Samstag, 8. August 2015

8. August 1915


„Warschau war unser! Wenn auch die strategische Zange Hindenburgs diesen Erfolg erzwungen hatte, wir hatten mitgekämpft und hatten Glück gehabt. Keinen Schritt hatten wir zurückgemacht und unsere Verluste waren gering.
Wir bezogen Alarmquartiere in einigen größeren Gebäuden in der Mitte der Stadt. – Die drei stolzen Warschauer Brückenbauten lagen teilweise gesprengt im Flußbett. – Die Russen gönnten uns den ruhigen Besitz des langumstrittenen Warschau nicht. Unaufhörliches Infanterie- und Maschinengewehrfeuer rollte von Praga über die Weichsel herüber und gefährdete jeden Verkehr. In den Häusern am Ufer war fast keine Fensterscheibe mehr ganz. Die Polen konnten an die Preisgabe ihrer Hauptstadt nicht glauben und vermuteten nur eine russische List. Im Volke hieß es: „In vier Tagen sind die Russen wieder hier.“ ( … )
Um russischen Gelüsten zur Rückkehr vorzubeugen, wurden noch am ersten Abend Truppen an die Weichsel geworfen. Das I. Bataillon erhielt den Auftrag, die Weichsel von der als Richtstätte bekannten Alexanderzitadelle bis zum Fort I zu sichern. Bei strömendem Regen zog es durch das übel gepflasterte Judenviertel und den noch brennenden Koweler Bahnhof hindurch in das nördlich gelegene Weichselgelände. Die finstere Nacht wurde erhellt durch Brände auf der Weichsel, wo die Russen alle Schiffe und Kähne, sowie den Rest einer Schiffsbrücke mit Petroleum begossen und angezündet hatten. Auch von Praga her flammte es an zahlreichen Stellen auf. Zeitweise erschütterten Detonationen die Luft.
Auf ein Telegramm des Regimentskommandeurs kam folgender Funkspruch aus Stuttgart: „Ganz überrascht und sehr beglückt durch Ihre Meldung, spreche ich Ihnen und dem Regiment meinen herzlichsten Glückwunsch aus. Ich bin mit den braven Landsturmmännern stolz, daß es Ihnen vergönnt war, als Erster diesen großen, wichtigen Abschnitt durch Ihren Einzug zu besiegeln. Gott stehe Ihren Waffen auch ferner bei. gez. Wilhelm.“
Das Infanteriefeuer ließ nicht nach. Um 12.30 Uhr vormittags hatten die Kompagnien des I. Bataillons ihre Sicherungsmaßnahmen an der Weichsel getroffen. Da die Beobachtungen ergaben, daß über der Weichsel nur noch Kosakenschwärme, wahr-scheinlich auch freiwillige oder dazu gezwungene Zivilpersonen, aus den Ufergräben feuerten, wurde am 7. August nachmittags eine Demonstration mit Schießen aller Waffen veranstaltet. Man sah nur einige Leute flüchten.
Am 8. August nachmittags schwamm der Sanitätsgefreite Albert Schmid (3. Kompag-nie) über den Fluß und stellte fest, daß die Gräben unbesetzt seien.
Am gleichen Tage löste das II. Bataillon die von der 47. Reserve-Division in der Stadt und auf den zahlreichen Forts gestellten Wachen ab. Nicht unerwähnt darf gelassen werden, daß ein sofortiges Nachdrängen über die Weichsel wünschenswert gewesen wäre, schon um dem Kosakengelichter das weitere Abbrennen, Plündern und Stehlen, sowie das Sprengen großer Petroleumbehälter bei Sheran (auf dem rechten Weichselufer gegenüber Kloster Bjeljany) zu wehren. Dazu fehlten zunächst nähere Nachrichten über den Feind, Mittel zum Übersetzen und auch Truppen, da das ganze Warschau noch voll von Spionen und russischen Heeresangehörigen steckte, die ihre Uniform einfach mit Zivilkleidung vertauscht hatten und bei Schwächung der Division Gereke Aufruhr-versuchen leicht zugänglich gewesen wären.“



aus: „Das 1. Württ. Landsturm-Infanterie-Regiment Nr. 13 im Weltkrieg 1915–1918“, Stuttgart 1920

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