Sonntag, 17. Januar 2016

17. Januar 1916


„Den Stellungen viel gefährlicher war der pikardische Winter. Mit ungeheuren Regengüssen setzte er im November ein. Die Gräben standen voll Wasser. Die Wände stürzten ein. In den Unterständen fing es an zu tropfen. Die hinteren Gräben waren bald ungangbar, die Laufgräben verwandelten sich in Schlammbäche. Mit ungeheurer Anstrengung hielt die Infanterie den vordersten Graben und die Hauptverbindungswege offen. Am übelsten sah es am rechten Flügel beim Minenfeld und auf der Höhe vor Beaumont aus, wo die 9. und 7. und die 12. und 2. Komp. lagen. Wochenlang wurden die Leute nicht mehr trocken, ihre Kleider waren von Schlamm durchtränkt. Mit Messern und Holzstücken wurden die Stiefel, deren Formen unter den klebenden Erdklumpen Elefantenfüßen glichen, sehr summarisch gereinigt. Gar manchem mögen Seufzer ähnlicher Art aufgestiegen sein, wie jenem Bibelkundigen, der der Division als Morgenmeldung den Hinweis auf Psalm 69, Vers 2 und 3 schickte, worin es heißt: „Gott hilf mir, denn das Wasser gehet mir bis an die Seele. Ich versinke in tiefem Schlamm, da kein Grund ist; im bin im tiefen Wasser und die Flut will mich ersäufen.“ Dem Regen folgte Kälte. Die Erde gefror. Die Stellungen wurden in Ordnung gebracht. Schon atmete man auf. Da brach der Frost; alles stürzte zusammen. Das alte Spiel begann aufs neue. Mit Faschinen wurde dem wandernden Boden zu Leibe gerückt. Als endlich alles faschiniert und gefestigt war, war auch der Regen und der Winter vorbei und die Faschinen sollten auf höheren Befehl wieder entfernt werden.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1920


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen