützen besetzten Gehöfte, die später erst nach tapferer Gegenwehr vom Feinde genommen werden konnten. Die Gruppe des Gefreiten Pöhler zeichnete sich in diesem Endkampf ganz besonders aus.
In diesen erbitterten Nachhutkämpfen der auf die Scheldelinie abziehenden 4. Armee mußten sich die Nachhuttruppen restlos bis zur Aufopferung einsetzen, um der Armee den geordneten Rückzug zu ermöglichen. Auch die letzte Eskadron unseres Regiments ist dabei beinahe vollkommen aufgerieben worden.
In Woteghem westlich Audenarde sammelten sich die Truppen der 7. Kavallerie-Schüt-zendivision wieder. Das Dragoner-Regiment „Königin Olga“ formierte einen Zug.“

aus: „Mit den Olga-Dragonern im Weltkrieg“ Stuttgart, 1920
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 510

Freitag, 19. Oktober 2018

19. Oktober 1918


„Am 19. Oktober zeigte der Feind, daß seine bisherigen Teilangriffe nur zur Vorberei-tung und Einleitung eines großen Angriffes mit weitgesteckten Zielen gedient hatten. In der Morgendämmerung, durch dichten Nebel begünstigt, griffen die Franzosen in dichten Massen die Vorpostenkompagnie, nunmehr 1. Kompagnie unter Leutnant d. R. Nuber, an, ohne daß etwa ein Anschwellen des Artilleriefeuers oder bemerkbare Unruhe beim Feind dessen Angriffsabsichten verraten hätten. Da im Nebel die Maschinenge-wehre nicht recht zur Geltung kamen, wurden die schwachen Feldwachen bald umgan-gen. Etwa die Hälfte der Leute konnte sich durchschlagen und erreichte die Hauptwider-standslinie, gegen welche die nachdrängenden Franzosen vergebens anliefen, die andere Hälfte wurde überwältigt und gefangen. Die deutsche Artillerie hatte infolge der durch den Nebel behinderten Beobachtung die von unseren Vorposten abgeschossenen Signal-kugeln nicht erkannt und deshalb nicht mitgewirkt. Nur ein seit 17. Oktober zur Verfü-gung des K. T. K. in Gegend Savy-Ferme vorgeschobener Feldkanonenzug des III./Feld-art. 29 konnte vorzügliche Dienste leisten. Ungünstig war der Umstand, daß das Regi-ment 121 in der vorhergegangenen Nacht behufs Verwendung als Armeereserve heraus-gezogen worden war und der Abschnitt des Regiments demgemäß nach links hatte verbreitert werden müssen. Bei der Nachbardivision rechts, der 10. Res.-Division, hatte der gleichzeitig geführte Angriff dem Feind – allerdings nur vorübergehend – den Besitz der in unserer rechten Flanke gelegenen Fay-le Sec-Ferme gebracht, von wo er uns sehr unangenehm ins Hintergelände sehen konnte; auch beim linken Nachbar, der 227. Divi-sion, waren die Vorposten zurückgedrückt worden. Ein energischer Gegenstoß konnte vom Kampfbataillon, dessen Stab bei der Savy-Ferme lag, aus Mangel an Kräften nicht sofort eingeleitet werden. Als er nach Heranziehen der 6. und 8. Kompagnie um 2 Uhr nachmittags durchgeführt wurde, war es zu spät. Der Feind hatte sich festgesetzt und schickte den vorgehenden Kompagnien einen Hagel von Geschossen aus Geschützen und Maschinengewehren entgegen, daß man froh war, mit geringen Verlusten wenig-stens einige hundert Meter Vorfeld wieder gewonnen zu haben. Wichtig aber war, daß, wie sich nachträglich herausstellte, durch den Gegenangriff die Fortführung des feind-lichen Angriffes, dessen Ziel nicht nur die Wegnahme der Dörfer Vesles und Pierrepont, sondern auch ein 15 Kilometer tiefer Durchbruch der 72. französischen Division nach Norden war, vereitelt wurde. So kam es, daß während die Truppe über dem äußeren Mißerfolg des Tages in wenig freudiger Stimmung war, der Brigadekommandeur auf Grund der Gefangenenaussagen dem Regiment zu dem Abwehrerfolge seine Glückwün-sche aussprach. Die Gesamtverluste des Tages betrugen 3 Mann tot, 2 Offiziere (Leut-nant Fürst Karl Gero v. Urach und Leutnant d. R. Widmaier) und 12 Mann verwundet und 30 Mann vermißt. Während des feindlichen Angriffes erhielten die teilweise von der Zivilbevölkerung noch bewohnten Ortschaften Neuville und Curieux, wo der Regi-mentsstab lag, zum erstenmal Artilleriefeuer.“


aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Donnerstag, 18. Oktober 2018

18. Oktober 1918



„Am 17. Oktober noch in der Morgendämmerung raste ein bisher an dieser Front noch nicht gehörtes Trommelfeuer auf die vordere Linie nieder und es gelang den Englän-dern, die Hauptwiderstandslinie zu nehmen. Das Regiment war schon längst alarmbe-reit, bis es kurz vor 11 Uhr vormittags Befehl erhielt, an den Südausgang Bazuel zu rücken, um sich dort gegen Südwesten zum Gegenangriff zur Wiedergewinnung der Hauptwiderstandslinie bereitzustellen. Die Bereitstellung, III, rechts, II. links, I. Regi-mentsreserve hinter der Mitte, war gegen 5 Uhr abends beendet und alles bereit, den Angriff gegen Arbre de Guise, 1 km östlich St. Souplet vorzutragen.
Das Füs.-Regt. 122 hatte aber in der Zwischenzeit im Anschluß an das zur 204. Inf.-Division gehörende Res.-Inf.-Regt. 120 wenn auch nicht die frühere Hauptwiderstands-linie, so doch wieder die Linie Le Quennelet-Ferme – Arbre de Guise mit eigenen Kräften im Gegenstoß genommen, so daß der befohlene Angriff unterblieb. Das Regi-ment verblieb nun zunächst in dem Bereitstellungsraum, bis kurz nach 1 Uhr nachts am 18. Oktober der Befehl eintraf, daß das Regiment das Füs.-Regt. 122 in vorderer Linie abzulösen habe. III. Batl. rechts, II. Batl. links kamen in vordere Linie beiderseits Le Quennelet-Ferme, Man sah nicht die Hand vor den Augen, als die Bataillone im unbe-kannten Gelände nach vorne zogen. Die Ablösung zog sich lange hin, da durch den Angriff des Vortages die Stellung sehr unübersichtlich verlief. Eben, es war kurz nach 6 Uhr vormittags und es lagerte dichter Bodennebel auf dem durch Hecken durchschnit-tenen Gelände, hatten die Kampftruppenkommandeure, Hauptmann d. R. Bühler (III.) und Hauptmann Rösler (II.) die Meldungen ihrer Kompagnieführer über Übernahme der Stellung und lückenlosen Anschluß erhalten und man dachte daran, die versäumte Nachtruhe in den feuchten Löchern etwas nachzuholen, als schlagartig an der feindli-chen Front tausende von Geschützen aufbrüllten und aus ihren rauchenden Mäulern Unmengen Eisen und Gas auf unsere Stellung spien. Vorbei war es mit Schlaf und Ruhe, man lag bereit, der englischen Infanterie den gebührenden Empfang zu bereiten. Fast eine Stunde wütete der Feuerorkan, dann, als er glaubte, bei uns alles zermalmt zu haben, schickte der Engländer seine Infanterie hinter einem dichten Feuervorhang, der Feuerwalze, zum Sturme vor.as III. Batl. rechts, das mit der 10. und 11. Komp. in vorde-rer Linie lag und Anschluß an Inf.-Regt. 479 hatte, wehrte den Angriff des Gegners in der Front ab, und der Gegner ging unter heftigem M.-G.-Feuer aus der Quennelett-Ferme wieder zurück. Da tauchten plötzlich in der rechten Flanke und im Rücken der in Reserve unmittelbar westlich der Roue-Ferme liegenden 9. Komp. dichte Haufen Eng-länder auf, die anscheinend beim Regiment 479 durchgebrochen waren. Nach kurzem Kampf war die Kompagnie von der Übermacht überwältigt. Nur der durch Brustschuß verwundete Kompagnieführer Leutnant d. R. Fischer (Th.) entging mit knapper Not der Gefangennahme. Die 10. Komp. auf dem rechten