Samstag, 31. März 2018

31. März 1918


„Das Feuer auf die Zufahrtswege zu den Stellungen und das breite Abstreuen dieser selbst bereitete den Munitionsgespannen häufig Verluste, besonders bei den Batterien der II./49. Am 31. März, dem Osterfest, wurde bei der Stellung der 4./49 ein Muniti-onswagen durch Volltreffer getroffen, wobei die Fahrer Bauer I und Hagenlocher fielen, Kanonier Härter schwer und Kanonier Fundus leicht verwundet wurden und vier Pferde tot waren. In den Stellungen fiel außerdem Unteroffizier Schempp.“



aus: „Das 3. Württembergische Feld-Artillerie-Regiment Nr. 49 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922

Freitag, 30. März 2018

30. März 1918


„Die Ziffer 1 des am 30. März, 3 Uhr vormittags, ausgegebenen Regimentsbefehls laute-te:
„7.30 Uhr vormittags Sturm. Das treubewährte, tapfere Regiment wird auch heute voll und ganz seine Pflicht und Schuldigkeit tun.“
Auf die Minute erfolgte nach halbstündiger Artillerie- und Minenwerfervorbereitung der Sturm. Wie auf dem Übungsplatz bei Neuflize traten die Bataillone in tiefer Gliederung, gefolgt von ihren Begleitzügen, in der befohlenen Richtung an, in vorderster Linie lichte Schützenlinien mit leichten Maschinengewehren. Die Maschinengewehr-Kompagnien unterstützten das Vorgehen der Infanterie durch überhöhendes Feuer. Die leichten Wer-fer beteiligten sich erfolgreich an der Bekämpfung der feindlichen Maschinengewehr-Nester. Fernsprecher und Lichtsignalisten wetteiferten mit der Aufnahme der Verbin-dungen. Zuerst wurde Boulogne la Grasse und die Windmühlenhöhe trotz hartnäckigen Widerstandes genommen, sodann Dorf Hainvillers in welchem eine französische Kom-pagnie gefangen wurde. Die Gefangenen gehörten dem französischen Reserve-Infante-rie-Regiment Nr. 319 an. Später kamen solche des französischen Dragoner-Regiments Nr. 32 und der 8. Tirailleurs (4. französische Armee) hinzu. Zahlreiche feindliche Maschinengewehr-Nester hatten den Angriff ungemein beschwert und besonders beim I. Bataillon erhebliche Verluste hervorgerufen. Bei ihrer Bekämpfung – die Artillerie-Begleitzüge kamen des sumpfigen Geländes wegen nicht recht mit – hatten sich besonders Vizefeldwebel Haar der 1. Kompagnie, Unteroffizier Wachendörfer der 2. Kompagnie, Sieger und Bayer der 6. Kompagnie und Vizefeldwebel Kiemle der 1. Maschinengewehr-Kompagnie ausgezeichnet. Vizefeldwebel Volle, der schneidigste Unteroffizier der 6. Kompagnie, hatte den vordersten Zug mit außerordentlicher Tapfer-keit über die ersten Stellungen des Gegners hinweg gegen das Dorf geführt, das er mit Teilen seines Zuges als einer der ersten mit stürmen half.ׅ
Bei Mortemer kam der Angriff zum Stehen, da das Infanterie-Regiment Nr.476 nicht weiter vorkam. Sein linker Flügel blieb schon südlich Conchy les Pots hängen, weil die 5. Garde-Infanterie-Division den Angriff nicht mitmachte.
Der Angriff des Infanterie-Regiments Nr. 127 war mit großer Frische erfolgt und bis in die Höhe von Rollot und Wald von Rouance trotz heftiger feindlicher Gegenwehr ununterbrochen im Fluß geblieben. Rechts vom Infanterie-Regiment Nr. 127 hatte die 238. Infanterie-Division das Dorf Rollot genommen. In Erwartung der Fortsetzung des Angriffs wurde das II. Bataillon in vorderer Linie abgelöst Zur Unterstützung traf 11.20 Uhr vormittags die III. Abteilung des Feldartillerie-Regiments Nr. 281 unter Hauptmann Hoffmann mit 4 Batterien ein und ging ungeachtet des von Mortemer entlang der Straße nach Rollot streichenden Maschinengewehr- und Revolverkanonenfeuers wie auf dem Exerzierplatz dicht hinter dem Regiment in Stellung, um schanzende Franzosen auf Höhe 100 östlich Courcelles und das Dorf Mortemer unter Feuer zu nehmen. Dankbar wurde die Hilfe der tapferen Kanoniere begrüßt. Mit Rücksicht auf die Bedrohung der linken Flanke von Orvillers her wurde das II. Bataillon abends hinter den linken Flügel des I. Bataillons an die Nordostecke des Waldes von Rouance gezogen. Für das I. und III. Bataillon wurde Abwehrbereitschaft nach der Tiefe befohlen. Ein tiefes Eingaben war wegen des hohen Grundwasserspiegels ausgeschlossen. Wiederholte Gegenstöße der Franzosen nach vorausgegangener heftiger Artillerievorbereitung, teilweise mit Tanks, am 30 März abends und am 31. März vom Mortemer und Orvillers her gegen die Stellungen des Regiments scheiterten unter schweren Verlusten für den Gegner.“


aus: „Das neunte Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 127 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Donnerstag, 29. März 2018

29. März 1918


„Am 29. früh befahl die Division die Fortsetzung der Verfolgung über Beaucourt – Villers-aux-Erables auf Moreuil, 478 rechts, das Füsilier-Regiment links in der vorder-sten Linie. Infanterie-Regiment 479 war Divisionsreserve. Rechts der 243. Division schloß sich die 208., links die 88. Division dem Vorgehen an. Auf dem breiten Höhen-rücken südwestlich Caix lag nur schwaches Artilleriefeuer. Feindliche Infanterie zeigte sich noch nicht. Tote Pferde sperrten die Vormarschstraße. In der Senkung von Beau-court wurde das Artilleriefeuer lebhaft. Doch das waren keine englischen Granaten. Sie zersprangen mit schrillem, fast gellendem Ton und mit einer ätzenden grauschwarzen Wolke. Bald löste sich das Rätsel. Das III. Bataillon stieß bei Maison Blanche auf stahlblaue Uniformen. Es standen frische französische Bataillone vor unserer Front, ver-mischt mit Engländern.
Ein harter Kampf begann. Nach langem Ringen fiel die Häuserzeile von Maison Blanche in die Hände der 9. Kompanie. Um 6 Uhr abends drang das III. Bataillon in das Waldstück nordwestlich Maison Blanche ein. Damit fiel Mezières, gleich darauf Villers-aux-Erables. Als es dunkel geworden war, sicherte das I. und II. Bataillon Villers halb-kreisförmig nach Westen; rechts im Anschluß stand Infanterie-Regiment 478, links die 88. Division. Das III. Bataillon wurde nach Mezières gezogen.ׅ“


aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 28. März 2018

28. März 1918


„Inzwischen war genügend Artillerie und Munition eingetroffen, so daß am 28. März der Angriff nach Artillerievorbereitung fortgesetzt werden konnte.
In der Nacht wurde das Regiment zum Angriff aufgebaut. Nach etwa zweistündigem Artilleriefeuer traten 8.30 Uhr vormittags 3 – 4 Divisionen zum Angriff an. Nach kurzem Feuergefecht wurde der Graben gestürmt und vom Regiment etwa 150 Englän-der gefangen. Weiter ging es bis an die Straße Hénin-sur-Cojeul – Neuville – Vitasse. Dort kam der Angriff zum Stehen. Die englische Artillerie war scheinbar noch im Stellungswechsel begriffen; sie schoß kaum. Dafür bekamen die Angreifer starkes M.-G.-Feuer aus großer Entfernung, ohne daß es möglich war, die Schützen zu finden und zu bekämpfen. Besonders viel Verluste verursachte ein Engländernest auf der Höhe am rechten Flügel des Regiments, dessen Besatzung sich außerordentlich tapfer wehrte und aushielt, bis sie von unserer Begleitbatterie hinausgeschossen wurde. Gegen Abend verstummte das Feuer, der Gegner baute ab. Das Regiment ordnete die Verbände; II. und III. Bataillon wurden zu einem Bataillon unter Führung des Oberleutnants Stark zusammengesetzt und blieb die Nacht über in der erreichten Stellung. Das Regiment hatte am 24. und 28. März besonders durch M.-G.-Feuer schwer gelitten. 37 Offiziere und 1000 Mann hat es an diesen beiden Gefechtstagen verloren. Darunter zwei Bataillonskommandeure (Hauptmann Irle tot und Major Benzinger verwundet) und fast alle Kompagnieführer. So seiner besten Führer und fast der Hälfte seiner Mannschaften beraubt, war das Regiment nicht mehr verwendungsfähig und mußte als Divisions-reserve herausgezogen werden.
Die große Offensive hat hier an dieser Nebenfront ihren Abschluß gefunden; der Stel-lungskrieg begann wieder.ׅ“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922

