Freitag, 30. Juni 2017

30. Juni 1917


Fortsetzung vom 29. Juni 1917:
„Es ging hier wie meist bei solchen Unternehmungen: das Nehmen einer feindlichen Stellung gelang ziemlich leicht und mit verhältnismäßig geringen Verlusten, zehnmal schwieriger war das Halten und kostete viele Opfer. Er folgten denn auch sofortige Angriffe zur Wiedereroberung gegen die 10. Res.-Div. und wir mußten sie in den nächsten Tagen mit Sperrfeuer und Feuer auf Batterien, die sie belästigten, sehr energisch unterstützen. II. Bataillon Landw.-Inf.-Regts. 120 hielt den großen Teil seiner eroberten Stellung trotz heftigen Feuers und dadurch hervorgerufener Verluste und baut ihn aus.
Dieses Unternehmen „Véry“ sollte noch ergänzt werden durch ein solches „Cheppy“ am 30. Juni vom Landw.-Inf.-Regt. 122 gegen Ziele auf dem Höhenrücken westlich Avocourt. Auch diese Gegend war in den vorangegangenen Tagen von uns mit Minen-werfern unter Feuer genommen worden; die Patrouillen drangen auch vor, aber der Franzose war ausgerissen und so konnte nur unter dem Schutz des Riegelfeuers ge-sprengt werden.
Seit der Wegnahme des „Entenschnabels“ und der Gräben vor unserem linken Flügel durch Landw.-Inf.-Regt. 125 gab es keinen ruhigen Tag und besonders keine Nacht mehr, am heftigsten bei der Nachbardivision und weiter nach Osten, auf Höhe 304 und dem „Toten Mann“, aber auch unsere vordere Linie wurde von Osten nach Westen hin systematisch unter Feuer genommen.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Feldartillerie-Regiment Nr. 2 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Donnerstag, 29. Juni 2017

29. Juni 1917


„Der 29. Juni wurde für den Sturm bestimmt. Solange die Sturmtruppen in verschie-denen Bereitschaftslagern und in der Hagenstellung lagen und die letzten Vorberei-tungen trafen, setzte am Abend des 28. Juni ein mehrstündiges heftiges Artillerie- und Minen-Vorbereitungsfeuer ein. Während aber drüben am Entenschnabel der Angriff der Nachbardivision alsbald dem Vorbereitungsfeuer folgte, blieb in Stuttgart IV und der vom Regiment als Sturmausgangsstellung mitübernommenen Stellung „Quelle A 1“ alles ruhig. Die während des Feuers fast ganz zurückgezogene 2. Kompagnie besetzte die ganzen Stellungen nach Aufhören des Artilleriefeuers wieder und arbeitete eifrig daran, den 1. Graben, der von dem eigenen Feuer auf die nahe gegenüberliegende feindliche Stellung stark mitgenommen war, einigermaßen wieder gangbar zu machen, bis die Sturmtruppen kamen. Diese trafen im Laufe der Nacht in den ihnen angewie-senen Stellen ein, zuerst die fünf Stoßtrupps A – E, zusammengesetzt aus meist jünge-ren Leuten des I. und III. Bataillons, sowie einigen Pionieren der 1. württ. L.-Pi.* Dann kamen die drei „Sturmzüge“ jeder Sturmkompagnie, 6., 7. und 8. Kompagnie. Diese Kompagnien hatten außerdem je noch einen besonderen vierten Zug als Trägerzug gebildet. Die drei Trägerzüge wurden zunächst im Höhenlager untergebracht zusammen mit der 5. Kompagnie, die als Schanzkompagnie den Auftrag hatte, nach dem Sturm gleich die Verbindungsgräben nach den neu gewonnenen Stellungsteilen auszuheben.
Nach 11 Uhr nachts wurden unter dem Schutz des Getöses lebhaften eigenen Artillerie- und Minenfeuers sieben Gassen in die eigenen Hindernisse gesprengt. Dann stellten Patrouillen der Stoßtrupps fest, daß die feindlichen Hindernisse meist ausreichend zerstört und daß die feindlichen Gräben einschließlich des vordersten noch besetzt waren.
Um ½ 7 Uhr am Morgen des 29. Juni stellten sich die Sturmtruppen an den Sturmaus-gangsstellengenau in der Ordnung bereit, die am Übungswerk eingelernt war. Um ¾ 7 Uhr setzte schlagartig ein kurzes Vorbereitungsfeuer ein; nach 5 Minuten wurde es vorverlegt und der Sturm brach los, voraus die Stoßtrupps, dann die Kompagnien in mehreren Wellen. Schneidig sprangen die Leute aus dem Graben, über die Reste der Hindernisse und über die Trichter. Am leichtesten kam der rechte Flügel, Stoßtrupp A und B und 6. Kompagnie voran; ohne wesentlichen Widerstand wurde nicht nur der feindliche 2. Graben, der hier das Ziel bildete, erreicht, sondern in Frischem drauflos-stürmen ein etwa 80 m weiter entfernter Graben genommen und besetzt; allerdings merkte man gar nicht gleich, daß man weiter vorgekommen war, als befohlen; denn die vordersten Gräben waren so zusammengeschossen, daß man sie kaum als solche erkannte. So meldete schon 6.58 Uhr der Kompagnieführer der 6. Kompagnie, Ober-leutnant Laepple, aus der neu gewonnenen Linie, daß das Ziel erreicht sei. Auch bei der mittleren Kompagnie, der 7. unter Hauptmann Müller, gab es nur geringen Widerstand. Das Hindernis, das hier an einzelnen Stellen nicht ausreichend zerstört war, wurde teils umgangen, teils von dem Stoßtrupp D durchschnitten trotz Gegenwehr mit Handgra-naten aus dem 2. französischen Graben. Dann fanden die Sturmtruppen keinen weiteren Widerstand mehr und gelangten gleichfalls über die befohlene Linie hinaus bis zu einem quer in west-östlicher Richtung sich hinziehenden Sträßchen. Die Stoßtrupps C und D stießen noch ein gutes Stück über dieses Sträßchen vor, ohne Unterstände oder Feinde zu finden; sie meldeten, daß der Gegner sich durch die Mulde zurückziehe, die man von der neu erreichten Stellung übersehen konnte. Kurz nach der 6. meldete so auch die 7. Kompagnie, daß das Ziel erreicht sei. Schwieriger ging es am linken Flügel beim Stoßtrupp E und der 8. Kompagnie unter Leutnant Dr. Reichert. Hier leisteten die französischen Posten mit Gewehr und Handgranate erbitterten Widerstand. Ein Mann eines Doppelpostens wurde durch Unteroffizier Lorbeer (2. Komp.) durch Pistolenschuß getötet, sein Nebenmann gefangen genommen; ein anderer Posten von drei Mann wurde durch Vizefeldwebel Gawatz (8. Komp.) mit seinen Leuten umgangen und durch Handgranaten erledigt. Der Kompagnieführer selbst, der in einem Graben mit einigen Leuten voreilte, traf auf zwei Unterstände, deren Besatzung, 1 Offizier und 21 Mann, sich gefangen gab. Dagegen versuchte ein anderer französischer Offizier mit einer Gruppe einen Gegenstoß von Osten her; er wurde im Handgranatenkampf abgewehrt. Erst wesentlich später als die anderen Kompagnien konnte so die 8. Kompagnie den Erfolg ihres Vorstoßes melden, der übrigens wie bei diesen die vorgeschriebene Linie gleichfalls wesentlich überschritten hatte. Die Kompagnie ging aber auf diese Linie zurück und ebenso im wesentlichen die 7. Kompagnie. Erst jetzt, als man die Verbin-dung aufnahm und den Anschluß an die alte Linie herstellen wollte, entdeckte man bei der 6. Kompagnie, daß man viel weiter vorgekommen war, als vorgesehen. Da aber die neu erreichte Linie einen sehr guten Einblick in die Mulde gewährte, so erhielt die Kompagnie den Befehl, die tatsächlich erreichte Linie zu halten und auszubauen. Sie bekam dazu, weil der raum wesentlich größer war, als ursprünglich in Aussicht genom-men, auch Teile der 2. Kompagnie zur Verfügung gestellt.
Die Verluste beim Sturm waren sehr gering gewesen; 2 Offiziere und etwa 80 Mann vom (Jäger) Reg. 255 waren gefangen; feindliche Gegenwirkung machte sich zunächst nicht bemerkbar; so war die Stimmung allgemein eine gehobene und mit Feuereifer ging man an den Ausbau und die Einrichtung der neuen Linie, das Abdämmen der zum Feind führenden Verbindungsgräben, die Herstellung eines leichten Drahthindernisses und eines durchlaufenden Grabens. Die Trägerzüge der Sturmkompagnien brachten uner-müdlich Material vor; die 5. Kompagnie begann mit der Herstellung neuer Verbin-dungsgräben. Ihr Führer, Leutnant Schempp I, war schon beim Vormarsch verwundet worden; er leitete aber noch drei Stunden lang die Arbeiten, bis er einen Schwächeanfall erlitt. Seine Verwundung war gefährlicher, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Die ersten schweren Schläge brachte das eigene Riegelfeuer. Die Linie, die jetzt ausge-baut wurde, lag bei der 6. Kompagnie noch in dem Bereich, der für das Riegelfeuer vorgesehen war; wohl wurde sofort auf die Meldung der Infanterie hin eine Vorver-legung des Feuers angeordnet. Aber dieser Befehl erreichte infolge der Zerstörung der Fernsprechverbindung vor allem nicht alle leichten Minenwerfer. So schlugen einige Minen gerade in den neuen vordersten Graben und ihnen fielen im Bereich der 6. und 7. Kompagnie je eine Maschinengewehrbedienung der 2. M.-G.-K. zum Opfer, bei der 6. Kompagnie außerdem auch noch einige Leute der Kompagnie selbst, die neben dem Maschinengewehr standen. Unter ihnen war auch der treffliche Vizefeldwebel Held, der kühne Patrouillenführer und unermüdliche Stellungsbauer, der wegen seines Humors und seines gesunden Menschenverstandes bei Vorgesetzten und Untergebenen gleich beliebt war. Eben erst hatten ihn die Kameraden noch auf dem Rande des neugewon-nenen Grabens stehen sehen, wie er jauchzend seinem Nachbarzugführer zugewunken hatte; nun lag er tot inmitten eines Haufens toter Kameraden.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Infanterie-Regiment Nr. 125 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1926


