Montag, 30. November 2015

30. November 1915


„Es fiel gegen Jahresschluß 1915 überall an der ganzen Westfront Regen in Strömen. In Niederungen, wie in den Wiesen zu beiden Seiten der Thur trat Überschwemmung ein. Am 3. Dezember mußte man nördlich des Flüßchens Teile der Stellung räumen, auf dem Südufer saß ein Unteroffizierposten auf einer Insel, von Hochwasser umflutet, mit-ten in den Wiesen. Jeder Versuch, durch die Schützengräben im Thurgrund hindurchzu-kommen, erwies sich als unmöglich. Wasser und Schlamm reichten stellenweise bis über Hüfthöhe.“


aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Sonntag, 29. November 2015

29. November 1915


„Der Division standen 7 Krankenautos zur Verfügung, bei Bedarf wurden sie um 4–6 Wagen der Etappen-Sanitätskolonne verstärkt. Es handelte sich damals schon beim Ver-wundetentransport um Strecken, die nur der Kraftwagen bewältigen konnte. Senuc bis Thenorgues bezw. Buzancy 14–16 km. Von den Truppenverbandplätzen bis Bahnhof oder Feldlazarett 5 in Senuc mußte ein Verwundeter durchschnittlich über 15 km transportiert werden, bis in die hinteren Feldlazarette 30 km. Im Bewegungskrieg betru-gen die Entfernungen von der Front bis zu den Feldlazaretten etwa 7–12 km.
Der Transport auf der Förderbahn und Argonnenbahn war schonend und rasch. Die Rollwagen der ersteren wurden durch ein Gestell mit eingelegten alten Autofedern, auf das die Krankentrage gestellt wurde, verbessert. Die kleinen Wagen wurden meist von Krankenträgern der Sanitätskompagnie von den Sanitätsunterständen (Truppenverband-plätzen) zum Hauptverbandplatz geschoben. Auf die Verwundetenwagen der Argonnen-bahn wurden die Krankenwagen der Sanitätskompagnie nach Abnahme des Räderge-stells aufmontiert und so Platz für 4 liegende oder 8 sitzende Verwundete geschaffen. Auch diese Einrichtung bewährte sich ausgezeichnet.“


aus: „Das Sanitätswesen im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1924

Samstag, 28. November 2015

28. November 1915


„Auf unserer Stellung liegt jeden Tag Artillerie- und Minenfeuer. Am meisten hat darunter der nach wie vor windige linke Abschnitt zu leiden. Des Nachts finden eben hier, in der wenig beliebten Trichterstellung, außerdem noch lebhafte Handgranaten-kämpfe statt. Verluste reihen sich an Verluste. Auch in diesen sogenannten ruhigen Zeiten vergeht kaum ein Tag, ohne daß der Tod bei uns anklopfen und seinen Tribut fordern würde.
Besonders tiefe Bücklinge machen wir, wir ziehen erst recht das Genick ein, wenn von weit hinten, aus dem Hinterlande von Ypern, unter dumpfem Gurgeln eine 24 oder 28 cm-Granate aus einem englischen Schiffsgeschütz angerollt kommt. Nur schwach ist der Abschuß zu hören, wir kennen ihn aber genau. Wenige Sekunden, und das Heulen wird stärker und stärker. Unter einem Mordsspektakel krepiert dieses Ungeheuer und läßt in großem Umkreis einen ergiebigen Erd- und Splitterregen niederprasseln. Eine dicke schwarze Rauchsäule schießt einem Springbrunnen gleich in die Höhe.“


aus: „Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“, Stuttgart 1932

Freitag, 27. November 2015

27. November 1915


„Damals ahnte noch niemand, wie bald so ganz andere Verhältnisse auf dem winter-lichen östlichen Kriegsschauplatz von den württembergischen Trains Höchstleistungen fordern sollten, weniger in der Überwindung weiter Entfernungen, als im Bezwingen von Unbilden der Witterung, Unterkunftsgelegenheiten und Wege. Hier wußte man be-sonders innerhalb eines rund 25–30 km breiten Gürtels längs der Reichsgrenze nichts von einem festen Untergrund, so daß die Fahrzeuge auf weiten Strecken bis an die Ach-sen in den Morast einsanken und häufig samt Pferden und Fahrern in den Sumpf stürz-ten. Ein Beispiel dafür bot die Marschstraße des XIII. Armeekorps im Frühjahr 1916 von Muschaken über Janowo, Starnewies nach Klein-Mühlen bei Prasnycz. Damals mußten sich die Kolonnen fahrzeugweise vorarbeiten unter Beihilfe des Aufsichtsper-sonals, der Handwerker, sowie der Fahrer der folgenden Wagen; keine Kleinigkeit für die letzteren, durch die kalten Sümpfe mit den Pferden Schritt zu halten. Vielfach erwies sich der von oben ausgegebene Befehl, die Fahrer zur Entlastung der Pferde marschie-ren zu lassen, als undurchführbar; sie blieben buchstäblich im Schmutz stecken. So brauchte eine Kolonne zur Überwindung einer Strecke von 5 km nicht selten volle 24 Stunden. Eine Zeit lang hatte es fast den Anschein, als müßten die Truppen infolge dieser Nachschubschwierigkeiten in gangbares Gelände zurückverlegt werden.“

aus: „Feldverwaltung, Etappe und Ersatzformationen im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1925

Donnerstag, 26. November 2015

26. November 1915


„Die 4. Kompagnie hatte im November durch Volltreffer den Verlust von 3 Offizieren zu beklagen, darunter den Kompagnieführer, Leutnant Steiger, der durch seine ausge-zeichnete Haltung viel zum Erfolg des 25. September beigetragen hatte.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Leutnant der Landwehr I Paul Staiger, geboren am 27. März 1882 in Düneberg (LHS Bergedorf, Hamburg),
gefallen am 26. November 1915 vor Ypern, Flandern