Dienstag, 27. März 2018

27. März 1918


„Die nächtliche Wegnahme von Aveluy gelang nicht, auch rechts und links des Regi-mentes setzten sich die Engländer mit Maschinengewehren heftig zur wehr.
Das II. Bataillon trat als vorderstes zum Sturm auf Aveluy um 11 Uhr abends an. Die Artillerievorbereitung erwies sich als ungenügend, außerdem hatte der Gegner den Ost-rand von Aveluy, besonders den Schloßpark und die Kirche, stark besetzt. Es gelingt dem II. Bataillon nicht, in das Dorf einzudringen.
Rechts davon war es dem III./247 anfänglich gelungen, in den Wald von Aveluy einzudringen, mußte sich aber bald vor überlegenen feindlichen Kräften wieder auf das Ostufer der Ancre zurückziehen. Der Wald von Aveluy war von feindlichen Maschinen-gewehren in gut versteckten Nestern stark besetzt.
Während der Nacht gelang es wohl, durch Heranführen von Patrouillen mehrere M.-G.-Nester festzustellen, aber ein Eindringen in die Ortschaft erwies sich als zu schwierig.
Schon war beabsichtigt, das Regiment 248 auf den am 27. März morgens vom Regiment 247 genommenen Ancre-Übergang anzusetzen, da gelang es dem II. Bataillon um die Mittagsstunde in den Ostrand von Aveluy einzudringen und durch die Ortschaft durch-zustoßen. Um 1.10 Uhr nachmittags ist das Bataillon im Besitz von Aveluy. Das II. Bataillon besetzt den Westrand, III. Bataillon mit der Stoßbatterie (1./Res.-Feldart.-Regt. 54) wird in den östlichen Teil nachgezogen, das I. Bataillon ist Reserve bei Ovillers la Boisselle. Der Gegner hält noch die Höhe westlich Aveluy mit Maschinengewehren und bestreicht den westlichen Dorfrand und die Straße.
In den späten Nachmittagsstunden gelingt es dem II. Bataillon, das auf Befehl des Regi-mentsführers nach der Höhe westlich Aveluy vorzustoßen hatte, diese Höhe zu nehmen und sich bei der wegspinne zwischen Aveluy und Bouzincourt festzusetzen. Das III. Bataillon setzt seine Kompagnien gegen den Westrand des Waldes von Aveluy an, dringt in den Wald ein und stößt im Walde auf verschiedene M.-G.-Nester, die sich zunächst hartnäckig wehren. Bald jedoch geben die Engländer hier den Widerstand auf und ziehen sich fluchtartig zurück. 70 Gefangene und 5 Maschinengewehre werden am Abend eingebracht.
Dem Regiment 247 gelingt es nicht, im Walde auf gleiche Höhe vorzudringen; hier war der Widerstand des Feindes zu stark.
Beim Sturm im Walde waren vom III. Bataillon die Leutnants Lohrmann, Kompag-nieführer der 11. Kompagnie, und Gailing von der 12. Kompagnie, sowie die Offizier-stellvertreter Schweizer (10.) und Geiger (12.) und eine Anzahl von Unteroffizieren und Mannschaften gefallen, mehrere verwundet worden.ׅ“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Montag, 26. März 2018

26. März 1918


„Die Verbindung mit den einzelnen Befehlsstellen ist sehr schwer aufrecht zu halten. Immer und immer wieder sind die Leitungen gestört und Meldereiter kommen in dem durch die Sommeschlacht zerwühlten Gelände nur langsam durch. Infolgedessen kann zum gemeinsamen Angriff erst um 9.15 Uhr vormittags geschritten werden. Der Tag ist sonnig klar und wie auf dem Exerzierplatz geht das Regiment Welle auf Welle in dem befohlenen Angriffsstreifen gegen Berry en Senterre vor. Bald erkennt der Gegner die vorgehenden Schützenwellen und eröffnet von den Höhen nördlich Berny en Senterre und Déniécourt heftiges Artilleriefeuer leichter und mittlerer Kaliber. Mazancourt, Fresnes werden durchschritten und die unter starkem Schrapnellfeuer liegende Mulde nördlich davon. Doch die feindliche Artillerie kann das ruhige, gleichmäßige Vorgehen des Regiments nicht Aufhalten. An dem Südrand Berny und besonders auf den Höhen nordwestlich der vollkommen zerstörten Ortschaft halten sich englische Nachhuten, die in raschem Draufgehen vertrieben werden. Dem mit der vordersten Welle der 7. Kom-pagnie vorgehenden Leutnant d. R. Haas gelingt es, mit ein paar beherzten, guten Schützen die Bedienung und Bespannung von feindlichen feuernden Geschützen abzu-schießen und die Geschütze mit stürmender Hand der herbeigeeilten englischen Infante-riebedeckung zu entreißen.
Das vollkommen dem Erdboden gleichgemachte und in der Landschaft nur noch durch ganz in der Nähe zu erkennende Mauerreste auffindbare Estrées ist 11 Uhr vormittags in unserem Besitz und die Kompagnien vorderer Linie sind in scharfem Vorgehen gegen Foucaucourt, wo sich noch feindliche Nachhuten halten. Da kommt aus dieser Ortschaft heraus in rasender Fahrt ein Kraftwagen auf die deutschen Linien zugesaust. Ist es ein Tank oder sonst ein neuer feindlicher Angriffswagen? Wiederum ist es Leutnant Haas, der in raschem Entschluß den heranbrausenden Gegner unter Feuer nimmt. Die Schüsse sitzen; dem Chauffeur hat es das Steuerrad in der Hand zerschossen, der Insasse, wie es sich später herausstellte, ein hoher amerikanischer Offizier und Feldflugchef, ist durch Kopfschuß getötet. Das erbeutete Auto wird vom Regimentsstab sofort mit Nutzen in Gebrauch genommen, bis es ein paar Tage nachher von einer Nachbardivision in Nacht und Nebel „geklaut“ wurde. der sich ob dieses Autos entspinnende Papierkrieg war sehr heftig und langwierig und endete schließlich damit, daß uns der Wagen wieder groß-zügig zur Verfügung gestellt wurde, als er – gänzlich zusammengefahren und unbrauch-bar war!
Da das Angriffsziel schon überschritten, ein Befehl von der Brigade aber noch nicht eingetroffen war, so befiehlt das Regiment selbständig die Wegnahme von Foucaucourt, dessen Westrand vorläufig nicht überschritten wird.
Um 2 Uhr nachmittags kommt der Befehl, daß das Regiment aus vorderer Linie heraus-gezogen und dem in erster Linie links eingesetzten Füsilier-Regiment folgen soll. Der Angriff wird in südwestlicher Richtung gegen Herleville – Vauvillers fortgesetzt. Herle-ville wird nach kurzem Kampf vom Füsilier-Regiment genommen. In der Linie Vau-villers – Rosières leistet aber die feindliche Infanterie, nachhaltig von schwerer und leichter Artillerie unterstützt, energischen Widerstand. Der Angriff kommt an diesem Tage nicht weiter vorwärts und die Bataillone liegen in der kalten, nebligen Nacht hinter der vorderen Linie auf freiem Feld.ׅ“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 478 und seine Stammtruppen Brigade-Ersatz-Bataillone Nr. 51, 52, 53 und Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 51“, Stuttgart 1924