*Württembergische Landwehr-Pionier-Kompagnie Nr. 1

Mittwoch, 28. Juni 2017

28. Juni 1917


„Am 28. Juni fiel Pionier Hermann durch einen Volltreffer.“

aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Dienstag, 27. Juni 2017

27. Juni 1917


„Das Unternehmen „München“ ist auf den 27. Juni festgesetzt. Das Landw.-Inf.-Regt. 119 setzt vier Stoßtruppen an. Zwei davon sollen zwischen Molkenrainweg und dem nördlich davon liegenden französischen Infanteriewerk bis in die feindliche 3. Linie vorstoßen. Der dritten Abteilung ist das französische Vorwerk am Luderbachgrund als Ziel gesetzt und die vierte soll im Steinbachtal gegen die dortigen Postenstände vorbrechen. In der Woche zuvor werden überall vom bayrischen Minenwerferbataillon 9 die neu zu erprobenden Albrechtswerfer eingebettet. Man staunt über die gewaltigen Flügelminen, die den Franzosen auf die Unterstände fallen sollen. Aber als das Schießen am 27. abends 8.15 Uhr anhebt, fallen die meisten neuen Werfer aus, die Konstruktion der Flügel versagt und so wird ihr Schießen ungenau. Das Zerstörungsfeuer der Artillerie und der Minenwerfer des Regiments funktioniert dafür umso besser. Wohl fahren die Franzosen mit ihrer Artillerie darein und beschädigen einzelne Minenwerfer, glücklicherweise sind keine Menschenleben dabei zu beklagen. Es ist ein gewaltiger Anblick, von der Höhe des Hartmannsweilerkopfes bis auf die Höhe 425 die ganze feindliche Linie in schmutziggelben Rauch gehüllt zu sehen, den die aufspritzenden Erdspringbrunnen mit dem Rauch der platzenden Granaten verursachen. Es ist ein tolles Sonnwendfeuer, das da an dem Abend eines sinkenden schönen Junitages anhebt. Von 9.45 Uhr an riegeln die Geschütze die Einbruchstellen ab und punkt 10 Uhr abends treten die Patrouillen aus ihren Unterschlüpfen in der 1. Linie zum Sturm an. Die beiden linken Stoßtruppen müssen im letzten Augenblick zurückgehalten werden, da es den an diesen Stellen eingesetzten Albrechtswerfern nicht gelungen war, den Stürmenden eine Bresche ins feindliche Drahtverhau und die feindliche Stellung zu schlagen. 7.30 Uhr kommt der Befehl der Division, die die Vorstöße hier abstoppt. Die Last und die Ehre des Tages liegt so auf dem I. Bataillon allein, das seine Sturmtruppen aus Freiwilligen des I. und II. Bataillons, des Sturmbataillons und aus Pionieren, zu denen sich zwei Kanoniere gesellen, gebildet und in Ollweiler für die Aufgabe herangeschult hatte. Zuerst stürzen die seitlichen Sicherungsabteilungen vor bis zur 2. feindlichen Linie. Der linken Abteilung unter Vizefeldwebel Daniel gelingt es, im ersten Ansturm einen Sappenposten von drei Mann aus einem Stollen zu ziehen. Der Ersatzreservist Brutschy von der 1. Kompagnie zeichnet sich dabei besonders durch sein kühnes entschlossenes Vorgehen aus. Den Sicherungen auf dem Fuß folgen die Haupttrupps. Auf dem rechten Flügel führt Leutnant Rebholz seine 28 Mann in kühnem Anlauf über die 1. Linie vor. Da schlägt ihnen schweres französisches Artilleriefeuer entgegen. Es gelingt, das Sperrfeuer zu durchlaufen und im Nu sind sie im 2. Graben. Nirgends ein Franzose. So geht’s auf die 3. Linie, die Unterstände dort werden durchsucht, sie sind alle leer. Nun stößt die Patrouille über ihr gesetztes Ziel weiter hinaus in die 4. Linie. Dort müssen die Franzosen hocken. In einem Stichgraben steht ein Maschinengewehr Hotchkiss. In schneidigem Draufgehen wird es genommen, Unteroffizier Maier von der 1. Maschinen-gewehr-Kompagnie montiert es schleunigst ab, zwei Mann bekommen den Auftrag, es zurückzubringen. Sie kommen nicht zurück und sind wohl dem feindlichen Sperrfeuer erlegen. Leutnant Rebholz sucht nun weiter in der 4. Linie, nichts zu sehen! Da will er eben das Zeichen zur Umkehr geben, als ein schweres Geschoß in unmittelbarer Nähe einschlägt, 8 Mann sinken tot um. Unteroffizier Maier ist nur leicht verwundet, zwei andere können sich noch erheben. Mit ihnen tritt er den Rückweg an. In der 3. Linie treten ihnen plötzlich 6 Franzosen entgegen. Maier stürzt, seiner Verwundung ungeach-tet, auf sie los und fordert sie auf, sich zu ergeben. Der vorderste will sich zur Wehr setzen, da schießt er ihn nieder, die andern ziehen sich eiligst in einen langen Stollen zurück. Handgranaten fliegen ihnen nach. Aber auf einen Kampf kann der tapfere Unteroffizier es mit seinen zwei Verwundeten nicht ankommen lassen, er muß sie schleunigst zurückbringen.
Leutnant Hofmann führt die zweite Patrouille, die aus weiteren 2 Offizieren und 25 Mann besteht. Auch ihr schlägt beim Überspringen des 2. feindlichen Grabens das feindliche Sperrfeuer entgegen. Eine Granate reißt den kühnen Führer sterbend zu Boden. „Vorwärts, vorwärts,“ ruft er noch den stutzenden Leuten zu, da haucht er seine Seele aus. Leutnant Ludwig und Leutnant Steinbach übernehmen sofort die Führung und reißen die Leute, die der plötzliche Tod des verehrten Führers in tiefster Seele getroffen, mit sich fort. Die harte Aufgabe ruft, da müssen die Gefühle und Schmerzen verstummen. Es geht über die 2. Linie hinweg, in die 3. hinein. Da muß ein Unterstand sein! Da taucht er auf, neben ihm ein Stollen. Der Ausgang ist besetzt. Leutnant Ludwig fordert die Franzosen mit Handgranaten in der Hand auf, sich zu ergeben. Als sie zaudern, macht er sich zum Wurf bereit; das zieht und 1 Unteroffizier und 12 Mann des Territorialregiments 57 ergeben sich widerstandslos. Ein fusil mitrailleur wandert noch mit. Die Pioniere werfen die geballten Ladungen in den Stollen und sprengen ihn in die Luft. Nun kommt die Rückkehr. Es gelingt, mit sämtlichen Gefangenen heil in die eigene Stellung zurück zu kommen. Inzwischen ist’s 11 Uhr geworden. Noch immer brennt auf Punkt 371 das grüne Leuchtfeuer, das in der einbrechenden Dunkelheit den Weg in den eigenen Graben weisen soll. Man zählt und zählt, ob alles wieder zurück ist, damit das verabredete Schlußzeichen abgegeben werden kann. Aber noch fehlen die Leute, die mit Leutnant Rebholz ausgezogen. Wo stecken sie? Da hört man von weit hinten aus den französischen Linien das Hilferufen eines Menschen. Leutnant Steinbach und Unteroffizier Brucker stürzen mit dem Stoßtrupp über die französische 1. Linie, auf der immer noch das französische Sperrfeuer liegt, wieder hinüber. Kaum dem Höllen-rachen entgangen, gibt’s für die tapferen todesmutigen Helden kein Besinnen, wenn Kameraden in Not sind. Ihre Mühe lohnt sich reichlich. Es gelingt ihnen, im Gewirr der Drähte, Löcher und Trichter zwei Verwundete zu finden und sie herüber zu bringen. Viermal stoßen sie vor in die feindlichen Linien. Sie finden keinen der Eigenen mehr. Da kehren sie in ihre Unterstände zurück und ruhen aus von der gewaltigen Anstrengung der Seele und des Körpers.“


aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

Montag, 26. Juni 2017

26. Juni 1917


„Allmählich will die Widerstandskraft der Nerven unter den Einflüssen der täglichen Gefahren und unter der Forderung ständiger Wachsamkeit einem rührigen Feind ge-genüber versagen, von den anstrengenden Arbeiten in der Stellung ganz zu schweigen. Obwohl keine Epidemien auftreten, werden die Grabenstärken recht gering, sie genügen gerade noch unter Zuhilfenahme der Maschinengewehre. Diesem Sinken der Gefechts-kraft gibt der Regimentskommandeur wiederholt in den über den Gefechtswert der Truppe termingemäß zu erstattenden Eingaben Ausdruck. Es war dringend erwünscht, daß dem Regiment durch Herausziehen aus dieser Kampffront einige Zeit zur Ausspan-nung und Erholung gewährt wird.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923


Sonntag, 25. Juni 2017

25. Juni 1917


„Mehr als in anderen Stellungen bedachte damals der Gegner die Artillerie mit Feuer. Besonders abends kam regelmäßig der dritte „englische Gruß“. Waren die dadurch eintretenden Verluste auch nicht erheblich, so erhöhte die Beschießung jedenfalls nicht die Freude am Dasein. Auch Gasbeschuß war ziemlich häufig.“

aus: „Das 2. württ. Feldartillerie.-Reg. Nr. 29 „Prinzregent Luitpold von Bayern“ im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921


Samstag, 24. Juni 2017

24. Juni 1917


„Vom 23./24. Juni, kurz nach Mitternacht, setzte schlagartig schweres Feuer auf der ganzen Regimentsfront, insbesondere der vorderen Linie ein, dem nach 10 Minuten ein Infanterieangriff folgte. Er gelang bei der 3. Kompagnie nur bis ans Hindernis, während es der Feind erreichte, bei der 2. Kompagnie in die durch das Feuer entstandenen Lücken einzudringen und de Kompagnieführer mit seinen Meldegängern in dem Augenblick gefangen zu nehmen, als er seine Reserve vorführen wollte. Teile der 1. und 7. Kompagnie stellten schnell die alte Lage wieder her. Nach Aussage von Gefangenen sollte die vorderste deutsche Linie genommen werden, doch hatte unser gutes M.-G.-Feuer die englische Angriffstruppe rechtzeitig auseinandergesprengt.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921


Freitag, 23. Juni 2017

23. Juni 1917


 Alfred Uhrig
Pionier, Württ. Min.-Werf.-Komp. 254
im Felde, 24. Juni 1917
Herrn Seb. Uhrig-Oberndorf.
Zu meinem größten Bedauern habe ich Ihnen die traurige Mitteilung zu machen, daß Ihr Sohn, Pionier Alfred Uhrig, am 23. Juni, mittags 1 Uhr durch eine Granate schwer verwundet und im Laufe des Nachmittags im Lazarett zu Liry bei Vouziers seinen Wunden erlegen ist.
Wir werden Ihren Sohn am 25. in Liry auf dem dortigen Friedhof im Beisein des kathol. Pfarrers der 54. Württ. Res.-Div. beerdigen. Das Grab wird von Kameradenhänden geschmückt und mit einem Kreuze versehen werden. Eine Photographie und ein Lage-plan wird Ihnen von der Kompagnie zugehen.
Wir alle haben Ihren Sohn als tapferen Soldaten und treuen Kameraden geschätzt und geliebt. Sein Verlust ist uns ganz besonders nahe gegangen. Die Kompagnie wird das Andenken Ihres für’s Vaterland in treuester Pflichterfüllung Gefallenen stets in Ehren halten. Zu weiteren Auskünften bin ich jederzeit gerne bereit. Mit vorzügl. Hochach-tung.
G. Scheerbarth, Oberlt. d. R. und Komp.-Führer.

aus: „Im Völkerringen“ (Oberndorfer Kriegsheldenbuch), Degerloch 1917

Donnerstag, 22. Juni 2017

22. Juni 1917


„Unter Artilleriefeuer von wechselnder Stärke und reger Patrouillentätigkeit gegen Bullecourt verlief der Juni.“



aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920


Mittwoch, 21. Juni 2017

21. Juni 1917


„Wesentlich mehr als die russische Infanterie belästigte uns auch jetzt ihre Artillerie. Deutsche Batterien erwiderten oder schossen sich ein, daraufhin streuten die Russen im ganzen Regimentsabschnitt herum einzelne Punkte ab. Das Geschützfeuer ging so hin und her immer fort. Der feindliche Erfolg blieb zwar gering und ganz außer Verhältnis zum Munitionseinsatz, aber der Verkehr auf unseren recht mangelhaft gedeckten rückwärtigen Verbindungswegen war sehr erschwert. Der Verlust des Regiments im Juni betrug 17 Verwundete, davon konnten aber drei wegen Geringfügigkeit ihrer Verletzung in Stellung bleiben. Ein Mann starb an seiner Wunde.“



aus: „Das Württemberg. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 126 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Dienstag, 20. Juni 2017

