„Die Eroberung des
Hartmannsweilerkopfes am 20. und 21. Januar wirkte sich
auf die Regimentsfront am 27. Januar insofern aus, als die Franzosen
versuchten, das Glück noch einmal zu wenden und die Kanalstellung bei
Ammerzweiler im Raume von Altkirch aufzureißen. Alle diese Kämpfe sind als
Ausläufer des großen Joffreschen Angriffs und der deutschen Gegenkämpfe zu
betrachten, die mit Ende des Januar die französische Angriffsbewegung scheitern
ließen.
Man hatte hier unten den Franzosen auf den 27. Januar,
Kaisers Geburtstag, nichts Gutes zugetraut. Der Fernsprecher meldete schon in
der Frühe in die Gräben von einem bevorstehenden Angriff bei Ammerzweiler. Aus
dieser Gegend hört man auch bald Kanonendonner und Infanteriefeuer.
Aber man sollte im Regimentsabschnitt nicht unbeteiligter
Zuschauer bleiben. Kurz nach 10 Uhr
vormittags setzt bei kaltem, unsichtigem Wetter feindliche Artillerie von
Largitzen her auf die Stellungen der 2. und 3. Kompagnie ein. Bald griff das
Artilleriefeuer auf die Stellungen des II. Bataillons am Landfürstenweiher über
und steigerte sich gegen 1 Uhr äußerst heftig, um dann allmählich abzuflauen.
Ähnlich war es dem III. Bataillon um Carspach ergangen:
Hier werden die Schützengräben von starkem Artillerie- und Infanteriefeuer
überschüttet. Es scheint, als ob die Franzosen hier zum Angriff schreiten
wollen. Ihre Schützenlinien traten aus dem Walde heraus, drehten aber alsbald
um, als unser Feuer ihnen entgegenschlägt.
Waren diese Unternehmungen wohl bloß als Ablenkung
gedacht, so erfolgte der Hauptangriff in dichtem Nebel um 11 Uhr im Raum von
Ammerzweiler bis zum Rhein-Rhône-Kanal. Hier stand auf dem rechten
Flügel des IV. Bataillons am Kanal bei Heidweiler die 3. Kompagnie des
Landsturmbataillons Freiburg II. Ihre Feldwache 1 am Übergang der Aspacher
Straße über den Kanal mußte sich vor überlegenen Kräften zurückziehen. Es
gelang dem Führer dieser Kompagnie, Hauptmann Leers, nicht, mit allen seinen
Leuten die verlorene Stellung wieder zu nehmen; er selbst wurde mit 2 seiner
Zugführer dabei schwer verwundet.
Dagegen gelang es der Feldwache 2 der 15. Kompagnie unter
Vizefeldwebel Breuninger, die auf dem rechten Flügel des Bataillons stand,
einen weiteren überlegenen Angriff der Franzosen aus dem Schönholz und
Lerchenholz durch wohlgezieltes Feuer aufzuhalten. Sie hielt wacker aus, obwohl
sie sich kurz vor 12 Uhr verschossen hatte. Gleich darauf setzte der Gegner zum
Sturme an; in diesem Augenblick kam durch Leutnant Schneider (4. Kompagnie),
der die Feldwache 3 innehatte, Munitionsersatz. Der feindliche Sturm brach nun
unter dem vollwirkenden Feuer der Feldwache zusammen und die Franzosen fluteten
in den Wald zurück. Sie hatten mindestens 25–30 Tote und eine entsprechende
größere Zahl Verwundeter liegen lassen müssen. Dem Gegner genügte diese Abfuhr.
Denn er erschien an dieser Stelle nicht mehr (Skizze 8).
