Donnerstag, 30. Juni 2016

30. Juni 1916


„Um Mitternacht wurde vor K 4 eine feindliche Patrouille, gegen unsere Stellung vor-gehend, beobachtet. Eigene Späher waren am Feinde. Die Nacht verlief unheimlich ruhig.
Von 2 Uhr nachts ab war für den ganzen linken Unterabschnitt Alarmbereitschaft befohlen. Man war auf alles gefaßt. Es wurde fleißig geschanzt. Man konnte mit Ruhe dem Morgen entgegengehen. „Bereit sein ist alles!“
Major v. Zeppelin führte für den beurlaubten Regimentskommandeur das Regiment, Hauptmann d. L. Wintterlin das I. Bataillon, Rittmeister Frhr. v. Lindenfels war Kom-mandeur des III. Bataillons.
Die Besetzung des bedrohten Abschnitts war folgende: am linken Flügel, im Anschluß an das Regiment 246, war die 8. Kompagnie unter Leutnant Kugel anstelle der 12. Kompagnie in der Nacht im Abschnitt K 5 eingesetzt worden. Daran anschließend hatte die 10. Kompagnie unter Leutnant Grünewald K 4 besetzt. Im Rupprechtsgraben lag die 11. unter Leutnant Böhner, im Stützpunkt C die 9. Kompagnie unter Leutnant Bommas. K 3 bildete den linken Flügel des rechten Unterabschnitts. Hier lag die 4. Kompagnie unter Hauptmann Suttner.
Plötzlich 3.45 Uhr morgens, setzt auf einen Schlag heftiges feindliches Artillerie- und Minenfeuer auf unsere Gräben von K 3 bis K 5, auf die Zugangswege, Rupprechts-graben und Stützpunkt C ein. Es ist noch dunkel. Sofort wird die ganze Besatzung alarmiert, durch rote Leuchtkugeln das Sperrfeuer unserer Artillerie ausgelöst. Bald rollen und sausen unsere Geschosse über die eigenen Gräben hinweg und platzen krachend vor der Front.
Regiment und Brigade werden durch Fernsprechmeldung in Kenntnis gesetzt. Auch dort hinten ist alles auf dem Posten. Der ganze Regimentsabschnitt wird alarmiert. Denn es ist kein Zweifel, es kommt ein Angriff, zum mindesten eine größere Unternehmung.
Die artilleristische Vorbereitung ist in vollem Gang.
Gleichzeitig mit dem feindlichen Feuer gegen unseren Regimentsabschnitt wurden in der üblichen Weise auch andere Teile der Front beschossen. Meldungen kamen über schweres Feuer auf Abschnitt A – rechter Flügel der Armeekorps-Front – und auf den Abschnitt der 6. Bayer. Res.-Division rechts davon; ferner wurde schweres Feuer mit Gasgeruch von unserem linken Nachbarabschnitt – Regiment 246 – gemeldet. Also an verschiedenen Stellen der Front hatte der Engländer mit seinem Feuer angepackt. Wo wird er nun angreifen? Bei uns! An der scharfen Ecke in K 5 bei der „Sappe“, von den Engländern „ducksbeak“, d. h. „Entenschnabel“, genannt, war der geeignetste und darum wahrscheinlichste Punkt.
Es werden sofort die für die Abwehr eines Angriffs erforderlichen Anordnungen getroffen. Das Regiment ist bereit.
Die Verteilung der nicht unmittelbar angegriffenen Kompagnien ist folgende: Im Abschnitt K 1 die 1. Kompagnie, in K 2 die 2., im Deckungswall die 3. Kompagnie.
Die 5. Kompagnie, Regimentsreserve in Gravelin, wird nach Halpegarbe, später nach dem Deckungswall vorgezogen. Die Infanteriepioniere, ebenfalls Regimentsreserve, werden dem III. Bataillon unterstellt.
