„David Knehr
* 21.
September 1887 in Weidenstetten (Württ.). Nic. W 1906. Pfarrer für Geißelhardt.
Leutnant im R.I.R. 247. † 3. Mai 1915 bei Zonnebeke.
Bundesbruder Betz,
der mit Knehr längere Zeit in derselben Kompagnie (9./247) zusammen war und
unmittelbar nach dem Tode Knehrs die Führung der 8. Kompagnie, bei der Knehr
stürmte und fiel, übernommen hat, berichtet folgendes:
Als Unteroffizier
zieht Knehr im Dezember 1914 ins Feld zum Res.-Inf.-Reg. 247, er macht dort die
Stellungskämpfe vor Ypern (Polygonfeldwald, Becelaere) mit. Drei Tage vorderste
Stellung in den Schützengräben westlich Becelaere, drei Tage
Bereit-schaftsstellung in Molenhoek mit nächtlichen Schanzarbeiten in der
vordersten Stellung, drei Tage Ruhe in Dadizeele, war die gleichmäßig
wiederkehrende Abwechslung. In Dadizeele hatte Knehr regelmäßig die Freude,
seinen Leibburschen Gustav Gruner, den Feldgeistlichen der 54. Reservedivision
zu sehen, welchem er auch gelegentlich im Amte aushalf.
Am 25. Februar
1915 wurde Knehr zum Vizefeldwebel befördert; am 21. April unmittelbar nach
seiner Beförderung zum Leutnant, wurde er zufolge eines Regiments-befehls dann
zur 8. Kompagnie versetzt. Nur ungern sah seine 9. Kompagnie ihn aus dem
Verband des III. Bataillons scheiden.
Am 23. April 1915
begann der große Frühjahrsangriff gegen Ypern. Das gerade in Ruhe liegende II.
Bataillon des Res.-Inf.-Reg. 247 mit der 8. Kompagnie wird für eine besondere
Aufgabe aus seinem Regimentsabschnitt herausgezogen und nördlich davon
eingesetzt. Beträchtliche Teile der feindlichen Stellung sind am 2. Mai
genommen, noch aber steht das letzte Bollwerk der feindlichen Stellung, das
Erdwerk Zonnebeke. Da erhält am 3. Mai das II. Bataillon den Befehl, auch
dieses Bollwerk zu stürmen. Mit vorbildlicher Ruhe, aber einer Stoßkraft
sondergleichen, stürmen die schwäbischen Bataillone gegen die feindliche
Stellung an, schon hat die 8. Kompagnie die feindlichen Gräben erreicht, Knehr
als einer der ersten. Da setzt ein vernichtendes Abwehrfeuer ein. Knehr, hoch
aufgerichtet zum Nahkampf bereit, erhält mehrere Maschinengewehr-schüsse in den
Bauch, Leber und Nieren; schwer verwundet bleibt er liegen, bis der Graben
unser ist. Mit verzweifelter Erbitterung wirft sich alles dem Feind entgegen;
mit Spaten und Pickel wir der letzte Endkampf ausgetragen. Das Bollwerk
Zonnebeke, der Schlüsselpunkt für die feindliche Stellung bleibt in unseren
Händen.
Schwer verwundet
tragen seine Leute den so beliebten Führer zur Verbandstelle zum Feldarzt,
Bundesbruder Lebküchner. Er kann nicht mehr helfen. Der auf die Kunde seines
Fallens herbeigeeilte Leibbursch Gruner trifft ihn bereits still und bleich
unter einer Zeltbahn in dem Kämmerlein eines zerschossenen Hauses des Verbandsplatzes
Paschendaele.
Den Erfolg des
Sturmes hat er nicht mehr erlebt, fluchtartig und kampflos hatte der Gegner am
4. Mai seine gesamten Stellungen bei S’gravenstafel, Zevenkote, Zonnebeke,
Polygonfeldwald verlassen, die Stürmenden des 3. Mai hatten sich so für ihre
Regimenter geopfert und den von der Division vorgesehenen Sturmangriff auf
diese Stellungen erspart. Ohne Verluste konnte die 54. Reserve-Division ihre
Stellungen um ca. 8 bis 12 Kilometer bis in die Höhe von Eksternest
vorverlegen.
Die wenigen
Überlebenden seiner Kompagnie, zu der ich zwei Tage später versetzt wurde,
konnten nur voll innerer Rührung ihres gefallenen Führers gedenken. Mit seiner
Herzensgüte, seiner schlichten und geraden Art hat er auch in der neuen 8.
Kompagnie die Herzen in kurzer Zeit gewonnen. Bescheiden und zurückhaltend, wie
er war, drängte er sich keinem auf, er war aber immer bereit zu helfen, wo man
ihn brauchte und fand mit der ihm eigenen inneren Ruhe und Herzenswärme zur
rechten Zeit das rechte Wort und die rechte Tat.
Vorbildlich ist er
mit Ruhe und Bestimmtheit seinen Leuten zum letzten Sturm vorangegangen, gefaßt
und still hat er die Schmerzen seiner schweren Verwundung getragen, aus Gottes
Hand und in Gottvertrauen hat er den Todeskampf überwunden. –
David Knehr wurde
geboren in Weidenstetten auf der Alb am 21. September 1887 als Sohn des
Hilfswärters Christof Knehr. Kaum vierjährig verlor er den Vater durch einen
Unfall und wuchs mit drei jüngeren Geschwistern unter der Erziehung der frommen
Mutter auf, welche in schlichten, rührenden Worten den kurzen Lebensweg ihres
Ältesten, von der ländlichen Dorfschule über die Lateinschule Göppingen, die
Seminare Schöntal und Urach, die Hochschule und Garnison Tübingen bis zum
frühen Abschluß in Flandern beschreibt. Dem Ortsgeistlichen, Pfarrer Paulus,
der den begabten, armen Volksschüler zwei Jahre lang unterrichtete und dem
Rektor F. Grunsky, der ihn in Göppingen zwei Jahre lang auf das Landexamen
vorbereitete und ins eigene Haus aufnahm, setzte sie dabei ein schönes Denkmal
der Dankbarkeit. Von der Nicaria sagt sie: Manch schöne Erinnerung blieb ihm
von dieser Verbindung; sie hielten so treu zusammen in Freud und Leid, und
manches Schöne und Edle durfte er in ihrem Kreise erleben. Nie hat er bereut,
daß er sich dieser Verbindung angeschlossen hat. Auch die rechte Pfarrfrau fand
sich für ihn, der nach drei Vikarsjahren auf die Pfarrstelle Geißelhardt
ernannt wurde, diese Stelle aber infolge seines Ausmarsches nicht mehr antreten
sollte.“
aus: „Gedenkbuch der Tübinger Nicaria für ihre Gefallenen“, Tübingen 1933