Sonntag, 25. März 2018

25. März 1918


„Vor dem Foureauxwäldchen hielten wir kurz. Wir mußten erst Erkundungen einziehen, welche die Lage einigermaßen klären konnten. Sie war einfach: Vor der Linie Foureaux-wald – Bazentin le Grand überall feindliche Maschinengewehre und Scharfschützen-trupps; die eigene Artillerie, sowie die leichten Minenwerfer konnten über das Trichter-gelände nicht vorkommen. Die Infanterie mußte es machen.
Wir traten an: 8. Kompagnie links, 6. rechts mit dem rechten Flügel vorbei an der Südecke des Wäldchens, auf die Nordecke von Bazentin le Petit zu und weiter. Welch anders Bild im Vergleich mit den Schlachtenbildern des Friedens! In die Breite und in die Tiefe weit verstreut über das ganze Gelände da und dort einzelne Leute, die anschei-nend ordnungs- und zusammenhanglos vorgingen, eine Kampfordnung anwendbar nur dort, wo jedermann weiß, daß er fürs Vaterland kämpft. Nur dieser Art des Vorgehens verdanken wir es, daß trotz starken M.-G.-Flankenfeuers die Kompagnie bis Bazentin le Petit nur einen Mann verlor. Gegen solch vollkommen aufgelöste Kompagnien haben M.-G. auf große Entfernung fast keinen Erfolg, selbst bei größtem Munitionseinsatz. Die Schwierigkeiten begannen aber erst, als wir die Höhe des Rückens erreichten, auf dem Bazentin le Petit liegt. Es entstand ein Halt. Man mußte sich orientieren. Mehrere starke M.-G.- und Schützennester steckten in dem Hohlweg des südlichen Teils der Straße Contalmaison – Martinpuich. Bisher war ich bei dem rückwärtigen Teil der Kompagnie geblieben. Nun eilte ich nach vorne. Da oben auf dem Rücken strichen die Geschosse wesentlich schärfer und näher an einem vorbei. Jetzt kam uns das Trichter-gelände zustatten. Man schnellte empor, sprang 30 Schritte vor und war in der Tiefe eines Trichters wieder vollkommen geborgen. In einem Grabenstück stieß ich zu einem meiner leichten M.-G., dessen Bedienung das Gewehr reinigte und neu einfettete. Die Engländer benahmen sich sehr unvorsichtig, um nicht zu sagen unverschämt. Sie traten in ganzen Haufen aus dem Hohlweg heraus und schossen oder beobachteten die Wir-kung ihres Feuers auf uns. Denn von unserer Seite fiel kaum ein Schuß. Einheitliche Feuerleitung ist ausgeschlossen bei dieser Kampfform, in der dermaßen lichter Ord-nung. Unsere Leute konnten in der kurzen Zeit der Ruhe, die und zur Verfügung gestan-den hat, nicht genügend vorbereitet werden zum Angriffsgefecht. Sie fanden es so selbstverständlich, daß sie im feindlichen Feuer vorgingen. Aber sie hatten es ganz ver-lernt, auch ihr Gewehr zum Schießen zu gebrauchen.
Als das leichte M.-G. wieder schußbereit war, wurde es in Stellung gebracht. Visier 1200! Da verschwanden die Engländer aber eilends im Hohlweg und wurden sehr vorsichtig. Nun ging es weiter den Vorderhang hinab, und wir gelangten in die Mulde westlich Bazentin le Petit. Hier entdeckten wir weiter rechts einen Laufgraben, durch den wir uns näher heranschleichen konnten. Ich ließ die M.-G. rechts und links des Grabens in Stellung gehen, um das feindliche Feuer niederzuhalten, dann pirschte ich mich mit meinem Kompagnieoffizier, Leutnant Hauff, und anderen Leuten näher heran. Leider konnten einige es nicht erwarten, bis die Verhältnisse geklärt waren, sie wollten einzeln herausspringen und wurden außer Gefecht gesetzt. Dann aber hatten wir das Nest entdeckt. Ein guter Werfer brachte eine Handgranate dorthin und erledigte damit drei Mann. Die drei andern kamen zitternd mit hochgehobenen Händen uns entgegen.
Die Straße war erreicht. Sie verläuft auf einem kleinen Höhenrücken von Südwesten nach Nordosten. Vor uns senkte sich der Hang wieder in eine Mulde hinab; auf der andern Seite sahen wir den Bahnhof und das Lager von Pozières. Aufs neue schlug uns heftiges Feuer von vorn und von der linken Flanke entgegen. Leutnant Hauff wollte sich Klarheit verschaffen und richtete sich auf. Da traf ihn ein Geschoß in die Brust und nach wenigen Augenblicken war er tot.
Wir versuchten nun den neuen Gegner zu fassen, aber eines unserer leichten M.-G., das in Stellung ging, wurde selbst vom Rücken her angegriffen und entging nur mit knapper Not der Gefangennahme. Wir waren zu schwach ohne Minenwerfer und Artillerieunter-stützung. Auch die Ankunft der 8. Kompagnie ermöglichte kein anderes Handeln. Wir stellten zwei M.-G. auf, die der Straße entlang zu feuern hatten, um auch den Truppen links von uns das Vorkommen zu ermöglichen. Die andern M.-G. verteilten wir auf unsere Front nach Westen. Darüber kam die Nacht herbei.ׅ“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Samstag, 24. März 2018

