„Den
Wiedereroberungsversuch des Granathofs am 26./27. Dezember 1914 schildert der
Pionier Friedr. Frey, der den Sturm unter Leutnant Eberhard in der Gruppe des
Gefr. Nagler mitmachte, folgendermaßen:
„Am 26.
Dezember nachts ½12 Uhr wurde uns durch Herrn Leutnant Eberhard mitgeteilt, daß
wir uns am andern Morgen um 6 Uhr bereit halten müßten zum Sturm auf den
Granathof, den die Franzosen am 24. Dezember besetzt hatten. Wir brachten
deshalb unsere Sachen in Ordnung und sahen unsere Handganaten, von denen jeder
Mann 2 Stück mitbekam, nach. Am andern Morgen um 6 Uhr wurden wir geweckt und
rückten ab in unserer Stellung gegenüber dem Granathof. Es war dunkel, aber
sternenklar. Unsere Gruppe besand aus 8 Mann und 1 Gefr. als Gruppenführer.
Außerdem war bei uns noch Herr Leutnant Eberhard. Als alle ihre Stellungen
eingenommen und wir unsere Seitengewehre aufgepflanzt hatten, leitete die
Artillerie den Sturm mit schwerem Granatfeuer ein um 7.30 Uhr vormittags. Nachher
schossen die schweren Minenwerfer und es war unheimlich, diese schweren Kolosse
in die Luft steigen und drüben wieder herabfallen zu sehen. Man konnte ihre
Flugbahn genau verfolgen, da man die glimmende Zündschnur sah. Die Wurfminen
explodierten mit furchtbarem Getöse und erzeugten einen solchen Luftdruck, daß
uns hüben, die wir ca. 60 Meter davon entfernt waren, der Kopf davon benommen
wurde. Diese ganze Einleitung dauerte ungefähr 10 Minuten. Endlich kam dann der
Befehl: ,Pioniere zum Sturm vorgehen.‘ Ich hatte schon vorher eine
Ausfallstaffel aus Sandsäcken aufgebaut und half als erstem Herrn Leutnant
Eberhard raus; dann folgten ich, Bühler, Geiwitz, Schauffler und einige
freiwillige Infanteristen. Es waren 2 Kompagnien Infanterie zum Sturm angetreten.
Wir stürmten sofort los, als erster Herr Leutnant Eberhard, links von ihm ich,
rechts Bühler. Nach ungefähr 20 Schritten schrie Herr Leutnant Eberhard auf: ,O,
ich bin getroffen!‘ und sank vornüber. Er rief uns noch zu: ,Weiter Kameraden,
drauf, drauf!‘ dann hörte ich nichts mehr von ihm. Bühler sprang zu ihm hin und
schaffte ihn zurück und kam nachher wieder zu uns und schrie uns zu, daß Herr
Leutnant nur leicht verwundet sei, was leider nicht zutraf. Ich war inzwischen
mit meinen Kameraden weitergestürmt und wir kamen glücklich drüben vor der
feindlichen Stellung an. Hindernisse gab es glücklicherweise nicht, da weder
die Franzosen noch wir wegen der nahen Entfernung (60 Meter) solche anbringen
konnten. Ich kniete vor einer niederen Mauer zwischen zwei Schießscharten
nieder und warf meine Handgranaten. Ich hatte außer den zweien, die mir
gehörten, in die Stellung noch 2 Behelfshandgranaten mitgenommen, welche ich an
der Streichholzschachtel anzuzünden versuchte. Dies ging nicht, weil die Zündhölzer
feucht waren. So versuchte ich es mit meinem Benzinfeuerzeug und da gelang es.