Leutnant der Reserve Otto Nagel, geboren am 21. Januar 1892 in Ludwigsburg,
gefallen am 26. November 1915 vor Ypern, Flandern

Bilder: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708

Mittwoch, 25. November 2015

25. November 1915


„Der Heimkrieger ist empört über die Untätigkeit der Divisionen im westen. Wenn er etwas zu sagen hätte, wenn er zu befehlen hätte, dann wären die Engländer längst in’s Meer geworfen, dann wäre Paris längst erobert! So aber muß man dauernd lesen: „Im Westen nichts Neues“. – „Heiliger Strohsack, was schaffen denn die eigentlich?“ – Er stellt sich die Sache so vor, als ob wir den lieben langen Tag auf der faulen Haut liegen und nur an Essen und Trinken denken würden.
Unwillig schüttelt er nochmals sein Haupt, greift zum Glas und nimmt einen kräftigen Schluck, um den Ärger runterzuspülen. – „Päule, noch eins!“ – Und wenn er dann so und so viele Glas Bier oder „Viertele“ sich einverleibt hat, wenn er weidlich räsoniert und geschimpft hat, dann zieht er hochbefriedigt nach Hause. – „Was ist er doch für ein Mordskerl!“ – Voll Behagen legt er sich neben sein Weible, zieht seine Decke über die Ohren, murmelt noch einmal: „ja wenn – ich –!“, und schon ist er sanft entschlafen.
Währenddessen stehen draußen an der Westfront vom Meer bis zur Schweiz, an der hunderte von Kilometern langen Front feldgraue Männer in schwerem Dienst und halten bei Wind und Wetter, bei Regen und Schnee treue Wacht, damit er ruhig schlafen kann. Währenddessen sinken ungenannt und unbekannt so viele brave Menschen unter dem feindlichen Blei, zerrissen von der feindlichen Granate dahin. Hunderte müssen ihr junges Leben lassen, bei Hunderten erfüllt sich das Schicksal, Hunderten zerbricht die Seele im Leib. Oft und oft wanken sie nur noch Gespenstern gleich einher, abgerackert, ausgemerkelt. – Und am andern Tag steht wieder in der Zeitung: „Im Westen nichts Neus“.
Je stiller dieses Heldentum der Front ist, desto größer ist es. Sie machen nicht viel Aufhebens von sich, die Leute an der Westfront. Unverdrossen, selbstlos tun sie ihre harte, schwere Pflicht, durch Not und Tod fest zusammengeschweißt, Offiziere, Unter-offiziere und Mannschaften.“


aus: „Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“, Stuttgart 1932

Dienstag, 24. November 2015

24. November 1915


„Der Bataillonsstab blieb zwar in Avesnes, aber die Kompagnien wurden weiter ausein-andergelegt. Die 1. kam nach Le Cateau zu liegen, die 3. nach Landrecies, beide zum Schutz der Bahn St. Quentin – Maubeuge; die 2. kam nach Le Quesnoy, einer alten fran-zösischen Festung, die 4. blieb in Avesnes, um mit der 2. zusammen die Nordbahn nach Valenciennes zu sichern. Es wird berichtet, der damalige strenge, eintönige Wachtdienst habe ein auffallendes Altern der Landsturmleute – meist Jahrgang 1874/75 – zur Folge gehabt. Die Führung der 2. Kompagnie übernahm an Stelle des Hauptmanns v. Mühl-berger im Sommer 1915 der bisherige Adjudant, Hauptmann Haag; die 3. an Stelle des Hauptmanns v. Biberstein der Hauptmann Silcher. Vom Herbst 1915 an wurden die feindlichen Flieger immer lästiger und die von ihnen hinter der Front abgesetzten Agenten bedrohten die lebenswichtigen Bahnen mit Sprengversuchen. Daher mußten die Posten verstärkt und die Ruhepausen verkürzt werden. Von besonderer Wichtigkeit war der große Eisenbahnviadukt bei Fourmies, der nach seiner Zerstörung durch die zurückweichenden Franzosen im Herbst 1914 von deutschen Pionieren als Kriegsbrücke wieder aufgebaut worden war und auf dessen Zerstörung die französische Regierung eine Belohnung von 50 000 Frs. ausgesetzt hatte; aber kein Franzose hat sich während des Krieges dieses Geld verdient. Im Abschnitt der 3. Kompagnie wurde durch die Wachsamkeit des Landsturmmanns Hofmann in einer dunklen Oktobernacht 1915 ein Versuch, die Schienen zu zerstören, glücklich vereitelt. Auch verschiedene tödliche Unglücksfälle brachte der strenge Bahnschutzdienst mit sich.“


aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929

Montag, 23. November 2015

23. November 1915


„Aber die Gesamtlage hatte sich doch wesentlich gegen früher geändert. Sichtlich hatte der Brite jetzt darauf verzichtet, mit den bisherigen Mitteln Hooge und die Höhe 55 in seinen Besitz zu bringen. Sie hatten sich als unwirksam erwiesen. Verschiedene Anzei-chen deuteten vielmehr darauf hin, daß er es nunmehr mit Gas und einem Minenangriff großen Stils versuchen werde. Aber das eine wie das andere Mittel bedingte, daß er das deutsche Artilleriefeuer nicht unnötig herausforderte. Noch ein drittes kam dazu, unsere Lage zu erleichtern – das sichtliche Ruhebedürfnis des Engländers.
Das häufige Ablösen seiner Stellungstruppen war dem Stellungsbau selbst wenig förder-lich; das hatte sich in der englisch-französischen Groenenburgstellung deutlich gezeigt. In Gummistiefeln, mit einer sehr soliden und praktischen Bekleidung und Ausrüstung und bei glänzender Verpflegung hatte es sich dort schon einige Zeit aushalten lassen; aber im Hoogeboden war das doch etwas anderes. Auch hatten wir zur besseren Entwäs-serung unserer dem Bellewaarde-Teich nahegelegenen Gräben damit begonnen, von Zeit zu Zeit den Spiegel des Teichs um 1 bis 2 m zu senken und das abfließende Wasser unter unserer Stellung hindurch nach den englischen, tiefer gelegenen Gräben abzulei-ten, was sicher nicht zu deren Verbesserung beigetragen hat, und schließlich hatte unse-re Artillerie all die Zeit her auch nicht ohne Erfolg geschossen. Die englischen Gräben waren daher wohl in einem ebenso üblen, wahrscheinlich in einem noch übleren Zu-stand als die unsrigen, so daß sie auch dem „Tommy“ nicht mehr gefielen und er das Bedürfnis empfand, etwas für sie zu tun. Er mußte also wohl oder übel Ruhe halten, wenigstens bis er seine Stellung in Ordnung gebracht hatte, gerade wie wir auch. Und daß das nicht so bald geschah, dafür sorgten der solide Landregen im Spätherbst und die Regenstürme, die der flandrische Winter mit sich zu bringen pflegt.
Das Artilleriefeuer hielt sich demzufolge auf beiden Seiten meist in mäßigen Grenzen, und dementsprechend waren auch die Verluste nicht groß; ja es gab in der Folgezeit Tage, an denen auf unserer Seite überhaupt keine Verluste eintraten, eine ebenso neue wie erfreuliche Erscheinung. Das kam dem Stellungsbau in hohem Maße zugute, der noch schwieriger geworden war, seit das wochenlange feindliche Artilleriefeuer die ohnehin geringe Standfestigkeit des Bodens derart gelockert hatte, daß die Sandsack-packungen vielfach keinen Halt mehr fanden, bei jedem stärkeren Regen einrutschten und die empfindlichen Entwässerungsanlagen vernichteten.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

Sonntag, 22. November 2015

22. November 1915


„Der Winter 1915/16 war bei weitem erträglicher als der erste Kriegswinter. Man war sowohl vorn in der Stellung, als hinten in den Ortschaften bedeutend besser unter-gebracht, man war mit allem, was man zum Leben brauchte, gut versehen, und das ganze Leben ging seinen geordneten Gang, wie wenn es nie anders gewesen wäre. Dafür nahm aber die Gefechtstätigkeit der Engländer bedeutend zu und löste bei uns die Gegenwirkung aus. Schon im Laufe des Sommers hatte der Gegner vereinzelt mit Gasgranaten geschossen und auf Grund von Beobachtungen erwartete man auch einen Gasangriff, der aber nicht erfolgte. Dafür nahm das Minen- und schwere Artilleriefeuer immer mehr zu. Über 500 schwere und über 1000 leichte oder mittlere Granaten an einem Tag auf die Stellung des Regiments war keine Seltenheit. Dazu noch 30–40 schwere Kugelminen und ebensoviel leichte verschiedener Konstruktion. Es war eine schwierige Arbeit, den Aufstellungspunkt der feindlichen Minenwerfer ausfindig zu machen. Die Artillerieverbindungsoffiziere, die dem Bataillon zugeteilt waren, hatten sich sehr verdient dabei gemacht. Waren die Minenwerfer endlich erkannt, so wurden sie mit Artillerie bekämpft, der Erfolg war aber nicht zu groß. Meistens zogen sie aus und schossen von einer andern Stelle aus wieder. Nun begann das Suchen von neuem. Der Schaden, den die Minen anrichteten, war recht beträchtlich, die Verluste aber nicht groß. Wenn die Mine nicht zufällig in den Graben fiel, waren die Menschen in den tiefen Gräben in Sicherheit. Aber das Wiederherstellen der Stellung erforderte sehr viel Arbeit und Material, und der fürchterliche Krach der explodierenden Mine ging den Menschen auf die Nerven.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922

Samstag, 21. November 2015

21. November 1915


„Das letzte Viertel des Jahres 1915 ging ohne größere Kampfhandlung vorüber. Die Akten erzählen aus dieser Zeit von viel Arbeit in und an den Gräben, von viel Be-schießung durch die französische Artillerie, der die deutsche nichts schuldig bleibt. Nur mehren sich jetzt die Bemerkungen, daß die Verheerungen in den Gräben jedesmal größere werden, woraus sich dann immer wieder auf größere Instandsetzungsarbeiten schließen läßt. Denn was die feindliche Granate heute zerstört, wird sofort wieder erneu-ert. Weiter erzählen die Tagebücher von einer äußerst regen Patrouillentätigkeit. Fast keine Nacht vergeht, ohne daß man am Geishag drüben liegt und die Minenbeschießung und deren Verwüstung feststellt, daß man in der Kreuzwaldsappe die Franzosen be-horcht oder in die Sappe eindringt, daß man im Dollergrund und in Exbrücke die Fran-zosen in ihren Postenstellungen beunruhigt, oder daß man das freie Feld zwischen Ober- und Niederburnhaupt abtastet und die Verteilung der französischen Posten hinter ihrem äußerst breiten Drahtverhau in steter Kontrolle hält.“


aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Freitag, 20. November 2015

20. November 1915


Ein Tag aus der Kriegszeit (November 1915). Zum Morgenkaffee gibt es Schwarz-brot. Die Milch wurde entrahmt, da wegen des Buttermangels jedermann selbst Butter bereitet. Um 7 Uhr sind  schon die Morgen-Extrablätter einiger Stuttgarter Zeitungen angeschlagen. Vor jedem steht eine Gruppe Leser. Viele schauen nach, ob die hiesigen Zeitungen keine Extrablätter ausgegeben haben, was stets geschieht, wenn über Nacht wichtige Nachrichten eingegangen sind. Auf der Straße marschiert ein Trupp Franzosen, der zu Grabarbeiten bei der Landeswasserleitung kommandiert ist. Bald darauf folgt ein Bataillon Landsturm, das zu einer Felddienstübung auszieht. „Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod“ erschallt es zum Marsch. Für viele aus ihnen wird das Lied bald bittere Wirklichkeit werden.  In dünnen Reihen wandern Arbeiter zur Fabrik. Dort geht ein Briefträger. Er war wie bereits alle seine Berufsgenossen bis Kriegsbeginn Fabrik-arbeiter und versieht mit andern den Dienst der Einberufenen. Da und dort erwarten ihn Personen unter der Haustüre sehnsüchtig. Was für Nachrichten wird er bringen? So oft schon hat er, wenn er einen Feldbrief übergeben hatte, hinter sich herzzerreißenden Jammer gehört. Vor dem kath. Volksschulgebäude und auch auf dem Graben exerzieren Soldaten. Gegen 10 Uhr erblickt man auf allen Straßen schon Verwundete aus den Lazaretten, darunter Kindergesichter und graue Köpfe. Einfüßige und einarmige Krieger mit zerfetztem Gesicht, mit ausgeschossenem Auge oder andern schweren Verletzungen begegnen uns. Von verschiedenen Gebäuden weht eine weiße Flagge mit rotem Kreuz. Das sind die Lazarette. Von einem Lazarett löst sich unter den wehmütigen Klängen von Beethovens Trauermarsch eben ein Leichenzug ab. Ein gestorbener Verwundeter wird zum Bahnhof geleitet. Im Heimatdorf soll er die Ruhestatt finden. Der gleiche Zug, der ihn mitnimmt, bringt Feldgraue, die von Münsingen zurückkehren und nun unter schneidigen Marschweisen durch die Stadt marschieren. Zum Mittagstisch gibt es ein mageres, fleischloses Gericht, mit Fettsurrogat zubereitet. Was wird das amtliche Extra-blatt, das jeden Abend erscheint, heute bringen? Diese Frage federt in allen Köpfen. Um 5 Uhr wird es angeschlagen. Alles stürmt darauf los. Nichts Wichtiges heute: viel Brühe, wenig Brocken. „O Deutschland hoch in Ehren!“ erschallt es jugendfrisch von der Seitenstraße her. Die Jugendwehr ist’s, die von einer Felddienstübung zurückkehrt. Man geht zum Glase Bier. Die Wirtschaft ist gut besetzt. Die meisten Gäste sind Militärpersonen, darunter solche, die morgen ins Feld kommen, und andere, die vom Felde zurückkamen. Alles spricht nur vom Krieg und vom Essen. Von den Urlaubern und Verwundeten erfährt man vieles, was in keiner Zeitung und in keinem amtlichen Bericht steht.“


aus: „Gmünd im Weltkrieg Chronik“, Schwäbisch Gmünd 1927

Donnerstag, 19. November 2015

19. November 1915


„Bei der Rückkehr in die alten Verhältnisse bei Sennheim – Uffholz am 9. November erhielt den Abschnitt II das geschlossene, durch die 12. Kompagnie verstärkte II. Bataillon, während 9., 10. und 11. Kompagnie an L. 126 für Höhe 425 taktisch abgetreten wurden. Die Regengüsse hatten in Stellung arg gehaust; es gab harte Arbeit und das Wasserpumpen hörte bei Tag und Nacht nicht auf. Unterstände waren ver-rutscht, die anderen schwammen vor Wasser, ebenso lange Grabenstrecken, deren Brustwehr, Rückwand und Aussteifungen eingedrückt waren, nicht ausgeschalte Stollen waren zusammengefallen, die übrigen bis zum Rand gefüllte Brunnenschächte gewor-den – gut die Hälfte der ganzen Stellung war unbenutzbar. Jetzt lernten wir die Kraft des Wassers richtig einschätzen, das sich in tausend Fäden über den undurchdringlichen Lehmgrund Wege nagte, unsern Erdwänden die Standfestigkeit nahm, alles Ruhende lockerte und ins Gleiten brachte und jede Höhlung füllte, jetzt wurden wir klug. Die beiden Arme des Steinbachs waren zu reißenden Bächen angeschwollen, die Thur trat aus den Ufern, überschwemmte die Niederung und riß unsere Holzbrücken fort.
Das ging den November und Dezember durch so weiter; vorübergehender Frost, der uns aufatmen ließ, zerbröckelte den Grund noch mehr, und beim Tauen vervielfachten sich die Schäden. Unser einziger Trost war, daß die Franzosen keine geringeren Beschwer-den durchzumachen hatten und ganz von selbst schwächte ihr Infanteriefeuer ab, sie hatten genug mit dem Wasser zu tun. Die Artillerie allerdings kümmerte sich darum nicht viel.“


aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1925

Mittwoch, 18. November 2015

18. November 1915


„Im Argonnenwald blieb die Tätigkeit der feindlichen Infanterie auch in den folgenden Wochen gering. Das feindliche Artilleriefeuer lag in wechselnder Stärke auf unseren Stellungen und mehr noch auf den rückwärtigen Verbindungen und Unterkünften. Die Tätigkeit der feindlichen Flieger aber nahm zu; mehrfach belegten sie die Unterkünfte der Division mit Bomben.“


aus: „Die 27. Infanterie-Division im Weltkrieg 1914-18“, Stuttgart 1925

Montag, 16. November 2015

16. November 1915


„Die ersten vier Monate im Abschnitte östlich des Mort Mare verliefen recht ruhig. Freilich verging kein Tag und keine Nacht ohne Beschießung der Stellungen durch die französische Artillerie, auch erhielten die Bereitschaftslager häufig Feuer, aber es erfolgte kein Angriff, keine größere Unternehmung, nicht einmal ein kleinerer Patrou-illenvorstoß der Franzosen. Den täglichen Beschießungen fiel durchschnittlich auch alle Tage ein Mann tot oder verwundet zum Opfer.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 478 und seine Stammtruppen Brigade-Ersatz-Bataillone Nr. 51, 52, 53 und Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 51“, Stuttgart 1924

Sonntag, 15. November 2015

15. November 1915


„Um die Zeit des Eintreffens der Truppen auf dem Kanonenberg war die Lage dort wieder sehr gespannt, doch kamen feindliche Angriffe in den folgenden Tagen nicht zur Durchführung. Um so mehr hatten die Bataillone unter einem mörderischen Artillerie-feuer zu leiden, mit dem Joffre seine nicht gerade erfolgreiche Offensive ausklingen ließ. Das Abflauen des Großkampfes ermöglichte es bald, dem Regiment einen fest begrenzten Abschnitt zum Ausbau und zur Verteidigung zuzuweisen. Seine Besetzung konnte so geregelt werden, daß, ähnlich wie in den Argonnen, ein Bataillon die Kampflinie hielt, während die beiden anderen Bataillone in Bereitschaft bzw. Ruhe lagen. Als Ruhequartiere verblieben den Bataillonen ihre Lager in den Argonnen; des weiten und beschwerlichen Anmarsches zur Stellung wegen (15–18 Kilometer) wurde die Ablösungsfolge auf 8–10 Tage festgesetzt. 2½ Monate blieb das Bataillon dem Regiment fern. Durch rastloses Arbeiten im Stellungsbau hatte es zuerst auf der Höhe des Kanonenbergs, dann links anschließend in der „la Justice“-Stellung kräftig mitge-holfen, die Schäden, welche die feindliche Offensive uns in dieser Hinsicht zugefügt hatte, zu beheben. Unter der Kampftätigkeit des Gegners hatte das Bataillon während der Zeit verhältnismäßig wenig zu leiden; in desto schwererem Kampf aber lag es mit den Unbilden der Witterung. Obwohl bei der großen Entfernung der beiderseitigen Stellungen voneinander (800–1600 Meter) tagsüber einige wenige Posten und für die Nachtstunden vor die Front geschobene Patrouillen zur Sicherung der Stellung vollauf genügten, reichten die restlichen Mannschaften nicht annähernd aus, dem durch den fortgesetzten Regen bewirkten Zerfall der Stellungen und Stollen im dem Kreide-Boden der Champagne überall erfolgreich entgegenzuarbeiten. Erschwerend kam hinzu, daß die Zufahrtsstraßen sich in einem so trostlosen Zustand befanden, daß das Vorbringen von Verpflegung und Material auf ungeheure Schwierigkeiten stieß.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922

Freitag, 13. November 2015

13. November 1915


„Am 13. November hatte die 1. Kompagnie den linken Flügel besetzt. In den Mittagsstunden setzte heftiges Artilleriefeuer ein. Mehrere Volltreffer gingen auf den Graben nieder. 14 Tote, 7 Schwer- und 12 Leichtverwundete hatte die Kompagnie zu beklagen. Die Besetzung des Grabens war so schwach, daß sie durch die 2. Kompagnie verstärkt werden mußte.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 246 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Donnerstag, 12. November 2015

12. November 1915



„Das Wasser, in Verbindung mit der Kälte, wurde der 248er größter Feind. Die kaum wieder eingerichteten Gräben wurden durch das Wasser überschwemmt und zerstört. Sie glichen schmalen Wasserbächen mit schmutzig gelber Flut. Hart nördlich der Bahn mußte ein einige hundert Meter langes Stück des vorderen Grabens wegen Über-schwemmung zeitweise gänzlich geräumt werden. In der übrigen vorderen Stellung half man sich durch Auspumpen und Ableiten des Wassers in Richtung auf die englische Stellung. Wer als Essenfasser, Arbeitstrupp oder Ordonnanz in die Stellung zu gehen hatte, mußte im „Decken-“ und „Leutholdweg“ weite Strecken bis über die Hüften im Wasser zurücklegen. Die Unterstände in der vorderen Linie füllten sich zum großen Teil mit Wasser. Als Unterschlüpfe wurden die gut ausgebauten Schießscharten benützt. Dort saß man, eng aneinandergepreßt, fröstelnd, trotz Mantel, Teppich und Zeltbahn, durch die Regen und Kälte hindurchdrangen. Nur in wenigen der noch erhaltenen Unter-stände waren kleine Grabenöfen vorhanden. Wo sie aber vorhanden waren, da fehlte es an trockenem Brennmaterial. Erst später kamen Holzkohlen. Unter diesen Witterungs-verhältnissen litt natürlich der Gesundheitszustand der Truppen sehr, obgleich die Führung alles Mögliche zur Abhilfe tat, so z. B. durch Abkürzung der Stellungsperiode von 4 auf 3 Tage, durch Verbesserung und Vermehrung der Verpflegung, besonders an wärmenden Getränken. Der Abgang an Kranken betrug beim Regiment in den letzten beiden Novemberdritteln 250 Mann.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Mittwoch, 11. November 2015

11. November 1915


Eugen Reischmann
GEFR. 6/127                                                                                               11. NOVEMBER 1915.

Geb. 27. 10. 93 in Fleischwangen, Sem. Saulgau 1912, U.-Lehrer in Baienfurt, Erisdorf und zuletzt in Egelfingen (Riedlg.), wurde am 2. Dez. nach Ulm eingezogen und kam im April 1915 ins Feld, wo er durch würzigen Humor und edle Kameradschaftlichkeit sich bald allgemeiner Beliebtheit erfreute. Leider hielt ihn ein zweimonatlicher Aufenthalt im Seuchenlazarett Stenay (Typhus) den Sommerstürmen, die er gar zu gerne mitge-macht hätte, fern. Als er am nebligen Morgen des 11. November mit anderen Kamera-den in der Reservestellung beschäftigt war, tötete eine feindliche Mine ihn und seinen Nebenmann. Erst begraben im Regimentsfriedhof in der Moreauschlucht, jetzt umge-bettet nach Servon, Grab 2076. Reischmann war ein lieber Kollege, der mit Eifer und Hingabe seinem Berufe und seiner Fortbildung oblag. Das letzte Argonnenopfer der 27. Div. aus unseren Reihen..“


aus: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

Dienstag, 10. November 2015

10. November 1915


„80–100 m von uns entfernt gingen die Franzosen in der waldigen Bergschlucht dem militärischen Winterschlaf entgegen und auch die Deutschen spannen sich allmählich ein. Ein naßkalter November trieb die Leute wieder in die Erdlöcher und Hütten und vorbei waren die Tage sommerlichen Waldlebens, in denen die moderige Stollenluft vergessen worden war. Jetzt hockte man wieder Mann an Mann zwischen Erde, Gestein und Balken und das einzige Licht war die Karbidlampe oder die Kerze, während an der niederen Decke ein dicker Qualm sich hinzog. Es wiederholten sich die Tage der letzten regnerischen Wintermonate, nur ruhiger waren sie geworden und die verbissene Wut der ersten Zeit war längst stiller Resignation gewichen.“


aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Montag, 9. November 2015

9. November 1915


„Wenn auch die Kämpfe im allgemeinen nicht so blutig waren, umso größer waren die körperlichen Anstrengungen, die an die Truppe gestellt wurden. Zweifellos war auch der Serbe nicht stark genug, um das obgleich zur Verteidigung wohl geeignete gebirgige und stark zerklüftete Land erfolgreich zu verteidigen. Fast immer gelang es uns, in Schluchten oder an steilen Hängen emporzukommen, ohne vom Gegner beschossen zu werden, oder ihn  von der Flanke zu überfallen. Diesem Umstand allein verdankt das Regiment die verhältnismäßig geringen Verluste. Der Gegner wurde meist nicht aus seinen Stellungen herausgestürmt, sondern herausmarschiert.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Sonntag, 8. November 2015

8. November 1915


„Seit Anfang November nahm die Gefechtstätigkeit der feindlichen Artillerie vorüber-gehend zu. Umfangreiche Zerstörungen an den Gräben und Verluste waren die Folge.“


aus: „Die 54. (Württembergische) Reserve-Division im Weltkriege 1914–18“, Stuttgart 1934

Samstag, 7. November 2015

7. November 1915


Max Kraut
geboren am 10. Juli 1891
gestorben am 7. November 1915 in Bapaume.




Kraut war Sohn unseres Philisters, Rechtsanwalts und früheren Landtagspräsidenten Kraut in Stuttgart. Nachdem er in Stuttgart die Schule durchlaufen und im Anschluß daran als Einjähriger im Württ. Feld-artillerieregiment 13 in Ulm gedient hatte, kam er im Wintersemester 1910/11 nach Tübingen, wo er mit Ausnahme von 2 Berliner Semestern die Rechtswissenschaft studierte und in der Bruderschaft als Fechtwart, selbst sehr guter Fechter, zeitweise auch Sprecher, eine allgemein anerkannte Stellung ausge-füllt hatte. Gerade in der Vorbereitung auf das Examen begriffen, wurde er bei Ausbruch des Krieges sofort zu seiner Truppe eingezogen. Der Drang, möglichst bald und energisch sich vor dem Feind zu betätigen, veranlaßte ihn, Ende März 1915 zur Infanterie überzutreten. Er wurde dem Württ. Infante-rieregiment 180 zugeteilt, das an der Westfront in der Nähe von Bapaume eingesetzt war und Anfang November den Auftrag hatte, festzustellen, welche Truppenteile auf der Gegenseite die Front inne haben. Zu diesem gefährlichen Unternehmen, aus den feindlichen Gräben die nötige Aufklärung zu holen, meldete sich der Anfang Juni zum Leutnant beförderte Max Kraut, wie sein unerschrocken er Mut und sein Pflichtbewußtsein ihn auch schon früher veranlaßt hatte, auf freiwilligen Patrouillen sich persönlich gegen den Feind einzusetzen. So verließ er in der Nacht vom 1./2. November mit 8 Mann die Stellung und hier wurde er, selbst vorschleichend, um die Gelegenheit des Überfalls zu erkunden, dicht am feindlichen Graben von einer Kugel, die ihn in den Bauch getroffen hatte, schwer verwundet. Er konnte sich noch zu seinen Leuten zurückschleppen, die ihn in die Stellung zurücktrugen. Noch in der selben Nacht wurde er nach Bapaume transportiert und operiert. Seine ungewöhnlich kräftige Natur gab schon die Hoffnung, er werde sich durchreißen; allein am Abend des 7. November führte eine Herz-schwäche sein Ende herbei. Die Trauer um ihn bei seiner Truppe und in weiteren Kreisen war eine große. Seine hervorragende Tapferkeit und Pflichttreue war allgemein anerkannt. Solange er noch auf dem Sterbebett lag, hat der General von Soden persönlich die goldene Militärverdienstmedaille für ihn überbracht. Max Kraut hat die Freude freilich nicht mehr erleben dürfen. Das EK II hatte er schon früher erhalten. Zur Überführung seiner Leiche vom Lazarett an den Bahnhof waren vom kommandierenden General abwärts eine große Zahl Offiziere vom Reserve-Feldartillerieregiment 26 und Infanterie-regiment Nr. 180 und eine Anzahl Bundesbrüder mit der Ehrenkompagnie gekommen. Einen mit dem Band geschmückten Kranz haben ihm die Bundesbrüder als letztes Freundeszeichen mitgegeben. Auf dem Waldfriedhof in Stuttgart ist er beerdigt und neben ihm wurde 2 Jahre später sein in Italien gefallener jüngerer Bruder Wilhelm zur letzten Ruhe gebettet.“
 
 
aus: „Die Gefallenen der Burschenschaft Germania zu Tübingen“, Stuttgart ohne Jahr

Freitag, 6. November 2015

6. November 1915


Ersatzreservist Gottlieb Leitenberger
105. Inf.-Div., 204. Brigade, Regt. 121, 10. Komp.*,
gefallen 6. November 1915.

Der in Bleicherstraße 6 hier wohnhaft gewesene Handlungsinhaber Gottlieb Leitenber-ger ist am 13. Februar 1885 zu Lustnau bei Tübingen geboren als Sohn des Friedrich und der Margaretha Leitenberger; diese eine geborene Schreiber. Nach Schulentlassung arbeitete er in der Fabrik; 1912 hat er sich verheiratet mit Henriette, geborene Huber, welcher Ehe ein Kind entsproßte. Im selben Jahre gründete er hier in Weingarten ein eigenes Geschäft, wo er in friedlicher Zusammenarbeit sein Glück machen wollte. Die Witwe führt es weiter.
Zu seiner militärischen Ausbildung am 14. September 1914 eingezogen nach Ravens-burg, Landwehr-Infanterie-Regiment 123, kam er am 20. November desselben Jahres schon nach Frankreich und war dort bei der 8. Ersatz-Division, Brigade-Ersatz-Bataillon 51, 4. Kompagnie. Am Osterfest 1915 wurde er verwundet durch Granatsplitter ins Genick und kam ins Lazarett nach Völklingen bei Saarbrücken. Nach erfolgter Heilung erhielt er Urlaub, mußte sich aber bald wieder in Stuttgart stellen, wo er einige Monate harten Garnisonsdienst tat. Im Oktober 1915 wurde er an die Südostfront (Serbien) weggezogen, wurde in der ersten Donauschlacht verwundet und starb 8 bis 10 Tage später, am 6. November 1915, an dieser Verwundung im Lazarett zu Weißkirchen in Ungarn. Dort fand er auch sein Heldengrab.
Der Feldgeistliche, Pfarrer Kern, ließ in seinem Schreiben vom 24. Oktober 1915 an die Gattin des Gottlieb Leitenberger zwar einige Hoffnung für die Erhaltung des Lebens dieses Schwerverwundeten durchblicken, mußte aber am 11. November 1915 seine Beileidskundgebung folgen lassen; der Brief lautet also:“
„Sehr geehrte Frau Leitenberger!
Nun ist doch eingetreten, was ihr Mann schon ahnte, als er zu uns kam, und was ich nicht glauben wollte. Er hat noch einmal viel Blut verloren, und dann ist es immer schlimmer geworden. Ich gab ihm auf Verlangen das Abendmahl, habe ihn oft besucht und mit ihm gebetet. Immer traf ich ihn gleich ruhig und froh, daß er in den Himmel kommt. Für Sie und seine Tochter gab er mir noch einen Gruß zu bestellen. Zur Schwester äußerte er seinen Schmerz über Ihre künftige Trauer. Am Montag, den 8. November um 3 Uhr nachmittags, wurde er feierlich unter militärischen Ehren beerdigt, ganz nach heimatlicher Weise, Sarg und Grab schön geschmückt, unter Segen und Gebet nach kurzer Rede.. Sie werden Trost suchen und gewiß finden im christlichen Glauben an Jesu Wort: „Ich bin  die Auferstehung und das Leben.“ Gott zum  Gruß und Trost!
Ihr Pfarrer Kern.“

aus: „Schwäbische Helden Weingarten (in Wttbg.) im Weltkrieg“, Stuttgart 1920


*Gottlieb Leitenberger gehörte der 11. Kompagnie Füsilier-Regiment Nr. 122 an, das im Serbien-Feldzug der 105. Infanterie-Division unterstellt war (so auch Württ. Verlustliste Nr. 302 und Ehrentafel des FR 122). Das Infanterie-Regiment Nr. 121 gehörte zur 26. (Württ.) Infanterie-Division.

Donnerstag, 5. November 2015

5. November 1915



„Der Winter 1915 rückte näher, tagelange Regengüsse wechselten ab mit leichter Kälte. In diesem Jahr konnte man überall der schlechten Jahreszeit getrost entgegensehen, reichlicher Nachschub an Öfen, Brettern und Dachpappe sorgte dafür, daß die Unterkünfte entsprechend eingerichtet werden konnten. Die Regenzeit dieses Jahres war aber erheblich schlimmer als die des vorjährigen, Gräben und Annäherungswege rutschten ein und standen hoch voll Schlamm. Des öfteren kam es vor, daß die Mannschaften beim Marsch von und zu den Ablösungen die Stiefel im zähen Schlamm verloren oder sich gegenseitig herausziehen mußten. Die Unterstände vorn standen voll Wasser, so daß nur die Treppenstufen zum Ausruhen übrig blieben. Alles in allem begann eine schwere Zeit für das Regiment. Abgesehen von den schwierigen Arbeiten in der Stellung mußten an die Arbeitskraft der Leute erhöhte Anforderungen gestellt werden, da das III. Bataillon fehlte. Vorübergehend half eine Kompagnie Landwehr-Regt. 27 aus, um aber die Arbeitsleistung einigermaßen auf der Höhe zu halten, wurde es erforderlich, ein IV. Bataillon zu bilden, das Hauptmann Woltmann übernahm. Ohne eine Dreiteilung in der Ablösung waren die Mannschaften den Schwierigkeiten nicht gewachsen.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921