24. März 1918


„Hénin, früher ein Ort von etwa 500 Einwohnern jetzt ein Trümmerhaufen, aus dem noch einzelne, dürftige Häuserreste hervorragen, liegt eingebettet in das flache Tal des Cojeulbaches, eines Nebenflüßchens des Senséebaches. Der Cojeulbach wendet sich kurz vor der Ortschaft aus west-östlicher Richtung nach Norden, teilt die Ortschaft in zwei ähnlich große Hälften. In der Mitte des Dorfes führt über ihn eine für Kolonnen fahrbare Brücke. Südlich dieser Brücke ist der Bach 5 – 6, nördlich 4 – 5 Meter breit und 1½ Meter tief. Außer der Brücke sind einige Baumstämme und schmale Bretter-stege über den Bach gelegt in Abständen von 30– 50 Meter. Die Ortschaft steigt auf beiden Seiten des muldenförmigen Tales an den sanften Abhängen empor, am westli-chen etwas höher. Von beiden Seiten aus ist sie ganz eingesehen. Vom Südosten führen zwei Hohlwege, der nördliche von Croisilles, der südliche von St. Leger ins Dorf. Bei ihrem Eintritt ins Dorf treten sie aus den Böschungen heraus, etwa 80 Meter hinter dem Dorfrand vereinigen sie sich zur Hauptstraße, die quer durchs Dorf über die oben genannte Brücke führt und auf der nordwestlichen Seite wieder als Hohlweg die Anhöhe hinaufsteigt.
Die Bereitstellung der Bataillone I. und III. ging ruhig und sicher vor sich, kaum belästigt durch vereinzeltes Maschinengewehrfeuer von der linken Flanke. Dagegen wurde die Bereitstellung des II. Batl. durch Flieger- und Erdbeobachtung erkannt. Das Bataillon kam nicht zur Beteiligung am Angriff des Tages, aber leichter war seine Rolle darum nicht. In den Hohlweg eingeklemmt war es den Bomben und dem feindlichen Artilleriefeuer ausgesetzt, das sich bis 11 Uhr vormittags mehr und mehr steigerte und den ganzen Tag über in gleicher Stärke anhielt, gegen Abend, kurz nachdem das Bataillon sich 400 Meter östlich vom Hohlweg aufgebaut hatte, zu trommelfeuerartigem Feuerüberfall auf den Hohlweg und das Gelände östlich davon anschwoll. Der Tag brachte einzelnen Kompagnien des Bataillons mehr Verluste als denen der angreifenden Bataillone. Der Bataillonsführer, Major Keerl, wurde durch mehrere Granatsplitter an der Ferse verwundet, der Kompagnieführer der 5. Komp., Leutnant d. R. Häußler, an der Hand.
Um 7.30 Uhr vormittags war die Bereitstellung der zwei anderen Bataillone durchge-führt. Beim III. Bataillon fand alles gute Deckung gegen Sicht hinter Mauerresten, Gebüschen und in Granatlöchern. Das I. Batl. war in seinem Hohlweg weniger günstig dran, fand aber immerhin dort einige englische Baracken, die mit ihren Resten engli-schen Überflusses die Stärkung für die kommenden Anstrengungen geben. Die Beo-bachtung läßt sich nicht unterdrücken, und hat uns immer wieder zu denken gegeben, daß, wenn das englische Volk in der Heimat durch unsern U-Bootkrieg Mangel leidet, es dies sein Feldheer kaum fühlen läßt. Die Ausrüstung des Tommy mit vorzüglichen Stoffen, hohen Gummistiefeln, westenartigen über dem Waffenrock getragenen, ärmel-losen Lederjuppen, und die Verproviantierung mit Fleischkonserven, Tee, Zigaretten, Schokolade ist immer noch vorzüglich. Auch an Grabenbaumaterial scheint es weniger als bei uns zu fehlen, abgesehen vom Holz. Freilich der englische Unterstand ist weit nicht so fest und sicher gebaut wie der unsrige. Sollte unser Artilleriefeuer das weniger nötig machen? Auch ist er nicht so heimelig ausgestattet wie der deutsche. Dafür, wie für die pietätvolle Ehrung seiner Toten, hat der einseitig praktische Engländer entschie-den weniger Sinn als der gemütvolle Deutsche. Wo wir aber in mühseliger Arbeit mit Faschinenreisig unsere Grabenwände einflechten, wird dem englischen Soldaten zu diesem Zweck festes engmaschiges Drahtnetz fix und fertig geliefert. Nach den Vorräten an Munition, die wir in englischen Gräben vorfanden, scheint auch daran wenig Mangel zu sein. Überall ist noch aus dem Vollen geschöpft. Der Gedanke, daß der brave deut-sche Soldat unter so viel schwereren Bedingungen schafft, ist schmerzlich.
Um so kampffreudiger war jetzt die Stimmung. Endlich an den Gegner! „Was meinst, Christian, des Kriegle gwenne mer?“ ruft der Kompagnieführer der 3., Leutnant d. R. Kupferschmid, seinem Burschen zu. Eine Stunde nachher war er tot. Eine Kugel von der linken Flanke trifft noch im Hohlweg einen Mann seiner Kompagnie in den Kopf, daß er lautlos umsinkt. Darob bestürzte Gesichter. „Hänget keine so Gsichter ronder! 's ist im Krieg no emmer so gwesa, daß gschossa hat!“ So wenig ernst vor einem über Tod und Leben entscheidenden Sturm? Nein, der Ernst versteht sich von selbst, aber vorbild-licher tiefer Humor, der die eigene und fremde Stimmung meistert.
Von der Stellung des III. Batl. aus überblickt man die ganze Ortschaft und das Angriffs-gelände. Freilich zeigt ein Blick durchs Fernglas auf die gegenüberliegende Höhe, daß dort eine ausgebaute, durch bedeutendes hohes Drahthindernis geschützte feindliche Stellung auf uns wartet. Aber nur ruhig! Unsere Artillerie wird schon die Bresche schießen! In das Dorf hinein werden Patrouillen geschickt zur Feststellung der eigenen vorderen Linie. Die 234. Inf.-Division sollte noch vor uns sein. Merkwürdig, daß man von ihr auf dem Marsch zur Bereitstellung gar nichts entdeckt hatte! Die Patrouillen vertreiben einige Engländer aus der Ortschaft und kehren mit der Meldung zurück, daß eine eigene vordere Linie überhaupt nicht vorhanden sei – erste Enttäuschung! – und daß der Feind jenseits des Orts seine Gräben aufgefüllt habe und in gut ausgebauter Stellung, die das ganze Tal und den Übergang über den Cojeulbach beherrsche, bereit-stehe.
Um 10 Uhr soll nach Brigadebefehl das Wirkungsschießen der Artillerie einsetzen. Es wird 10 Uhr, nichts rührt sich. Man wartet und wartet. Die Leute werden unruhig. Wieviel von einer wirkungsvollen Artillerievorbereitung für das Gelingen des Sturmes abhängt, kann der gemeine Mann gut beurteilen. Die mehrmalige Meldung der Batail-lone an das Regiment und die Weitermeldung von dort nach oben, daß ohne reichliche artilleristische Vorbereitung der Sturm unmöglich sei, bleibt erfolglos. Woran liegt’s? Die Meinung, der Gegner sei infolge des deutschen Vordringens weiter links im Abbau, war nach den Meldungen von der stark besetzten englischen Stellung gegenstandslos. Gegen ¾11 Uhr platzen einige Schrapnells mit hochgelegenem Sprengpunkt über dem englischen Graben, einige Granaten leichten Kalibers fahren weit vor den englischen Gräben in die Wiesen. Sie rühren nicht an das englische Hindernis. Das Maschinenge-wehrfeuer, besonders von der linken Flanke, wird immer lästiger. Wird gestürmt? Wird nicht gestürmt? Es wird gestürmt! Punkt 11 Uhr ruft’s am ganzen Ortsrand: „1. Welle raus!“, einige Sekunden nachher: „2. Welle raus!“ Und nun spielt sich ein Vorgang ab, an den das Regiment ewig mit Stolz und Schmerz denken wird. Mancher Kompagnie-führer mag sich der stillen Sorge nicht ganz haben erwehren können: Wie werden sich meine Stellungskrieger nach dreijährigem Stellungskrieg dieser ungewohnten Aufgabe gegenüber benehmen? Sie war unnötig. Wie ein Mann erheben sich die Wellen, stürzen  vor, die jungen Zugführer rücksichtslos und schneidig voraus, die Kompagnieführer mit ihrem Stab anfänglich bei der 3. Welle, allmählich sich an die Spitze ihrer Kompagnie vorarbeitend, die Bataillonsführer, Hauptmann von Raben (III. Batl.) und Hauptmann Schneider (I. Batl.) in ungestümem vorwärtsreißendem Drang inmitten ihrer Bataillone. Kaum hat der Gegner die Bewegung erkannt, so knattert’s, knallt’s, pfeift’s, saust’s von allen Seiten. Ein Höllenlärm! „Wieviel Dutzende von Maschinengewehren haben denn die da drüben?“ Dazu schießen die eigenen Maschinengewehre, die sich auf der Anhöhe im Rücken aufgebaut hatten, überhöhend hart über die Köpfe weg. „Alles eigene Maschinengewehre!“ ruft der Kompagnieführer der 12. Komp., kann aber nicht mehr überzeugen, wie die ersten stürzen. Es gelingt unseren vorzüglich schießenden Maschi-nengewehren, dieses oder jenes feindliche Maschinengewehr niederzuhalten. Aber der Feind ist zu überlegen an Zahl. Die Ortschaft ist in Staub gehüllt. Geschosse und Steine fliegen um die Köpfe und schlagen prasselnd auf Straße und Mauerreste. Jetzt setzt auch das feindliche Sperrfeuer ein. Gottlob liegt es mit seiner Hauptwirkung auf dem östli-chen Teil des Dorfes, ist also von den Stürmenden schon unterlaufen. Von Granatloch zu Busch, von Busch zu Mauerrest huscht Mann für Mann vor. In notdürftiger Deckung schnauft er einige Sekunden auf. Dann ein Ruck des Willens, und er stürzt wieder vor, fällt. Der nächste ihm auf demselben Weg nach, fällt, aber keiner bleibt zurück. Hier bricht einer lautlos zusammen, dort stürzt einer mit grellem Aufschrei hintenüber, den Vorbeieilenden trifft der flehentliche Blick eines Schwerverwundeten Sterbenden. Ein kleiner junger Unteroffizier der 11. – in Flandern hat er sich erst ein paar Gefangene und dafür das E. K. I geholt, zur Division war er auf sicheren Posten kommandiert gewesen, hielt das Stubenhocken nicht aus, wollte zurück zur Kompagnie, – der ruft: „Nur alle mir nach! Wir werden die Kerle schon kriegen!“ läuft einige Schritte, fällt. Die Wellen haben sich zu einzelnen Gruppen aufgelöst, die sich beherzten Führern und Draufgän-gern anschließen. Es fällt manch kühnes, aufmunterndes Wort, manche Heldentat wird vollbracht. Aber wer nennt all die Namen? Schnell arbeitet man sich durch das Dorf zum Cojeulgrund hinunter. Dort muß auf Baumstämmen und schwankendem schmalem Steg über den ziemlich breiten Bach balanciert werden. Nur einer ist, glaub ich, hinein-gefallen. Es war doch nützlich, daß man auch diese Kunst auf der Hindernisbahn geübt hat. Aber ein dankbares Ziel für den Gegner ist es, wie Mann für Mann über den Bach muß. Furchtbar haust das feindliche Feuer unter denen, die im Gefechtsdrang der War-nung ihres Kompagnieführers vergessend, den Übergang über die große Brücke erzwin-gen wollten. Ein Haufen Toter liegt nachher an der Stelle.
Das III. Bataillon erreicht durch den ansteigenden teil des Dorfes den Nordwestrand. Die 12. Komp. mit dem Kompagnieführer an der spitze macht in ihrem Vorwärtsdrang dort nicht Halt, sondern stürmt auf die etwa 100 Meter vor dem Dorf dem Dorfrand entlang führende englische Stellung los, gelangt bis ans Hindernis. Dort ist freilich jedes Vorwärtskommen ausgeschlossen. Kein Gang, nicht die geringste Lücke erkennbar in dem 10 Meter tiefen, 2 Meter hohen Hindernis! Also einzeln zurückkriechen! In den vor dem Ortsrand liegenden Weidengebüschen und einzelnen kleinen Löchern sucht man und schafft man sich durch vorsichtiges Eingraben Deckung unter stärkstem feindli-chem Maschinengewehrfeuer. Die kühne Bedienungsmannschaft eines leichten Maschi-nengewehrs findet einigen Schutz hinter einer Steinpyramide in der Nähe der feindli-chen Stellung und feuert unentwegt drauf los. Am Rand des Dorfes bleibt man in dauerndem rasenden Maschinengewehrfeuer und immer mehr sich steigernden Artil-leriefeuer liegen.
Das I. Batl. war von seiner Ausgangsstellung (im Hohlweg Hénin – Croisilles hart vor dem Dorf) unmittelbar hinter den letzten Wellen des III. Batl. vorgestoßen, aber mehr in westlicher Richtung. Die 1. Komp. erreichte die Mitte des Dorfes, die 2. Komp. ging links davon vor. Die beiden Kompagnieführer, Oberleutnant Widmer (1.), Leutnant Scheurlen (2.), auch der Kompagnieführer der 1. M. G. K., Leutnant d. R. Sannwald, wurden bald verwundet. Über den Bach kamen die wenigsten Leute der Kompagnie. Mit einer Gruppe war Leutnant Menzinger (2.) und Fähnrich Hertkorn über die gefähr-lichen Bachübergänge und ein im Dorf befindliches starkes Drahthindernis bis in die Nähe des südwestlichen Dorfrandes vorgedrungen, fanden den aber von einem hinter Sandsackbarrikaden gedeckten Maschinengewehr besetzt. In raschem kühnem Handgra-natenkampf wurde die Bedienung vertrieben. Sie zog sich in ein kleines Grabenstück westlich vom Ortsrand zurück. Rasches Nachdrängen war unmöglich, da man von einem Maschinengewehr in der linken Flanke beschossen wurde. Langsam arbeitete man sich also an den Ostrand heran und beobachtete von dort zwei in dem nahen Grabenstück aufgestellte Maschinengewehre mit etwa 50 Engländern. „Ach was! Die holen wir!“ ruft der junge Führer in ungestümer Begeisterung, erhebt sich, und fällt dem Fähnrich tot in die Arme. Frech und frohlockend über den Fall des Führers steigen die Engländer auf den Grabenrand.
Die 5. Komp. war mit ihrem rechten Flügel am südlichen Dorfrand vorbeigestürmt bis an den Bach. Leutnant d. R. Kupferschmid hatte mit seinem Kompagniestab hart am Ostrand einen Übergang gesucht und den Bach überschritten. Außer seinem Burschen, der auf dem Weg dorthin verwundet und von deinem Herrn noch verbunden worden war, ist niemand mehr vom Kompagniestab von dort lebend zurückgekommen. Von vorne, von links und von rechts übers Dorf weg hatten sie rasendes Maschinengewehr-feuer bekommen. Der Führer eines Maschinengewehrzuges, Leutnant d. R. Kietschke, eben erst zum Regiment gekommen, sucht inmitten der Infanteriewellen und 50 Meter vor ihnen eine Stellung für seine Maschinengewehre. Vorbeieilend sieht er, daß eines seiner Maschinengewehre Ladehemmung hat. „Kerls schießt! Ihr blamiert ja die ganze Innung!“ In einem Granatloch, wo er einen Augenblick Deckung sucht, erhält er gleich darauf einen Schuß durch die Schulter.
Der Regimentsstab lag während des Angriffs auf der Höhe östlich Hénin. Am 23. hatte er noch vor Héninel die Hälfte eines Stollens bewohnt, die der Stab vom Inf.-Reg. 458 geräumt hatte, ungern, aber: „O weh“, hatte der Adjudant gemeint, „jetzt kommen die Württemberger, mit denen ist nicht gut Kirschen essen. Die schmeißen uns einfach raus!“
Der Überblick über das Angriffsgelände, den der am 24. etwa 10 Uhr bezogene Ge-fechtsstand gewährt, war gut – oder wäre vielmehr gut gewesen, wenn man ihn hätte ungestört ausnützen können.
Das Artilleriefeuer, das bald auf die Gegend einsetzte, besonders nachdem der in der Nähe aufgestellte Blinker nach vorne Zeichen gegeben hatte, zwang zum mehrmaligen Stellungswechsel. Das Maschinengewehrfeuer von der gegenüberliegenden Höhe pfiff um die Ohren. Mancher Herr, der sonst das Haupt aufrecht zu tragen gewohnt ist, hat dort die Rekrutenkunst des Kriechens auf dem Bauche wieder gelernt.
Der Sturm hatte nicht länger als eine halbe Stunde gedauert. Jetzt lagen die Kompagnien rings am Ostrand, wie und wo sie ihn erreicht hatten. Jede Bewegung war unmöglich, denn rasend pfiffen die Maschinengewehrgeschosse hart über Löcher und Steine weg, hinter denen man lag. Das Eingraben konnte nur mit äußerster Vorsicht und unter großen Schwierigkeiten vor sich gehen. Wo der Gegner das geringste Ziel erkannte, überschüttete er es mit Feuer, dazu nahm das Artilleriefeuer auf das Dorf im Lauf des Tages immer mehr zu mit mittleren und schweren Kalibern. Die Lage erinnerte an den übelsten Tag in Flandern. Und das war nur der erste Tag der großen Offensive für das Regiment! Der Eindruck unverschuldeten Mißerfolgs verbunden mit schmerzlichen Verlusten legte sich lähmend aufs Gemüt. Mit unvergleichlicher Tapferkeit und wahrem Todesmut waren Offiziere und Mannschaften vorgegangen. Wir hatten später Gelegen-heit, uns von einem andern Regiment erzählen zu lassen, daß es einen ähnlichen Auftrag bekommen hatte. „Wir konnten doch nicht vor,“ meinten die, „es waren ja noch Maschi-nengewehre da.“ Die Ehre des Regiments ist nicht verloren, aber viel edle Begeisterung und frischer Mut. Quälende Fragen liegen uns auf der Seele. Wo steckte die Artillerie? „Sie haben keine Munition zur Hand gehabt.“ Unsere Divisionsartillerie beim ersten Sturm keine Munition? Eine halbe Stunde nach dem Sturm lag unser Artilleriefeuer vorzüglich im englischen Graben. Warum hat man die alte Lehre, die wir dem Feinde in Flandern und an der Somme zu seinem Schaden oft genug gegeben hatten, vergessen? Wie oft haben wir ihn dort von unserer zusammengetrommelten Stellung mit den wenigen geretteten Maschinengewehren mit blutigen Köpfen heimgeschickt! Und nun rennen wir gegen eine wohlausgebaute, völlig unberührte, mit Maschinengewehren gespickte Stellung an! Im Augenblick des Angriffs weist der Soldat solche Fragen von sich. Es gibt kein Warum und Wozu. Aber nachher, wenn das gekommen ist, was kom-men mußte, wenn er die toten Kameraden im Granatloch einbettet, die Verwundeten wegträgt, wenn die Kompagnien sammeln und es fehlen so viele, so viele! Doch still davon! Der Sturm wird bald wiederholt! Unter günstigeren Bedingungen! Den Namen Hénin wird das Regiment nie vergessen. Anscheinend beruhte der Angriffsbefehl auf einer falschen Voraussetzung. Der Gegner war nicht auf dem Rückzug, wie man an-nahm. Die Beobachtung war wohl gemacht worden vor dem Sturm, aber die in vorder-ster Linie gemachte Feststellung über den Ausbau und die Besetzung der feindlichen Stellung konnte nicht mehr bis zur Artillerieleitung durchdringen. Außerdem waren nicht alle Regimenter der Brigade bei Tagesanbruch mit der Bereitstellung fertig. Die vom Gegner beobachtete Bereitstellung eines Regimentes gab ihm die Möglichkeit wirksamer Gegenmaßnahmen.
Bei Einbruch der Dunkelheit werden die Verbände geordnet und für die Abwehr nach der Tiefe gegliedert. Im III. Bataillon übernimmt die 9. Komp. die von der 11. und 12. Komp. erreichte Ortsrandstellung, die 12. wird an den Ostrand Hénin, die 10. und 11., Minenwerferzug und Maschinengewehrzug mit dem Bataillonsstab in eine Batterie-stellung östlich Hénin zurückgezogen. Beim Rückmarsch durch Hénin mußten die Gas-masken aufgesetzt werden. Der Gegner schoß einiges Gas. Doch das können wir besser! Wenigstens das Gas mit dem bekannten süßlichen Geruch, das wir schon lange kennen, führt wohl zum Weinen, aber nicht zum Sterben. Leider konnten die Verwundeten trotz aller Bemühungen der Kompagnieführer, des Bataillons und des Regiments erst am Abend des folgenden Tages vollends zurückgebracht werden.ׅ“

aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921


Freitag, 23. März 2018

23. März 1918


„Die Höhen westlich Heninel waren stark besetzt. Heftiges Artillerie- und Maschinen-gewehrfeuer prasselte den Kompagnien entgegen, so daß sie verhielten. In Heninel fiel dem I. Batl. ein englisches Bierlager in die Hände, das vom sachkundigen Führer sofort für seine Truppe beschlagnahmt und sorgfältig verwaltet wurde. Überall gab es in Hülle zu essen. Besonders geschätzt waren die englischen Konservenbüchsen, denn die Rationen waren klein geworden und der Soldatenwitz hatte dem ganzen Angriff den derben aber bezeichnenden Ausdruck „Kohldampfoffensive“ gegeben. Kurz nach 9 Uhr nahm auch das III. Batl. entfaltet den Vormarsch gegen Heninel auf, löste sich vor dem Höhenhang in drei Schützenlinien auf, stieg wie bei einer Felddienstübung unbelästigt den Südhang des Cojeulbaches hinunter und durchschritt 11.30 Uhr vormittags Heninel, um an dessen Nordrand eine kurze Atempause zu machen. Auf den Bachgrund legte der Gegner nun wahnsinniges Feuer. Jetzt ging es den Nordhang hinauf, zum Sturm gegen stark verdrahtete Gräben, in denen tapfere Verteidiger unerschüttert und unentmutigt standhielten. Wieder traten starke Verluste ein und der Angriff blieb zunächst vor dem englischen Hindernis liegen, wo sich die 10. und 11. Komp. eingruben. Die 9. und 12. Komp. wurden zur Verstärkung des linken Flügels herangezogen. Um 4 Uhr kam die Begleitbatterie und wetterte in die englischen Gräben. Da sie aber zu nahe an den Nordhang der zum Cojeulbach fallenden Anhöhe herangefahren war, konnte sie keine Nahziele bekämpfen und überschoß die vorderen feindlichen Grabenstücke. Nichts-destoweniger wurde 4.40 Uhr der englische Stützpunkt „Tommyauge“ in langsamem Grabenkampfe erstürmt und feindliche Grabenstücke aufgerollt. Es war ein Helden-kampf ohnegleichen. Führer und Mannschaften wetteiferten. In kleine Gruppen aufge-löst, rauften sich die Kompagnien um die zahllosen, maschinengewehrgespickten Gra-benstücke des „Tommyauges“ und vertrieben im Nahkampf den Gegner. Hier starb Leutnant d. R. Lachenmann an der Spitze seines Zuges den Heldentod. Von einem Drahthindernis aufgehalten, wollte er den Weg bahnen, sprang in das Drahtgewirr hinein und fiel durch den Kopf geschossen. Aber der feindliche Stützpunkt wurde genommen. Die Höhe wurde überschritten und die Talmulde zwischen Neuville-Vitasse und Wancourt eingesehen. Nachts 11 Uhr schien der Feind zum Gegenstoß zu schreiten; Sperrfeuer zerschmetterte seine Versuche. Nach Mitternacht wurde es wieder ruhiger. Das II. Batl. lag während dieser Kämpfe in Reserve östlich Heninel.ׅ“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920


