„Der
Kommandeur des I. Bataillons – Fürst Zeil – setzte seine letzte Reserve, zwei
ihm unterstellte Kompanien des Bereitschaftsbataillons (5. und 6. Kompanie)
ein, der Kommandeur des II. Bataillons – Hauptmann Franke – seine letzte
Kompanie, die 8. Die außerordentlich schwache 7. Kompanie blieb im Bahndamm als
Rückhalt zurück. Die vorstoßenden Kompanien mußten das englische Abriegelungsfeuer
durchschreiten – ganze Gruppen rissen die feindlichen Granaten hinweg – aber
sie erreichten die vorne um ihre Gräben kämpfende Besatzung.
Das
hin- und herwogende Nachtgefecht, der Wechsel von Gegenangriff, Ausweichen,
Wiedervorstürmen, Wiederverlieren und Wiedernehmen eines Grabenstückes flaute
erst ab, als das erste Morgenlicht hinter den Bergen von La Boisselle
empordämmerte. Erschöpft schwieg dann auf beiden Seiten die Kampftätigkeit.
Als
es hell wurde, lag der Engländer in K 1 des I. (rechten) Bataillons und dem
Vor-postengraben des III. (linken) Bataillons.
Der
stellvertretende Regimentsführer, Major Reich, befahl daher als das vorerst
Not-wendigste das Ordnen der durcheinandergekommenen Verbände. Sollte nicht die
ganze Front bei Albert zusammenbrechen, so mußte zunächst die jetzige Linie des
Regiments gehalten werden. Dann erst, wenn für alle Fälle geschlossene Kampfeinheiten
bereit stünden, sollten Stoßtrupps die verlorenen Gräben aufrollen.
Die
einzige Reserve des Regiments war die 7. Kompanie. Diese war aber so schwach,
daß sie nur als Sicherheitsbesatzung für den Bahneinschnitt verwendet werden
konnte. Die Division stellte daher dem Regiment das III./478 unter Hauptmann
Rösler zur Verfügung. Es waren – 65 Mann; die anderen waren grippekrank.
Auch
mit dieser „Streitmacht“ war ein planmäßiger Gegenangriff aussichtslos. Es
blieb also nichts übrig, als mit Stoßtrupps dem Gegner zu Leibe zu rücken. Und
der Unter-nehmungsgeist der kleinen Stoßtrupps bewährte sich glänzend. Um 4 Uhr
nachmittags drang Leutnant Bräuchle mit Teilen der 8. und 6. Kompanie von Punkt
C aus, jede einzelne Schulterwehr mit Handgranaten erkämpfend, im K 1 nach
Norden vor bis zum Punkt B. Sergeant Engst half dabei mit seinem leichten
Minenwerfer kräftig mit. Um 9.30 Uhr abends brach Leutnant Hiller mit
Mannschaften der 4./122 und des III./478 beim Maschinengewehrnest Adam in den K
1 und drängte den Gegner im Graben nach Punkt B zu. Eingezwängt zwischen die
Handgranatensalven der Stoßtrupps des Leutnants Hiller und Bräuchle und
bearbeitet von dem Minenfeuer des Sergeant Engst, begann der Feind allmählich
zu wanken: um 10.15 Uhr abends rannte die ganze englische Besatzung übers freie
Feld zurück. Das deutsche Maschinengewehrfeuer riß blutige Lücken in die
flüchtenden Reihen. Eine englische Kompanie wollte die Aus-reißer wieder
vorreißen. Als ihr aber von allen Seiten deutsches Feuer entgegenschlug, kehrte
sie wieder in den Vorfeldgraben zurück.
Damit
war am 1. Juli abends der Kampfgraben wieder in der Hand des Regiments. Nur im
Vorpostengraben saß noch der Feind.
Am
3. Juli, bei beginnender Nacht, büßte der Engländer auch diesen Graben vollends
ein. Die englische Besatzung erlag dem Ansturm von Teilen des
Infanterie-Regiments 479 und den Stoßtrupps des Jäger-Sturmbataillons 3. die
dem Regiment unterstellt worden waren. Klar und sicher hatte Major Reich den
Gegenangriff angelegt – tapfer führten die Sturmtruppen ihn aus. Was dem
Bajonett und den Handgranaten nicht wich, vertrieben die Flammenwerfer.
In
der genommenen Stellung sah es fürchterlich aus. An einer Stelle hatten die
Eng-länder ihre Toten benützt, um mit ihnen den Graben abzudämmen. Viele
Gefallene waren in der Hitze schon in Verwesung übergegangen. Andere waren nur
lose mit Erde bedeckt, so daß Köpfe, erstarrte Hände und Füße aus dem Boden
hervorragten. Ein fast unerträglicher Leichengeruch verpestete die Luft.
Auch
mancher Kamerad wurde unter den Toten vorne wiedergefunden. Im Vorposten-graben
der 1. Kompanie lag, das Gewehr noch krampfhaft in der Hand, Sergeant Kappler,
einer der Tapfersten des Regiments. Seine Brust war von Bajonettstichen
durchbohrt. Das Eiserne Kreuz 1. Klasse glänzte noch an dem blutgetränkten
Waffen-rock. Neben ihm lag, im Handgemenge gefallen, fast die ganze
Vorfeldbesatzung der 1. Kompanie. Die 3. Kompanie suchte mehrere Nächte lang
nach ihrem Kompanieführer, Leutnant d. R. Kern. Er war beim Gegenstoß im
Zwischengelände schwer verwundet zusammengebrochen und ist bis auf den heutigen
Tag verschollen geblieben.“
aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz
Joseph von Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg
1914–1918“, Stuttgart 1921
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