Flügel des Regiments wurde von rechts aufgerollt und konnte, da der Gegner schon hinter ihr, nicht mehr nach rückwärts ausweichen. Am längsten hielt sich die 11. Komp. unter der tapferen Führung des Leut-nants d. R. Reindel. Die Quennelett-Ferme war von allen Seiten vom Tommy einge-schlossen, und wieder und wieder versuchten es feindliche Stoßtrupps, gegen das zu-sammengeschossene Gehöft vorzugehen. Aber sobald sich ein flacher englischer Stahl-helm vorwagte, ratterten auch schon die leichten Maschinengewehre der 11. Komp. los. Bis 10 Uhr vormittags hat das kleine Häuflein auf verlorenem Posten ausgehalten, bis es den herangezogenen feindlichen Verstärkungen gelang, die Tapferen zu überwältigen. Beim II. Batl. war im Anschluß an das III. Batl. die Hauptwiderstandslinie durch die 7. Komp. tief gestaffelt besetzt; daran anschließend lag die 6. Komp. mit Anschluß an das Inf.-Regt. 413. Dem Engländer gelang es, die Hauptwiderstandslinie zu überrennen, doch konnten sich die beiden Kompagnien rechtzeitig auf die Reservekompagnie (5.), die im Hohlweg südöstlich Roueferme mit dem Bataillonsstab lag, zurückziehen. Ihre beiden tapferen Führer mußten sie leider am Feind zurücklassen, Leutnant d. R. Bareiter war dem Trommelfeuer zum Opfer gefallen, während Leutnant d. R. Essig mit durch-schossenem Bein in englische Gefangenschaft geraten ist.
Der Engländer tauchte in dicken Massen plötzlich zwischen den Hecken vor dem Hohlweg auf und wurde von einem verheerenden M.-G.- und Infanteriefeuer empfan-gen. Das II. Batl. des Füs.-Regt. 122, geführt von Leutnant d. R. Schoder, das als Ein-greifreserve hinter dem Regiment lag, kam dem Bataillon zu Hilfe und riegelte gegen die Roue-Ferme ab, von der Aufrollung und Flankierung gedroht hatte. Die Stellung war fest in Der Hand des Regiments, doch konnte sie, da auch bei der linken 204. Inf.-Division die Stellung durchbrochen war, nicht auf die Dauer gehalten werden. Erst 6 Uhr abends räumte das Regiment den beiderseits weit vom Feind überflügelten Hohl-weg auf Befehl der Brigade ohne vom Gegner belästigt zu werden. Das I. Bataillon unter Hauptmann d. R. Maisch stand als Regimentsreserve am Südwestrand von Bazuel und war gegen 10 Uhr vormittags im Vorgehen über Höhe 150 gegen Roue-Ferme, wurde aber von der Brigade aufgehalten und nach Bazuel zurückgenommen, da von Nordwesten her starker Gegner gemeldet war.
Das Regiment ging zunächst auf die Höhen östlich Bazuel zurück und stellte sich dort im Anschluß an Füs.-Regt. 122 rechts zum Gegenstoß gegen einen eventuell über die Straße Bazuel – Catillon vorbrechenden Gegner bereit. Jedoch folgte der Gegner nicht und so wurde die Front der Division wieder vorgeschoben in die Linie Le Planty Ferme – Gymbremont-Ferme – Zuckerfabrik Catillon. Noch spät am Abend stellten unsere Patrouillen fest, daß Bazuel vom Gegner noch nicht besetzt war. Auf der ganzen Front der Division fühlte der Engländer nur sehr zögernd nach.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 478 und seine Stammtruppen Brigade-Ersatz-Bataillone Nr. 51, 52, 53 und Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 51“, Stuttgart 1924

Mittwoch, 17. Oktober 2018

17. Oktober 1918



„Unsere Ansicht, daß der Gegner etwas plane, war richtig, denn am 17. Oktober – dichter Nebel lag über dem Gelände – begann in den frühen Morgenstunden schlagartig einsetzendes Trommelfeuer mit Brisanzgranaten und Nebelbomben auf die ganze Divisionsfront. Die schon bekannte Taktik der Engländer wurde auch hier wieder durchgeführt. Kurz aber stark wütete das Trommelfeuer auf der vorderen Linie, dann wurde die Feuerwalze langsam nach rückwärts verlegt und gleichzeitig begann der Gegner mit dem Tank- und Infanterieangriff. Das völlig undurchsichtige Nebelmeer begünstigte die feindliche Operation und plötzlich standen die Engländer neben den vordersten Postierungen. Was blieb da anderes übrig, als das Vorfeld aufzugeben? Tapfer kämpfend, immer wieder die M. Gs. in Stellung bringend, wich die vordere Linie auf die Zwischenstellung zurück, die auch gegen weitere Angriffe gehalten wurde, ja, man sollte es kaum für möglich halten, zusammen mit den Trümmern von Res.-Inf.-Regt. 120 gelang es, die Quennelet-Ferme und die daran anschließende Stellung dem Gegner wieder zu entreißen und trotz schwerer Verluste zu behaupten. In diesen Tagen war es auch, daß sich die feindlichen Flieger besonders intensiv bei den Infanterie-angriffen beteiligten. In ganz geringer Höhe der Front entlangfliegend, beschossen sie die in ihren Stellungen und Trichtern liegenden deutschen Truppen, warfen Bomben und sogar Handgranaten, ein besonders niederdrückendes Gefühl, denn von unsern Fliegern war so gut wie nichts mehr zu sehen und deshalb von dieser Seite keine Hilfe oder Unterstützung zu erwarten. Ich erinnere mich noch genau, daß ich an diesem 17. Okto-ber von Oberstleutnant Stein beauftragt wurde, Hauptmann Mattes über die Lage zu orientieren, den Befehl zum Gegenangriff zu überbringen, diesen Angriff mitzumachen und sofort Meldung über den Erfolg zurück zu bringen. Ich ging allein den etwa 1 km langen Weg vom Regimentsgefechtsstand zu dem in vorderer Linie liegenden Bataillon. Kaum war ich im freien Gelände, als ein feindlicher Flieger von rückwärts aus Richtung Catillon kam, der mich mit M. G. beschoß. Zuerst glaubte ich, daß die Kugeln zufällig um mich herum einschlugen, als der Flieger aber kehrtmachte und mich von vorne beschoß, war ich mir darüber klar, daß diese Munitionsverschwendung mir galt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als von Granattrichter zu Granattrichter, von Baumstamm zu Baumstamm zu springen und mich immer so zu decken, daß ich nach vorne oder hinten geschützt war, denn dieses Spiel ging eine ganze Weile fort. Welchen Überfluß an Fliegern und Material muß der Gegner gehabt haben, daß er es sich leisten konnte, vom Flugzeug aus auf einen einzelnen Mann Jagd zu machen!
Leider hatte der oben erwähnte Gegenangriff, trotzdem er zunächst erfolgreich war, nicht die Wirkung, die wir uns von ihm erhofft hatten. Trotz Verstärkung der Front durch eine preußische Division (17. Res.-Div.), deren Regimenter auch nur noch 150 – 200 Mann stark waren, gelang es nicht, das Erreichte zu halten. Wir mußten langsam weichend zurückgehen, insbesondere weil der Gegner in den Nachbarabschnitten mehr Erfolg hatte. So kam es, daß der Gegner am Abend des 17. Oktober bis an die Straße Le Cateau – Ribeauville gelangt war.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Dienstag, 16. Oktober 2018