Inzwischen hatte die Reservekompagnie des III. L. 119 vom
Regiment den Befehl erhalten, die vom Landsturm geräumte Stellung bei
Heidweiler wieder zu nehmen. 2 Züge der 11. Kompagnie unter Hauptmann
Rechkemmer gingen dorthin ab, 1 Zug der 16. Kompagnie und 1 Zug der
Landsturmkompagnie stießen zu ihnen zur Verstärkung. Die Franzosen hatten sich
inzwischen im eroberten deutschen Graben festgesetzt und hatten einen weiteren
Graben ausgehoben. Im Wäldchen selbst hatten sie bis an den vordersten Rand Drahtverhaue
angebracht. Diese Arbeiten glaubten sie durch 4 Maschinengewehre genügend
gesichert. Dies war die Lage, wie sie Hauptmann Rechkemmer, der seiner
Kompagnie im Auto vorausgefahren war, antraf. Um 5 Uhr nachmittags waren die
einzelnen Züge eingetroffen und gefechtsbereit. Die Züge der Landsturmkompagnie
und der 16. Kompagnie gingen im Reihenmarsch durch die engen Gassen des
Drahtverhaus am Ortsausgang von Heidweiler und entwickelten sich in breiten
Schützenlinien gegen das dem Schönholz östlich der Straße
Niederspechbach–Aspach vorgelegenen Wäldchen, in dem die Franzosen saßen. Der
rechte Flügelzug unter Vizefeldwebel Flaig, bei dem sich der Kompagnieführer
befand, lehnte sich mit seinem rechten Flügel an den Kanal an, der linke
Flügelzug unter Leutnant Lumpp sollte in den Raum von der Waldspitze bis zur
Straße, die von Heidweiler zum Lerchenholz führte, vorgehen. Zug Flaig kam
rasch vorwärts, der Nordostrand des Waldes war vom Gegner frei. Im Wald stieß
man aber sofort auf Drahtverhaue, hinter denen die vorgeschobenen Posten der
Franzosen auf 50 Meter Entfernung das Feuer aufnahmen. Maschinengewehr- und
Infanteriefeuer schlug hier den Vordrängenden entgegen. Während ein Teil das
Feuer aufnahm, gelang es einem anderen Teil rasch das Gewirr der Drähte zu
übersteigen. Im Sturm ging es über das Maschinengewehr her, die Vorposten
werden auf den Schützengraben dahinter zurückgeworfen. Den rasch nachdrängenden
Deutschen konnten die Franzosen auch hier nicht standhalten und die ungefähr 40
Mann starke feindliche Grabenbesatzung verließ fluchtartig ihre Stellung.
Kräftig schlug das Verfolgungsfeuer des rechten Flügels Flaig in ihre Reihen,
während sein linker Flügel unter Hauptmann Rechkemmer 2 weitere
Maschinengewehre im Sturme nahm und die Franzosen im Bajonettkampf aus ihren
Gräben hinauswarf. Man richtete sich sofort in diesem Teil des früheren eigenen
Grabens ein und es gelang, ihn gegen die feindlichen Angriffe, die sofort
wieder einsetzten, zu halten.
Leutnant Lumpp hatte sich indessen mit seinem Zug rasch
gegen die Waldspitze entwickelt und sie im Nu erreicht. Da schlägt ihm von vorn
heftiges Infanterie- und Maschinengewehrfeuer entgegen. Das kommt aus dem
weiter dahinter liegenden Waldrand, der sich nach links hinüberzieht. Will man
den neuen Gegner packen, so muß man über das freie Feld weg, das hier der
gegnerischen Stellung vorgelagert ist. So entschließt sich der Führer, seinen
Zug nach rechts in den Wald hereinzuziehen, um in ihm gedeckt gegen die
feindlichen Gräben weiter vorzukommen. So lassen sich unnötige Verluste
vermeiden. In dem schwer übersichtlichen Gehölz war rasch die Verbindung mit
dem Kompagnieführer hergestellt. Es gelang, den Zug ohne Verluste in den Wald
hereinzubringen, ihn auf die Höhe des Zuges Flaig vorzuführen und zu dessen
Verlängerung nach links vorzutreiben. Rasch wird der Graben von der Seite her aufgerollt
und besetzt. Da bemerkt ein Mann der 11. Kompagnie einen feinen Lichtschimmer,
der aus einem Unterstand kommt, den man im ersten Anlauf übersehen hatte. Rasch
beordert Leutnant Lumpp 5 Mann mit aufgepflanztem Bajonett an die Ausgänge. Er
selbst sprang mit einem mächtigen Satz in den Unterstand hinein unter die
verdutzten Franzosen, denen er den Revolver unter die Nase hält. Sie ergeben
sich schnell. Bei der Durchsuchung des Unterstandes wurde noch 1
Maschinengewehr gefunden, das vorher dem Zug bei seinem Vordringen Halt geboten
hatte. Die Gefangenen, ein Unteroffizier und 12 Mann, wozu weitere sich
totstellende, aber völlig unverwundete Franzosen hinzu kamen, wurden sofort
nach rückwärts gebracht, ebenso die vor und hinter dem Graben liegenden Verwundeten.