Donnerstag, 22. März 2018

22. März 1918


„Am 21. März begann der große Kampf. 4.40 Uhr vormittags setzte die bis ins kleinste geregelte Artillerievorbereitung ein, zuerst bis 7 Uhr vormittags mit Gas auf die feind-liche Artillerie, dann mit Granaten auf die Vaucelette-Ferme und die anschließenden Gräben. 8.40 Uhr vormittags mit den letzten einschlagenden Granaten erfolgte der Ein-bruch des Gren.-Regts. 123 Als Regiment 2. Linie sollte Inf.-Regt. 124 mit Fortschrei-ten des Angriffs des Sturmregiments, rechts desselben vorstoßen, den Flankenschutz übernehmen und später den Dessart-Wald nehmen. Für diese Aufgaben waren III. und II. Bataillon vorgesehen, I. war vorerst Regimentsreserve. Es kam aber ganz anders. Schon während unserer Artillerievorbereitung war allgemein die starke artilleristische Gegenwirkung der Engländer aufgefallen. Man hatte angenommen, daß sich der Gegner bei dem starken Einsatz eigener Artillerie nicht sehr fühlbar machen würde und die lange Beschießung mit Gas die feindliche Artillerie lahmlegen würde. Aber der Gegner wehrte sich auf das heftigste, auf unsere Gasbeschießung antwortete er ebenfalls mit Gas, außerdem trieb der starke Westwind unser Gas teilweise zurück. Die Sturmtruppen und die rückwärtigen Staffeln mußten bis 10 Uhr vormittags die Gasmasken tragen. Dies erschwerte ungeheuer alle Bewegungen und hielt sie lange auf. Weiter kam dazu, daß frühmorgens ein undurchdringlicher Nebel herrschte. Das Zurechtfinden war schwierig und vor allem war es der Artillerie unmöglich geworden, das Vorbereitungs-schießen auf die Gräben mit Beobachtung durchzuführen. So war sie auch hierbei nur auf ihre Vermessungen angewiesen, dies schwächte fraglos den vollen Erfolg erheblich ab. Die Folge all dieser Umstände war, daß das Sturmregiment infolge hartnäckigen Widerstandes sehr schwer vorwärts kam und von einem Nehmen der Stellungen bis zur Revelon-Ferme in einem Zuge keine Rede sein konnte. Über den Bahndamm, westlich der Vaucelette-Ferme, kam vorerst niemand, Bahndamm und das Gelände davor lagen unter wirkungsvollstem M.-G.-Feuer von allen Seiten, besonders von der Revelon-Ferme her. Dieser Hof lag auf einer kleinen Anhöhe, diese fiel glacisartig ab, umso höher die Wirkung der dort eingesetzten M.-G. Auch das Folgen des Inf.-Regts. 124 gestaltete sich dementsprechend völlig anders.
Nachdem 8.40 Uhr vormittags 123 zum Sturm angetreten war, erreichte das zunächst angesetzte III. Bataillon den Weg bei den Punkten g – v (s. Skizze Nr. 22) und 10.15 Uhr vormittags die Fabrik südlich Villers-Guislain, hier baute sich das Bataillon zum Vorstoß rechts an Revelon-Ferme vorbei auf. Vorn 9. und 11. Kompagnie, dahinter rechts gestaffelt 10. Hinter der Mitte 12. und 3. M.-G.-K. Bei diesem Vormarsch und auch später zeichnete sich als Meldegänger der Gefreite Graf, 12./124, von Wildenstein, besonders aus. Unermüdlich war er tätig, zwischen dem erkundenden Bataillonsstab und den Kompagnien die Verbindung aufrecht zu erhalten und letzteren die besten Wege zu zeigen. 10.45 Uhr vormittags trat das III./124 den Weitermarsch rechts an der Ferme vorbei an und erreichte nach Überschreiten einer Mulde, die von rechts her stark unter flankierendem Feuer lag, die Stellungen westlich Vaucelette-Ferme. Von hier weiter westlich vorzukommen, schloß die feindliche Feuerwirkung vorerst aus.
Das II./124 war dem rechten Grenadierflügel gefolgt und hatte mit 5. und 8. Kompagnie ebenfalls den Bahndamm erreicht, 6. und 7. Kompagnie waren im Nebel abgekommen und hatten sich Kompagnien von Inf.-Regt. 232 angeschlossen, das die Stellungen nordwestlich der Ferme bis zur Straße Revelon Ferme – Gouceaucourt aufrollen sollte, aber auch bald bei der heftigen feindlichen Gegenwirkung festsaß. Durch die abgekom-menen Kompagnien hatte das Bataillon wenigstens Verbindung nach vorn.
I. Bataillon war von seinem Platz südlich Villers-Guislain näher an die vorderen Teile herangerückt, hatte aber, obwohl am weitesten zurück, sehr unter Artilleriefeuer zu lei-den. Die eigene Artillerie war nachgerückt und stand in der Nähe. Sie zog heftige feind-liche Gegenwirkung besonders mit schweren Kalibern auf sich, hiervon wurde auch das Bataillon mitbetroffen.
Links tobte um Epehy ein hin- und herwogender Kampf der 183. Inf.-Div. Bald war der Ort von ihr genommen, bald hatten ihn wieder die Engländer besetzt. Die englische Zähigkeit, mit der alle Stellungen verteidigt wurden, muß anerkannt werden.
Am Spätnachmittag gewann das Gren.-Regt. langsam gegen Revelon-Ferme Boden, II./124 folgte und befand sich auf gleicher Höhe rechts daneben. Aus der Ferme stieß der Gegner mehrmals durch Tanks unterstützt vor, er wurde jedesmal abgewiesen, brachte aber aus Heudicourt und Fins ununterbrochen Verstärkungen auf Sanitätskraft-wagen vor. Obwohl die Ausladestelle dauernd unter Feuer genommen wurde, kamen doch unaufhörlich Verstärkungen heran. Die Lage am 1. Angriffstag abends war wenig günstig. Das Gren.-Regt. lag mit seiner ungeschützten linken Flanke nicht gut, ebenso erging es II./124, in dessen Flanke zwei starke englische Stellungen ungenommen geblieben waren. Der Erfolg dieses Tages war weit hinter allen Erwartungen zurückge-blieben. Dem hindernden Nebel des Vormittags folgte nachmittags und nachts noch Regen, dem die Truppe schutzlos preisgegeben war. Die Verpflegung erfolgte kalt von den mitgenommenen eisernen Portionen.
Obwohl das Regiment beim eigentlichen Angriff nur mit schwachen Teilen beteiligt gewesen war, hatte es doch bedeutende Verluste, aus denen der englische Widerstand, besonders mit Artillerie, zu ersehen ist. 49 Tote, 240 Verwundete und 121 Gaskranke waren ausgefallen, unter den Verwundeten 14 Offiziere, Oberleutnant Höltje, Leutnants d. R. Bickel, Wintermantel, Gehweiler, Ochs, Etti, Glöckle, Herzog, Moser, Gindele, die Leutnants Fuß, Walter, Bauer und Oberarzt Dr. Haag.
In der Nacht vom 21./22. wurde folgende Absicht für den nächsten Tag bekannt gege-ben: 183. Inf.-Div. sollte Epehy vollends nehmen, 27. Inf.-Div. durch das Gren.-Regt. bis zur Linie Revelon-Ferme – Bahnhof Heudicourt vordrücken, um die Flanke der 183. Inf.-Div. zu sichern. Inf.-Regt. 124 hatte die beiden englischen Hauptstellungen nord-westlich Vaucelette-Ferme zu nehmen, um seinerseits das Gren.-Regt. zu decken.
Das III./124 erhielt den Befehl, unter Zuteilung der Sturmabteilung der Division und der 2. und 3./124 diesen Angriff auszuführen. 12 Uhr mittags waren beide Stellungen genommen, 16 Engländer gefangen und 2 Geschütze erbeutet. Während sich bei der Abwehr von Vorstößen aus der Revelon-Ferme ein Zug M.-G. unter Vizefeldwebel Staib, 1. M.-G.-K., von Boll, besonders auszeichnete und entscheidend eingriff, tat sich beim Angriff des III. Bataillons der Gefreite Rieder, 9./124, hervor. Als Kompagnie-meldegänger hatte er sowohl die Angriffsbefehle überbracht, als auch später die Mel-dungen vom Stand des Angriffs ungeachtet aller Schwierigkeiten zurückgebracht.
Am Vormittag noch wurde durch einen aufgefangenen Funkspruch die Absicht des Gegners bekannt, den Cambraibogen zu räumen. Hierdurch gewann der Vorstoß der Di-vision nach Westen erhöhte Bedeutung, wenn es glücken sollte, den weichenden Feind abzuschneiden.
1 Uhr nachmittags bauten sich II. und III. Bataillon zum Nehmen der Revelon-Ferme auf, beim III. 2. und 3./124. 2 Uhr nachmittags begann der Angriff. II./124, als die frischere Truppe, griff auf dem rechten Flügel, teils frontal über freies Gelände, teils durch Aufrollen der noch nicht genommenen Gräben an, links anschließend kam III. Ein M.-G.-Zug unter Vizefeldwebel Striebel, 2. M.-G.-K., hatte besonders gute Wirkung, indem er 3 englische M.-G. in der Ferme außer Gefecht setzte und dem III. Bataillon das Vorkommen erheblich erleichterte. Bei der 5./124 zeichnete sich der Unteroffizier Schranz von Waldsee, wie schon oft vorher, trotz seines jugendlichen Alters von 19 Jahren als kaltblütiger Draufgänger hervorragend aus. Artillerie und Minenwerfer unter-stützten den Angriff auf das Beste. 4 Uhr nachmittags stürmte 2./124 das Wäldchen östlich Revelon-Ferme, eine halbe Stunde später wurde die Ferme selbst von beiden Bataillonen genommen. Nachdem 5 Uhr nachmittags die Straße Revelon Ferme – Gouceaucourt erreicht war, wurde 6.15 Uhr nachmittags der Vormarsch auf Fins ange-treten. Dort trafen ohne nennenswerten Widerstand zu finden, III. Bataillon 8.15 Uhr abends, II. 11 Uhr abends ein. I./124 folgte in 2. Linie und biwakierte östlich des Ortes. 1. und 2./124 stellten an Straße Fins – Gouceaucourt. Vorposten aus, da der Dessart-Wald besetzt gemeldet war.
9 Uhr abends hatte III. Bataillon durch Artillerievolltreffer am Ostausgang von Fins Verluste. War an diesem Tag die Stimmung durch die Erfolge gehoben, so wurde sie doch durch die Verluste gedrückt. Das Regiment verlor 75 Tote, darunter Hauptmann d. R. Bauer, der beim Einsatz der Sturmabteilung heldenmütig, wie stets, da kämpfte, wo es am heißesten herging. Diesmal ereilte ihn das Geschick, nachdem er von seiner schweren Verwundung bei Bullecourt kaum geheilt war. Leutnant Werner, Leutnant d. R. King und Ilzhöfer. 261 Verwundete mußten zurückgeschafft werden, dabei Haupt-mann Schaidler, Leutnant Bumiller, Rist, Botsch, Leutnant d. R. Liebendörfer, Herzog, Sorger, Kurz und Offizierstellvertreter Nugel. Auf dem Verbandplatz tat der San.-Ser-geant d. R. Storrer, 9./124, von Ertingen, in hervorragender Weise seine Pflicht und zeigte große Kaltblütigkeit, als der Verbandplatz von englischen Fliegern angegriffen wurde.ׅ“


