„Am 8. 1.
teilte der Kommandeur des I./L. 123, Major Sprandel, seinen Kompagnieführern
mit, das Bataillon habe soeben vom Regiment eine ehrenvolle Aufgabe erhalten:
„am 9. 1. sei die Höhe des Hartmannsweilerkopfes unter allen Umständen,
Jägertanne wenn irgend möglich zu nehmen; die gewonnenen Stellungen seien stark
zu befestigen, so daß ein Wiedernehmen durch den Gegner unter allen Umständen
ausgeschlossen sei“ (Regimentsbefehl).
Zu dem
Angriff wuden dem I. Bataillon Pioniere, ein Maschinengewehrzug und zwei
leichte Minenwerfer zugeteilt. Die Artillerie des Abschnitts unter Major Abel
sollte den Sturm durch ein Wirkungsschießen auf die vom Feind besetzten Gipfel
unterstützen. Gleichzeitig hatte III./L. 123 zur Erleichterung des I.
Bataillons einen Vorstoß auf den Sudelkopf zu machen.
Der
Angriff wurde am 9. Januar, 12.40 Uhr nachmittags, von den deutschen Geschützen
eröffnet. Leider war die Artilleriebeschießung viel zu schwach und viel zu
kurz. Nur 40 Minuten waren dafür vorgesehen, und damit sollte die Stellung
„sturmreif“ gemacht werden! Auch lag das Feuer schlecht. Die Artillerie war an
Gebirgsschießen nicht gewöhnt; die Witterungseinflüsse waren so stark, daß fast
alle Schüsse entweder zu kurz oder zu weit gingen. Dadurch wurden die
Sturmkolonnen teilweise schwer belästigt, teilweise wurde die feindliche
Stellung überschossen. Ebenso ungenügend war das Feuer der leichten
Minenwerfer. Punkt 1.20 Uhr nachmittags stürmten die Kompagnien los, die 1./L.
123 von Süden, die 4. von Osten, die 2. von Westen. Die 3. Komp. blieb zunächst
in Reserve. Das Sturmgepäck auf dem Rücken, das Gewehr in der Hand, bahnte sich
die Infanterie durch Schnee und Eis den steilen Waldeshang hinauf den Weg.
Rasch ging’s voran. Der Feind, der (durch Verrat der Landesbewohner?) vom
Angriff genaue Kenntnis hatte, war ausgezeichnet im dichten Wald versteckt. Auf
hohen Tannen saßen, von Zweigen eingehüllt und unsichtbar, auserlesene
Scharfschützen, die mit wohlgezieltem Einzelfeuer die nichts ahnenden Angreifer
empfingen. Trotzdem gelang es der 1. und der 4. Komp., die Kuppe zu erreichen
und bis auf 20 m vor den starken Drahtverhau der festungsartigen Stellung
heranzukommen. Die 2. Komp. geriet zu weit nach Osten und schob sich hinter die
1. Komp., so daß die Umfassung nicht zur Durchführung kam. Nun eröffnete der
gut verschanzte Feind das Feuer, das aus der Flanke verheerend wirkte. Schwere
Verluste traten ein. Der tapfere Major Sprandel, der, den Degen in der Hand,
hinan gestürmt war, wurde von den scharfen Augen eines Baumschützen sofort
erkannt und schwer verwundet. Nach 20 Minuten hauchte er seine Seele aus. Die
Führung des Bataillons fiel Hauptmann Graf zu, der sich bei den Leuten seiner
1. Komp. in der vordersten Linie befand. Er wollte nun, den Plan der Umfassung
wieder aufnehmen, die 2. Komp. nach Westen schieben und dann mit dem Bajonett
die Stellung stürmen. Es war nicht auszuführen. Zu stark und tief war das
Drahtverhau, zu wohl versteckt der Gegner; zu rasend das Feuer, das er den
Stürmenden, die sich in den hart gefrorenen, felsigen Grund nicht einzugraben
vermochten, entgegenschleuderte. Die „Feuerüberlegenheit“ war auch mit den
Maschinengewehren nicht zu erreichen. Es rächte sich die Wirkungslosigkeit des
Feuers unserer Artillerie. Die Zahl der Toten und Verwundeten mehrte sich. So
geriet der Angriff ins Stocken. Noch einmal versuchte Hauptmann Graf um 4.20 Uhr
den Sturm zu wagen. Er scheiterte am wohlgezielten Feuer der berggewohnten
Alpenjäger. Da erteilte schließlich General v. Dinkelacker dem Bataillon vom
Tale aus telephonisch den Befehl, das Gewonnene zu halten und zu befestigen.
Das Ziel des Tages war nicht erreicht.
Die
Stellung und die Stärke der feindlichen Besatzung war viel stärker, als die
Führung geglaubt hatte. Ohne stärkere und bessere Artilleriekräfte und ohne ein
exaktes Zusammenarbeiten dieser mit der Infanterie mußte ein solcher Angriff
fehlschlagen. Immerhin aber war auf der Kuppe des Berges win Bodengewinn von
258 m zu verzeichnen und mittelbar war dadurch erreicht, daß die eigene
Artillerie am Osthang des steilen Berges sich aufstellen und zur Bekämpfung des
Hirzstein beitragen konnte. Auch war dem Gegner eine weitere taktische
Ausnutzung des in die Rheinebene vorspringenden Berges sehr erschwert.
Aber
dieser Gewinn war sehr teuer erkauft. Die Infanterie mußte, wie so vielfach zu
Beginn des Krieges, ihn teuer bezahlen. Gefallen sind Major Sprandel und Leutnant
Brehme, sowie 35 Mann; mutig waren sie in den Tod gegangen. Schwer verwundet
wurden Hauptmann Herzog, der tapfere und allseits beliebte Führer der 4./L.
123, die Leutnants Sanders (zum zweiten Male), Speketer, Locher, Wergo und 73
Mann. Es war ein schwerer Tag des I. Bataillons gewesen, aber hell leuchtet das
todesmutige Vorgehen und die zähe Ausdauer der braven Wehrleute in der
Geschichte des Regiments. Die ganze Nacht blieb das Bataillon vor dem Feinde,
in bitterster Kälte – 10 Grad R des Nachts – und in 60 m hohem Schnee liegen. So gut als möglich grub
man sich ein oder setzte aus Steinen, Eis und Schnee eine Brustwehr auf.
Der Vorstoß des III./L. 123, der den Angriff des I. Bataillons
begleitete, verlief planmäßig und kostete wenig Blut (nur 2 Mann verwundet).
Das Armeeoberkommando sah nun ein, daß es andere Mittel bereitstellen
mußte, um zum Ziel zu gelangen, wollte es nicht die Kräfte des Landw.-Inf.-Reg.
123 völlig verbrauchen. Das I./L. 123 und die 8./L. 123 wurden zurückgezogen.“
aus: „Das Württembergische Landw.-Inf.-Regiment Nr.
123 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1922
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