Freitag, 31. August 2018

31. August 1918



„Am 31. August setzte 6.15 Uhr vormittags starkes Trommelfeuer auf unsere Linien ein, das nach 7.40 Uhr im Abschnitt Hendecourt nachläßt, dagegen auf der Höhe südlich Riencourt, sowie südlich davon bis 9.30 Uhr in voller Stärke liegen bleibt. Der Feind greift links von uns an; im eigenen Abschnitt erfolgt keine Infanterietätigkeit.
Schon in der Nacht vom 30. zum 31. August sollte die 7. Kav.-Schützen-Division die 58. Inf.-Division ablösen und den Abschnitt Südrand Hendecourt – Ecoust übernehmen. Der Befehl war jedoch so spät eingetroffen, daß die Ablösung nicht mehr hatte erfolgen können. So erging um 6.15 Uhr nachmittags der Befehl, daß die Ablösung nun in der Nacht vom 31. August zum 1. September erfolgen solle. Der Abschnitt Hendecourt wurde von Truppen der Nachbardivision übernommen. Dragonerbataillon 26 wurde Bereitschaftsbataillon hinter dem Kürassierbataillon 5 und hatte die rückwärtigen Stel-lungen westlich und östlich Riencourt zu besetzen. Die 1. Eskadron kam als Nahtkom-mando zur Nachbardivision.
Die Ablösung in dem Grabengewirr, in der Dunkelheit und mit ungenügender Karte war ein Kunststück für sich, das aber doch bis 8 Uhr morgens ausgeführt war, freilich nach manchen Irrungen und Verirrungen.“

aus: „Dragoner-Regiment „König“ (2. Württ.) Nr. 26 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1921

Donnerstag, 30. August 2018

30. August 1918



„Am 30. August setzte 6.30 Uhr vormittags starkes Trommelfeuer ein, dem bald ein mit starken Kräften geführter Angriff folgte. Starker natürlicher Nebel, verstärkt durch künstlichen der englischen Nebelgranaten, gestattete nur geringen Ausblick. Trotzdem wurde der Angriff abgeschlagen und besonders I. und II. Bataillon glaubten schon, die Schlacht sei vorbei. Nur an einer Stelle war der Gegner eingedrungen. Der Stab des I. Bataillons ging mit Handgranaten vor und beteiligte sich an der Säuberung der Stellung durch die 4. Kompagnie. Dabei fiel der damalige Bataillonsführer, Hauptmann d. R. Kühnlen. Als die Stellung wieder ganz in unserem Besitz war, da erschienen plötzlich Engländer und Kanadier in der linken Flanke und im Rücken des Regiments. Der Angreifer mußte beim linken Nachbar durchgebrochen sein und rollte die Stellung vom Süden her auf.
Nun gab es keine Rettung mehr. III. Bataillon wurde überrannt, ebenso das I. Bataillon, nur das II. Bataillon am rechten Flügel konnte sich noch halten. I. und III. Bataillon wurden gänzlich aufgerieben, nur wenige vom I. und III. Bataillon – etwa 50 Mann – entkamen; die anderen Überlebenden gerieten in Gefangenschaft, dabei beide Batail-lonsstäbe.
So hatte das Regiment an seiner Stelle gesiegt, es wurde aber ein Opfer der Gesamt-lage.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1922

Mittwoch, 29. August 2018

29. August 1918



„Am 28. August in der Frühe marschierte das Regiment von Lagnicourt in nordwest-licher Richtung an den Südausgang von Noreuil. Hier bezogen die Eskadrons teils in vorhandenen Stollen, teils in Gräben im freien Feld und in einem Hohlweg die befoh-lene Bereitstellung. Der Feind hatte durch seine gute Luftaufklärung den Bereitstel-lungsraum des Regiments aber bald erkannt und belegte die ganze Gegend mit lebhaf-tem Streufeuer, das allmählich zum Wirkungsfeuer, namentlich auf die Eskadrons im Hohlweg anschwoll. Als das Feuer gegen Abend nachließ, hatte das Regiment bei der 4. Eskadron 2 Tote und 6 Verwundete zu verzeichnen.“

aus: „Mit den Olga-Dragonern im Weltkrieg“ Stuttgart, 1920

Dienstag, 28. August 2018

28. August 1918



„Am Vormittag des 28. August schoß sich der Gegner zunächst planmäßig auf die neuen Stellungen ein. Die des I. Bataillons, die er noch nicht erkannt hatte, litten weniger darunter. Ein Tankgeschütz der 9. Batterie Feldart.-Reg. 30 wurde an die Servins-Ferme vorgezogen. Nach 11 Uhr sah man starke feindliche Schützenlinien aus Cherisy gegen Vis vorgehen. Auch aus Monchy quollen dichte Infanterieschwärme heraus und gingen gegen Boiry-Notre-Dame vor. Rasch und wirksam einsetzendes Vernichtungsfeuer hielt sie kurze Zeit auf und fügte ihnen Verluste zu, ohne daß ihr Vormarsch zum Stehen kam. Der Hauptstoß des Gegners traf zunächst die weiter nördlich liegenden Truppen. Gegen Mittag wurden die 5. und 6. Komp. angegriffen. Sie hielten den Angreifer im Feuer der Infanterie- und Maschinengewehre nieder; aber nordwärts geriet die angrenzende Divi-sionsfront ins Wanken und brach zusammen; die Engländer fluteten durch die breite Lücke, stießen den fliehenden Truppen tief nach, schwenkten südwärts ein und faßten die sich haltenden Kompagnien von der Flanke und vom Rücken. Die 6. Komp. sah sich, wollte sie nicht vernichtet werden, zum Rückzug über den Senséebach gezwungen. Die Engländer besetzten ihre Stellung und drängten gegen die 5. Komp. Diese, noch nicht gesonnen zu weichen, verstärkte ihren rechten Flügel und hielt stand. Ihr Grund-pfeiler war das leichte Maschinengewehr des Unteroffizier Gottlob Bauer, das dem Angreifer schwere Verluste zufügte. Da ging ihm die Munition aus. Durch englische Artillerie waren unterdessen zwei andere Maschinengewehre außer Gefecht gesetzt wor-den. Ihre Munition wurde Bauer gebracht, der unentwegt weiter schoß. Eine schwere Granate zerriß ihm das Trommelfell. Ein Eisensplitter verwundete ihn und das Blut lief ihm an beiden Händen herab. Der Brave wich nicht und wankte nicht. Schon stockte der Angriff. Da trieb ein englischer Offizier seine Leute gewaltsam vorwärts. Zögernd, dann mutig stürmten sie wieder heran. Der rechte Flügel der 5. Komp. brachte ihnen furcht-bare Verluste bei. Unterdessen hatte der Feind rechts den Nordrand von Remy, das von der 6. Komp. schon ganz geräumt war, erreicht und schritt zum umfassenden Angriff von Norden her. Was ein Gewehr tragen konnte, wurde vom Führer der 5. Komp., Leut-nant d. R. Rettenmaier, an den rechten Flügel geschoben, was an Munition noch da war, in rasendem Schnellfeuer verschossen. Unterdessen wurden die Verwundeten geborgen und nach rückwärts geschafft. Als sich die Maschinengewehre gänzlich und die Infan-terie zum großen Teil verschossen hatten, gab Leutnant Rettenmaier den Befehl zum Rückzug auf die Servins-Ferme. Nur zwei Tote blieben zurück, darunter der tapfere Leutnant d. R. Wörner, der im Anschlag durch ein Artilleriegeschoß fiel. Das I. Batl. deckte durch wirksames Flankenfeuer den Rückzug der Kompagnie und hielt den nach-drängenden Gegner auf. Rechts rückwärts aber schlug die 8. Komp. unter ihrem Führer, Leutnant d. R. Siegle, welche in zweiter Linie stand, die von Norden anstürmenden Engländer bis nachmittags 4.30 zurück und wich der Übermacht erst, als das III./362 südwestlich Eterpigny eintraf und im Verein mit ihr den Kampf zum Stehen brachte. Gegen 1 Uhr nachmittags war auch das I. Batl. des Res.-Reg. 119 zweimal angegriffen worden und hatte den Angreifer unter schweren Verlusten zurückgeschlagen. Um einen Durchbruch zu verhüten, wurde zwischen das II. und I. Batl. ein Zug der 11. Komp. eingeschoben. Gegen 5 Uhr abends war die Lage geklärt und eine durchlaufende Linie von Eterpigny über die Servins-Ferme bis zum Res.-Reg. 121 südwärts geschaffen. Der Gegner hatte, wie Gefangene aussagten, schwerste Verluste erlitten und löste die Schot-ten, die das Res.-Reg. 119 angegriffen hatten, sowie die 1. und 2. kanadische Division durch die 3. und 4. kanadische ab.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Montag, 27. August 2018