aus: „Das Infanterie-Regiment „König Wilhelm I“ (6. Württ.) Nr. 124 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921

Mittwoch, 21. März 2018

21. März 1918


„Grau und nebelig dämmert der „Michaelstag“ herauf. Schon lange vor der festgelegten Stunde steht alles bereit, noch einmal werden Unteroffiziere und Mannschaften instru-iert. Alles wartet gespannt mit der Uhr in der Hand. Eine unheimliche Stille, nur von wenigen feindlichen Schüssen unterbrochen.
Noch hat der Gegner nichts bemerkt, die Überraschung ist geglückt. Wenigstens bei uns. Noch eine Viertelstunde! Noch 5 Minuten! Ein Schluck aus der Flasche, eine letzte Zigarette. Noch 10 Sekunden! Jetzt, auf die Sekunde genau die gelbe Rakete in Sterne zerfallend, das Zeichen auf einer Anhöhe hinter uns.
„Feuer!“ erschallt es vorn und hinten, rechts und links. Dann erstirbt alles in einem ohrenbetäubenden Krachen und Rauschen um und über uns. Viele tausende deutsche Geschütze senden ihre ehernen Grüße an den Feind.
Kommandos dringen nicht mehr durch. Von Geschütz zu Geschütz gehen die Offiziere. Alles läuft wie am Schnürchen. Auf die Sekunde genau ändern die Geschützführer an Hand ihrer Tabellen Seitenrichtung und Entfernung. Wie ein Uhrwerk rollt die Artil-lerievorbereitung ab.
Die Aufgaben der Batterien sind verschieden. Im allgemeinen 2 Stunden schießen auf feindliche Artillerie, hauptsächlich mit Gas, dann 2 Stunden lang Vernichtungsfeuer auf Gräben, dann nochmals je eine halbe Stunde auf Artillerie und Gräben.
Um 9.40 Uhr beginnt die Feuerwalze, der die stürmende Infanterie unmittelbar folgen soll.
Der Gegner hat im allgemeinen wenig geschossen. Nur die 2. Batterie erhielt starkes Feuer und hat schwerste Verluste.
Aber der Nebel verdichtet sich immer mehr, durch unser Schießen und durch feindliche Einschläge bildet sich eine dicke Nebelschicht, teilweise mit Gas, infolge feindlicher Gasgeschosse und getroffener Gasmunition von uns. Zeitweise sieht man kaum 20 Meter weit. Wie soll da die Infanterie stürmen?
Meldungen gehen nur spärlich ein. Die Bahnlinie nördlich Epéhy soll von der 27. Inf.-Division überschritten sein.
Regiment 246 ist in vorderster Linie; 247 und 248 erhalten Befehl zum Nachrücken auf die Sonnenhöhe.“

„„Feuer“ hört man noch, dann schleudern Tausende von Rohren ihre todbringenden Geschosse zum Feind hinüber. Doch schon nach einer halben Stunde schlagen die feindlichen Geschosse in unmittelbarer Nähe unserer Batterie ein und verwunden meh-rere Leute. Eine Stunde später tötet ein Volltreffer die Gesamte Bedienung des 4. Geschützes. Die Batterie tut weiter ihre Pflicht, eingedenk des gestrigen Befehls, daß ohne Rücksicht auf eigene Verluste weitergefeuert werden müsse. Immer noch liegt schweres Feuer auf der Batterie. Die Splitter prasseln auf die Schilde und durchschlagen das Holz der Räder. Die Träger der beleuchteten Festlegepunkte werden immer wieder zusammengeschossen und ebenso oft wieder aufgestellt. Die Batterie bewährt sich auch in dieser furchtbaren Lage aufs beste, und insbesondere der Vizewachtmeister Feucht gibt seinen Kameraden ein hervorragendes Beispiel von Tapferkeit und Ruhe. Bald wird auch das erste Geschütz gebrauchsunfähig und schließlich da dritte Geschütz durch einen Volltreffer zerstört, Leutnant Kuttler verwundet, die Bedienung getötet. Ein Wei-terfeuern war nicht mehr zu verantworten: Leutnant Cantner gibt den Befehl, das Feuer einzustellen. 13 Tote (Sergeant Dobelmann, die Unteroffiziere Brand, Huber, Weizen-egger, die Gefreiten Abele und Scholl, die Kanoniere Häußler, Henßler, Roth, Sailer, Schmidt, Schöllhammer und Steiner) liegen, zum Teil schrecklich zugerichtet, bei den Geschützen, und außerdem hat die Batterie 9 Verwundete zu beklagen. Schwer lastet das Erlebnis auf allen Batterieangehörigen und um so schwerer, als wir alle glauben, der große Angriff sein mißlungen.ׅ“


aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929


Dienstag, 20. März 2018

20. März 1918


„Der Angriffsstreifen, wie die Bereitstellungsräume, waren den Unterführern durch die vorausgegangenen Erkundungen in der Hauptsache bekannt, was sich als sehr zweck-mäßige Maßnahme erwies. Denn das Heranführen der Truppen, die sich auf der Straße Crêvercoeur / Vaucelles vorwärts bewegten, war eine schwierige Aufgabe, weil die Nacht auf den 20. März sehr dunkel war und ein schneidender Nordwest den Leuten Hagelschauer ins Gesicht schlug. Dabei gab es auf Straßen und Ortschaften infolge Häufung der Truppen erhebliche Stockungen, die mit den zahlreichen Fahrzeugen oft einen unentwirrbaren Knäuel darstellten. Konnte doch der Verschleierung wegen auch die ganze Munitionierung der Artillerie nur in den Nachtstunden durchgeführt werden! Der Aufmarsch und die Bereitstellung war unter solchen Umständen ein Meisterstück der Führung, das sich trotz mehrfacher Reibungen wie vorgesehen abwickelte. Die Bereitstellung bei Honnecourt am Scheldekanal, wo überaus heftiges Feuer lag, gelang denn auch wider Erwarten gut und erst die am 21. März in zweiter Linie folgenden Truppen, sowie das Sanitätspersonal hatten im Scheldetal zwischen Honnecourt und Banteux schwere Verluste zu erleiden. Das Regiment hatte hier Glück und richtete sich, soweit es überhaupt in den Grabenstücken und Hohlwegansätzen möglich war, not-dürftig ein. Die Gliederung war so, daß die beiden zum Sturm bestimmten Bataillone, II. und III., unmittelbar westlich und nordwestlich von Honnecourt bereitgestellt wurden, während sich das I. als Reservebataillon dahinter hielt. Es war ein günstiger Zufall, daß am 20. März dunstiges Wetter eine Fliegertätigkeit ausschloß, sodaß die Truppen, abge-sehen vom Randgebiet von Honnecourt, wo es Verluste gab, unbehelligt vom Gegner an ihren Plätzen verharren konnten. Nur durch die Feuchtigkeit der vorausgegangenen Regennacht wurden die Kräfte schon vorzeitig stark verbraucht.“


aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Bild: „Ehrenbuch der im Weltkrieg gefallenen kath. Lehrer Württembergs“, Biberach an der Riß 1927

