„Am
Vormittag des 5. Januar beschossen die Batterien der 26. und 35. Division,
darunter1 Mörser- und 7 schwere Batterien, das Grabenstück vor dem I.
Bataillon, wo der Einbruch in die feindliche Stellung erfolgen sollte. Dieser
war auf 1.45 Uhr nachmittags festgesetzt. Als Zeichen, daß um diese Zeit das
eigene Artilleriefeuer auf die rückwärtigen Stellungen der Russen sprang,
sollte ein Minenwerferzug – damals noch etwas ganz Neues!.– eine Salve auf den
russischen Graben abgeben. Hierauf wollte die Infanterie möglichst in einem
Sprung in die feindliche Stellung einbrechen.
Das Feuer
lag den ganzen Vormittag über gut auf den gegnerischen Gräben. Das eigentliche
Wirkungsschießen setzte gegen 11 Uhr ein. Oberst von Triebig befahl, daß das
II. Bataillon dem I. beim Sturm unmittelbar sich anschließen sollte, und daß
das in Reserve befindliche III. Bataillon dem Angriff so dicht zu folgen habe,
daß es jederzeit zum Eingreifen bereit war. Major Wolff rückte daher gegen ½1
Uhr nach der Gegend des Dorfes Zylin und stellte von dort aus seine Kompanien
im dritten Graben des Regimentsabschnitts bereit.
Um 1 Uhr
ist die russische Stellung in dichte Rauchschwaden gehüllt. Ab und zu sieht man
aus dem Dunst und Dampf unter ohrenbetäubendem Knall eine hohe Rauchsäule aus
der Erde zischen. Die Mörsergranaten sind mitten in der Arbeit. In der Nähe des
Weges fliegt ein Unterstand in die Luft, deutlich erkennt man die aus dem
Graben geschleuderten Balken und Bretter. Einmal wird gemeldet, eine feindliche
Befehlsstelle sei getroffen worden. Genau habe man zahllose Karten und Papiere
aus der Erde fliegen sehen. Es war aber nur eine Latrine gewesen. Von den
Russen ist nichts zu sehen, alle haben sich tief verkrochen.
Kurz vor ¾2
Uhr schießen die Minenwerfer ab. Ein dröhnender Knall. Unmittelbar darauf
stürzen die Kompanien des I. Bataillons in den feindlichen Graben. Hier und
dort will sich noch ein Russe wehren. Aber umsonst! Schon stehen die Füsiliere
am Grabenrand. Nach wenigen Sekunden ergeben sich die Russen scharenweise. In
10 Minuten sind über 600 Gefangene gemacht und 6 Maschinengewehre erbeutet.
Eines davon hat der zugeteilte Pionierzug erobert.
Auf dem
linken Flügel hatte die 5. und 6. Kompanie den Sturm mitgemacht und ebenfalls
einige hundert Russen gefangen. Ja auch Teile des III. Bataillons – wie die 11.
und 12. Kompanie – hatten sich nicht mehr halten lassen, sondern waren mit nach
vorne gestürmt.
Die
Russen zogen sich gegen die Sucha zurück. Oberst von Triebig befahl, dem Feind
bis an die Häuser von Dorf Sucha zu folgen, dann aber zunächst nicht weiter
vorzugehen, da die 51. Infanterie-Brigade ihre Stellungen nur auf dem rechten
Flügel überschritten und starker Gegner nach wie vor noch Vorwerk Zylin besetzt
hatte. Auch beim rechten Nachbarn, dem Infanterie-Regiment 176, war die Lage
gegen 3 Uhr durchaus noch nicht geklärt. Die bisherigen Kampftage hatten aber
zur Genüge gelehrt, daß im Gefecht mit den Russen eines erstes Erfordernis war:
die dauernde Wahrung des Anschlusses nach rechts und links. Auch siegreiche
Teilstöße einzelner Abteilungen – selbst in der Stärke von Brigaden – die den Russen
noch so empfindlich trafen, wußte er mit der Masse der ihm zur Verfügung
stehenden Reserven von beiden Seiten zangenartig zu packen und zu erdrücken,
sobald die Flanken des Angreifers nicht durch festen Anschluß der
Nachbartruppen gesichert waren.