27. August 1918



„Die Ausführung des Befehls, im Verein mit den Resten der Inf.-Reg. 126 und 172 die alte Hauptwiderstandslinie des Reg. 126 wieder zu gewinnen, ging das III. Batl. 3.30 Morgens – 27. August – von der Abriegelungsstelle im Siegfried aus zum Angriff mit je 2 Kompagnien hintereinander im vorderen (12. und 9.) und hinteren (10. und 11.) Müh-lengraben vor. Die feindlichen Postierungen werden im Handgranatenkampf zurück-gedrängt, auch zäh verteidigte Widerstandsnester siegreich genommen, aber schließlich verdichtete sich der Widerstand des Gegners so, daß etwa 280 Meter westlich der Straße Héninel – Croisilles ein weiteres Vorkommen unmöglich war. Bis auf eine kleine Strecke war die Hauptwiderstandslinie des Reg. 126 wiedergewonnen und somit der Auftrag erfüllt, als 8 Uhr morgens der feindliche Angriff begann, eingeleitet durch ein heftiges Trommelfeuer. Das Bataillon empfängt die Engländer mit wirkungsvollem Infanterie- und Maschinengewehrfeuer, die schwere Verluste erleiden, aber immer wieder Verstärkungen erhalten, so daß mit der Zeit Flanke und Rücken der tapferen Verteidiger ernstlich bedroht sind. Jetzt heißt es Schritt für Schritt zurückgehen und sogar ernstlich mit der Munition haushalten, die allmählich knapp wird, namentlich bei den Maschinengewehren. Vortrefflich unterstützt werden die Kämpfe der Kompagnien durch das wirkungsvolle Feuer des Leutnants d. R. Schlegel mit seinem Zuge Minen-werfer, bis auch ihm schließlich die Munition ausgeht und er selbst von einem Infan-teriegeschoß getroffen, tödlich verwundet, zusammensinkt.“
„Der Stab des III. Batl. hatte sich beim Einsetzen des Trommelfeuers fertig gemacht und den Verlauf des englischen Angriffs vom Bataillonsgefechtsstand aus beobachtet, wobei der Bataillonsführer, Hauptmann d. R. Vogler, durch eine Schrapnellkugel am Unterleib und am rechten Daumen verwundet wurde. Immer näher kam der umfassende englische Angriff, so daß jetzt auch die Bataillonsordonnanzen und ein leichtes Maschinengewehr der 9. Komp. sich an der Abwehr beteiligen mußten. Auch der verwundete Hauptmann Vogler nahm ein Gewehr und schoß lebhaft auf die anrückenden Engländer. Von Schul-terwehr zu Schulterwehr langsam kämpfend zurückgehend, fügte das kleine Häuflein den Engländern noch schwere Verluste bei. Nun mußte der von Fontaine nach Westen führende Weg, der unter heftigem englischem Maschinengewehrfeuer lag, übersprungen werden; dies scheint aber dem Hauptmann Vogler nicht mehr gelungen zu sein, denn von hier ab ist über seinen Verbleib nichts mehr bekannt.
Südwestlich Fontaine im Senséegrunde stießen die Reste des tapferen III. Batl. auf die frischen Kompagnien des I. Bataillons, sowie auf den Zug des Vizefeldwebels Haas der 3. M. G. K. und dem vereinten Feuer dieser Teile gelang es, die über die Höhe vom Mühlenberg nach dem Senséegrunde herabsteigenden Engländer aufzuhalten und somit den feindlichen Angriff zum Stehen zu bringen. Unteroffizier Knapp der 11. Komp., der sich mit seinem leichten Maschinengewehr hervorragend geschlagen hatte, beteiligte sich auch hier, nachdem er sich mit Munition und Kühlflüssigkeit neu versorgen konnte, wieder lebhaft an der Verteidigung.
Leutnant Merker, der die stellvertretende Führung des Bataillons übernahm, sammelte auf Befehl des Regiments die Trägertrupps des Bataillons sowie alle Versprengten beim Regimentsgefechtsstand im alten Weg südlich Hendecourt.“

aus: „Das Württ. Infanterie-Regiment Nr. 180 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Sonntag, 26. August 2018

26. August 1918



„Josef  L e i n s, Kirchgasse 8.
Geb. 7. Februar 1895.
Sohn des Karl Leins, Bauer
und der Magdalena geb. Ellsässer.
W e h r d i e n s t: im Krieg: 8. Württ. I. R. 126.
Gefallen vor dem Feind am 26. August 1918 zwischen Heniel und Croisilles, 10 Kilometer südöstlich Arras als Ers.-Rekrut..

Das starke, seit Mitternacht auf der Front liegende Störungsfeuer steigerte sich  in den frühen Morgenstunden des 26. August 1918 zum Trommelfeuer. Um 6 Uhr morgens dringen dichte Angriffswellen Engländer gegen den linken Flügel vor; die dortigen Kompanien behaupten sich im Gegenangriff.
Die eigene Artilleriewirkung ist sehr schwach, weil die Batterien in den stark gefähr-deten Nordabschnitt der Division feuern müssen. Dem gewaltigen Druck von Nordwes-ten und Westen nachgebend, weichen die immer mehr zusammenschmelzenden Kompa-nien des II. und III. Bataillons abends 8 Uhr beiderseits der Straße Heniel – Croisilles auf die alten Gräben der Siegfriedstellung zurück.
Zu einem Gegenstoß fehlten dem Regiment die Kräfte. Leins wurde an beiden Beinen schwer verwundet und konnte nicht mehr gehen. Einem vorübereilenden Regimentsan-gehörigen rief er zu: „Kamerad, nimm mich mit!“
Er geriet in Feindeshand und ist wahrscheinlich verblutet und von den Engländern begraben worden.
Die Eltern haben nichts mehr von ihm erfahren, die Kompanie meldete ihn als „vermißt“.
Leins war 23 Jahre alt und ledig.
Das Reichs-Archiv nennt den Ort des Todes Chericy-Fontaine bei Arras, das Kampffeld lag zwischen all den genannten Gemeinden.“

aus: „Hirrlingen Kreis Tübingen (Württemberg) Ehrenbuch 1914-18“, Cannstatt ca. 1939

Samstag, 25. August 2018

25. August 1918



„Es war ein heller und sonniger Sonntag, der 25. August. Biwak bei Moislains. Hier erlitt am Nachmittag im Friedlichen Biwak das Regiment die letzten blutigen Verluste durch englische Fliegerbomben: mitten in die rastende Bagage fiel die tödliche Bombe! Leutnant d. L. Strodtbeck, Leutnant d. R. Haas und 6 Mann sind sofort tot, 38 Mann werden verwundet, fast sämtliche schwer verwundet; 11 Pferde sind tot, 7 verwundet. Ein harter Schlag!.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