Montag, 19. März 2018

19. März 1918


„Der 19. und 20. März vergingen in ernster, angespannter Arbeit. Obwohl das anhaltend trübe Wetter wenigstens den Vorzug hatte, feindliche Luftaufklärung unmöglich zu machen, nahm das feindliche Störungsfeuer allmählich zu. Da und dort schlugen die Geschosse in die so gut wie ungedeckt und gedrängt stehenden Batterien, ließen Muni-tionsstapel hochgehen und verursachten Verluste. Auch die Anmarschwege, insbeson-dere die Kanalübergänge, lagen unter zunehmendem Störungsfeuer. Wie lange wird das Warten noch dauern? Muß am Ende der Angriff mit Rücksicht auf die Wetterlage hinausgeschoben werden? Diese Fragen stehen da und dort in den Gesichtern zu lesen und schon denkt man sorgenden Herzens an die Folgen für die ungedeckt bereitste-henden Munitionsmengen.“


aus: „Das Württembergische Feldartillerie-Regiment König Karl (1. Württ,) Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart, 1928

Sonntag, 18. März 2018

18. März 1918


„Die Bolschewiken hatten Nowo Ukrainka und die Bahnlinie West-Ost mit Infanterie und vielen M.-G. besetzt; ihre Artillerie stand rückwärts davon, für uns unsichtbar. Sie schoß aber schlecht, trotzdem das Gelände auf der deutschen Seite offen vor ihr lag. Augenscheinlich fehlte hier, wie auch in späteren Kämpfen, die Beobachtung gänzlich. Die M.-G. waren laut Aussagen, welche uns nach dem Gefecht die Einwohner machten, vielfach von Studenten und Studentinnen bedient.
Die deutsche Artillerie eröffnete ihr Feuer gegen die feindliche Infanterie in Nowo Ukrainka und Schuß um Schuß saß. Das III./L. 126 hatte anfangs alle drei Kompagnien – die 10. war in Nowigorod als Bahnschutz geblieben – in vorderer Linie entwickelt. Später ließ es die 12. in einer Mulde halten und dann als Reserve folgen. Zum Sturm wurde sie wieder nach vorne genommen. Die M.-G. waren auf die ganze Front verteilt.
Das III./L. 12 mit zwei Kompagnien voran, zwei links rückwärts gestaffelt, griff gleich-zeitig mit dem III./L. 126 Nowo Ukrainka an. Der Angriff der beiden Bataillone ging energisch vorwärts, so daß nacheinander der Nordrand der Stadt und der Bahnhof ge-nommen wurden, trotzdem beide mit zahlreichen M.-G. besetzt waren.
Dann ging es durch Nowo Ukrainka hindurch, wo jetzt auch die Einwohner aus den Häusern nach den Bolschewiken schossen, bis vor an den Süd- und südlichen Westrand.
Der Angriff kostete dem III./L. 126 einen Toten und 24 Verwundete, Unter den letzteren befanden sich der Bataillonsadjutant, Leutnant Stierlin, ferner Leutnant Bertsch und Vizefeldwebel Köpf. Der Bataillonskommandeur, Hauptmann Wiedemann, erhielt zwei Schüsse durch den Mantel. Ein Gegenstoß der Bolschewiken gegen die rechte Flanke des Bataillons wurde einmal vorbereitet, kam aber nicht zur Durchführung.“


aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Samstag, 17. März 2018

17. März 1918


„Die verschüchterte Bevölkerung hatte während der Fahrt die deutschen Transporte bisher überall freudig empfangen, überall gerne mit Nachrichten versehen. Es gelang dem II. Bataillon, noch am Abend des 16. März bis Kapustino weiterzufahren. Dort aber meldete die Lokomotivspitze unter Leutnant Müller spät abends, daß die Schienen zwi-schen hier und Adabasch an mehreren Stellen zerstört, die Brücke über den Pomosh-najabach laut Einwohneraussagen gesprengt sei. Die letztere Nachricht erwies sich allerdings als falsch; es waren damals noch nicht einmal die ersten Vorbereitungen für eine Sprengung getroffen. Aber die Möglichkeit, im Eisenbahnzug an den Feind weiter heranzufahren, war jetzt jedenfalls zu Ende. Andererseits schien es dem Batail-lonskommandeur nicht ausgeschlossen, daß die Einwohnernachricht betreffend der Pomoshnajabrücke falsch, daß eine Weiterfahrt Richtung Woshiesensk nach Herstellung der zunächst vorliegenden Schienenzerstörung möglich sei. Major Gutermann wollte nicht durch vorzeitiges Entladen des Bataillons Zeit verlieren. Deshalb wurde noch in der Nacht nur ein Zug der 5. Kompagnie mit zwei M.-G. befehligt, entlang der Bahn vorzugehen. Gleichzeitig veranlaßte man die Schienenherstellung durch ukrainische Bahnarbeiter. Das letztere erforderte aber sehr viel Zeit, da die Leute erst zusammen-gesucht werden und dann an die fraglichen Stellen vorgehen mußten.
Der Zug der 5. Kompagnie unter Leutnant Diez gelangte unterdessen bis zur Pomosh-najabrücke, ohne auf einen Feind zu stoßen. Leutnant Diez selbst blieb mit einer Gruppe und eine M.-G. bei der Brücke, den Rest seines Zuges und das andere M.-G. sandte er nach dem Bahnhof Adabasch zurück.
So wurde es gegen 7 Uhr vormittags des 17. März. Der Gegner hatte mit unserem Kommen jetzt schon, mit einem derartig energischen Vorwärtsdringen über alle Hinder-nisse weg, nicht gerechnet und deshalb nichts für seine Sicherung getan. Erst um 10 Uhr vormittags trat eine Abteilung Bolschewiken, etwa 200 Mann, aus Nowo Ukrainka heraus und ging unter Ausnutzung niedriger, flacher Geländefalten gegen den Bahnhof Adabasch vor.
Leutnant Diez zog sich, um nicht abgeschnitten zu werden, mit seiner Gruppe über Alexandrowka an seinen Zug heran. Der letztere empfing die Bolschewiken mit Feuer; sie kamen in diesem nicht mehr weiter vor. Aber sie schoben sich – immer unter Ausnützung der flachen Mulden – mehr und mehr nach Norden, so daß auch dem Zug das Abgeschnittenwerden drohte. Dies zwang den letzteren, hinter dem Bahndamm gedeckt, ebenfalls nach Norden zu rücken, und zwar bis zu dem Bahnwärterhaus 800 Meter nördlich Adabasch. Hier aber kam Unterstützung in Sicht.
Man hatte hinten beim Bataillon das Feuer gehört; die ganze 5. Kompagnie war ausge-stiegen und vorgegangen. Sie näherte sich dem genannten Bahnwarthaus; das Gefecht kam infolgedessen zum Stehen, die Kompagnie besetzte Haus und Umgebung mit Front nach Osten und Süden. Denn schon zeigte sich ein neuer Gegner, 600 – 800 Mann stark, der von dem Grund des Pomoshnajabaches her zu beiden Seiten der Bahnlinie vorging. Er gelangte bis in Höhe des Bahnhofs Adabasch; dort konnte er wirksam unter deut-sches Feuer genommen werden und blieb liegen.
Der Nachmittag war schon vorgeschritten, die zerstörten Schienen wieder hergestellt, die beiden Eisenbahnzüge der Vorhut, II. Bataillon und 2. Batterie L.-F.-A. 1, fuhren näher heran und luden aus. Die 7. und 8. Kompagnie. die 2. M.-G.-K. und die Batterie entwickelten sich zum Gefecht. Die Batterie beschoß den Bahnhof, da brach die Dunkelheit rasch und plötzlich herein, wie dies dort zulande zu geschehen pflegt. Ein Nachtangriff war bei den recht wenig geklärten Verhältnissen nicht ratsam.
Die 7. und 8. Kompagnie biwakierten deshalb hinter ihren Gefechtsvorposten, die 5. wurde nach Woinowka in Reserve zurückgenommen, die 6. war bei den Eisenbahn-zügen zu deren Bewachung und Schutz geblieben, die M.-G.-K. verteilt.
Um 8 Uhr abends meldete, von Westen her anrückend, eine Haidamakenkompagnie ihr Eintreffen. So wurden die ukrainischen Freiwilligen bezeichnet. Die Kompagnie ging südwestlich des II. Bataillons in Stellung. Sie bestand zum Teil aus Einwohnern der Gegend; Patrouillen aus solchen schlichen sich während der Dunkelheit an den Bahnhof vor und fanden denselben vom Feind geräumt. Die Haidamaken besetzten den Bahnhof noch in der Nacht. Am andern Morgen waren aber die meisten von ihnen wieder davon-gelaufen, angeblich weil sie nicht genügend Munition hätten. Unsere späteren Erfahr-ungen mit Haidamaken berechtigen aber zu der Vermutung, daß sie hier einen ernstli-chen Kampf fürchteten und für einen solchen waren nur die wenigen ehemaligen russi-schen Offiziere unter ihnen zu haben, nicht aber die geworbenen Bürger und Bauern. Es kam auch häufig vor, daß die letzteren wegliefen, sobald sie nur das Handgeld und ihre Bekleidung gefaßt hatten.“



aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921