Dienstag, 15. Dezember 2015

15. Dezember 1915


„Wo früher die schmale Sappe gegen das Eierwäldchen vorstieß, da lag jetzt, seit dem 25. September, der große Sprengtrichter mit seinem geheimnisvollen See und seinem feuchten Massengrab im Grunde. Wo man nach der Sprengung nur über Berge von Lei-chen unter ständiger Bedrohung durch die feindlichen Maschinengewehre zum Trichter-eingang sich hatte vorarbeiten können, da gab es jetzt teilweise auf Betongrund aufgebaute Brust- und Rückenwehren, wo nach den Oktober- und November-Regengüs-sen die Verbindung zwischen den einzelnen Grabenstücken nur über schwimmende Balken möglich gewesen war, wenn man nicht bis übers Knie in Schlamm und Wasser waten wollte, da konnte man nunmehr trockenen Fußes über saubere Lattenröste wan-deln, unter denen das Wasser in Holzrinnen munter in die neu angelegten Sammel-schächte und Entwässerungsgräben strömte.
Auch die englische Stellung bot ein wesentlich verändertes Bild. Zwischen Eisenbahn und Eierwäldchen reihte sich Sprengtrichter an Sprengtrichter, zwischen deren grotes-ken Erdschollen die Trümmer des einst so starken englischen Drahtverhaus und Well-blech- oder Balkenzacken ehemaliger Unterstände in die Luft ragten.
Auch die Gefechtsaufgaben waren neue. Man befürchtete englischen Gasangriff, in Verbindung mit neuen Sprengungen. Erhöhte Alarm- und Gefechtsbereitschaft wurde angeordnet. Rege Patrouillentätigkeit setzte ein. Erleichtert wurde dies alles durch den zunehmenden Mond, wie überhaupt der Grabensoldat das Wetter und die Mondver-hältnisse dauernd studierte, weil seine nächtliche Tätigkeit sehr davon abhängig war. Von morgens 5 Uhr ab, wenn der Mond sich zum Untergang neigte, stand die ganze Kompagnie mit aufgepflanztem Seitengewehr in erhöhter Gefechtsbereitschaft im Gra-ben, Handgranaten und Leuchtpistolen bereitgelegt, um jeden feindlichen Angriffsver-such zu vereiteln. So war es nicht bloß bei der 8., so war es bei allen Kompagnien an gefährdeter Stelle. Mit anbrechendem Tageslicht wurde diese erhöhte Gefechtsbereit-schaft aufgehoben. Es trat die typische Morgenruhe ein.
Den Patrouillen kam der Horchpostenstollen zugute, der noch nicht lange vom Trichter aus gegen den englischen Trichter II vorgetrieben worden war und in eine zwischen den beiden Trichtern befindlichen Granatloch mündete. Von dem Ende dieses Stollens aus konnte man bequem den Trichter II übersehen. Von 2 Beobachtungsscharten zu beiden Seiten des Trichtereingangs aus konnte man die englische Stellung rechts der Bahn genau beobachten mit ihren Wabengräben und ihren zahlreichen Unterständen, in denen zuweilen ein reger Verkehr herrschte. Die Beobachtung über das Drahtverhau hinweg und die Horchpatrouillen durch den Stollen wurden von Tag zu Tag forscher, ja es wurde ein regelmäßiger Beobachtungsdienst bei Tage und bei Nacht nach dem engli-schen Trichter eingerichtet, mit dem Ergebnis, daß derselbe bei Tage unbesetzt, bei Nacht nur schwach besetzt war. Die Stellung hinter dem Trichter II erwies sich dagegen als stark besetzt. Hier, bei der sogenannten „Sandsackburg“ zeigten sich die Engländer mit großer Unverfrorenheit, büßten diese allerdings häufig mit dem Leben, wenn ein wohlgezielter Schuß unserer aufmerksamen Scharfschützen saß.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

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