20. Juni 1917



„An der Schlachtfront gleicht ein Tag dem anderen. Die zu allen Tages- und Nachtzeiten mit allen Kalibern erfolgenden Feuerüberfälle sind schlimm. Die Truppen, obwohl im Gelände so weit zerstreut, als es ihre einheitliche Verwendung im Kampf nur irgend zuläßt, leiden schwer, die Verluste sind beträchtlich, die Zerstörungen an den Deckungs-gräben und Unterständen groß. Vor Überraschungen suchen wir uns insonderheit durch Draht zu schützen, Einschläge feindlicher Geschosse beschädigen ihn, ohne ihn ganz wertlos zu machen. Verdrahtet nach allen Himmelsrichtungen werden auch die im Abschnitt der Regiments gelegenen Waldstücke Cronière und Sart, sowie die diese beiden Wälder verbindenden „Majorsbüsche“. Von Granaten entwurzelte Bäume und abgeschlagene Äste verfangen sich im Drahtgeflecht und bilden so ein vorzügliches Hindernis, das einem Gegner, der Lust verspüren sollte, zu uns herüberzukommen, schwer zu schaffen machen dürfte. Aber der Gegner kommt nicht, große Angriffe unternimmt er nicht mehr, nur mit kleinen und mittleren Patrouillen fühlt er des öfteren an unsere Stellung heran. Dauernd muß man auf der Hut sein.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923


Montag, 19. Juni 2017

19. Juni 1917


„Die Gefechtstätigkeit war bei Tage allgemein gering. Bei hellem Wetter wurden die beiderseitigen Artillerien lebhaft und machten ihre Feuerüberfälle, die mitunter sehr unangenehm werden konnten. Ab und zu bellte irgendwo ein Maschinengewehr, oder zeigten die Minenwerfer ihr Vorhandensein an. Die Flugzeuge überflogen in den Morgen- und Abendstunden die Stellungen. Alles in allem konnte man sagen, daß es ein „friedlicher Krieg“ war. Bei Nacht jedoch stiegen unsere braven Erkunder aus dem Graben und gingen zum Franzosen hinüber. Das „Niemandsland“, das Gelände zwi-schen den Stellungen, unterstand unserer Aufsicht, denn selten wurde eine französische Patrouille angetroffen. Unsere Erkunder waren dagegen jede Nacht am feindlichen Hindernis und versuchten einzudringen, um sich einen Franzosen zu holen. Aber in drei- und mehrfachen Reihen hatte sich der Gegner mit Stacheldraht geschützt, und unsere Patrouillen konnten meist nur feststellen, daß er immer noch weiter daran baute. Auch eine lebhafte Schanztätigkeit war zu beobachten. Es war also beim Franzosen wie bei uns. Er legte wenig Wert darauf, sich kriegerisch zu betätigen, sondern mehr, in Ruhe die Verteidigungsfähigkeit seiner Stellung zu heben.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 475 im Weltkrieg“, Stuttgart 1921


Sonntag, 18. Juni 2017

18. Juni 1917


„Die Kompagnie ist vom Württ. (9.) Minenwerfer-Ersatzbataillon in Feldstetten am 20. April 1917 aufgestellt worden, wurde am 26. Mai 1917 mobil, rückte am 29. Mai 1917 unter Oberleutnant d. R. Scheerbarth als Führer ins Feld und kam am 1. Juni über Saarbrücken, Montmédy, Charleville, Rethel, in Neuflize a. d. Retourne an. Sie wurde dort der 54. (Württ.) Res.-Division unterstellt, im Waldlager Stückhausen (nördlich Somme-Py) untergebracht und im Abschnitt der Division am 10. Juni eingesetzt. Die dort vorhandenen Minenwerferstände wurden, soweit Werfer eingebaut waren, besetzt, neue Stände angelegt und das Feuer gegen die feindliche Stellung aufgenommen. Die eigenen Minenwerferstände trugen Städtenamen wie Magdeburg, Mainz, München, Stuttgart, Reutlingen usw. Gegnerisches Feuer und eigene Frühkrepierer brachten Wiederherstellungsarbeiten. Besondere Unternehmungen: „Johanniskäfer“ am 24. Juni, ein Gasschießen am 7. Juli, die Vorarbeiten zur „Sommerernte“ verursachten viel Arbeit. Verluste durch feindliches Feuer und infolge von Unglücksfällen blieben leider auch nicht aus. Bei den Vorbereitungen zu „Johannisfeuer“ verunglückten am 18. Juni 3 Mann tödlich (Gefr. Bertsch, Pion. Schaller und Buschle), bei den Rettungsarbeiten erkrankten 3 Unteroffiziere und 1 Pionier an Gasvergiftung.“

aus: „Das Württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Samstag, 17. Juni 2017

17. Juni 1917


„Im Juni blieb die Tätigkeit der feindlichen Artillerie und Flieger sehr rege. Namentlich die Reservestellungen erhielten häufig starkes Feuer; das Lager in der Waldschlenke südöstlich Aumenancourt le Petit wurde gelegentlich auch mit Bomben beworfen. Das gab der Division Veranlassung, nachdem auch an der Front offensichtlich eine Entspannung der Lage eingetreten war, vom 8. Juni ab das jeweilige Reservebataillon unseres Regiments nach Poilcourt, wo sich der Wohnstand der 61. Inf.-Brigade befand, zurückzuziehen. Im Hinblick auf die Erhaltung des Gesundheitszustandes bei der Mannschaft, die seit dem Abmarsch von Houdlicourt am 29. April keine Gelegenheit zu gründlicher Körperreinigung gehabt hatte, war diese Maßnahme sehr zu begrüßen.“


aus: „Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 „Großherzog Friedrich von Baden“ im Weltkrieg 1914-1918ׅ, Stuttgart 1929

Freitag, 16. Juni 2017

16. Juni 1917


„Auch das Reservebataillon in Rues de Vignes blieb nicht frei vom Arbeitsdienst: eine Zeitlang hatte es an der von Le Pavé nach Vaucelles herunter führenden Siegfried-stellung zu bauen und setzte außerdem täglich die Stollenarbeit im Ort selbst fort. Daneben wurde in regelmäßigen Exerzier- und Schießübungen die Waffenfertigkeit und Gefechtsdisziplin gefördert, vor allem aber der Ausbildung zum leichten Maschinen-gewehr besondere Aufmerksamkeit zugewandt, da von dieser Waffe anfangs Juli die ersten Stücke ausgegeben wurden. Zunächst erhielt jede Infanteriekompagnie nur eines zugewiesen, aber bald steigerte sich die Ausstattung bis zu 6, so daß das Regiment über 72 leichte Maschinengewehre und 36 schwere verfügte, während bei Kriegsausbruch das Infanterieregiment lediglich mit 6 schweren ausmarschiert war. Die Ausbildung erforderte monatelang viel Arbeit, aber der Infanterist unterzog sich ihr gerne, da er wohl wußte, was für eine wertvolle Waffe ihm mit dem Maschinengewehr in die Hand gedrückt wurde. Im übrigen war der Dienst den Leuten nicht unwillkommen, da das von jedem Verkehr abgeschnittene Rues de Vignes nicht die geringste Abwechslung bot, und nichts die einförmige Lebensweise unterbrach, als mal ein aufregender Luftkampf oder der Angriff auf einen Fesselballon, die täglich stattfindenden Konzerte der Militär-kapelle oder Turnspiele der Kompagnien am Kanalufer, wo weit ausgedehnte Wiesen auch die Abhaltung größerer Feste ermöglichten.“

aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920


Donnerstag, 15. Juni 2017

15. Juni 1917


„Äußerst rege war die Tätigkeit der feindlichen Flieger. Mit großer Frechheit flogen sie am hellen Tag tief über unsere Gräben weg und ließen sich auch von unseren Maschi-nengewehren nicht vertreiben. Um so größer war aber dann die Freude, wenn doch gelegentlich ein feindlicher Flieger im Luftkampf abgeschossen wurde und brennend aus schwindelnder Höhe niedersauste.
Ein neuer, taktischer Grundsatz, der der Tiefengliederung, wurde damals zum erstenmal innerhalb des Regiments durchgeführt. Ein Bataillon, das Kampfbataillon, lag in vor-derster Linie, das 2., das Bereitschaftsbataillon, weiter rückwärts im Bahneinschnitt von Guignicourt, das 3., das Ruhebataillon, in Ortsunterkunft in Proviseux.
Gleichmäßig verliefen so die ersten Wochen des Juni im Abschnitt nördlich der Aisne. Doch war es auch an dieser sogen. „ruhigen“ Front mit der Ruhe für die Kompagnien vorne nicht weit her. Wachdienst, Schanzen, Essen- und Materialholen von weit rück-wärts hielt alles, besonders bei Nacht, auf den Beinen.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 478 und seine Stammtruppen Brigade-Ersatz-Bataillone Nr. 51, 52, 53 und Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 51“, Stuttgart 1924