16. Oktober 1918



„Am 16. Oktober morgens setzt auf dem Kanonenberg, einer südlich Pierrepont gele-genen Erhebung, deren Verteidigung einem Teil der 11. Kompagnie zugewiesen war, Artilleriefeuer leichter und mittlerer Kaliber ein, dem um die Mittagszeit ein Angriff zwei bis drei feindlicher Kompagnien folgt. In hartem Kampf in alten Gräben wehren sich die Tapferen unter ihrem Führer, Leutnant d. R. Dieterle, der selbst so lange an der Verteidigung persönlich teilnimmt, bis er von einem Franzosen, wie Verwundete erzähl-ten, zu Boden geschlagen wird. Wenige, die nicht fielen, oder verwundet in die Hände der Feinde kamen, wurden sofort von der Kompagnie aufgenommen, die, durch M.-G. verstärkt, dem feindlichen Vorgehen unter schweren Verlusten ein Halt geboten. Um schnell festzustellen, welcher Gegner dem Bataillon gegenüberliegt, unternahm der Vi-zefeldwebel d. R. Göbel der 11. Kompagnie noch am Abend mit einigen Freiwilligen eine Patrouille; ihm gelang es durch frisches Draufgehen einen französischen Melde-gänger vom Regiment 365 zu fassen.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Montag, 15. Oktober 2018

15. Oktober 1918



„In diesen Tagen zeigten sich die amerikanischen Flieger in Mengen; bei der Abwehr ging am 15. ein offenbar abgeschossenes deutsches Flugzeug bei Thénorques nieder. Um ihm Hilfe zu bringen, entsandte der Führer der Überwachungsgruppe, der von seinem Gefechtsstand in Thénorques den Vorgang beobachtet hatte, Hauptmann Simon, die beiden Sanitätssergeanten seines Stabs (I. Abt.) Herm und Schmidtberger, an die Landestelle. Dort wurden beide durch eine Granate tödlich verwundet und fielen so bei einem Werk echter Kameradschaft und in Ausübung ihres Berufs, der von unserm gesamten Sanitätspersonal so oft den rücksichtslosen Einsatz der Person forderte.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Feldartillerie-Regiment Nr. 2 im Weltkrieg 1914-1918“ׅ, Stuttgart 1927