Freitag, 24. August 2018

24. August 1918




„Die Nacht verlief ziemlich ruhig, so daß man Mühe hatte, die Lage genauer kennen zu lernen. Es schien, daß die Hauptwiderstandslinie östlich Albert über Becordel – Becourt verlief, die Straße nach Bray bei der hohen Pappel erreichte, ihr folgte bis in die Gegend 500 Meter südöstlich Punkt 107, und dann nach Osten abbog, zwischen Bahnmulde und Bahnhof Loop die Straße nach Fricourt überschritt und dann sich über die Höhe östlich Bray auf Cappy zu wandte.
Die 25. Division hatte nun die vordere Linie, und die 27., sowie die Reste der 54. stan-den zum Eingreifen dahinter bereit. Um 5.30 Uhr setzte auf der ganzen Front Trommel-feuer ein, das ungefähr zwei Stunden anhielt und sich auch weit nach Norden ausdehnte. Um 8.45 Uhr kam Nachricht, die Engländer seien östlich Albert vorgekommen. Unser Abschnitt blieb verschont. Später hieß es, auch Bécourt sei vom Gegner genommen. Dann wurde es dort ruhiger, aber im Süden schwoll nun der Gefechtslärm mächtig an.
4.15 Uhr lief ein Divisionsbefehl ein, demgemäß die Reste der Reg. 246, 247 und 248 mit zwei Batterien und einer Funkerabteilung zu einem Detachement Gutscher vereinigt wurden. Es hieß, der Gegner habe die Höhe südwestlich Cappy genommen. Zwischen dem XI. Korps (Nebenkorps) und der 27. Inf.-Division (linker Flügel) entstand eine Lücke. Das Detachement sollte die Höhe zwischen Cappy und Eclusier besetzen, um ein Vordringen der Engländer über die Somme zu verhindern.
Die Lage schien verzweifelt zu sein, wenn man aus derartig abgekämpften Trümmern eine Kampfabteilung bilden mußte. Aber man war schon zu stumpf, um noch zu mau-len. Am Westausgang von Maricourt sammelte am Abend das Detachement Gutscher. Die Verpflegung traf ein. Als alles sich gestärkt hatte und eben der Befehl zum Abmarsch gegeben war, traf ein Motorradfahrer der Division ein und erlöste uns von der Aufgabe.
Das Regiment sollte sofort nach Moislains marschieren und dort Unterkunft beziehen.
Die zweite Sommeschlacht war für uns zu Ende.
Nein, – noch nicht! – Eine Granate heulte heran und zerbarst auf dem Biwakplatz der 1. Gefechtskompagnie. Der Führer, Leutnant Hub, und 5 Mann waren sogleich tot, 4 Mann schwer verwundet.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708

Donnerstag, 23. August 2018

23. August 1918




„Fünf Tage lang, bis zum 22. August, blieb die Front, abgesehen von dem üblichen starken Artilleriefeuer, ruhig. In der Morgenfrühe des 23. August verkündete jedoch mächtiges englisches Trommelfeuer, das mit steigender Wucht von der Somme bis südlich der Römerstraße die deutschen Stellungen sturmreif schoß die Einleitung eines neuen großen Angriffs. Nebel- und Rauchgranaten legten eine undurchsichtige Wolke über und hinter die deutschen Verteidigungslinien. Zurückhumpelnde Verwundete be-richteten gegen 8 Uhr vormittags: die deutsche Front beiderseits der Römerstraße sei überrannt. Kurz nach Beginn des Artilleriefeuers seien englische Tanks und geschlos-sene Infanteriekompanien aus dem alles verhüllenden Nebel aufgetaucht und hätten sich mit dem Bajonett auf die deutschen Schützengräben gestürzt. Überall hatten die Tanks der folgenden Infanterie den Weg geebnet. Der Feind stehe jetzt in Chuignes und in der Bayernschlucht.
Bange Sorge um das Schicksal seines II. Bataillons beschlich den Regimentskom-mandeur. Bald brachten einzelne Verwundete und Versprengte fremder Truppenteile die traurige Gewißheit: das Bataillon hatte sich beim Einsetzen des englischen Trommelfeuers gefechtsbereit gemacht, um für alle Fälle fertig zum Gegenstoß zu sein, war aber ganz plötzlich von rückwärts aus der Bayernschlucht heraus, und von seitwärts her, von starker, geschlossener englischer Infanterie gefaßt worden. Als der Gegner dann auch von vorne kam, war das Schicksal des Bataillons besiegelt. Es wurde größtenteils gefangen. Nur schwache Splitter, besonders von der 5. und 7. Kompanie, die südlich des Bayernwaldes eingesetzt waren, entgingen dem Verhängnis. Nachdem sie sich noch den ganzen Nachmittag im Verband anderer Truppenteile mit dem Feind herumgeschossen hatten, meldeten sich am Abend etwa 50 Mann unter Führung von Leutnant d. R. Schoder, Brenner und Zink beim Regiment zurück. Sie wurden zu einer Kompanie zusammengestellt und dem III. Bataillon zugeteilt.
Nördlich der Römerstraße gab es eigentlich keine vordere deutsche Linie mehr. Einzelne zusammenhängende Gruppen verteidigten noch die Höhen östlich der Bayernschlucht. Darunter waren Leute des II. Bataillons und die Maschinengewehre des Leutnants Zink. Um das verhängnisvolle Loch an der Römerstraße zu schließen, bekam Oberstleutnant von Alberti den Befehl, mit seinen beiden ihm noch verbliebenen Bataillonen bis zum Westrand von Foucaucourt vorzugehen. Als es Abend wurde, lag das Regiment in vorderer Linie vom Westrand Foucaucourt bis an die nordöstliche Ecke des Dorfes Herleville.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Mittwoch, 22. August 2018

22. August 1918



„In der Nacht vom 21./22. August wurde die Bereitstellung des Gegners erkannt und gemeldet. In dieser Nacht sollte die vordere Linie nur noch mit einer Kompagnie besetzt bleiben, die zweite sollte in die Tiefenzone rücken. Da am 22. Ablösung innerhalb des Regiments geplant war, wurde dieser Befehl nur teilweise ausgeführt, das Bereitschafts-bataillon hatte sich nach vor- und rückwärts tiefer gegliedert. Die Minenwerfer und schweren M.-G. hatte auch das Kampfbataillon zurückgeschickt. Als unsere Artillerie die erkannte Bereitstellung des Gegners unter Vernichtungsfeuer nahm, das teilweise wieder sehr kurz lag, setzte 5.45 Uhr morgens ein überwältigendes Artilleriefeuer des Gegners ein, das bis zur Straße Bray – Fricourt zurückreichte und die Bereitschaften mit voller Wucht traf. Nach kurzer Dauer ging das Feuer in die Feuerwalze über, das Bata-illon Schaidler war verloren. Durchgebrochene Engländer schnitten es ab und nahmen die Überlebenden gefangen. Auch Hauptmann Schaidler, der am 8. August nur mit Mühe und durch großen Zufall der Gefangennahme entgangen war, fiel mit den Resten seines Bataillons in Feindeshand. Auch im Rücken der Bereitschaften erschienen durch-gebrochene Gegner. Auf der Straße von Méaulte fuhr ein Tank an, feindliche M.-G. begannen von rückwärts das Bataillon Bosch zu beschießen. Die 7. Kompagnie unter Leutnant d. R. Maier von den Bereitschaften wurde ebenfalls abgeschnitten und gefan-gen genommen. Der Rest hielt sich eine Stunde und zog sich dann nach erhaltenem Befehl auf den Regimentsgefechtsstand im Pionierlager zurück. Dieser Rückzug wurde ausgeschwärmt im Schritt wie im Frieden ausgeführt. Ein Nebelschwaden hüllte den Tank und die feindlichen M.-G. einen Augenblick ein, das kam den Zurückgehenden zu statten und ermöglichte die Durchführung. Schwere M.-G. deckten den Rückzug, auf diese ritten 2 – 3 Schwadronen englischer Kavallerie an, wurden aber elend zusam-mengeschossen. Leutnant d. R. Schlotterbeck leitete das Feuer, das eine vernichtende Wirkung hatte. Die M.-G.-K. erbeutete von den reiterlos gewordenen Pferden verschie-dene und nahm sie mit zurück. Am Nachmittag unternahm die frisch eingesetzte 25. Inf.-Div. einen Gegenangriff, der aber ohne größeren Erfolg blieb. Die Reste des Regiments sammelten sich im Hammerwald. Es wurden vorerst mal 2 Infanteriekom-pagnien unter Leutnant d. R. Fehleisen und Walter gebildet, die Hauptmann Schneider übernahm.“