Mittwoch, 14. Juni 2017

14. Juni 1917


„Der 14. Juni 1917 brachte dem Inf.-Reg. 162 links des Regiments einen schweren Tag; der Feind war dort an günstiger, wichtiger Stelle eingedrungen und hatte einen Ausgangspunkt zu weiteren Erfolgen im Besitz. Stark bedroht war hierdurch der linke Flügel des Kampfbataillons, doch obgleich im schwersten Feuer, behauptete er seinen Platz, wobei sich besonders der Zug des Vizefeldwebels Müller der 8. Kompagnie durch Tapferkeit auszeichnete. Wie das ganze II. Bataillon – die Kompagnien zählten teilweise nur noch 40 Gewehre – so wurde an diesem Tage besonders die 7. Kompagnie mitge-nommen, ihr braver Führer, Leutnant d. R. Bentele, schwer verschüttet, erlitt mit seinen zwei getreuen Zugführern den Heldentod.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1921


Dienstag, 13. Juni 2017

13. Juni 1917


„Von Anfang Juni ab läßt die Kampftätigkeit etwas nach und es kann jetzt daran gegangen werden, die in vorderster Linie besetzten Granattrichter durch Gräben unter-einander zu verbinden, Drahthindernisse einzubauen, Maschinengewehrnester mit gut flankierender Wirkung einzurichten, kurz alles tu tun, um die Stellung wieder in einen verteidigungsfähigen Zustand zu versetzen.
Vor unserer Front stehen von den Großkämpfen her noch verschiedene englische Tanks, die dem Angriff einen kräftigen Nachdruck verleihen und deren Bekämpfung jetzt ein neues Problem für uns geworden ist.“



aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Montag, 12. Juni 2017

12. Juni 1917


„Ende Mai wurden die Russen wieder sehr lebhaft, wir hörten häufiges Singen und Lärmen. Sie schienen auch Freudenfeuer anzufachen, denn fast täglich konnten wir Blockhausbrände beobachten. Das Schießen blieb normal, dagegen nahm es im Juni wieder beträchtlich zu. Russische Flieger zeigten sich sehr häufig und warfen Bomben auf unsere Feldbahnhöfe, hauptsächlich auf den Feldbahnknotenpunkt Swataja Wolja. Am 11. Juni beschoß die russische Artillerie den Schäferhof (II. Batl.), das Sachsenlager und die Stellung am Brückenkopf (40 Granaten, 136 Schrapnells), außerdem schlugen noch 52 Minen auf den Brückenkopf und Umgebung. Am 12. und 13. wurde das Artilleriefeuer in größerer Stärke fortgesetzt. Von Mitte Mai ab war die Schnakenplage wieder entsetzlich. An schwülen Tagen war es zeitweise bei den Arbeiten in den Sümpfen und beim Postenstehen kaum auszuhalten. Der Juni blieb unruhig.“


aus: „Das 1. Württ. Landsturm-Infanterie.-Regiment Nr. 13 im Weltkrieg 1915–1918“, Stuttgart 1920

Sonntag, 11. Juni 2017

11. Juni 1917


„Als am 7. Juni die Engländer nach großen Sprengungen in die vorderen deutschen Linien eingedrungen waren, mußte die zweite Stellung vier Tage lang besetzt gehalten werden. Das Bataillon lag der Höhe 60 gegenüber, die jetzt in Feindeshand war, und stand mitten in der Abwehrschlacht. Glücklicherweise blieben die Verluste gering. Ohne Pause ging der harte Dienst weiter.“

aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929


Samstag, 10. Juni 2017

10. Juni 1917


„Arbeit und Verkehr in und zur Stellung, in welcher Verbindungsgräben fehlten, wurde in diesem Stellungsabschnitt durch das manchmal starke und zeitlich ungleichmäßige, daher überraschend kommende Artilleriefeuer, Maschinengewehr-Strichfeuer, sowie durch Fliegerbomben ungemein beeinträchtigt. Ablösung und Verpflegung gestalteten sich oft recht schwierig und verlustreich. I. und II. Bataillon hatten am 10. Juni zusammen 6  Tote, 15 Verwundete. Auf den Straßen und in den Ortschaften des Hintergeländes mahnte das oft weit reichende Artilleriefeuer zur Vorsicht.“

aus: „Das Grenadier-Regiment „Königin Olga“ (1. Württ.) Nr. 119 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927


Freitag, 9. Juni 2017

9. Juni 1917


„Im Frühjahr 1917 war das Bataillon in der Zitadelle von Lille wieder vereinigt. Eine rege Ausbildung im Gefechts-, Marsch-, Stoßtruppdienst ließ auf baldige Verwendung im Stellungskrieg schließen. Das Bataillon wurde um 10 Unteroffiziere, 350 Mann verstärkt, die von Hauptmann Pantlen herausgebracht wurden; für sie ging eine Anzahl abgelöster Mannschaften in die Heimat. Doch bald folgte eine Enttäuschung. Die k. v. Mannschaften mußten anderweitig abgegeben werden und das Bataillon kam nicht zur sehnlichst erwünschten Verwendung an der Front. Dafür setzte verstärkter Stellungsbau ein. Während dieser Arbeiten im Frühling und Sommer 1917 in der Flandernstellung bei Linselles und Quesnoy a. d. Deule – von den Mannschaften einfach Genua genannt – wurde das Gelände sehr oft vom Kemmelberg her durch englische Artillerie unter Feuer genommen. Heftiges Feuer lag auch auf den Ortsunterkünften, besonders auf Quesnoy, wo die 4. Kompagnie, die seit Ende Mai dort kampierte, Verluste an Toten und Verwun-deten zu beklagen hatte. In der Nacht vom 9./10. Juni wurde die Stadt so stark beschos-sen, daß sie befehlsgemäß geräumt werden mußte.“

aus: „Landsturm vor! Der mobile württembergische Landsturm im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart, 1929