Die Brigadereserve, 6. und 7. Kompagnie, wird nach Gravelin vorgezogen, ebenso die dazu gehörige 2. M.-G.-Kompagnie.
Währenddessen wird das feindliche Feuer auf K 4 und K 5 immer stärker und steigert sich zum Trommelfeuer. Die anderen Stellungsteile erhalten nur Abriegelungs- oder Ablenkungsfeuer, K 3 wird mit Brandminen, die 15 Minuten lang weiterbrennen, beschossen; auf Rupprechtsgraben und Stützpunkt C liegt schweres Feuer.
Es ist kein Zweifel mehr, der Angriff kommt gegen uns.
Gleich bei Beginn des feindlichen Artillerie- und Minenfeuers auf K 4 und K 5 setzen die auf erhöhten Punkten aufgestellten Maschinengewehre im rückwärtigen Gelände mit überhöhendem Feuer ein und verstärken so über unsere vorderen Gräben hinweg das Sperrfeuer unserer Artillerie. Dieses Schießen hatte jedenfalls die gute Wirkung, daß sich unsere Leute im vordersten Graben darüber freuten, und sie konnten wahrlich die Herzensstärkung brauchen.
Kurz vor 4 Uhr bemerkt der Schütze Notter der 1. M.-G.-Kompagnie bei M.-G. 6, wie einzelne Engländer gegenüber K 4 aus ihrem Graben heraussteigen. Schon vorher hatten scharfe 248er Augen beobachtet, wie einzelne Tommies an unsere Drahthindernisse heranschlichen und sie mit Drahtscheren durchschnitten.
Jeden Augenblick können sie kommen. Das sind Minuten höchster Spannung!!
Das feindliche Feuer wird vorverlegt! Dunkle Gestalten übersteigen die Brustwehr des englischen vordersten Grabens und zeigen sich nun in voller Größe. Das M.-G. 6 feuert und setzt ihrem weiteren Vorgehen ein Ziel. Ein Teil der Stürmenden fällt in den eigenen Graben zurück, zahlreiche bleiben vor ihrem Graben oder in ihrem Hindernis liegen, nur wenige kommen vorwärts und auch diese werden von unserem Hindernis erledigt oder laufen zurück.
„Sechsmal machte der Gegner den Versuch, dem M.-G. gegenüber aus seinem Graben hervorzubrechen, jedesmal aber brach er in unserem vernichtenden M.-G.-Feuer glatt zusammen“, so berichtet Vizefeldwebel Spahr.
Auf dem linken Flügel von K 4 bei M.-G. 7 lag Leutnant Kochendörffer mit seinen Leuten. Auch hier sah man gegen 4 Uhr, wie einzelne Engländer an unseren Graben heranschlichen. Sofort wurden Handgranaten geworfen und das Gewehrfeuer eröffnet. Rechts und links von M.-G. 7 greifen die Engländer als zweite Welle ihres Angriffs in dichten Reihen und in Gruppenkolonne an. Hier kommen sie vorwärts. Dem M.-G. 7 gelingt es zwar, die Feinde, die bereits dicht vor demselben sind, außer Gefecht zu setzen, doch weiter links dringen Einzelne in unsern Graben ein. Es kamen drei bis vier Linien hintereinander, mit kleineren Gruppen dazwischen, sprungweise heran. Die tapferen Schützen der 10. Kompagnie unter Leutnant Kochendörffer, tatkräftig unter-stützt durch M.-G. 7 und durch flankierendes Feuer des M.-G. 6, wehren sich aufs hartnäckigste. Leutnant Kochendörffer fällt hierbei.
Als im Vorgelände bei M.-G. 6 keine kampfkräftigen Engländer mit dem M.-G. mehr zu fassen sind, greifen die M.-G. Schützen unter dem Gefreiten Abele und dem Schützen Notter zum Gewehr und zur Handgranate, um Seite an Seite mit den Infanterieschützen im Nahkampf den immer zahlreicher von links und bald auch von hinten heran-stürmenden Feinden erfolgreich entgegenzutreten. Die Mehrzahl der Gegner fällt im Nahkampf.
