Dienstag, 4. August 2015

4. August 1915


„Am 4. August, nach dem Eintreten sichtiger Witterung, so gegen 9 Uhr vormittags, setzte unsere Artillerie das schon in den Tagen zuvor begonnene Einschießen auf die Bahnlinie fort und ging allmählich zum Wirkungsschießen über. Die russische Artillerie blieb die Antwort nicht schuldig, aber unser Geschützfeuer war lauter und heftiger. Der Wasserturm unmittelbar rechts vom Bahnhof, auf dem sich ein Maschinengewehr unangenehm bemerkbar machte, wurde mitsamt seiner störenden Waffe zusammen-geschossen, schweres eigenes Feuer lag von 11 Uhr vormittags ab auf Jusefowo. Gegen 12 Uhr mittags schlugen die Geschosse unserer 21 cm Mörser im Bahnhof Paßjeki und in dessen unmittelbarer Nähe ein, gewaltige Zerstörungen anrichtend. Um die gleiche Zeit sah man, wie sich das Regiment 128 rechts von uns in den Besitz von Jusefowo setzte, um dort den Zeitpunkt zum allgemeinen Vorgehen gegen die Bahnlinie abzuwarten. Sehnsüchtig harren unsere beiden vorderen Bataillone, das I. rechts, das II. links, mit ihren inneren Flügeln auf den Bahnhof Paßjeki angesetzt, dieses Augenblicks.
Der uns nicht mehr unbekannte Höllenlärm des Sturmschießens setzt ein. Die Augen der Führer bohren sich in das Zifferblatt der Uhr. 1 Uhr 53 Minuten! Die zum Zerschneiden der Drahthindernisse bestimmten Gruppen verlassen den Graben und gelangen in einem Sprung vor das feindliche Drahthindernis, 1.55 Uhr nachmittags folgen die Kompagnien vorderer, dicht dahinter die Kompagnien zweiter Linie. Zischend pfeifen die Geschosse der Maschinengewehre in unsere Reihen, stöhnend brechen Verwundete zusammen, lautlos sinken zu Tode Getroffene nieder. Besonders leidet das I. Bataillon, das auf einen vor dem Bahngeleise angelegten, noch dicht besetzten Graben stößt, der so vorzüglich unter Anpassung an das Gelände verkleidet war, daß er nicht erkannt wurde und daher vom Artilleriefeuer beinahe ganz verschont blieb. Doch nichts vermochte die Wucht unseres Vorstürmens zu hemmen. Um 3 Uhr nachmittags waren Bahnhof und Bahnhofsgelände in unserem Besitz, 920 Russen (darunter 2 Offizier) gefangen.
Das liest sich leicht und einfach. Welche Tapferkeit, Selbstverleugnung und Aufop-ferungsfreudigkeit von Führer und Mann aber dazu gehörten, um diesen raschen Erfolg zu erzielen, läßt sich kaum in Worte kleiden. Die schweren Opfer, die wir dabei bringen mußten, mögen für die Größe dieser Waffentat sprechen. Es starben den Heldentod für ihr Vaterland Rittmeister d. R. Drag.-Reg. 26 Cnyrim, Oberleutnant d. R. Wanner, die Leutnants d. R. Kirchberger und Strienz sowie Leutnant Eberbach, mit ihnen 53 todesmutige Unteroffiziere und Mannschaften. Verwundet wurden 7 Offiziere (darunter die Hauptleute d. R. Henning und Ruthardt), 2 Fähnriche und 146 Mann. Leutnant Ackermann starb am 6. August an den erhaltenen Wunden.“


 aus: „Das Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württ.) Nr. 125 im Weltkrieg 1914–1918“ׅ, Stuttgart 1923

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