Donnerstag, 8. Juni 2017

8. Juni 1917


„Am 6. Juni kreisten vier feindliche Flieger über der Hilsenfirststellung, die Nacht vom 6. auf den 7. verlief völlig ruhig. Schlag 8 Uhr vormittags beginnt starke feindliche Feuereinwirkung auf die Gipfelstellung. Wie im Sommer 1915 nützen die Franzosen die Möglichkeit, den Hilsenfirst unter Flankenfeuer zu nehmen, gründlich aus. Sämtliche Feindbatterien des Abschnitts legen konzentrisches Feuer auf die vorderste Linie, schwere Flügelminen geben den Gräben den Rest. Im Stollen 28, dem Ulanenbahnhof, sind von drei Ausgängen zwei verschüttet. Der Drahtverhau vor den Linien ist zerstört und als gleichzeitig mit dem Erscheinen von drei französischen Fliegern das Feuer auf die Anmarschstraßen gelegt wird, befiehlt die Abschnittsleitung in Erwartung eines Angriffs erhöhte Alarmbereitschaft. Sicherungsposten in den zerschossenen Gräben werden vom Langenfeldkopf mit Maschinengewehren beschossen, gegen 4 Uhr nach-mittags setzt unser Abwehrfeuer ein und wirkt mit gutem Erfolg gegen die Werke 1, 2 und 4 des Gegners. Der steigert gegen Abend noch einmal sein Artilleriefeuer, um nach zwölfstündiger Beschießung ebenso unerwartet aufzuhören, wie er am Morgen begon-nen hatte. Nur noch vereinzeltes Störungsfeuer liegt auf der vordersten Kampflinie, in der fieberhaft am Wiederaufbau der Verhaue und Gräben gearbeitet wird. Leider ist durch einen Volltreffer auf den Stollen 22 bei der 3. Kompagnie ein schwerer Verlust zu verzeichnen, Unteroffizier Siegmund, 2 Gefreite und 5 Mann finden dabei den Tod. Gegen die Abschnitte B und C schickt der Gegner verschiedene Patrouillen vor, die von den Sicherungsposten glatt abgewiesen werden.
Inzwischen sind Regiments- und Korpsreserve näher herangezogen worden.  Die erste Linie wird durch weitere Maschinengewehre verstärkt. Mit Tagesanbruch beginnt am 8. Juni erneut planmäßiges Zerstörungsfeuer durch Artillerie und Minenwerfer, das den ganzen Tag anhält. Einen sehr heftigen Feuerüberfall, der gegen 7 Uhr abends einsetzt, stoppt unser eigenes Abwehrfeuer. Drei Stunden später geht die Schießerei noch einmal los, diesmal heftiger als je zuvor. Alles erwartet einen Angriff; da die Fernsprech-leitungen abgeschossen sind, ist die Verbindung nach rückwärts nur durch Lichtsignale und Relaisposten möglich. Das Hochgehen von weißen und grünen Leuchtkugeln beim Gegner ist für unsere Artillerie das Signal zu gutsitzendem Sperrfeuer, das probeweise Tacken gefechtsbereiter Maschinengewehre mag dem Franzmann gezeigt haben, daß die Schützen gerüstet sind. Jedenfalls hat er es vorgezogen, gar nicht erst einen Versuch zu machen; die Ursachen der Beschießung sind auf einen Beunruhigungsversuch der Franzosen zurückzuführen, die ihren Großangriff im Raume Soissons – Reims durch derartig aufgezogene Scheinangriffe und Feuerüberfälle an anderen Frontabschnitten verschleiern wollten.