Dienstag, 21. August 2018

21. August 1918




„Auch in den folgenden Tagen hielt das starke feindliche Störungsfeuer an. Feldart.-Regt. 72 wird der Division zugeteilt und löst die in rückwärtigen Stellungen befindli-chen Züge des Regiments ab, die nun in ihre vorderen Stellungen genommen werden. Die 3. Batterie wird nun wie die 2. in einzelne Tankgeschütze aufgeteilt. Auch schwere Batterien werden der Division überwiesen, aber der Wechsel ist zu groß. Kaum sind sie eingesetzt, so werden sie schon wieder auf höheren Befehl zu einer anderen Division in Marsch gesetzt, wo sie noch dringender gebraucht werden.
Beobachtung und Erkundung ergeben immer wieder dasselbe Bild. Zahlreiche Artillerie uns gegenüber, lebhafter Verkehr vor unserer ganzen Front, besonders links.
Die feindliche Luftaufklärung ist dauernd rege, Bombenabwürfe häufig. Immer mehr steigert sich die feindliche Lufttätigkeit, besonders groß ist sie am 21. Der Gegner führt eine vollständige Luftsperre durch. Mit tieffliegenden Fliegern macht er Angriffe auf unsere sämtlichen Fesselballons. Gleichzeitig sehen wir aus vier Ballonen die Beobach-ter abspringen, langsam abwärts schweben, von den feindlichen Fliegern mit Maschi-nengewehren beschossen, während gleichzeitig 2 Fesselballons brennend abstürzen.
Jeder fühlt es, ein neuer Großangriff steht unmittelbar bevor.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 54 im Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1929

Montag, 20. August 2018

20. August 1918



„Am 20. August wurde innerhalb des Regiments abgelöst, das I. Bataillon wurde Kampfbataillon, II. Bataillon besetzte mit drei Kompagnien den Siegfriedriegel, die 8. Kompagnie besetzt als Brigadereserve die Gräben in der Nähe des B.-T.-K. Die 8. Kom-pagnie erlitt bei einem feindlichen Feuerüberfall empfindliche Verluste.
Die äußerst lebhafte englische Fliegertätigkeit, die sich besonders in zahlreichen Angrif-fen auf unsere Ballons äußerte, der verstärkte Verkehr hinter der Front des Feindes, sowie das Einschießen der Engländer mit Nebelgranaten wiesen auf einen bevorstehen-den englischen Großangriff hin.“

aus: „Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“, Stuttgart 1932

Sonntag, 19. August 2018

19. August 1918



„Nach der Ablösung rückte das Regiment mit dem I. und III. Bataillon als Sicherheits-besatzung in die von Fontaine nach Soyécourt verlaufende Hauptwiderstandslinie II. Diese Linie deckte die Masse der Artillerie und bildete einen stets gefechtsbereiten Rückhalt für die Besatzung der östlich Proyart verlaufenden Front. Das II. Bataillon mußte auf höheren Befehl trotz wiederholten Einspruchs des Oberstleutnant von Alberti im Bayernwald dicht hinter der vordersten Linie verbleiben. Es unterstand als Divisions-reserve der 107. Division.
Fünf Tage lang, bis zum 22. August blieb die Front, abgesehen von dem üblichen star-ken Artilleriefeuer, ruhig.“

aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1921

Samstag, 18. August 2018

18. August 1918


„Was die Gefechtstätigkeit des Gegners anbelangt, so schwieg seine Infanterie beinahe völlig, nur bei Nacht schoß er zeitweilig mit Maschinengewehren. Die Artillerie war an den Vormittagsstunden bis 11 Uhr meist ruhig, in den Mittagsstunden wurde das Feuer reger, bei Nacht steigerte es sich erheblich, wobei auch die vordere Linie ihren Teil abbekam. Die Verluste hielten sich in erträglichen Grenzen. Lediglich ein unerwartet auftretender Gasminenüberfall am 18. August 3 Uhr früh auf Bereitschaften am West-rand von Bray und Ostteil bis einschließlich Kirche hatte schlimme Wirkung. Es fielen wohl über 100 Minen auf diesen Raum und, wer nicht sehr schnell seine Gasmaske zur Hand hatte, erkrankte oder fand den Tod, wie es bei einigen Leuten der Fall war, trotz-dem die Gasmaske vollen Schutz geboten hatte.“

aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Freitag, 17. August 2018

17. August 1918



„Am 17. August, 5.50 Uhr vormittags setzt schlagartig Trommelfeuer auf die Haupt-widerstandslinie der ganzen Front ein, es war deshalb keine Überraschung für uns, als der Gegner 20 Minuten später aus dem noch vor wenigen Tagen von uns besetzten Park von Goyencourt in südöstlicher Richtung in dichten wellen, unterstützt durch 8 Tanks, die auf der Staatsstraße Amiens – Roye anfuhren, die Division angriff. Den Hauptstoß hatte das Res.-Inf.-Regt. 120 auszuhalten, dem es zunächst, teilweise in heftigem Nah-kampf, gelang, die feindliche Infanterie abzuweisen und zwei Tanks durch M. G.-Feuer, einen dritten durch Minenwerfer zu vernichten. Die übrigen 5 Tanks fahren auf der Straße unbeirrt weiter, fortwährend nach beiden Seiten feuernd. Auf unserer Höhe ange-kommen, durchbrechen sie die Front zwischen der 1./413 und dem II. Batl. Res.-Inf.-Regts 120, schwenken nach links ein und beschießen die 120er von hinten, während gleichzeitig der Infanterieangriff von vorne wieder einsetzt. Die beiden Bataillone der 120er, durch die vorhergehenden Kämpfe schon total erschöpft, waren erledigt, nur Reste kamen zurück. Unsere 1. Komp. war durch diesen Einbruch des Gegners ebenfalls sehr stark mitgenommen und mußte nach rechts rückwärts ausbiegen. Die 3. Res.-Pi. 13 wird daher an den rechten Flügel geworfen, um zu retten, was zu retten ist, aber es war schon zu spät, der Gegner saß bereits in unserer Linie und begann eben, den Abschnitt der 1. Komp. aufzurollen, wobei ihr Führer, Leutnant d. R. Sauter, durch Lungenschuß schwer verwundet wurde. Durch das Eingreifen der Pionierkompagnie gelang es dann aber noch, den Gegner aufzuhalten, aber die Stellung war nicht mehr zu halten, denn die paar dezimierten Kompagnien des Regiments stehen nun noch ganz allein nördlich der Avre und westlich des Bahndamms. Um 9 Uhr vormittags wird daher der Befehl gege-ben, daß sich die Kompagnien staffelweise und allmählich auf die Artillerieschutz-stellung dicht westlich Roye zurückziehen sollen.
Nach zwei Stunden ist der Befehl durchgeführt und die neue Stellung besetzt; der Gegner folgt zunächst zögernd, kommt aber bis gegen 1 Uhr nachmittags an den Bahndamm heran und besetzt ihn. Bei dem Versuch, denselben zu überschreiten erleidet er durch unser M. G.-Feuer starke Verluste, worauf er sich zunächst mit dem Erreichten begnügt, dagegen aber von 4 Uhr nachmittags ab unsere neue Linie unter starkes Artilleriefeuer nimmt. Die Gefechtskraft des Regiments sowohl wie der ganzen Division war durch die zermürbenden Kämpfe der letzten 14 Tage in der glühenden Augustsonne als auch durch die schlechte Unterstützung durch die Artillerie in ihrem Gefechtswert stark beeinträchtigt, ganz abgesehen von den wahnsinnigen blutigen Verlusten, die derartige Rückzugskämpfe mit sich bringen. Nach über vier Jahren Krieg ist es für eine Truppe, die nur den Drang hatte, nach vorne durchzugehen oder aber mindestens den Ehrgeiz und den Stolz besaß, anvertraute Stellungen unter allen Umständen zu halten, ein unfaßbares Geschehen, zum Rückzug gezwungen zu werden.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Donnerstag, 16. August 2018