Mittwoch, 4. November 2015

4. November 1915


„Die Serben hatten sich im Anschluß  an die bei Mijatovac liegenden Kräfte auch auf der überragenden Höhe des Dorfes Majur festgesetzt. (Jagodina liegt 115, Majur  406 m hoch.) Den ganzen Vormittag über schlugen die Serben jeden Angriff des I. und II. Bataillons, die aus dem Tale des Lugomir-Baches heraus vorgehen wollten, mit Erfolg zurück. Oberst von Triebig gab daher dem III. Bataillon unter Major Engelhart den Befehl zum umfassenden Angriff gegen die Westflanke des Gegners.
Das Bataillon holte in weitem Bogen über das Dorf Bresje aus und stieß von Westen her in die feindliche Stellung. Um 4 Uhr war die Höhe vom Majur im Besitz des Regiments.
Das war das letzte Gefecht der Füsiliere mit serbischen Truppen.“


aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Dienstag, 3. November 2015

3. November 1915


„Das nächste Ziel war Ostrica. Auf einen Feind wurde hierbei nicht gestoßen; er soll in südlicher Richtung abgezogen sein. Die Straßen hatten sich allmählich zu Schlammseen ausgebildet; Menschen und Tiere waren an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Nach einem äußerst schweren Abstieg gelangte das Regiment am 2. November nach Bresnica. Bald darauf bekam die Vorhut bei Tavnik starkes Feuer. Zuerst wurde das I. Bataillon im Verein mit I/119 eingesetzt und trat mit mehreren Kompagnien ins Gefecht. Bei weiterer Verstärkung des feindlichen rechten Flügels und seines Artilleriefeuers verlän-gerte das III. Bataillon mit zwei Kompagnien links neben dem I. Bataillon, während zwei Kompagnien dieses Bataillons links rückwärts den Flankenschutz hatten. Mit unserem II. Bataillon war gleichzeitig ein weiteres Grenadierbataillon inzwischen aufgerückt.
In dieser Lage verblieben die Truppen in der Nacht vom 2./3. November. Am anderen Morgen drückte die 81. Inf.-Brig. von Volgavaca auf die immer stärker werdende Front des Feindes; die Verbindung mit dieser Brigade war durch die Schwierigkeiten des Geländes noch nicht gelungen. Bei kräftiger Artillerieunterstützung griff der Serbe um die Mittagszeit besonders unserer 9. Kompagnie an, wurde jedoch glatt abgewiesen. Unserer Artillerie fehlte die Beobachtung, weshalb sämtliche M.-G. allmählich zur Verstärkung in die Feuerlinie vorgezogen wurden. Auch in der folgenden Nacht wurde der Feind nach starken Feuerüberfällen, diesmal gegen das I. Bataillon offensiv, aber wiederum mit erheblichen Verlusten zurückgewiesen.
Man muß anerkennen, daß der Serbe hier erheblichen Widerstand leistete. Geschickt hatte er sich in dem waldigen und reich mit Gestrüpp bewachsenen Gelände versteckt eingebaut, so daß mache tapfere Patrouille, die zur Erkundung in das Vorgelände oder nach dem anscheinend verlassenen Häuschen vor unserer Front gegangen war, aus kaum zu erkennender Stellung aus nächster Nähe von den Serben angeschossen wurde und mit Verlusten zurückkehrte.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921

Montag, 2. November 2015

2. November 1915


„In dem sehr unübersichtlichen, mit Hecken, Büschen und Sümpfen durchsetzten Gelände von Tavnik stieß das Vorhutbataillon (I.) wieder auf den Feind; die Vorhut-kompagnie erhielt von dort plötzlich heftiges Feuer. Während das Bataillon unter dem Feuerschutz der Artillerie zum Angriff vorging, verstärkte sich der Widerstand der Serben mehr und mehr. Seine Infanterie und Artillerie feuerten lebhaft. Bei uns wurde alsbald weitere Artillerie vorgezogen. Auch von den Höhen nördlich Tavnik schlug 4.15 Uhr nachmittags lästiges Flankenfeuer ins I. Bataillon.
Die linke Kolonne der Division (121) war inzwischen bei Bumbarevobrdo (etwa in gleicher Höhe von uns) ebenfalls auf starken Widerstand gestoßen. Auf höheren Befehl mußte das II. Bataillon dem Inf.-Regt. 121 unterstellt werden; es rückte gegen Abend hinter dessen linken Flügel.
5.30 Uhr abends grub sich das I Bataillon dem in starker Stellung befindlichen Feinde gegenüber ein. Das III. Bataillon blieb in 2. Linie bei der Mutav-Brücke südwestlich Punkt 229.“



aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927

Sonntag, 1. November 2015

1. November 1915


„Am Vormittag des 1. November überschritten die Kompanien des III. Bataillons den Grabovic-Grund und erstiegen die jenseitigen Berge. Das I. und II. Bataillon folgte. Nach einem harten Kampf in den Nachmittagsstunden auf den Höhen nördlich von Bagrdan drangen die drei Bataillone des Regiments in die Stadt ein und besetzten den Nordteil, währende der Serbe noch die südlichen Häusergruppen zu halten vermochte. Das I. Bataillon lag auf dem linken Flügel. Es war von Major Niebur im Lauf des Nach-mittags im Morawa-Tal vorgezogen worden und von Osten her in die Stadt eingedrun-gen. Die Mitte hielt das II. westlich der Kirche, und im Ostteil der Stadt bildete das III. Bataillon den rechten Regimentsflügel. Weiter rechts lagen am Abend des 1. November noch keine Truppen. Die Bayern waren in dem unwegsamen Gebirgsgelände nur sehr langsam vorwärts gekommen.
Zwischen dem Feind und den Füsilieren im Südteil der Stadt floß der Osanica-Bach. Die über ihn führende Brücke war zerstört.
Bagrdan liegt in einem tief eingeschnittenen Talkessel, der durch den Ein- und Ausfluß des Osanica-Baches nach Ost und West zwei Ausgänge hat. Nach Süden steigen die Berghänge vom Talgrund der Stadt aus steil an. Sie sind für eine Verteidigungsstellung vorzüglich geeignet. Die Serben hatten hier seit langem Gräben ausgehoben und leisteten nun ihren letzten zähen Widerstand. Diese Stellungen bildeten den östlichen Flügel und Eckpfeiler der gesamten serbischen Kampffront, in der die zerschlagene Armee König Peters noch einmal in tapferem Ringen das Schicksal des Landes zu wenden suchte.
Es ist ihr nicht gelungen.“



aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921