aus: „Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen“ׅ, Stuttgart 1933

Mittwoch, 7. Juni 2017

7. Juni 1917


„Um 4 Uhr morgens sprengte der Engländer im ganzen Wytschaetebogen deutsche Frontstücke in die Luft, darunter auch die von unserem II. Batl. besetzte Höhe 60. Die Sprengung dieser Höhe, die den Großangriff der Engländer und damit die erste Flandernschlacht einleitete, überstieg sowohl in bezug auf die Menge des dafür verwendeten Materials als auch in ihrer Auswirkung alles von Menschen bisher für möglich Gehaltene. Über den Verlauf dieser für das Regt. 413 so schweren und denkwürdigen Stunden lasse ich einige Kameraden ihre Erlebnisse schildern und bringe als Erstes den Bericht des Kommandeurs des I. Batls., unseres inzwischen leider verstorbenen Hauptmann Most:
Am 5. Juni, 12 Uhr mittags, gab ich den Kompagnieführern an Ort und Stelle die Befehle für ihr Verhalten, falls der Engländer die Höhe 59 und 60 und die benachbarten Abschnitte überrennen sollte, und zwar: 2. Komp, Leutnant Merz, ein besonders energischer und tüchtiger Offizier (Später gefallen), verbleibt in breiter Front in 2. Stellung. 1. Komp., Oberleutnant Freih. v. Wächter, umsichtig und vorsichtig wie immer (später gefallen), dem die Reste der 3. Komp. mit dem bewährten Leutnant Schmid (Albert) unterstellt waren, tritt zum Gegenstoß links der Bahn an. Richtung Fasanerie – Ehaweg. 4. Komp., Oberleutnant Pichler (später gefallen), besetzt zunächst Knüppel-dammstellung und macht den Gegenstoß rechts der Bahn, Richtung M. G. 7 und rechts des Sachsenwegs. Das Feuer der englischen Artillerie steigerte sich am 6. Juni zum Orkan schwerster und schwerer Kaliber auf dem ganzen Regimentsabschnitt, insbesondere gegen Knüppeldammstellung, Bahndamm und Fasanerie, K. T. K., 2. Stellung und B. T. K., die Sprengwolken standen etwa eine halbe Stunde so hoch, daß jede Sehverbindung ausgeschlossen war. Es war uns ein Rätsel, wie sich in diesem wahnsinnigen Eisenhagel der Ordonnanzoffizier des Bataillons, Leutnant Schmandt, die hervorragenden, schon hundertfach bewährten Gefechtsläufer: Unteroffizier Koch, Gefr. Schwarz usw. in Erfüllung ihrer schweren Pflicht noch bewegen konnten, um die Verbindung mit dem K. T. K., Major v. Legl, dem Kommandeur des II. Batl./413 (später gefallen) und den Kompagnien herzustellen.
Mit Einbruch der Dunkelheit wurde das Bahngelände vom Knüppeldamm bis zur 2. Stellung vollkommen vergast. Etwa zwei Stunden lag das Bataillon unter Gas! Auf der 1. Stellung lag außerdem anhaltendes Kugelminenfeuer, abwechselnd mit heftigen Artilleriefeuerüberfällen leichter und mittlerer Kaliber. In der Nacht zum 7. Juni waren unsere Patrouillen im Vorgelände, ohne einen auffallenden Verkehr oder sonstige Anzeichen des nahe bevorstehenden englischen Sturmes festzustellen. In der Abend-dämmerung des 6. Juni hatte das Feuer nachgelassen, bis zum frühesten Morgen herrschte dann vollkommene Ruhe. Am 7. Juni 1917, 4 Uhr, erfolgten gleichzeitig rechts und links der Bahn auf Höhe 60 und 59 gewaltige Sprengungen, die bis weit ins Hintergelände erdbebenartige Erschütterungen verursachten. Eine ungeheure Rauch- und Staubwolke war über der Höhe sichtbar, grelle Blitze zuckten. Gleichzeitig setzte ein unerhörtes Trommelfeuer auf die 2. Stellung, den B. T. K. und die Verbindungs-gräben nach vor- und rückwärts ein. Die Hölle war auf uns losgelassen, die Erde bebte, rauchte und schien zu bersten. Zwei schwere Volltreffer nacheinander auf unseren Betonklotz brachten klaffende Risse und schienen ihn umzustürzen. Mancher Unterstand wurde aus den Fugen gehoben und umgestürzt oder in Trümmer geschlagen. Mit den Erdmassen wurden Menschenleiber, M. G. und Minenwerfer in die Luft geworfen, Bäume zerschmettert und mit den Wurzeln herumgewirbelt; nun schoß der Gegner Gas, schnell die Masken auf, der jüngste Tag schien angebrochen! Schmerzens-schreie! Links von uns dasselbe Bild. Abwehrschlacht!
Auf der Höhe 60 und 59 waren durch die Sprengung der größte Teil des II. Batl. und meine Besatzungen der Stützpunkte „Dohle“ und „Falke“ erledigt, zum Teil im brodelnden Boden mit der Waffe in der Hand versunken! Auch hatte ich allen Grund, um die auf die Höhe entsandten Essenträger meines Bataillons, die auch das Bataillon v. Legl zu verpflegen hatten, besorgt zu sein. Gleich nach der Sprengung wurden im Regimentsabschnitt und in den Nachbarabschnitten links, wo ebenfalls gesprengt und angegriffen wurde, gelbe und rote Leuchtkugeln beobachtet und weitergegeben. Das angeforderte Vernichtungsfeuer und Sperrfeuer setzte ein. Wir legten die Orientier-ungstücher für Infanterieflieger aus. Der Engländer hatte diesen Angriff seiner kanadischen Truppen gut vorbereitet. Seine Minengänge hatte er in den Berg in jahrelanger Arbeit, wie auch wir, getrieben. Diesmal war er uns zuvorgekommen und sprengte, ehe wir seine Kammern quetschen konnten, was uns sonst immer gelang. Die Bataillone, die auf Höhe 60 und 59 in Stellung waren, atmeten bei der Ablösung stets auf, wenn sie von dem „Pulverfaß“ herunterkamen. Englische Ingenieure aus Wales minierten gegen uns! Um 4.30 Uhr vormittags erhielt die 4. und 1. Komp. von mir den Befehl zum Gegenstoß, da uns bekannt war, daß der Engländer angreift, wenn er sprengt; die 3. Komp. hatte durch die Beschießung außerordentlich gelitten.
Schon gegen 5 Uhr war erkannt, daß der Kanadier die Höhen 59 und 60 überschritten hatte und in dichten Schützenlinien mit folgenden Kolonnen gegen den Knüppeldamm vorging. Er hatte im Augenblick der großen Sprengung seine Gräben verlassen und saß auf der Höhe 59/60, ehe unsere betäubten und erschütterten Kompagnien und Stützpunktbesatzungen, sich den Staub aus Augen, Mund und Nase entfernend, zur Gegenwehr schreiten konnten. Diese hinter sich lassend, folgte er seiner fortschrei-tenden, alles zermalmenden Feuerwalze Richtung Knüppeldamm, um auch die 2. Stellung zu durchbrechen. Die entsetzten Trümmer der gesprengten Verteidiger warfen sich in prächtigem Schwung den Kanadiern entgegen und verhinderten trotz starker feindlicher Beschießung und erheblicher Schwächung durch die Verluste der Vortage und am Morgen deren weiteres Vordringen rechts und links der Bahn. Der B. T. K. lag unter schwerstem Feuer. Ich rechnete mit der Katastrophe in diesem engen, Mitten im Gelände freistehenden, weißen Betonklotz, den der Engländer mit Granaten, Schrap-nellen und Gas eindeckte. Um 6.45 Uhr wurde beobachtet, daß die Engländer in dichten Scharen von der Saubucht gegen den Danielstützpunkt vorgehen, also meine rechte Flanke angriffen.
Die 2. Komp., unter den tapferen Leutnants Merz und Frhr. Kreß v. Kressenstein, bisher dicht vor mir im Graben ohne Unterstände im schwersten Feuer ohne Deckung, wurde sofort zum Gegenstoß angesetzt. Sie erreichte den Knüppeldamm, um, da nur noch 4 Gruppen stark, sich hier vorzulegen.
Um diese Zeit waren vom II. Batl. nur noch Reste vorhanden. Auch mein I. Batl. war bedrohlich zusammengeschmolzen. Die Essenträger, in das Chaos auf der Höhe hineingerissen, waren tot oder gefangen. Sofort nach der Sprengung wurden die zwei Ruhekompagnien des III./413 in Tenbrielen alarmiert und eilten, heftig von Fliegern beschossen, in die 3. Stellung zu den beiden andern Kompagnien des Bataillons.
Ich erbat nunmehr vom Regiment Unterstützung. Die 9. und 10. Komp. trafen etwa um 7 Uhr vormittags bei mir ein und besetzten die 2. Stellung, die nunmehr vorderste Linie geworden war und den Engländersturm aufhalten mußte. Da die Kompagnie des III. Batl. durch vorhergehende schwere Kampftage ebenfalls sehr schwach waren, bat ich um 8.50 Uhr vormittags in Anbetracht der eingetretenen, überaus ernsten Lage die 407. Inf.-Brigade – Oberst Breyer – (1918 durch Fliegerbombe gefallen) dringend um weitere Unterstützung. Um diese Zeit war die Lage wie folgt festgestellt:
Der englische Angriff war durch den Gegenstoß der 1., 3. und 4. Komp. zum Stehen gebracht; das neue, planmäßige Einschießen auf unsere jetzige vordere Linie – 2. Stellung – mit großen Kalibern, die vielen englischen Flieger in nur geringer Höhe, lassen eine Fortsetzung des englischen Angriffs als sicher annehmen. Vom Danielstütz-punkt aus droht Gefahr. Neue Gefahr links der Bahnlinie, wo Kanalkofferbesatzung zurückging.
Gegen 9 Uhr vormittags wurde der Kanalkoffer vom Regt. 61 wieder besetzt, der Engländer war dort stehengeblieben, vom Bahndamm von Teilen der 1. Kompagnie 413 mit M. G. niedergehalten. Die Stellung Knüppeldamm – Bahnwurde dadurch noch gehalten, während der Engländer die Höhen 59/60 und die Stützpunkte „Dohle“, „Sperber“ und „Falke“ genommen hatte. Rechts des Bahndamms war der Engländer be-drohlich vorgekommen, wurde aber von Teilen der Kompagnien v. Wächter und Albert Schmid angehalten. Er saß bereits im Sanitätsunterstand beim Stützpunkt „Geier“.
Um 10.30 Uhr ungefähr traf der Kommandeur des II./413, Major v. Legl, bei uns ein, um mitzuteilen, daß sein Bataillon wahrscheinlich tot, verwundet oder gefangen sei. Sein Adjutant, Leutnant Wendler, kämpfe bei der 1. Komp. am Bahndamm. 2. Komp. war vor übermächtigem feindlichen Druck in 2. Stellung gegangen. Kurz danach traf die von mir von Oberst Breyer erbetene Unterstützung ein. Es war eine Kompagnie unseres Schwesterregiments, die 5./414, die der Bataillonskommandeur, Hauptmann, Schmidt, frisch und forsch über die Höhe hinter uns im Schrapnellfeuer zu uns vorführte, ein erfreulicher Anblick in dieser schweren, verantwortungsvollen Stunde! Die Leute waren prachtvoll! Um 11 Uhr konnte ich dem Regiment melden: „Reste von 2. und 4. Komp. im vorderen Graben, von 1. und 3. Komp., die am Bahndamm kämpfen, nichts Neues. Teile des Inf.-Regt. 414 mit 9. und 10./413 ebenfalls dicht vor mir in der Stellung. Gegner zögert mit Angriff und gräbt sich ein. Lage bei Danielstützpunkt unsicher und bedrohlich.“
Mein Adjutant, Leutnant Scheer, hielt dauernd vor dem rechten Flügel im Feuer aus, um jede Gefahr rechtzeitig melden zu können, der brave und beliebte Leutnant Schmandt war soeben in Ausführung eines Befehls am Unterstand tödlich durch Kopfschuß verwundet worden, wie auch bald darauf der oft bewährte und heldenmütige Gefreite Kübler durch Granatschuß in den Leib.
In dieser Besetzung, mit dem nunmehrigen neuen K. T. K. mitten in der vordersten Linie, erhielt das Bataillon dauernd schwersten Beschuß, der, da keine bombensicheren Unterstände vorhanden waren, große Verluste herbeiführen mußte. Nur wenige Meter vor uns stand die verlassene Batterie von Res.-Feldart.-Regt. 7, die außerdem noch das Feuer anzog und bei der ersten Gelegenheit geborgen werden mußte. Die Lage war zwar sehr ernst, doch war die Zuversicht der Truppe groß, nachdem der Engländer durch unsere Gegenstöße und M. G.-Wirkung stehen geblieben war und zum Heranschaffen seiner Artillerie Zeit brauchte, die uns zum Ordnen der Verbände und Neugruppierung von größtem Wert war. Durch kommt er nicht, das stand für jeden von uns fest, wenn auch sein Vorteil, die dominierende Höhe 59/60 errungen zu haben, von nicht zu unterschätzendem Ernst für uns war.
Durchhalten!
4 Uhr nachmittags Befehl der Brigade Breyer:
„Bahndamm und jetzige vordere Linie (ehemalige 2. Stellung) ist unter allen Umständen zu halten. Ihr linker Flügel hat mit allen Mitteln Anschluß an das Inf.-Regt. 61 zu suchen. Gegenstoß von uns unterbleibt. Im linken Nebenabschnitt erfolgt Gegen-angriff.“
Die beiden letzten Kompagnien des III./413, seither Brigade-Reserve, nunmehr dem Regiment zur Verfügung gestellt, wurden mir bei der ungeklärten Lage und der Gefahr eines überraschenden Angriffs bei Nacht oder im Morgengrauen noch unterstellt und trafen 9.30 Uhr abends in der vorderen Linie ein, ebenfalls auf Befehl der Brigade die 2. Komp. des Füs.-Regts. 38 um 1 Uhr vormittags, die an und hinter meinem rechten Flügel zur Sicherung gegen den Danielstützpunkt und Umgegend verwendet werden. Auch war die 6. und 7./414 zur Unterstützung im Kampfgraben eingetroffen.
Für die vielen Truppen war naturgemäß im vorderen Graben kein Platz, zudem waren die Verluste durch Artilleriefeuer bei Tag furchtbar gewesen. So wurden alsbald starke Stoßtrupps unter energischen Führern hinter der vordersten Linie in „Freifeldplätzen“ untergebracht und versteckt, außerdem eine Reserve hinter der Mitte ausgeschieden.
So konnten wir, zum äußersten entschlossen, dem Kommenden entgegensehen und dankbar gedenke ich jedes einzelnen Mitkämpfers aus jenen Tagen.

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936


Dienstag, 6. Juni 2017

6. Juni 1917


„Zu unseren Gunsten konnten wir einwandfrei feststellen,, daß bei unserem Gegner die Organisation der Verteidigung und der Ausbau der Stellungen noch lange nicht so weit fortgeschritten war wie bei uns. Dies ist leicht erklärlich, wenn wir bedenken, daß diese erst vor kurzer Zeit vor unserer Siegfriedstellung angelangt waren und hinter sich einen 30 Kilometer breiten Streifen vollständig zerstörten Gebietes liegen hatten. Ihr gesamter Nachschub an Material, Verpflegung und Munition war somit außerordentlich erschwert und behinderte dadurch ihre Arbeiten wesentlich. Im allgemeinen hatten sie sich bis jetzt zwei Linien geschaffen, die in einer Durchschnittsentfernung von 400 – 600 Meter vor unserer Vor-Stellung lagen. Sie lehnten sich gegenüber unserem Unterabschnitt an den Ostrand des Dorfes Gonnelieu an und wandten sich von dort nach Überquerung der großen Straße Gouzeaucourt – Le Pavé in großem Bogen um die Ortschaften Gouzeaucourt und Villers-Plouich herum nach Nordwesten. Selbstverständlich gab sich der Engländer mit einem so einfachen Grabensystem auf die Dauer nicht zufrieden, sondern entfaltete mit seinen zahlreichen Arbeitstruppen eine emsige Bautätigkeit. Daß die Arbeiten bei ihm um so rascher voranschreiten würden, je weniger sie unter der Gefechtstätigkeit zu leiden hatten, lag auf der Hand und führte dazu, daß der Engländer zunächst alles vermied, was ihre Steigerung zur Folge haben konnte. Für uns aber ergab sich hieraus unsere eigentliche Kampfaufgabe; wir mußten in Ausnützung unseres Vorsprungs im Stellungsbau mit allen Mitteln versuchen, die Arbeiten unserer Gegner zu erschweren. Es konnte die jedoch nicht durchweg in der gewünschten Weise erfolgen, denn einerseits mußte auf unsere sehr ruhebedürftige Infanterie, die durch ein solches Verhalten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde wäre, Rücksicht genom-men werden, andererseits fehlte uns die hierzu erforderliche starke Artillerie mit der nötigen Munition. Doch wurde das möglichste getan; durch allnächtliche Patrouillen-gänge wurde der Gegner beunruhigt. Die Abschnitte, in denen Neubauten erkannt waren, wurden tagsüber mit beobachtetem Wirkungsfeuer belegt und des Nachts mit überraschenden Feuerüberfällen bedacht. Häufiger Gasbeschuß der Ortschaften Gouzeaucourt und Gonnelieu und Fernfeuer auf die rückwärtigen Etappenstraßen war dazu angetan, den feindlichen Truppenverkehr zu stören. Unsere Flieger bemühten sich in täglichen Erkundungsflügen, die weit n das feindliche Hintergelände führten, unsere Führung über die Arbeiten unserer Gegner auf dem laufenden zu halten und durch Bombenabwürfe und Angriffe mit dem Maschinengewehr den Eisenbahn- und den Kolonnenverkehr zu erschweren.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922

Montag, 5. Juni 2017

5. Juni 1917



Reck Karl Engelbert, Wagner, Ruperts Sohn. in Ulm und Münsingen im I.-Reg. 127, auch am Maschinengewehr als Schütze, vom 28. 9. 15, 18jährig, ausgebildet, marschierte er im April 16 aus nach Serre bei Arras, dem Standort des I.-Reg. 180, dem er in der 2. Masch.-Gew.-Komp. zugeteilt wurde. Er kam in die Kämpfe bei Albert und Arras. Dort auf einem vorgeschobenen Posten stand R. mit 3 Mann Bedienung am Maschinengewehr am Vormittag 1. Juli 16 den Engländern gegenüber und „ließen gar bös den todaussprühenden Feuerstrahl in die anstürmenden Feindeshaufen funken und mähten sie hin wie der Schnitter die reife Frucht.“ Von den 4 Mann Bedienung war gegen Mittag  R. nur noch der einzige Kampffähige. Bei dem Geschoßhagel war kein Vorrücken und kein Zurückweichen möglich, also rätschte R. allein aus Leibeskräften mit dem Gedanken: „Muß ich mein Leben lassen, will ich meine Pflicht erfüllen bis zum letzten, diesen Abend komme ich nicht mehr zurück.“  Der Andrang der Engländer war aber gegen Mittag bereits abgeschlagen. Da, etwa 11½ Uhr, spürte R. einen heftigen Schlag und wurde bewußtlos. Erst später erfuhr er, daß die Seinigen ihn lange nachher, beinahe verblutet, aus seiner Stellung geholt hatten. Eine Schrapnellkugel war ihm am linken Ohr durch den Kopf gefahren und hatte das linke Auge mitgerissen. Er kam in Lazarettbehandlung nach Reuth, später nach Bonn am Rhein, wo ihm für dieses tapfere Verhalten das Eiserne Kreuz verliehen wurde. Die Verwundung machte eine längere Behandlung in der Augenklinik in Bonn erforderlich. 5. 6. 17 ging er dort mit Kameraden zum Baden in den Rhein, nachdem er zuvor noch eine Begrüßungskarte an seinen Vater dahier zur Post gegeben hatte. Von der Strömung fortgerissen, geriet R. in einen Wirbel, wo er, mehrmals unter- und auftauchend, seine Kameraden um Hilfe anrief, die aber nicht geleistet werden konnte. Er fand den Tod durch Ertrinken; seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Erst nach telegraphischer Todesanzeige an den Vater kam bei ihm die Begrüßungskarte an. – E. K. II.“


aus „Das Eiserne Buch der Stadt Mengen“, Mengen 1924