Die 8. Kompagnie hatte unter dem Feuer schwer gelitten. Dazu lag sie in einem Tags zuvor „Furchtbar zusammengeschossenen“ Abschnitt. Sie hatte einen schweren Stand.
An der Regimentsgrenze gegen Res.-Inf.-Regt 246, auf dem äußersten linken Flügel des Regiments 246, gelang es den Engländern, durchzustoßen. Frontal kamen in dem zerschossenen Grabengewirr und durch die Trümmer von Drahthindernissen und Gra-benteilen nur vereinzelte Feinde durch, die vom M.-G-Feuer nicht erfaßt wurden..
Als einige Leute der 8. Kompagnie auf dem äußersten linken Flügel des Regiments-abschnitts beobachteten, daß die Engländer rechts und links von ihnen durchzubrechen drohten, glaubten sie, nach dem rechten Flügel von 246 ausweichen zu können. Um durch die engen Gräben leichter durchzukommen, stellten sie ihre Gewehre weg und arbeiteten sich mühsam nach links durch die zerstörten Grabenreste. Dabei stießen sie auf schon durchgebrochene Engländer, denen sie sich, da sie waffenlos waren, ergaben. Sie wurden gefangen genommen, mußten ihr Lederzeug ablegen und wurden ohne Bewachung in die englischen Gräben hinübergeschickt. Die von dort vorgehenden hinteren Wellen der Engländer hielten sie im Morgendunst für anstürmende Deutsche und schossen auf sie. Es sollen hierbei einige Leute gefallen sein, zwei Mann wurden verwundet und später von ihren Kameraden in die eigene Stellung hereingeholt, vier fielen in englische Gefangenschaft. Sie mußten es büßen, daß sie, wenn auch nach berechtigter Überlegung, ihre Gewehre weggestellt hatten, anstatt sie mitzunehmen und gegebenenfalls im Nahkampf auf kurze Entfernung zu gebrauchen.
Es waren dies die einzigen Gefangenen, die das Regiment in diesem Gefecht, überhaupt in der Stellung vor Richebourg, verloren hat.
Nachdem alle Munition verschossen war, versuchte die Bedienungsmannschaft des M.-G. 6, ihr M.-G. zurückzuschaffen und zu retten, damit es nicht in Feindeshand falle. Unterwegs schlug ein Schrapnellvolltreffer mitten in die Bedienung, riß das M.-G. in zwei Teile und dem Träger, dem Schützen Grad, den Kopf weg. Tief ergriffen bringen die Kameraden die Reste ihrer stolzen Waffe, aus der ohne jede Hemmung 6500 Schuß verschossen worden waren, zurück.
Unterdessen war es bei M.-G. 7a blutiger zugegangen. Kaum waren einige Schuß daraus verfeuert, saß der Gegner schon im Rücken. Mutig wirft sich Unteroffizier Krug, der an diesem Tage Geburtstag hatte, mit Pistole und Handgranaten ihm entgegen – bald liegt er bleich und todwund am Boden. Sein tapferer Richtschütze wird durch einen Bauchschuß hingestreckt, die beiden anderen Schützen Schwegler und Weber wehren erfolgreich die Feinde ab, aber das Maschinengewehr selbst bleibt stumm. Es hatte eine Ladehemmung gehabt.
