„Nach einer sehr
unruhigen Nacht, in welcher der Franzose auch mit schweren Kalibern in die
neuen Abschnitte der Kampfbataillone feuerte, brach der 1. Juli an, welcher die
Fortsetzung des Angriffs, die Wegnahme des grünen Grabens bringen sollte. Da
das II. Bataillon rechts bereits die gewollte Linie erreicht hatte, kam nur das
I. Bataillon hierfür in Betracht, welches 3.15 Uhr nachmittags erneut den
Gegner angreifen sollte. ½stündiges Artilleriefeuer auf die vordere Stellung
des Gegners sollte dem Bataillon den Weg ebnen, aber als die 3. und 4.
Kompagnie mit Schützen aus den Sappenköpfen heraussteigen wollten, erhielten
sie sofort aus drei Richtungen heftiges Maschinen-gewehrfeuer und mußten sich
damit begnügen, einige kleinere Grabenstücke im Handgranatenkampf in ihren
Besitz zu bringen. Es unterlag keinem Zweifel, daß die Vorbereitung zu diesem Angriff
zu kurz gewesen war, und ein neuer Plan wurde gefaßt, den der
Generalstabsoffizier der Division selbst um Mitternacht zum Gefechtsstand des
Regiments verbrachte. Darnach mußte nach einer zweistündigen zusammengefaßten
Artillerievorbereitung die gegnerische Stellung, die für das Grenadierregiment
in der Hauptsache aus einem vor der Front liegenden besetzten Waldlager
bestand, am 2. Juli von diesem frontal angegriffen werden, während zwei
Bataillone der Korpsreserve (ein Bataillon württ. Landwehr 124 und ein
zusammengestelltes Bataillon der 33. Division) den grünen Graben, hinter dem
linken Flügel des Grenadierregiments nach links einschwenkend, aufrollen
sollten um ein völlig einheitliches Handeln der Angriffs-truppe zu ermöglichen,
wurde die 68. Brigade, die den grünen Graben aus der Front anpacken mußte, der
27. Division unterstellt, die ihrerseits mit der Leitung Major Freiherr von
Lupin beauftragte. Dieser hatte daraufhin seinen Angriffsbefehl so gegeben, das
das linke I. Bataillon von 4.30 Uhr nachm. ab in die während des
Wirkungsschießens geräumte vordere Stellung einzurücken und zum Angriff
bereit-zustellen habe, daß das III. Bataillon, zwischen den beiden andern des
Regiments eingeschoben, den Angriff des I. Bataillons rechts von diesem
mitmachen solle und daß die Bataillone der Korpsreserve um 4 Uhr nachmittags in
der Nähe des Regiments-gefechtsstands, der im Zerbster Lager war, gefechtsbereit
verfügbar sein mußten.
Am 2. Juli
nachmittags 3 Uhr setzte das Vorbereitungsfeuer der eigenen Artillerie mit
ähnlicher Kraft ein, wie am 30. Juni früh und, da das unmittelbar vor der Front
des I. Bataillons liegende Hüttenlager ein ausgezeichnetes Ziel bot, konnte eine
gute Wirkung nicht ausbleiben. Die Artillerie eines ganzen Korps feuerte auf
den verhältnismäßig schmalen Raum von Hüttenlager und grünem Graben und es war
zu erwarten, daß die Nerven der französischen Infanterie einer zweistündigen
Dauer nicht gewachsen waren. So gelang es denn auch dem I. Bataillon, welches
seit Februar unter Hauptmann Haußers Führung stand, mit 1. Kompagnie rechts, 2.
links glatt aus der Sturmausgangs-stellung herauszusteigen, das Hüttenlager zu
erreichen und in den stark ausgebauten Unterständen gründlich aufzuräumen. Eine
Unmenge Material wurde erbeutet und mehrere Hundert Gefangene gemacht. Leider
erlitt dabei der Führer der 1. Kompagnie, Hauptmann Karnapky den Heldentod, den
nicht wenige der tapferen Stürmer mit ihm teilten. Aber trotz der Verluste
gelang es den Kompagnien, noch über das Hüttenlager hinaus ein wesentliches
Stück Gelände zu gewinnen und in der vorgeschriebenen Linie, 200 m jenseits der
Straße nach Servon, gruben sie sich an einem sanft ansteigenden, mit dichtem
Wald bestandenen Hang aufs neue ein.
Auch die 10. und
12. Kompagnie konnten erfolgreich in das Gefecht eingreifen und beteiligten
sich am Sturm auf das Hüttenlager, wobei beide Kompagnien blutige Verluste
erlitten. Im weiteren Vorgehen hielten sie sich rechts vom I. Bataillon und
füllten aus eigenem Impuls die zwischen diesem und dem II. Bataillon
entstandene Lücke aus; die Linie der 10. Kompagnie, die rechts lag, führte in
der Mitte über den Schnittpunkt der Straße und der Harazee-Schneuse. Maschinengewehre
hatten in der Houyette-Mulde ein ausgezeichnetes Schußfeld und fügten
französischen Kolonnen, die auf der Schneuse heraneilten, schwere Verluste zu.
Sie trugen mit dazu bei, daß den Franzosen, deren Kampftruppen als aufgerieben
gelten mußten, die Lust zu Gegenangriffen genommen war, so daß die neue Linie
fest in der Hand des Regiments blieb.
Das
Artilleriefeuer des Gegners hielt unterdessen an und lag besonders auf den
rückwärtigen Stellungen, Befehlsstellen und Annäherungsgräben. Die hier im
Anmarsch befindlichen Reserven erlitten manche Verluste; u. a. wurde der Führer
der 4. Kompag-nie, Hauptmann Freiherr von Perfall, unweit der Stellung E beim
Vorgehen durch Granatsplitter am Kopf außer Gefecht gesetzt. Auch bei den
Landwehrtruppen, die sich nach 5 Uhr zur Durchführung des Angriffs auf den
grünen Graben heranschoben, rissen nacheinander zwei Volltreffer böse Lücken.
Auch sie wurden von Hauptmann Haußer zum Sturm angesetzt, hatten aber bei dem
unübersichtlichen Gelände, in das eine Unzahl kreuz- und querlaufender Sappen
geschnitten war, einen schweren Stand. Als einzigen Anhalt konnte man ihnen
noch sagen, sie sollten mit dem „Rücken gegen die Sonne“, d. h. mit Front nach
Osten angreifen. Einzelnen Kompagnien gelang es auch, am rechten Flügel der 68.
Brigade mit anzugreifen, die schon durch den tiefen Stoß der
Grenadierkompagnien in ihrer rechten Flanke völlig entlastet war. So fiel auch
der grüne Graben, in dem eine Menge Gefangener gemacht wurde, und damit stand
den 67ern der Weg in den freien Wald
gleichfalls offen. Die Verbindung zwischen ihnen und der an unserem äußersten
linken Flügel stehenden 1. Grenadierkompagnie konnte darauf ohne große Schwierigkeit
erreicht und festgehalten werden.“
aus: „Die Ulmer
Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920
siehe Skizze unter dem 9. Oktober 1914
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