Montag, 8. Februar 2016

8. Januar 1916


„Die Jahreswende 1915/16 brachte die Wiedervereinigung des Generalkommandos XIII mit seinen beiden württembergischen Divisionen, die aus Serbien (26. Infanterie-Division) und von den Argonnen (27. Infanterie-Division) angelangt waren, im Bereich der 4. Armee (Herzog Albrecht von Württemberg) an der Ypernfront. Korps-Hauptquartier war Welveghem. Mittelpunkt der Verpflegungstätigkeit, die bezüglich des Kolonnenverkehrs wiederum vom Generalkommando einheitlich für beide Divisio-nen zusammengefaßt wurde, war Menin, wo zunächst Korpsproviantamt, Bäckerei und Schlächterei mit Wurstfabrik, weiterhin Materialdepot und Marketenderei eingerichtet wurden; dazu trat in Halluin eine Waschanstalt und ein Sägewerk. Als Nachfolger des Oberint.-Rats Köstlin übernahm die Stelle des Korpsintendanten Int.-Rat Dreiß, dem im April 1916 Int.-Rat Reiff folgte. Die 27. Infanterie-Division, deren Stab in Menin lag, hatte in Wervicq das Divisions-Proviantamt mit Ausgabestellen und die Bäckerei mit steinernen Backöfen in Betrieb gesetzt, sowie ein Durchgangsmagazin für vorüber-gehend anwesende Kommandos. Kaum war dieses angelegt, so erfolgte starke feind-liche Beschießung, wodurch wiederholt eines der Magazine vernichtet wurde; daher wurde ein Teil der Ausgabestellen nach dem nahen Coucou verlegt.
Anlaß zu besonders verantwortungsvolle Tätigkeit gab die gebotene Fürsorge für den Lebensunterhalt der anwesenden Zivilbevölkerung und die Aufsicht über die finan-ziellen Verhältnisse der Gemeinden, sowie über die wirtschaftliche Verwendung aller Landesvorräte. Auch die Einschränkung der Zahl und die genaue Regelung der Entlohnung der als Zivilarbeiter verwendeten Landesbewohner in den vom Armeekorps eingerichteten Betrieben wurde notwendig, so bei den technischen Militärbetrieben in Halluin – Spinnerei, Weberei, Schlosserei, Schreinerei und Stellmacherei –, ferner bei den Arbeiten der Ortskommandanturen innerhalb der Gemeinden und bei den Verladungsarbeiten der Trainkolonnen und Magazine. Aufs strengste wurde überwacht, daß die für die Bevölkerung errichteten Verkaufsstellen und Geschäftshäuser des spanisch-amerikanischen Hilfskomitees von keinem Heeresangehörigen in Anspruch genommen wurden, um der feindlichen Behauptung, diese Stellen würden für die Verpflegung der deutschen Armee ausgenützt, den Boden zu entziehen. Die Erhebung von Zwangsauflagen, Steuern und Abgaben in den besetzten Gebieten und deren Verwendung – in erster Linie zur Deckung der Kosten der Landesverwaltung – behielt sich das Armeeoberkommando bzw. der Generalquartiermeister vor.
Durch die ganze Verwaltung ging jetzt der Grundzug größter Sparsamkeit und Rücksichtnahme auf die schwierigen Verhältnisse in der Heimat. Zur Verhinderung von Mehr- und Doppelempfängen der Truppen, für die bei ihnen andauernd Neigung bestand, setzte scharfe Kontrolle ein. Die Fleischportion wurde auf 320 g, später auf 250 g ermäßigt, auch ein fleischloser Tag eingeführt; die Kartoffelportion auf 500 g festgesetzt und Zuschüsse, wie Eier und Wein, auf die Truppen in vorderer Linie und auf besondere Fälle, z. B. anläßlich des Sturmes auf die Doppelhöhe 60 im Juni 1916, beschränkt. Die Rationssätze für alle „nicht schweren“ Pferde betrugen 3 kg Hafer, 1,5 Heu und 2,5 Stroh. Jede Benützung von Stroh zu Streu- oder Lagerzwecken wurde streng verboten; hierfür gab es Torfmull und Sägmehl, bzw. Holzwolle. Die Tabakwaren als Teil der Feldkost für Offiziere und sonstige Gehaltsempfänger kamen in Wegfall. Die Ablieferung von Eiern und Butter seitens der Gemeinden gegen Bezahlung wurde genau geregelt. Vermehrte Ackerbestellung, besonders Hafer-, Kartoffel- und Gemüseanbau wurde im ganzen Bereich veranlaßt; nur dem feindlichen Feuer dauernd ausgesetzte Grundstücke durften brach liegen. Die nötigen Zivilarbeiter wurden unter Aufsicht der Kolonnenmannschaften beschäftigt und hiezu über die Arbeitswoche gemeinschaftlich in Wirtschaftshöfen untergebracht. Jeder Divisionsbereich war in mehrere Landwirtschaftsbezirke eingeteilt, unter Aufsicht der Ortskommandanten und sachverständiger Offiziere und Unteroffiziere; in den Bezirken wurden Ortsausschüsse unter Heranziehung geeigneter Einwohner gebildet. Die Oberaufsicht lag in der Hand einer aus dem Divisionsintendanten und mehreren landwirtschaftlichen Sachverstän-digen gebildeten Kommission. Die Ernte 1916 im Gebiet des XIII. Armeekorps wurde auf 2 300 t Weizen, 5 000 t Hafer, 1 500 t Heu und 17 000 t Heu Stroh geschätzt; hievon wurde ein Teil für die Ernährung der Einwohner und ihrer Viehbestände verwilligt.
Rückführung von Altmaterial, wie Gummi, Metall, Kork, Packkisten usw., ferner von ausgetragenen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken und Leibwäsche erfolgte in die Sammelstellen der Etappe in Menin und Bahnhof Wervicq. Der Rückleitung an die Hauptsammelstelle der Kriegswirtschafts-A. G. ging Desinfektion bzw. Entlausung voraus in einer der zahlreich für das Armeekorps eingerichteten Anstalten, „Lausoleum“ genannt! Alle Tierhäute aus den streng geregelten Schlachtungen für die Zivilbevöl-kerung mußten, wie dies seitens der Militärschlächtereien schon seit 1914 geschah, an die Kriegsleder-A. G. abgeliefert werden.
Für die Vorführung der Lebensbedürfnisse von den Magazinen zu den Truppen war eine Förderbahn gebaut worden, die mit Gleisanschluß an die Hauptbahn bei Menin-Wervicq versehen war und über Gheluwe – Klytmolen – America – Tenbrielen bis Zandvoorde und Kortewilde Munition, Verpflegung und Post nach den vorderen Stellungen brachte. In den Unterständen der I. Stellung und in den Bereitschaftsunterkünften, die vorwärts der III. Stellung lagen, wurde für unvorhergesehene Störungen des Nachschubs dauernd eine zweitägige Verpflegung für die Besatzung in eisernen Portionen, sowie Trink-wasser bereitgehalten. Mineralwasser lieferte die Etappe; ferner stellte die vom XIII. Armeekorps errichtete Sodawasserfabrik in Menin täglich bis zu 3 000 l her. Zur Ernährung der im besetzten Gebiet beschäftigten russischen Gefangenen wurde das Fleisch der Pferdeschlächterei Welveghem verwendet und, soweit es hiefür nicht erfor-derlich war, an die Einwohner verkauft.“


aus: „Feldverwaltung, Etappe und Ersatzformationen im Weltkrieg 1914–18“, Stuttgart 1925
Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand M 708

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