M.-G. 7 beteiligte sich, wie schon oben erwähnt, aufs wirkungsvollste am Kampfe. Hier war es der tapfere Unteroffizier Allmendinger, der mit seinem M.-G. reihenweise die feindlichen Schützen niedermähte. Bald aber machte sich auch hier der Druck des Gegners von K 5 her fühlbar und nötigte die Bedienung zum Nahkampf mit Gewehr, Pistole und Handgranate. Leider fanden dabei Schütze Idler und Nannega den Tod, Unteroffizier Allmendinger und sein Richtschütze, Gefreiter Ernst, wurden verwundet. 4500 Schuß hatte er mit seinem M.-G. abgegeben. Er wurde mit dem E. K. I ausge-zeichnet und als „Auszeichnung vor dem Feinde“ zum Vizefeldwebel befördert.
Für die 1. M.-G.-Kompagnie war der 30. Juni ein besonderer Ehrentag gewesen. Stolz konnte sie auf ihre Leistungen zurückschauen und dankbaren Herzens erkennen wir 248er auch heute noch, nach Jahren, an, was wir unseren Maschinengewehrlern an diesem Tage verdankten.
Als 3.45 Uhr morgens plötzlich das feindliche Feuer mit gewaltiger Wucht einsetzte, war die Besatzung von K 5 keinen Augenblick im Zweifel, daß ein Angriff gegen diesen Abschnitt bevorstand. Alle Vorbereitungen zur Abwehr wurden getroffen.
Leutnant Kugel führte die Kompagnie, die Leutnants Buck und Schulz, sowie der Offizierstellvertreter (Off.-Asp.) Reck führten die Züge.
Im roten Feuerschein der krepierenden Geschosse entdeckte der Landsturmmann Stöhr vom Zuge Reck eine feindliche Schützenlinie zwischen unserem und dem englischen vordersten Graben. Alles macht sich schußbereit. Im Morgengrauen – es war etwa ½5 Uhr –, tritt die Schützenlinie an, nachdem die feindliche Artillerie ihr Feuer vorverlegt hatte. „Schnellfeuer!“ ertönt das kurze Kommando. Nur wenige Engländer kamen bis an unser Drahthindernis. Die meisten ereilte ihr Schicksal. Was noch übrig war, flutete zurück. Die erste Welle war abgeschlagen.
Bald dringen weiter links durchgebrochene Engländer von halblinks rückwärts gegen die Besatzung vor. Schnell nehmen einige Leute in einem Stichgraben die Front gegen sie auf und zwingen den etwa 20 Mann starken Gegner durch Gewehrfeuer zum Zurückgehen.
Bei dem lebhaften Feuern wird die Munition immer knapper, zumal da die bereitgelegte Grabenmunition verschüttet ist. Die Leute benutzen daher eine kurze Kampfpause und suchen Patronen und Handgranaten in den zerschossenen Grabenteilen. Es wird 5.30 Uhr morgens. Alarm!! Eine weitere Welle verläßt den feindlichen Graben, gleich darauf noch eine. Inzwischen ist es heller Tag geworden. Man kann nunmehr sicherer zielen und besser treffen.
„Ruhig zielen!“ – „Munition sparen!“ rufen die Zugführer. Fast jeder wohlgezielte Schuß der tapferen Schützenschar sitzt. „Unsere Leute schreien vor Freude und Wut, wenn wieder einige purzeln,“ schreibt Offizierstellvertreter Reck in seinem Bericht.
Halbwegs zwischen den beiden Stellungen bricht der Angriff zusammen. Was nicht fällt, läuft zurück in den schützenden Graben.
Wiederum tritt eine Kampfpause ein. Die Hälfte der Leute beobachtet, die anderen suchen nach Patronen und Handgranaten, reinigen die Gewehre, verbinden Verwundete, legen die Toten zur Seite, alles arbeitet und ist beschäftigt, denn jeden Augenblick kann eine neue Welle kommen. Schon strecken sie drüben im englischen Graben vereinzelt die Köpfe über die Brustwehr. Da sausen auch schon ein paar Volltreffer unserer Artillerie mitten in sie hinein. Schnell sind sie verschwunden. Die Munition wird immer knapper, die 8. Kompagnie ist ohne Verbindung mit den Nachbarn und nach rückwärts.
