Sonntag, 28. Juni 2015

28. Juni 1915


„Der 27. Juni verläuft auffallend, fast unheimlich, ruhig, doch um 2 Uhr morgens geht die Hölle los. Granate auf Granate heult heran, Schrapnells pfeifen über den Graben, Leute werden verschüttet und wieder ausgegraben. Qualm und Sand füllt die ganze Stellung. Alles kauert am Grabenrand, das Gewehr in der Faust. Die M.-G. schütten Wasser durch ihre versandeten Gewehre, um sie wieder feuerbereit zu machen. Teilweise in zehn Glieder tief stürmen sie heran, doch vergebens. In hervorragender Weise haben besonders die 3. und 4. Kompagnie mit den M.-G. den Angriff unter schweren Verlusten abgewiesen. Im Sturmschritt eilten die Reservekompagnien mit aufgepflanztem Seitengewehr zur Unterstützung heran. Der Feind hat genug. Die strahlend aufsteigende Sonne zeigt die Russen im wilden Zurückfluten; mühsam kriechend suchen die Verwundeten Deckung. Die russischen Gefangenen sehen aber mit Entsetzen im Gesicht und verstört auf unsere Regimentsnummer!
Bei der Abwehr des überaus starken russischen Angriffs hat sich außer den vorerwähnten Kompagnien noch besonders der Gewehrführer Unteroffizier Blaich der M.-G.-K. hervorgetan. Vor seinem Gewehr lagen die zusammengeschossenen Angreifer in großer Zahl. Während des Hauptangriffs versagt sein Gewehr. Durch den Einschlag von Granaten in unmittelbarer Nähe werden zwei Mann seiner Bedienung und das Gewehr selbst außer Gefecht gesetzt. Der tapfere Blaich verliert die Ruhe trotz der gebotenen Eile nicht. Wie auf dem Schießstand macht er den notwendig gewordenen Lauf- und Schloßwechsel und ist gerade damit fertig, als der Feind noch wenige Sprünge von seinem Gewehr entfernt ist! – Nur Kaltblütigkeit, Entschlossenheit und ein tapferes Herz kann solche Leistungen in solcher Lage vollführen. Als Lohn war ihm das E. K. I zugedacht, doch fiel der tapfere Held noch vor der Verleihung wenige Wochen später bei Katschka.“


aus: „Das Infanterie-Regiment „Alt Württemberg“ (3. Württ.) Nr. 121 im Weltkrieg 1914–1918ׅ, Stuttgart 1921

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