Der Graben wurde umgehend neu instandgesetzt und neue
Drahthindernisse angelegt. Zum Schutze dieser Arbeit waren Sicherungen bis an
die Aspacher Straße vorgetrieben worden, die alsbald mit den erneut
vorfühlenden Franzosen in ein längeres Feuergefecht gerieten. Um 1 Uhr nachts
wurde die 11. Kompagnie aus den von ihnen in glanzvollem Schwung genommenen und
gehaltenen Gräben herausgezogen, die nun die 15. Kompagnie übernahm. Gegen ½4
Uhr morgens trafen die beiden Züge der 11. Kompagnie wieder in ihrer Altkircher
Stellung ein. Sie durften stolz sein auf ihre Leistung. Die Franzosen hatten in
den wiedergewonnenen Stellungen 33 Tote, 24 Gefangene, 4 Maschinengewehre, 20
Infanteriegewehre, viel Munition und Schanzzeug zurückgelassen. Die Gefangenen
gehörten aktiver und Reserveinfanterie an, einige einer Pionierabteilung. Alle
waren kräftige, gut gebaute Gestalten. Viele verwundete Franzosen hatten noch
flüchten können und vor unsern Stellungen bedeckte eine größere Anzahl Toter
das Gefechtsfeld. An eigenen Verlusten hatte die Kompagnie 3 Tote, 4 Schwer-
und 9 Leichtverwundete gehabt. An der glanzvollen Durchführung des Unternehmens
gebührt auch der eigenen Artillerie mit ein Verdienst, da sie ihr Feuer
geschickt vor der vorgehenden eigenen Truppe vorausgeführt hatte.
Wie bei Heidweiler suchte der Gegner auch im Hirzbacher
Wald unsere Verteidigungslinie zu durchbrechen. Gegen 3 Uhr lebte hier das
Artilleriefeuer wieder auf. Die 2. Kompagnie beobachtete, daß der Gegner in der
Nähe der alten Largitzer Straße sich schanzend vorarbeitete und verschiedene
Patrouillen vorzutreiben suchte. Diese wurden, wo sie sich zeigten, unter Feuer
genommen. Sie suchten in einer Tannenschonung Schutz und in einer vor der
Stellung der 2. Kompagnie gleichlaufenden Mulde. Gegen 4 Uhr verstärkte sich
das Artilleriefeuer und griff wie am Morgen auf den Anschnitt des II.
Bataillons über, auch schwere Batterien hatte der Gegner in Stellung gebracht.
Um ½6 Uhr traten starke feindliche Linien zum Angriff vom
Gemeindeweiher bis über die alte Largitzer Straße hinaus an. Den Hauptstoß hatte
die 2. Kompagnie aufzufangen, die hier auf dem äußersten Flügel des Regiments
stand und die Grenze des Abschnitts decken mußte. Dem Gegner gelang es, im
Schutze jener Mulde sich nahe heranzuarbeiten und im Nu stand er vor dem
Drahthindernis, das er rasch an einer zirka 50 Meter breiten Stelle aufbrach.
Den vereinigten Anstrengungen der 2. und der 1. Kompagnie, die im starken
Artilleriefeuer von Hirsingen zu Hilfe geeilt war, gelang es nach erbittertem
Kampfe, den Angriff der Franzosen aufzuhalten und dem Gegner schwere Verluste
beizubringen. Während des Gefechtes konnten auf gegnerischer Seite
verschiedentlich anfeuernde Rufe der Führer und das Aufschreien der Verwundeten
vernommen werden. Die Franzosen wurden in ihre Ausgangsstellung zurückgeworfen.
Die 3. Kompagnie konnte mit gutsitzendem Flankenfeuer den beiden eigenen
Kompagnien wesentlich Entlastung bringen.
Nach 8 Uhr abends stießen die Franzosen erneut in der
Stärke von etwa 6 Kompagnien vor, die dem Regiment 372 angehörten. Umsonst! Ihr
Angriff brach in dem zusammengefaßten Feuer des I. Bataillons zusammen. Der
Gegner ging fluchtartig in seine Stellungen zurück. Etwa 100 tote Franzosen
bedeckten das Feld vor der Stellung, die Verwundeten nahmen die Franzosen im Schutze
der Dunkelheit mit sich. Dem gegenüber waren die eigenen Verluste äußerst
gering: 1 Toter und 6 Verwundete waren das ganze Opfer, das hier gebracht
werden mußte. Den Franzosen war die Lust zu weiterem Angriff auch hier
vergangen.
Der Erfolg des Tages wirkte außerordentlich belebend auf
die in den Dezembertagen so überaus hart mitgenommenen Mannschaften, die von
dem seelischen und körperlichen Druck jener harten Wochen trotz der neuen
schwierigen Aufgaben, die ihnen hier gestellt waren, sich rasch zu erholen
begannen. Man hatte wiederum erleben dürfen, daß schwäbische Kraft und
schwäbischer Mut nicht so leicht unterzukriegen sind.
aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf. Regiment Nr. 119
im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923
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