Ich warf alle 4 über die Mauer hinweg in den französischen Schützengraben und
hörte sie mit lautem Krach explodieren. Nun war rechts von mir in der Mauer
eine Bresche und dort nahmen wir fünf (3 Pioniere und 2 Infanteristen) vor dem
französischen Schützengraben Deckung und schossen, was aus dem Gewehr
herausging. Wir mußten Verstärkung abwarten, da wir zu wenig waren. Auf einmal
schrie Bühler, der bereits auf der Deckung lag, ,Ich bin getroffen!‘ Ich kroch
zu ihm hin; er hatte einen Schuß im Oberarm. Ich wollte ihn zurückschaffen,
aber er sagte, er könne selbst zurückkriechen. Nun war rechts von der Bresche
direkt an der Mauer ein Strohhaufen, und da durchzuckte mich blitzartig der
Gedanke, da könntest du den Franzmann ausräuchern. Ich mußte mit einem Sprung
über die Deckung weg und kam glücklich drüben an. Das Benzinfeuerzeug heraus
und angezündet war das Werk eines Augenblicks. Dabei pfiffen die feindlichen
Kugeln wie wahnsinnug um meinen Kopf und war ich wie betäubt von dem
furchtbaren Geknatter. Aber wunderbarerweise blieb ich verschont, nur einen
leichten Streifschuß am linken Oberarm bekam ich ab. Der Strohhaufen kam leider
nicht zum Brennen, trotzdem ich’s zweimal versuchte, da derselbe sehr naß war.
Jedenfalls hatten ihn die Franzosen mit Wasser begossen. Ich mußte nun zurück in die Bresche, da ich plötzlich von
oben Feuer bekam; als ich in die Höhe sah, stand oben so ein Franzmann und
pulverte, was das Zeug hielt. Ich legte auf ihn
an und plötzlich war er verschwunden. Wie ich wieder laden wollte, bekam
mein Gewehr plötzlich einen Schlag, es klirrte etwas an meinem Kopf vorbei; wie
ich danach sah, hatte mir ein Franzose mein augepflanztes Seitengewehr in der
Mitte abgeschossen; die Kugel galt meinem Kopf und ich danke unserem Herrgott,
der mich so wunderbar beschützte. Nun kroch ich wieder zu Bühler hinüber, um
nach ihm zu sehen. Aber er war nicht mehr da. Ich dachte mir, entweder ist er
selbst zurückgekrochen oder haben ihn die Franzosen während des wahnsinnigen
Schießens zu sich hinübergezogen. Ich bekam nun von hinten, von Herrn Hauptmann
Neiniger, 6 Kugelhandgranaten zugeworfen, die ich natürlich sofort weiterbeförderte,
dem 1. Franzmann in seinen Schützengraben. Er war nicht sehr erbaut davon, denn
sein Schießen ließ etwas nach. Leider war ich mit Geiwitz nur noch allein an
der Bresche, da Bühler und Schauffler verwundet oder gefallen waren und wir von
rückwärts keine Verstärkung erhielten. Einige freiwillige Infanteristen hielten
wacker bei uns aus. Auf einmal kam der Befehl von rechts: Stopfen, alles
langsam zurückgehen, und so blieb uns nicht anderes übrig, als von Granatloch
zu Granatloch zurückzuspringen. Die Franzosen schickten uns rasendes
Infanteriefeuer nach, aber selber trauten sie sich doch nicht, zu folgen. Als
wir wieder ins unserer Stellung waren, erfuhren wir, daß unser lieber Herr
Leutnant Eberhard sterben müsse. Und wirklich, nach einer Stunde war er schon
tot. Ehre seinem Andenken. Ich selbst war Gott sei dank unverwundet,
ausgenommen einen leichten Streifschuß am linken Oberarm, den ich erst nachher
bemerkte. Für die Teilnahme an diesem Sturm erhielt ich mit noch mehreren
Kameraden das Eiserne Kreuz II. Klasse und trage diese hohe Auszeichnung in dem
stolzen Bewußtsein, mein Leben für unser alles geliebtes Vaterland eingesetzt
zu haben.ׅ“
Von den
Begleitern Freys wurde Bühler vermißt, der Pionier (Fahnenjunker) Schauffler
war schwer verwundet und starb. Leutnant d. R. Tochtermann, der mit 2 Gruppen
der Kompagnie in den Granathof eingedrungen war, wurde mit 2 Unteroffizieren
und 2 Pionieren schwer verwundet. Der Sturm selbst mißlang, wohl weil die
Infanterie nicht rechtzeitig einsetzte.“
aus: „Das württembergische Pionier-Bataillon Nr. 13 im
Weltkrieg 1914-1918“, Stuttgart 1927
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