Leutnant Schulz schickt nun den Offizierstellvertreter Reck nach rechts, um Verbindung mit K 4 und K 5 zu suchen und Unterstützung bzw. Munition zu holen. In K 4 trifft Reck etwas 10 bis 12 Mann der 8. Kompagnie ohne Führer, aber wacker auf ihrem verlorenen Posten aushaltend. Er geht mit seinem Begleiter, Musketier Kolb, nach rückwärts auf die Förderbahn, um rascher vorwärts zu kommen. Plötzlich werden sie lebhaft beschossen aus einem Wassergraben, in dem sich etwa 15 bis 20 Engländer vorgearbeitet hatten. Sie müssen umdrehen. Unter steter Gefahr, von den feindlichen Schützen oder von der eigenen Artillerie, die inzwischen nach K 5 und K 4 das Feuer aufgenommen hatte, getroffen zu werden, arbeiteten sie sich zu 246 durch. Es hatten sich ihnen noch einige Leute angeschlossen. Reck erstattet über 246 seine Meldung an das Regiment und das Bataillon, dann tritt er mit seinen Leuten den Rückweg nach K 5 an, nachdem sie sich Handgranaten und Gewehrmunition verschafft hatten. Mit 4 Mann arbeitete er sich  auf der Förderbahn zunächst nach K 3 durch und kam zur Kompagnie, als der Feind erledigt war.
Unterdessen hielt sich Leutnant Schulz, von allen Seiten bedroht und angegriffen, mit einer kleinen Schar Getreuer auf verlorenem Posten im Abschnitt K 5 aufs tapferste gegen wiederholte Versuche der Engländer, ihn auszuheben. Mit Gewehr, Pistole und Handgranate wehrte sich das Häuflein, ringsum von den Nachbarn abgeschlossen und vom Feinde eingeschlossen. Die kaltblütige Ruhe des Führers und seine fortgesetzten Ermahnungen zum Haushalten mit den Patronen und zum scharfen Zielen verhinderten, daß die spärliche Munition vorzeitig zu Ende ging. Heldenmütig hielten sie durch, bis Hilfe kam und der Feind vertrieben war. Leutnant Schulz wurde als Anerkennung für sein und seiner Leute Verhalten das E. K. I. Klasse verliehen. Die 8. Kompagnie hatte sehr schwere Verluste. Der Kompagnieführer, Leutnant d. R. Kugel, war als tapferer Held gefallen, mit ihm gar viele seiner treuen Mannen. Die Kompagnie wurde von mir dadurch geehrt, daß Leutnant d. R. Buck, der nach dem Heldentod des Kompagnie-führers die Kompagnie stellvertretungsweise geführt hatte, als Auszeichnung außer der Reihe mit der Kompagnieführerstelle beliehen wurde.
Die Front des Abschnitts K 4 und des rechten Flügels von K 5 stand fest. Hier kamen die Engländer nicht durch. Dagegen waren sie auf dem linken Flügel von K 5 und an der Regimentsgrenze gegen 246 in unsere Stellung eingedrungen und gingen auf der Förderbahn und entlang dem Wassergraben flankierend vor. Als der stellvertretende Führer der 10. Kompagnie, Leutnant Grünewald, dies beobachtete, befahl er dem Leutnant Kucher mit 3 Gruppen des rechten Flügelzuges in einer Flankenstellung senkrecht zur Förderbahn dem Feinde entgegenzutreten. Leutnant Kucher besetzte die Stellung und verhinderte hier ein weiteres Vordringen der Engländer.