16. August 1918



„Erst am 16. August war sich der Gegner über die Zurücknahme unserer H.-W.-L. klar geworden. Er beschoß nunmehr Regiment 414 und unser rechtes Flügelbataillon, das I., heftig. Dann erfolgte ein Angriff seiner Infanterie, der bedeutend Boden gewann. Es gelang in einem Gegenstoß den Feind aus dem Abschnitt des I. Bataillons wieder hinauszuwerfen, aber Regiment 414 blieb weiter zurückgedrängt. Wir mußten daher die rechte Flanke wieder abriegeln; und hatten am 15. und 16. August insgesamt 4 Offiziere und 64 Mann verloren.
Die deutsche Artillerie, weit hinten stehend, feuerte in diesen Tagen nur schwach, die des Gegners aber sehr viel. Und wenn auch der Feind bei Regiment 414 nichts Ent-scheidendes, bei R. 120 überhaupt nichts erreicht hatte, so spürte doch jedermann mit dumpfem Gefühl, es steht schlimm, eine Katastrophe liegt in der Luft.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Mittwoch, 15. August 2018

15. August 1918



„Der Gegner nimmt am 15. August den Bahndamm, dessen Besetzung er natürlich schon bemerkt hatte, unter starkes Feuer. Roye selbst wird unter ein Vernichtungsfeuer genommen, wie ich es selten erlebt habe. Granaten allerschwersten Kalibers mit Verzö-gerungszünder, die eine verheerende Wirkung hatten, rissen metertiefe Löcher in die Straßen und brachten ganze Häuserblocks zum Einsturz. Brandgranaten vernichteten, was noch übrig geblieben war, und in kurzer Zeit war die vor ein paar Tagen noch wohlerhaltene Stadt ein Trümmerhaufen. Es war ein unheimlicher, schauriger Anblick vom Bahndamm aus: vor uns das höllische Feuerwerk der explodierenden Geschosse und der vielfarbigen Leuchtkugeln, hinter uns das brennende Roye mit seinen grotesk beleuchteten Umrissen. Dazu das unaufhörliche Donnern der Geschütze, das Krachen der Granaten, das Hämmern der Maschinengewehre und das Bellen der Gewehre, Schreie von Verwundeten, Stöhnen von Sterbenden, das unheimliche Zischen der die Luft durchschneidenden Geschosse, ein Bild und ein Erlebnis, wie dem Inferno Dantes entnommen.“

aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 413 im Weltkrieg 1916-1918“, Stuttgart 1936

Dienstag, 14. August 2018

14. August 1918



„Unsere Artillerie konnte sich schwer in die neue Lage finden, denn täglich schlugen Kurzschüsse in und hinter unsere Linien. Alle Nachrichtenmittel, Brieftauben, Melde-hunde und Läufer wurden vergeblich in Bewegung gesetzt, um durch klar gezeichnete Skizzen der Artillerie den Verlauf der eigenen vorderen Linie deutlich zu machen. Nichts wirkt niederdrückender auf die schwer ringende Infanterie, als wenn die Hilfe ihrer Schwesterwaffe ausbleibt. Viele durch eigenes Gas Erkrankte mußten unter schlimmen Symptomen ins Lazarett zurück und Offizier und Mann in der Stellung konnten kaum ein lautes Wort herausbringen, da die Atmungsorgane durch das Gelbkreuz gereizt waren, wenngleich die Gasmaske schlimmeres verhütete.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 246 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1931

Montag, 13. August 2018

13. August 1918



„Kaum hatten sich die erschöpften Kompagnien etwas erholt, als der Engländer am 13. August, morgens 5.45 Uhr, erneut einen höllischen Granatensturm, der von lebhaftem Maschinengewehr-Feuer begleitet war, entfesselte. Das Echo aus den Rohren unserer Artillerien kam prompt mit einer Kraft und Wirkung, die der Stellungsbesatzung wirk-lich imponierte.
Auf die Meldungen ihrer immer regen Erkundungsgeschwader, denen der Anmarsch von Reserven und auch unsere Umgruppierungen nicht verborgen blieben, hat die feind-liche Führung offenbar mit einem Gegenangriff gerechnet, den sie zu stören beabsich-tigte. Die feindliche Infanterie machte an keiner Stelle Miene, zum Angriff vorzugehen. Das Feuer forderte erhebliche neue Opfer (6 bis 8 Mann der Kompagnie) und beein-flußte Kampfwert und Stimmung der mitgenommenen Truppe weiter ungünstig.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 246 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1931

Sonntag, 12. August 2018

12. August 1918



„Am 12. August hat anscheinend der Gegner seine Angriffsvorbereitungen dem Ab-schnitt gegenüber vollendet und er drückt energisch gegen die neuen Linien vor. Auf dem rechten Flügel des Regiments ist die Lage infolge der Ungunst des Geländes und der abgekämpften preußischen Anschlußtruppen besonders gefährlich. Der rechte Flügel des II. Batl. mußte, den Preußen folgend, dem feindlichen Drucke nachgeben und zurück; da trat die dort gestaffelte Res.-Komp. (6.) des. II. Batl. unter Leutn. Fetscher zum Gegenstoß an, riß die zurückgehenden Teile des Bataillons wieder nach vorne und warf den Gegner, der schon bis zur Bahnlinie vorgedrückt hatte, über die Höhe 81 (800 m westlich Chuignolles) und die Straße Proyard – Bray zurück. Ein M.-G.-Zug der 2. M.-G.-Komp., von Leutnant d. R. Gauß ohne Rücksicht auf das rasende feindliche Feuer vorgeführt, bekommt den zurückgehenden Gegner in seine Garbe und reibt ihn nahezu auf. Gleichzeitig mit diesem Flügelangriff greift der Gegner in starken Massen die Front des Regiments aus Proyard heraus an. Die dünnen Linien können dem ersten Anprall nicht stand halten, vor allem da zu dem feindlichen Artilleriefeuer auch noch das eigene auf unseren Stellungen liegt. Zudem werfen deutsche Flieger in unser Zwischengelände schwere Bomben. So von den eigenen Schwesterwaffen im Stich gelassen, ja gefährdet, wird die 7. und 8. Komp. bis zum Dorfrand Chuignolles zurück-gedrängt, und einzelne freche Engländertrupps sind schon in die Ortschaft eingedrun-gen. Da treffen die 9. und 10. Komp. der Regimentsreserve ein, die der nunmehrige Führer des III. Batl. Leutnant d. R. Reindel, in raschem Entschluß auf die gefährdete Stelle angesetzt hatte. Vereint mit der 7. und 8. Komp. werfen sie in hartem Ringen den Feind aus Chuignolles zurück, nehmen, von Leutnant d. R. Hoffmann geführt, das Bahnhofgebäude im Sturm und besetzen die alte Linie wieder. Das I. Batl. links hält in blutigen Nahkämpfen und Gegenstößen seine Stellung. Der M.-G.-Zug des Vizefeld-webels Diem der 1. M.-G.-Komp. hat sich bei dem fortgesetzten Massenangriff der Engländer vollkommen verschossen und liegt wehrlos vorne. Umpeitscht von Geschos-sen kriecht die Gewehrbedienung, das schwere M.-G. hinter sich herschleppend, zurück und als sie die fehlende Munition ergänzt haben, erkämpfen sich die Wackern ihre alte Stellung wieder und jagen dem Engländer ihren todbringenden Gruß entgegen.
Nun erkennt der Engländer, daß in der Front des Regiments seine Angriffe nutzlos sind und so versucht er es nochmals anschließend an unsern rechten Flügel bei Inf.-Regt. 13. Und wieder gelingt es ihm, vorwärts zu kommen. Wieder ist der Gegner in unsere Lini-en eingebrochen und geht von dort aus gegen Flanke und Flügel unseres Regiments vor. Die letzte Reserve des II. Batl., ein M.-G.-Zug und ein schwacher, im Bahnabschnitt zurückgehaltener Zug der 12. Komp., wirft sich entschlossen, vom Adjutanten des II. Batl., Leutnant d. R. Wider, geführt, den Zurückgehenden entgegen, reißt sie wieder nach vorwärts und wirft den Gegner in seine Ausgangsstellungen zurück.
Mit einbrechender Dämmerung beruhigt sich der Tommy und gibt seine vergeblichen Angriffe auf. Nicht einen Fuß breit Boden hat das Regiment dem Feind preisgegeben und die blutige Wallstatt zeigt von der Erbitterung, mit de auf beiden Seiten gekämpft wurde; zahllose tote Engländer liegen im Niemandsland und in unseren Stellungen; aber auch bei uns hat der Tod um sich gehauen und bittere Lücken gerissen.“