Sonntag, 14. Oktober 2018

14. Oktober 1918


„Die Infanteriekompagnien zählten im Durchschnitt nur 1 Offizier und 30 Mann mit 2 bis 3 leichten M.-G. 08/15; die M.-G.-Kompagnien konnten je 4 bis 5 M.-G. 08 bedienen; den Minenwerferzügen der Bataillone standen für je 2 leichte Werfer etwa 16 Mann zur Verfügung. Rechnet man die Offiziere, die Fernsprecher und Melder der Stäbe hinzu, so bestand die ganze „Macht“, mit der das Regiment in seine letzte große Schlacht eintrat, aus rund 450 Köpfen.
Seit 6 Uhr vormittags belegte die Artillerie der 39. Inf.-Division die erkannten feind-lichen Bereitstellungsräume mit Vernichtungsfeuer. Auffallenderweise antwortete die gegnerische Artillerie fast gar nicht.
6.30 Uhr vormittags brach jedoch auf der ganzen Front gewaltiges Trommelfeuer aus allen Kalibern, vermischt mit Nebelgranaten los. In wenigen Minuten war das ganze Gelände bis zur Straße Meenen – Roeselaere in undurchdringlichen Nebel gehüllte. Mit besonderer Wucht lastete das Feuer auf der Gegend der Gefechtsstände der Kampfgrup-penkommandeure und der in ihrer Nähe liegenden Bereitschaften und Reserven. Schon nach einer Viertelstunde versagten alle Fernsprechverbindungen zum Regimentsge-fechtsstand am Nordausgang von Meenen. Der Nebel machte das Erkennen von Blink-lichtsignalen ganz unmöglich.
Dichte Massen englischer Infanterie brachen kurz vor 7 Uhr vormittags aus Gheluwe heraus und östlich davon in südlicher Richtung vor. Sperrfeuerzeichen gingen in der vordersten Linie hoch. Durch das furchtbare von den platzenden Artilleriegeschossen verursachte Getöse hindurch war kurze Zeit Abwehr-Maschinengewehrfeuer hörbar. Dann brandeten die Sturmwellen über das III. Bataillon hinweg. Nicht besser erging es dem II. Bataillon, dessen Kompagnien aus nordwestlicher und westlicher Richtung an-gegriffen sich wehrten, bis auch sie von der Flut verschlungen wurden. Ihre letzten Maschinengewehre hämmerten noch, als der Feind schon tief in ihrem Rücken stand. Der Nebel war so dicht, daß einzelne Postierungen den Gegner erst erkennen konnten, nachdem dieser bis auf wenige Meter an sie herangekommen war. Die ganze Front ge-riet ins Gleiten nach rückwärts. Freund und Feind wogten, im Nebeldunst und Pulver-qualm kaum unterscheidbar, in Richtung auf Coucou an der Straße Meenen – Wervicq und auf Meenen durcheinander. Die Reserven warfen sich, wo sie gerade standen, dem Gegner  entgegen; vergebens, das Unheil war nicht mehr aufzuhalten.
Mit knapper Not entging der tapfere Führer des II. Bataillons, Hauptmann d. R. Klein dem Schicksal seiner Kameraden vom I. und III. Bataillon. Er konnte gerade noch mit wenigen Begleitern seinen in einem Betonunterstand östlich von Hoogpoort-Hof einge-richteten Gefechtsstand durch den einen Ausgang verlassen, als vor dem andern ein englischer Flammenwerfertrupp erschien, dem eine mindestens 100 Mann starke Abtei-lung folgte.
Westlich und nordwestlich von Meenen begann der feindliche Stoß, der auch den Eng-länder viel Blut gekostet hatte, gegen 11 Uhr vormittags endlich zu erlahmen und sich in Einzelkämpfe aufzulösen.
Teile der Gruppenreserve (Inf.-Regt. 134) waren dem Regiment zur Verfügung gestellt und hielten im Norden und Nordwesten der Stadt in einer ungefähr der Eisenbahn nach Roeselaere folgenden Linie den Gegner erfolgreich ab, der mehrfach gegen den Nord-eingang vorzustoßen versuchte.
Unvergänglichen Ruhm hat sich hier die 4. Batterie Feldart.-Regts. 80 erworben. Sie hielt an der Straße nach Gheluwe so lange tapfer aus, bis die britische Sturmflut in die Geschützstellungen vorgebrandet war. Als 10.30 Uhr vormittags die 134er nördlich und nordwestlich von Meenen zum Gegenstoß vorbrachen, da stürmten auch die noch kampffähig gebliebenen Batterieoffiziere mit ihren Kanonieren wieder vor, um die Kanonen wieder zu gewinnen. Das gelang. Die Munition reichte gerade noch aus, eine in Gegend Comerenhoek offen aufgefahrene englische Batterie in Schach zu halten und unter den vom Gegner weiter herangeführten Infanteriekolonnen tüchtig aufzuräumen. Die 134er mußten, nachdem ihr Gegenstoß sie ziemlich weit über die Bahn nach Roeselaere hinausgeführt hatte, 11.30 Uhr vormittags unter dem Druck der feindlichen Übermacht fast bis an diese Bahn wieder zurückgehen. Damit gingen die Geschütze endgültig verloren.
Ebenso wacker haben sich die südlich von der 4./Feldart.-Regts. 80 eingesetzten Batte-rien (3. Feldart.-Regts. 80, 1. und 2. Feldart.-Regts. 32) gehalten, ohne deren aufop-fernde Mitwirkung es unserem Regiment kaum möglich gewesen wäre, das Eindringen des Engländers in den Brückenkopf Meenen bis zum Abend zu verhindern.
Zwischen den Straßen nach Gheluwe und Wervicq verwehrten schwache Teile fast aller Regimenter der 61. Brigade vermischt mit solchen der 40. Inf.-Division dem hier ziem-lich nahe an den Westrand herangekommen Feind das weitere Vordringen. Im Südwes-ten hielt sich Hauptmann d. R. Klein mit Trümmern des I. und II. Bataillons beiderseits de Straße nach Wervicq etwas vorwärts der Eisenbahn Meenen – Tourcoing. Mit dem auf dem anderen Lysufer kämpfenden bayer. Res.-Inf.-Regt. 25 war vorerst noch keine Verbindung erreicht.
Das ausgezeichnete persönliche Verhalten des genannten Offiziers verdient rühmende Erwähnung. Immer ganz vorne, ein leuchtendes Vorbild für die Mannschaft, erkannte er 11 Uhr vormittags, daß der Engländer von Coucou her  zu einem Angriff ansetzte. Er entschloß sich, ihm im Gegenstoß zuvorzukommen, sammelte in seiner Nähe befind-liche Mannschaften der 6. Kompagnie und der Infanterie-Pionier-Kompagnie des Regi-ments, zog die an der Eisenbahnbrücke über die Lys stehende, vom 5. Kürassier-Regi-ment gestellte kleine Brückenwache, die über ein leichtes Maschinengewehr verfügte, an sich heran und stieß mit diesen 30 Mann unaufhaltsam fast bis zu den Gehöften östlich vom Hoogpoort-Hof vor, in denen vor Beginn des großen Angriffs unser I. Bataillon als Reserve gelegen hatte. So viel Kraft und Kühnheit hatte der Engländer von dem kleinen Schwabenhäuflein nicht erwartet. Er wandte sich zur Flucht; mancher Tommy blieb im Verfolgungsfeuer liegen.
Als erster holte Hauptmann Klein zusammen mit dem Offizierstellvertreter Bainder, den Sergeanten Bader und Beller der Infanterie-Pionier-Kompagnie ein paar Feinde aus einem besetzten Mebu* heraus und drang dann nach Coucou vor, wobei er weitere 15 Gefangene machte und 4 Vickers-Maschinengewehre erbeutete. Auch ein am frühen Morgen verlorengegangenes Tankabwehrgeschütz konnte, noch völlig unversehrt, den Briten entrissen werden. Ein kleiner Rest der 1. Kompagnie, Leutnant d. R. Kappler mit 2 leichten Maschinengewehren, der bis südlich der Eisenbahn nach Wervicq abgedrängt worden war, hatte sich dem Vorstoß angeschlossen, gleichfalls einige Gefangene ge-macht und stellte südlich von Coucou die Verbindung mit dem bayerischen Res.-Inf.-Regt. 25 her.
Am Nachmittag herrschte auf dem Schlachtfeld im allgemeinen Ruhe. Der Alkohol-rausch, der die feindlichen Infanteriemassen zum rücksichtslosen Vorstürzen in den deutschen Abwehreisenhagel hinein befähigt hatte, war verflogen. Die Erkenntnis, daß die ausgemergelten deutschen Regimenter im offenen Felde sich noch immer nicht so leicht besiegen ließen, wie britische Generale in hochmütigem Stolz ihren Truppen vor-gegaukelt hatten, wirkte ernüchternd. In einem ein paar Tage später in deutsche Hand gefallenen Befehl war ausdrücklich empfohlen, bei Fortsetzung der Angriffe den vom Regiment 126 besetzt gehaltenen Abschnitt nach Möglichkeit zu meiden!“

aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

* Mebu: Maschinengewehr-Eisenbetonunterstand

Samstag, 13. Oktober 2018

13. Oktober 1918



„Auch am 13. Oktober zeigte sich nur schwacher Gegner vor der Front. Die an den Retourne-Übergängen vorgenommenen Zerstörungen erschwerten ihm das Vorbringen seiner Artillerie. So bekam die Stellung zunächst nur Feuer leichter Kaliber. Feindliche Patrouillen, die von Seuil aus an den Kanal vorfühlten, wurden vertrieben. So hatte das Regiment an diesem und am folgenden Tage einigermaßen Ruhe.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921