Leutnant Grünewald, der sich Leutnant Kucher angeschlossen hatte, fand später hier den Heldentod. Sobald erkannt worden war, daß es sich nicht nur um eine kleinere Patrouillenunternehmung, sondern um eine größere Gefechtstätigkeit handelte, waren Verstärkungen nach vorn geeilt. Die 11. Kompagnie war schon um 5 Uhr auf die Nachricht. daß die Engländer in K 4 und K 5 eingedrungen seien, selbständig unter ihrem Führer, Leutnant Böhner, vom Rupprechtsgraben aus durch den Lipper-Weg nach K 3 gerückt und hatte den linken Flügel dieses Abschnitts besetzt. Leutnant Lang mit dem Handgranatentrupp wurde der 10. Kompagnie in K 4 zu Hilfe geschickt.
In K 3 hatte Hauptmann Suttner, Führer der 4. Kompagnie schon gleich bei Beginn des feindlichen Feuers, das sich bis in diesen Abschnitt ausdehnte, seine Kompagnie alarmiert. Leutnant Banz führte den linken Flügelzug. Es war noch dunkel. Um etwa vor dem eigenen Drahthindernis liegende Engländer erkennen zu können, wurden Leucht-kugeln abgeschossen, um sie zu vertreiben wurden Handgranaten geworfen. Leutnant Banz, auf dem Auftritt stehend, beobachtete währenddessen über Bank. Da kam ein Schrapnellvolltreffer und schleuderte ihn in den Graben hinab. Um sich zu erholen, ging er in seinen Unterstand zurück. Hierbei sah er auf der Förderbahn zwei Engländer daherkommen, gleich darauf noch mehr. Flugs flogen ihnen Handgranaten entgegen und taten ihre Wirkung. Durch einen Unteroffizier und zwei Mann ließ Leutnant Banz die Förderbahn absperren. Dann nahm er 8 beherzte Leute der 4. und 11. Kompagnie und arbeitete sich mit ihnen im „aufrollenden Handgranatenangriff“ nach links bis zu der Stelle vor, wo Leutnant Grünewald und Leutnant Kucher mit ihren Leuten im heftigen Abwehrkampf gegen die Engländer lagen. Dort beteiligte er sich mit seinen Leuten am Gefecht mit Gewehr und Handgranate.
Unterdessen war auch Leutnant Lang mit dem Handgranatentrupp der 11. Kompagnie zur Verstärkung der 10. Kompagnie angerückt. Während Leutnant Grünewald und Leutnant Kucher die Engländer festhielten, drückte Leutnant Lang mit seinem Trupp im Hauptkampfgraben vor bis in Höhe von M.-G. 6. Hier leisteten die Engländer heftigsten Widerstand, hier hatten sie auch ein M.-G. in Stellung gebracht und einen Stichgraben bis zur Förderbahn stark besetzt. Besonders hartnäckig verteidigten sie sich an einer Schulterwehr. Schließlich gelang es aber doch, sie zurückzudrängen. Leutnant Lang verlor dabei fast seinen ganzen Trupp. Vizefeldwebel (Off.-Asp.) Kobler und Unteroffizier Gschwend wurden durch englische Handgranaten schwer verwundet, ebenso wurden Vizefeldwebel Kurz (11.), 2 Mann der 11. Kompagnie (Oehl und Kick) und 2 Mann der 4. Kompagnie verwundet. Die Schulterwehr ging wieder verloren. So ging es zweimal hin und her. Mindestens 40 bis 50 Handgranaten waren geworfen worden. 5 tote Engländer lagen an dieser Stelle. Da Mangel an Handgranaten eintrat, mußte man sich auf die Verteidigung beschränken.
Auch Leutnant Banz hatte unter seinen Leuten Verluste, auch bei ihm gingen die Handgranaten zur Neige. Er eilte nach K 3 zurück, um bei Hauptmann Suttner einen weiteren Handgranatentrupp zu erbitten und Handgranaten zu holen. Hierbei wurde er wieder zweimal durch Volltreffer verschüttet. Trotzdem kehrte er mit Verstärkung zu Leutnant Kucher zurück. Mit Leuten verschiedener Kompagnien arbeitete er sich über M.-G. 6 hinaus, dauernd Handgranaten werfend, gegen die Engländer vor und drängte sie Schritt für Schritt zurück.