Das Dorf
Sucha sollte also nicht überschritten werden. Die sehr durcheinander geratenen
Kompanien wurden neu eingeteilt und das II. Bataillon als Reserve im alten
Graben östlich Zylin gesammelt. Das II. Bataillon lag links, das I. rechts,
dicht bei den ersten Häusern von Sucha. Zwischen beiden Bataillonen aber war
eine 150–200 Meter breite Lücke. Die Bataillone erhielten zwar Weisung, ihre
inneren Flügel so zu verlängern, daß diese gefährliche Lücke ausgefüllt würde.
Vielleicht wäre es auch besser gewesen, gleich eine neue Kompanie an dieser
Stelle einzusetzen. Jedenfalls aber wurde die Lücke nicht mehr, oder nur
mangelhaft geschlossen.
Bei
Einbruch der Dunkelheit schien der Russe sich mit den Hauptkräften auf das
nordöstliche Sucha-Ufer zurückgezogen zu haben. Unsere Patrouillen stießen
gegen ½7 Uhr abends diesseits des Baches nur noch auf schwächere feindliche
Streifabteilungen. Kurz nach 7 Uhr wurde das II. Bataillon aber plötzlich von
starken Kräften angegriffen und mit seinem linken Flügel auf die alte russische
Stellung zurückgedrängt. Dort wurde der Angriff abgewiesen, und es trat wieder
Ruhe ein. Um 10 Uhr indessen brach der Russe mit dicken Haufen aus Sucha
heraus gegen das I. Bataillion vor. Offenbar drängten auch starke feindliche
Kräfte durch die noch vorhandene unglückselige Lücke zwischen den beiden
Bataillonsflügeln hindurch. Denn das Bataillon Bürger sah sich plötzlich auf
seinem linken Flügel durchbrochen und mußte auf den am Nachmittag erstürmten
ersten Russengraben zurückweichen. Hier aber wurden die anstürmenden Kolonnen
des Gegners, der während der Nacht noch viermal anzugreifen versuchte, unter
großen Verlusten abgewiesen. Der Führer der Maschinengewehrkompanie, Leutnant
Maentel, der sich hierbei besonders auszeichnete, wurde schwer verwundet. Die
10. und 11. Kompanie, die bei den Angriffen des Feindes in das II. Bataillon
eingeschoben worden waren, trugen unter ihren Führern, Leutnant Wolf (Emil) und
Leutnant d. R. Schaffert, ebenfalls in hervorragender Weise zur Abwehr der
Angriffe bei.
Eigentümlich
war bei diesen Nachtangriffen der Russen, daß viele Leute der angreifenden
Abteilungen nicht mit Gewehren, sondern mit Knüppeln bewaffnet waren. Als es
hell wurde, zeigte sich, daß man starken russischen Abteilungen etwa 400 Meter
gegenüberlag, die sich an den südlichsten Häusern von Sucha festgesetzt hatten.
Der Angriff am 5. Januar hatte also zwar einen Erfolg gebracht, bei dem das
Füsilier-Regiment sich in Besitz des ersten russischen Grabens gesetzt und dem
Feind 1000 Gefangene mit 6 Maschinengewehren abgenommen hatte. Das eigentliche
Ziel des Angriffs, den Gegner über die Sucha zu werfen und dadurch die
Vorwärtsbewegung der 26. Division wieder in Fluß zu bringen, hatte aber infolge
des Eingreifens starker feindlicher Reserven nicht erreicht werden können“
aus: „Das Füsilier-Regiment Kaiser Franz Joseph von
Österreich, König von Ungarn (4. württ.) Nr. 122 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart
1921
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