aus: „Das Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 478 und seine Stammtruppen Brigade-Ersatz-Bataillone Nr. 51, 52, 53 und Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 51“, Stuttgart 1924

Samstag, 11. August 2018

11. August 1918



„Unsere Division hatte Befehl, die Stellung bei Villers les Roye zu halten, der Gegner folgte nur zögernd. 2 Schwadronen kanadischer Kavallerie erschienen vor R. 120, erhielten von demselben überraschend M.-G.- und Gewehrfeuer und galoppierten unter schweren Verlusten in wilder Flucht zurück.
Das war immerhin ein Erfolg. Doch kam auch die üble Nachricht, daß der Troß des Regiments Fliegerbomben erhalten habe; 2 Mann waren dadurch getötet, 1 Offizier, 7 Mann und 10 Pferde verwundet.
Am nächsten Tag, den 11. August, gab der Feind kurzes Trommelfeuer auf unsere Stellung ab, dann griff seine Infanterie an. Es gelang ihm zunächst, an einer Stelle des Regimentsabschnitts einzudringen. Dann aber erfolgte unsererseits ein Gegenstoß, der die Franzosen nicht nur wieder hinauswarf, sondern uns auch 48 Gefangene einbrachte.
Der Gegner versuchte sin Glück noch zweimal, beidemal brach sein Angriff vor unserer Front zusammen, ohne auch nur einen vorübergehenden Erfolg zu ergeben.
Die Verluste des Regiments an diesem Tag betrugen 2 Offiziere und 9 Mann tot, 44 Mann an Verwundeten, dazu vermißt 28 Mann. Das Schlimmste aber bei der Sache war, der Kampfgeist des Regiments ging zurück; Verluste, Erschöpfung und vor allem die seelische Stimmung drückte ihn herunter.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920

Freitag, 10. August 2018

10. August 1918



„Der Tag begann wieder mit größter Ruhe. Auch weiter südlich hörte man nichts. Nur vereinzelte Einschläge krachten im Hintergelände.
Die englischen Flieger waren außerordentlich tätig. Sie wollten die neuen Stellungen und den neuen Stand unserer Artillerie kennen lernen. Reg. 246 erhielt Befehl, sich auf die Straße Méaulte – Etinehem zurückzuziehen. Nun blieb 247 allein vorne, ohne rechts und links Anschluß zu haben. Bald sah man denn auch, wie Engländer sich in der rech-ten Flanke im Hohlweg beim früheren Kampftruppenkommandeur sammelten. Andere marschierten auf Morlancourt, und auf der großen Straße sah man im dichten Verkehr zwölf Tanks. Auch östlich vom Tailleswald wurde Bereitstellung beobachtet und Haupt-mann Fernand erbat gegen 4.30 Uhr Vernichtungsfeuer dahin. Tatsächlich war unsere Artillerie auch wieder da und feuerte in die Gegend. Als etwas später der Gegner süd-lich der Wegegabel eindrang – denn dort klaffte eine weite Lücke –, wurde er durch Artilleriefeuer wieder zum Rückzug gezwungen.
Im Lauf des Nachmittags waren die Engländer sich über unsere neue Stellung klar geworden und hatten sich eingeschossen. Um 6 Uhr begann die Betrommelung der Stellungen. Die Kompagnien in den schutzlosen Bereitschaftsgräben litten schwer. Nach 1½ Stunden erschienen 4 Panzerwagen, die aber an diesem Tage wenig Schneid entwickelten. Die dahinter sich deckende feindliche Infanterie hatte noch weniger Mut, da sie trotz der weiten Entfernung auch von unseren Maschinengewehren wirksam ge-faßt wurde. Schließlich aber kamen die Tanks näher an die Stellung heran und began-nen, sie von links her aufzurollen. Es hatte absolut keinen Zweck, sich niederwalzen zu lassen, darum befahlen die Kompagnieführer, nach rechts auszuweichen. Das geschah auch. Im Schritt gehend, trotz des Artilleriefeuers, das die Höhe zerwühlte, rückte die Besatzung der Bereitschaftsgräben in die Regimentsmulde ab. Die Hauptwiderstandlinie bestand jetzt noch aus dem M.-G.-Nest „Julius“ der 3./247 und einem Zuge der 4./248. Sie hatten prächtiges Schußfeld und nutzten das aus. Der angreifende Gegner flutete wieder zurück. Auch ein Tank, der einmal Miene machte, näher zu kommen, gab es wieder auf. Von 8 Uhr an trommelte daraufhin die feindliche Artillerie aufs neue, und nach einer halben Stunde, schon in der beginnenden Dämmerung, versuchte der Englän-der noch einmal vorzugehen, wurde aber wieder von schärfstem Maschinengewehrfeuer zurückgetrieben.
So war der Tag besser verlaufen, als man hatte hoffen, können, aber der Ausblick in die Zukunft blieb trostlos.“

aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“ Stuttgart, 1924

Donnerstag, 9. August 2018

9. August 1918



„9. August 6.30 Uhr in der Frühe greift der Engländer das III. Bataillon überraschend an, wird aber zurückgewiesen. Feindliche Kampfflieger bekämpfen mit Bomben und Maschinengewehrfeuer das Bataillon und lassen es den ganzen Tag nicht zur ruhe kommen. Es soll als Brigadereserve nördlich des Tailles-Waldes gesammelt werden; es kommt aber nicht zur Ausführung dieses Planes. Mittags zeigt sich ein feindlicher Kampfwagen, der ziemlich schnell wieder verschwindet.
Den ganzen Tag kann man die Vorbereitungen zu einem englischen Angriff deutlich beobachten. Frech marschieren englische Kolonnen geschlossen von hinten vor, rattern Panzerwagen nach vorn. In aller Seelenruhe stellt der Engländer seine Angriffstruppen und seine gefürchteten Tanks bereit, unbehelligt, von niemand gestört. Es ist zum Verzweifeln. Wo bleibt nur unsere Artillerie? Die der 27. I. D. ist zerschlagen und unsere hat andere Sorgen. Sie muß ihre Munition für die Abwehr des feindlichen An-griffs sparen.
Ab 5 Uhr nachmittags beginnt der Engländer mit seiner genau zu erkennenden Aufstellung. In einem Abstand von 100 Meter halten vor der Front des III. Bataillons 8 englische Tanks. Die Engländer entwickeln sich in mehreren lichten Wellen am Hang, dahinter ist weitere Infanterie in Reihen und sogar in Kolonnen aufgestellt. Eine feindliche Stoßbatterie ist deutlich zu erkennen. Die ganze Leuchtmunition wird ver-schossen, um Sperr- und Vernichtungsfeuer anzufordern. Umsonst! Unsere Artillerie schweigt!
Ein Teil des I. Bataillons will eben mit 247ern die erschöpften 123er südlich Morlan-court ablösen, als der Engländer sein Feuer zum Trommelfeuer steigert. Um 6 Uhr abends treten die Tommies zum Angriff an, ihre Tanks sollen ihnen freie Bahn schaffen.
Das III. Bataillon muß sich verraten und verlassen vorkommen. In ohnmächtiger Wut sieht es die feindlichen Angriffsvorbereitungen, und niemand hilft ihm, das schon den ganzen Tag unter feindlichem Maschinengewehrfeuer, das aus der linken Flanke kommt, sehr zu leiden hat. Furchtbar werden die Kompagnien durch Durst gequält. Sie sind am vorhergehenden Tage so plötzlich alarmiert worden, haben so schnell in den Kampf eingreifen müssen, daß sie ihre Feldflaschen nicht mehr haben füllen können. So haben sie seither nichts bekommen. Die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel, der Staub, der Rauch und der Pulverdampf trocknen vollends ganz die lechzende Kehle aus. Und trotzdem verlieren die Leute den Mut nicht, trotzdem wanken und weichen sie nicht. In vorbildlicher Feuerdisziplin nehmen sie den um 6 Uhr angreifenden Gegner unter wohl gezieltes Feuer. Zweimal branden die englischen Massen gegen die feldgraue Mauer und zweimal brechen sie kraftlos zusammen.
Um 7 Uhr abends dringen Engländer links von der 10. Kompagnie ein. Was sage ich: Kompagnie? Das war einmal! Aber auch der kärgliche Überrest denkt nicht daran, zu verzweifeln, denkt nicht daran, der Übermacht zu weichen. Die paar Mann schwenken gegen den Gegner in der Flanke ein und nehmen ihn unter Feuer. Das kennen sie nicht anders und werden es auch nie anders machen.
Neue Tanks und neue Infanteriemassen tauchen in der rechten Flanke auf. Auch jetzt weichen die braven Kompagnien nicht, sie lassen nicht mutlos die Waffen sinken. Sie wehren sich vielmehr mit allen Kräften, schmelzen aber unter dem feindlichen Feuer wie Butter in der heißen Sonne zusammen. Keine Verpflegung, nichts zum Trinken – Durst ist viel schlimmer als Hunger –, und jetzt wird auch noch die Munition knapp! Die letzten Patronen werden etwa 500 Meter westlich des Tailleswaldes verschossen. Jeder einzelne Mann leistet Unglaubliches im Kampfe gegen die englischen Massen, im Kampfe gegen die für die Infanterie so gut wie unverwundbaren Tanks. Schließlich werden es der Gegner zu viele, die letzte Patrone ist verschossen, – und dann ist es um das Bataillon geschehen. Nach vier langen Kriegsjahren hat es noch Einzigartiges geleistet. Nun liegt es waidwund am Boden, ehrenvoll geht es unter, es kann vor der Geschichte bestehen.
11 Offiziere, 1 Offizierstellvertreter und 226 Unteroffiziere und Mannschaften hat es am 8. und 9. August verloren. Der Bataillonskommandeur – Hauptmann Beckh – ist tödlich verwundet und stirbt in der vordersten Linie in den Trümmern seines Bataillons. Der Tod läßt ihn der Gefangenschaft entgehen.
Nur einigen wenigen Leuten gelingt es, sich noch durchzuschlagen, gelingt es, im letzten Augenblick aus der geschlossenen Zange zu entweichen. Den Kampf geben sie aber noch nicht auf, es kommt ihnen gar nicht in den Sinn, nun das Weite zu suchen und auf die eigene Rettung bedacht zu sein. Auf der Höhe des Tailleswaldes nehmen sie wieder Stellung und verwehren mit den Trümmern von vier anderen württembergischen Regimentern dem Gegner noch einmal ein weiteres Vordringen.
Das I. Bataillon, dessen 2. und 3. Kompagnie bei R. I. R. 247 eingesetzt sind, hat ebenfalls schwere Verluste erlitten.“

aus: „Ehrenbuch des württembergischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 248“, Stuttgart 1932