Während dieser Kämpfe rückten die Verstärkungen von rückwärts heran: die 5. Kompagnie besetzte den Rupprechtsgraben, die Infanteriepioniere den Deckungswall, die 6. und 7. Kompagnie wurden nach Halpegarbe vorgezogen, ebenso die 2. M.-G.-Kompagnie.
Die 9. Kompagnie im Stützpunkt C erhielt etwa um 6.45 Uhr morgens vom Bataillons-kommandeur den Befehl, am Betonweg entlang vorgehend, den in K 4 und K 5 eingedrungenen Feind wiede4r hinauszuwerfen. Hier lag aber schweres feindliches Abriegelungsfeuer, so daß ein Vorgehen unmöglich schien. Auf Befehl des Bataillons rückte sodann die Kompagnie durch den Mindener Weg nach vorn, um den Rupprechts-graben zu besetzen. 7.35 Uhr morgens war dieser besetzt. Später rückte die Kompagnie zur Verstärkung der 10. Kompagnie nach K 4 vor und beließ einen Zug als Sicherheits-besatzung im Rupprechtsgraben.
Teile der 3. Kompagnie waren um 7 Uhr mit Handgranaten und Munition zur Unter-stützung der 4. Kompagnie nach K 3 vorgeschickt worden, mit dem Bataillonsbefehl an die 4. Kompagnie, mit allen zu Gebote stehenden Kräften einen Gegenstoß gegen die in K 4 eingedrungenen Engländer zu führen. Diesem Befehl war die 4. Kompagnie durch Entsendung von Leutnant Banz schon zuvorgekommen.
Nach 7 Uhr traten zeitweise Kampfpausen ein. Die Engländer schienen sich in K 4 und K 5 festsetzen zu wollen, ja sie hatten schon mit einem Verbindungsgraben von ihrer Stellung nach der unsrigen begonnen. Die Kompagnien in K 4 und K 5 waren in die Verteidigung gedrängt, die Verstärkungen teilweise erst im Anrücken, die Handgrana-tenkämpfer ermüdet; es herrschte Munitionsmangel.
Die Nachrichten, die nach hinten zum Bataillon und Regiment kamen, widersprachen sich. Der Kommandeur des III. Bataillons gewann auf Grund der Meldungen und Beobachtungen die Überzeugung, daß K 5 und der linke Flügel von K 4 nur vom Feinde besetzt seien. Von den in K 5 eingeschlossenen Resten der 8. Kompagnie unter Leutnant Schulz wußte er nichts. Er bat die Artillerie, ihr Feuer auf K 4 und K 5 überzulenken, um den Feind mit beobachtetem Artilleriefeuer von dort zu vertreiben. Die brave 8. Kompagnie in K 5 kam dadurch in eine schwere Bedrängnis, ins eigene Artilleriefeuer, ohne die Möglichkeit des Ausweichens oder eines Schutzes, vom Feinde schwer bedroht.
