Dienstag, 29. März 2016

29. März 1916



„Seit dem 22. März morgens regnete es. Die stark zerschossenen Gräben verschlammten in kurzer Zeit; Instandhaltung war bei dem Grade der Zerstörung und bei dem feind-lichen Artilleriefeuer besonders in T, im Haller- und Nickgraben unmöglich. So erfolgte die Ablösung des II. Batl. in starkem feindlichem Feuer und stockdunkler Regennacht in verfallenen Gräben und unter größten Schwierigkeiten. Ein schwächlicher feindlicher Vorstoß wurde gleichzeitig von unseren Posten abgewiesen.
Seit 22. März abends lag besonders T unter heftigem Feuer schwerster Kaliber. Der Feind schoß besonders viel mit Verzögerung, hatte es also auf unsere Stollen abgesehen. Man saß im Stollen, hörte die unheimlichen Dinger hereinheulen, spürte den ruckartigen Schlag tief im Boden und wunderte sich, daß man noch nicht zerquetscht war. Es ist ein wahres Wunder, daß so wenig Unheil passierte. Die meisten Stollen hatten höchstens 3 m Deckung, boten also gegen eine solche Beschießung keinen Schutz.
Ein Betonturm der M.-G.-K. wurde von einer solchen Granate unter dem Fundament gepackt und wie ein Kinderspielzeug verschoben.
Schrapnellfeuer lag dauernd auf den neuen Verbindungsgräben; der Nickgraben wurde auf weite Strecken eingeebnet, der Höpfnergraben war zur flachen Mulde geschossen. Was der Franzose stehen ließ, schwemmte der Regen weg. Wo der Hailergraben aus dem Wald auf die Wiese heraustrat, konnte man beinahe schwimmen im braunen Lehm-brei. Nur durch angestrengte Arbeit war es in ruhigen Zeiten gelungen, das Grabennetz in gangbarem Zustand zu erhalten. Nun wirkte alles zusammen, um die Arbeit der letzten Wochen zu zerstören. Nach wenigen Tagen war T nicht mehr zu erkennen. Die Leistungen der Läuferketten, der Telephontrupps – der des III. Batl. hat mitten im ärgsten Feuer eine neue Leitung von T bis zur Bayernecke gestreckt; die alte war rettungslos zerfetzt –, der Sanitätsmannschaften gingen in jenen Tagen weit über das Maß pflichtmäßiger Erfüllung des kriegerischen Dienstes hinaus. Man spricht nicht gern von Helden, denn dieses Wort ist durch ungebührlichen Gebrauch geschändet – hier wäre es am Platze.
Die feindliche Artilleriewirkung verstärkte sich mehr und mehr auf den Wald von Avocourt. Warme Verpflegung war unmöglich. Die Gräben wurden flache Mulden oder verschwanden im Trichterfeld. Nickgraben, Bayernhorn und T hatte am meisten zu leiden. Am 29. März schwoll das Feuer zum Trommelfeuer an; feindliche Infanterie zeigte sich vor der Achselklappe. An diesem Tage fielen Leutnant Krau? und Leutnant Elsas des III. Batl., hervorragende Soldaten, liebenswürdige Kameraden und treffliche Menschen. Ein Angriff gegen die Achselklappe unterblieb; dagegen verlor das I.-R. 193 unserer 192. Inf.-Div. die Südostecke des Waldes gegen das 20. französische Regiment. Das Wetter verschlechterte sich mehr und mehr. Es goß in Strömen. Die Gesundheit der Leute litt, die blutigen Verluste häuften sich. Jeder Meldegang, jeder Gang zum Essenfassen, zum Materialtransport ward zur Hölle. Aber man ließ nicht nach. In den Feuerpausen schaffte man wie wild, die Stellung wenigstens gangbar zu erhalten, die Granattrichter über den Stollen mit Steinen aufzufüllen.“

aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922
Bild: Staatsarchiv Ludwigsburg


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