Mittwoch, 8. August 2018

8. August 1918



„In der sternenhellen Nacht vom 7./8. August waren eben die Kompagnien des II. Bataillons an Stelle des III. Bataillons in der vordersten Linie eingesetzt worden, als zu beiden Seiten der Somme tausende von feindlichen Geschützen ein furchtbares Konzert anstimmten und zahllose englische und kanadische Bataillone, von vielen Tank- und Reitergeschwadern umgeben, sich in den Mulden und Waldstücken hinter ihrer Front-linie zum Angriff bereitstellten. Standhaft hielten die 120er in dem Höllenfeuer aus. In der Kampf- und Tiefenzone des Regimentsabschnitts reihte sich ein Geschoßeinschlag neben den andern. Im Nu waren die Küchen- und Gressaire-Mulde mit dichten Pulverdampfwolken erfüllt. In der letzteren saß unfreiwillig in seinem Gefechtsstand eingeschlossen und jeder Verbindung nach vorne und rückwärts beraubt, der Abschnitts-kommandeur. Er hielt lange einen neuen, rein örtlichen Vorstoß der Engländer, mit der Wiedererlangung unserer vorderen Gräben als Ziel, für bevorstehend. Erst als gegen 9 Uhr vormittags Infanteriegeschosse und kleinkalibrige Granaten, aus Tankgeschützen herrührend, die schweren Geschosse feindlicher Steilfeuergeschütze an seinen Unter-stand begleiteten, mußte es für ihn außer Zweifel sein, daß ein großzügig angelegter feindlicher Durchbruchsversuch im gang war. Bald darauf von vorne kommende ver-wundete und versprengte Leute bestätigten diese Ansicht unwiderleglich. Entlang des nördlichen Sommeufers vorgehende feindliche Bataillone hatten sich in diesem Augen-blick schon über die Gräben der linken Nachbardivision hinweg in die linke Flanke der 27. Division Bahn gebrochen. Auf der großen Straße nach Bray, rechts vom Regiment, hatten Tanks die Linien des Grenad.-Regiments 123 und des Regiments 124 überfahren und operierten in dem Rücken des Regiments 120. So wacker sich auch am Anfang die Kompagnien des II. Bataillons den frontal angreifenden Gegner vom Halse gehalten hatten, jetzt erheischte die Lage dringend ein Zurückverlegen ihrer Verteidigungslinie, wenn sie nicht sämtlich in die Hände des Feindes fallen sollten. Die Umklammerung war schon in ein sehr ernstes Stadium getreten, als sich die ersten Leute vorsichtig auf den Westrand der Küchen-Mulde zurückzogen. Für viele war es schon zu spät, sie gerie-ten in Gefangenschaft. In dem allgemeinen Wirrwarr gelang es später manchem von diesen, sich den Händen der Sieger wieder zu entwinden und sich nach Osten durchzu-schlagen. Auf den Höhen westlich Bray-sur Somme sammelten unterdessen tatkräftige Offiziere und Unteroffiziere die versprengten Mannschaften.. Das I. Bataillon wurde vom Ruhelager Suzanne herangezogen. Bis zum Anbruch der Abenddämmerung war keine rechte Klarheit darüber zu erlangen, wie weit der Gegner im Regimentsabschnitt tatsächlich vorgedrungen war. Die widersprechendsten Nachrichten liefen beim Regi-mentsstab ein. So meldeten einzelne Batterien, daß ihre Geschütze in der Küchen-Mulde noch feuerten, während andere Berichte besagten, daß englische Infanterie bereits am Rande der weiter östlich gelegenen Gressaire-Mulde sich eingenistet habe. Um endgül-tige Gewißheit über die Lage zu haben, setzte der Regimentskommandeur die herbeige-eilten Kompagnien des I. Bataillons nach vorne in Marsch, mit dem Auftrag, die Füh-lung mit dem Gegner wieder aufzunehmen. Sie gelangten, ohne Widerstand zu finden, bis auf den Sachsenberg vor und setzten sich dort zur Verteidigung fest. Vor ihnen irrten englische Infanterieabteilungen planlos zwischen unseren alten Kampfstellungen herum. Nach anfänglich größerem Geländegewinn hatte sich der Engländer wieder respektvoll nach rückwärts verzogen. Eine von Südwesten bis zur Gressaire-Mulde vorgeprellte schwache feindliche Infanterieabteilung, welche vorübergehend wilden Schrecken in die Reihen der 120er getragen hatte, befand sich zu dieser Zeit längst schon auf dem Marsch in unsere Etappe.  Unerschrockene Leute der Nachrichtenkompagnie, denen die Abteilung unvermutet in der Schlucht in die Arme gelaufen war, hatten sie nach kurzem Kampf überwältigt, entwaffnet und gefangen nach hinten abgeführt.
Die beiden anderen Infanterie-Regimenter der Division waren der feindlichen Umklam-merung bedeutend weniger ausgesetzt gewesen. Sie hatten dem Vorwärtsstürmen der Engländer noch weiter westlich als das Regiment 120 Einhalt geboten. Die taktische Lage im Abschnitt der 27. Division und die Haltung ihrer Kampftruppen gab am Abend des 8. August keinerlei Anlaß, die Hoffnung auf erfolgreichen Widerstand der Division bei etwaiger Erneuerung des feindlichen Angriffs schon von vornherein sinken zu lassen. Allein die beträchtlichen Ausfälle an Toten, Verwundeten und Vermißten und das Fehlen der nötigen Reserven an Infanterie und Artillerie waren doch bedenklich. Was uns an Reserven zur Verfügung gestanden hatte, mußte auf das Südufer der Somme hinüber geschickt werden, wo nach dem völligen Zusammenbruch der deutschen Abwehr australische Divisionen fast kampflos ihren Vormarsch nach Osten angetreten hatte. Daß die Entente-Truppen, angefeuert durch ihren dortigen Erfolg, bald auch bei uns nochmal ihr Glück versuchen würden, damit mußte mit Bestimmtheit gerechnet werden.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922

Dienstag, 7. August 2018

7. August 1918



„Zu einem schwächeren Gegenangriff kam es erst am 7. August früh 6 Uhr, den ein überaus heftiges Trommelfeuer von kurzer Dauer einleitete. Dichter Nebel verhinderte jede Sicht und es gelang dem Gegner unter dessen Schutz, im Abschnitt der 4. Kom-pagnie vorübergehend mit schwachen Kräften in unseren ersten Graben einzudringen, aus dem er unverzüglich durch die Grabenbesatzung selbst wieder hinausgeworfen wurde. Im Vorgelände spielten sich den Vormittag über noch kleinere Nahkämpfe ab, die aber nichts daran änderten, daß unsere Hauptstellung, der Grüne Graben, ganz in der Hand des Regiments blieb. Diese Abwehr war ausschließlich ein Verdienst des tapferen I. Bataillons, denn der Artillerieschutz hat des dichten Nebels wegen im ersten Stadium des Angriffs nahezu gefehlt.
Nicht so günstig ging es beim linken Nachbar, dem I. R. 120, bei dem der Grüne Graben völlig verloren ging. Unser linker Flügel hing daher mit Ausnahme einiger weniger leichter Maschinengewehre dieses Regiments in der Luft und unsere dort zur Verstär-kung eingesetzte 8. Kompagnie bemühte sich stundenlang, den Anschluß herzustellen. Daß der Gegner besonders in dieser Lücke versuchte, weiter zu kommen, lag auf der Hand, aber alle Versuche scheiterten an der Standhaftigkeit und Wachsamkeit der dort aushaltenden Grenadiere. In den Mittagsstunden wurde unser linker Flügel etwas zu-rückgebogen, wodurch Fühlung mit der 8./120 erzielt werden konnte. Gegen Abend gelang es dann den 120ern in hartem Angriff, auch ihre Grüne Linie wieder zu nehmen, so daß der Angriff im ganzen Divisionsbereich als restlos gescheitert gelten konnte. Die Stellung in der linken Flanke blieb aber nur dünn und unzulänglich besetzt, so daß der Gegner andern Tags dort leichtes Spiel hatte.“

aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Montag, 6. August 2018

6. August 1918



„Am 2. August begaben sich Vorkommandos der Bataillone auf Lastautos nach Bray, um dort die Übernahme des Abschnitts der 107. Division durch die Württemberger vorzubereiten. Am nächsten Tage folgten ihnen die Bataillone selbst nach und rückten in die Stellungen des Res.-Inf.-Reg. 232 nördlich der Somme ordnungsgemäß ein. Alles drängte zur Eile, denn schon am 6. August sollten die Kompagnien des Regiments zum Sturm auf die gegenüberliegenden feindlichen Stellungen antreten. Wie im Handum-drehen waren die Stunden des 5. August mit den  nötigsten Angriffsvorbereitungen ver-gangen, als sich am 6. August morgens nach mächtiger Feuervorbereitung die Sturm-reihen der 120er aus den Gräben erhoben und mit ihrem Regimentskommandeur, Major Scupin in der Mitte, auf den Feind stürzten. Nicht nur feindliche Geschosse aller Art, sondern auch schwere vom Wind gepeitschte Regenschauer schlugen den Truppen ent-gegen. Trotzdem brachen sie jeglichen feindlichen Widerstand, nahmen über 100 Eng-länder gefangen und drangen über das gesteckte Ziel hinaus vor. Gegen Mittag war der erste Teil der Arbeit geleistet, der Sturm war voll geglückt. Das am linken Flügel kämp-fende I. Bataillon hatte bedeutend schwerer zu fechten und zu leiden gehabt als das III. Bataillon. An ein Ruhen und Rasten der Truppen war jetzt nicht zu denken, denn es galt, den weitaus schwierigeren Teil des Auftrags, das Halten des eroberten Geländes, zu erfüllen. In Erwartung feindlicher Gegenstöße richteten die Kompagnien ihre Stellungen zur Verteidigung ein. Die heiße Augustsonne brannte erbarmungslos auf die schanzen-den Kampftruppen und die mit Munition, Maschinengewehren und Schanzzeug belade-nen, nach vorne eilenden Trägertrupps nieder. Der Abend brachte die ersten Versuche der Engländer zur Wiedergutmachung der erlittenen Schlappe. In einer schmalen Lücke zwischen dem I. und III. Bataillon, in der sich einige gewandte Engländer festgesetzt hatten, entwickelten sich Handgranatenkämpfe, welche von beiden Seiten sehr schnei-dig, aber ergebnislos die Nacht hindurch fortgeführt wurden.“

aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ (2. Württemb.) Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1922