Leutnant Banz wurde bei seinem Vordringen in K 4 durch das eigene Artilleriefeuer aufgehalten. Er hatte nur noch 3 Leute bei sich, die andern waren tot und verwundet. Er sah sich daher gezwungen, zurückzugehen und Verstärkung zu holen. Unterwegs beobachtete er, wie die Engländer in und vor ihrem vordersten Graben sich K 3 gegenüber sammelten und vermutete einen Angriff gegen K 3. Ein solcher erfolgte jedoch nicht. Immerhin machte er Hauptmann Suttner davon Meldung. Im Unterstand von Hauptmann Suttner traf er mit Leutnant Grießer, Joseph, zusammen. Dieser erhielt von Hauptmann Suttner den Befehl, an Stelle von Leutnant Banz den Handgranaten-kampf weiterzuführen, da dieser infolge Prellschusses und Verschüttung sehr erschöpft war. Mehrere Leute hatten sich freiwillig bereit erklärt, mit Leutnant Grießer zu gehen und Handgranaten mit vorzutragen. Es waren dies die Musketiere Maier, Baumeister und Nenninger der 4. Kompagnie, Gefreiter Sauter der 2. Kompagnie und Kriegsfrei-williger Stehle der 11. Kompagnie. Unterwegs trafen sie mit Leutnant Lang zusammen, der Leutnant Grießer zurief, er werde gleich nachkommen, sobald er sich etwas erholt habe, man dürfe keinen Schritt zurückweichen. Leutnant Lang war auf dem Weg zur 4. Kompagnie, um Unterstützung zu holen, denn von seinem Handgranatentrupp von 18 Mann waren nur noch 3 übrig.
Das Feuer unserer Artillerie auf die Abschnitte K 4 und K 5 machte es auch Leutnant Grießer unmöglich, vorwärts zu kommen. Er bat daher, daß das Feuer vorverlegt werde. Das geschah auch. Nun ging’s vorwärts. An einer Schulterwehr leistete ein Engländer Widerstand. Er wurde erledigt. Die ersten hundert Meter waren leicht zurückgelegt. Dann aber stieß Leutnant Grießer mit seinen Leuten auf heftigen Widerstand: aus einem Grabenstück, das die Engländer besetzt hatten, wurden sie mit Gewehrfeuer und mit Handgranaten empfangen. Es entspann sich der übliche Handgranatenkampf, bei dem etwa 50 Handgranaten geworfen wurden. Derselbe endigte mit einem vollen Erfolg. Die Engländer, etwa 40 Mann stark, verließen schließlich den Graben, Grabenstück um Grabenstück waren sie zurückgedrängt worden. In einem Unterstand wurden 3 gefangen genommen. Leutnant Grießer war etwa 150 m kämpfend vorwärts gekommen, als die Handgranaten zur Neige gingen. Er befahl dem Musketier Baumeister und zwei anderen Leuten, ein Vordringen der Engländer zu verhindern, und ging zur Kompagnie zurück, um Handgranaten und Verstärkung zu holen.
Inzwischen war Leutnant Lang, ziemlich erschöpft, bei der 4. Kompagnie eingetroffen und traf dort Leutnant Banz, zu dem er sagte: „Wir müssen unbedingt nochmals, vor sie sind noch nicht draußen.“ Nach kurzer Ruhepause rafften die beiden alle Hand-granatenkämpfer, die zur Verfügung waren, zusammen – es war soeben auch der Trupp der 3. Kompagnie eingetroffen – und gingen mit den Trupps der 4., 11. 3. und  10. Kompagnie wieder vor. Leutnant Grießer schloß sich ihnen an. Die Mannschaften wurden angewiesen, eine Kette zu bilden und dieser entlang von Mann zu Mann die Handgranaten zum Abziehen fertig weiterzureichen. Leutnant Kucher und Banz gingen, ununterbrochen Handgranaten werfend, gegen die Engländer im Graben vor und nahmen nach kurzer Zeit das von ihnen besetzte Grabenstück. Etwa 20 Engländer versuchten, den englischen Graben zu erreichen, sie wurden unterwegs abgeschossen. Ein anderer Teil wich nach rückwärts hinter unsere Gräben aus. Sie fielen oder wurden gefangen genommen.
Nun ging es ohne Widerstand vorwärts, bis der Anschluß an die 8. Kompagnie gewonnen war. Hier trafen sie auf Leutnant Schulz, als die Retter aus der Not freudigst begrüßt.
Leutnant Strodtbeck hatte vom Bataillon Befehl erhalten, mit Teilen der 3. und 9. Kompagnie und einem Teil der Infanteriepioniere nach K 5 zum Gegenstoß vorzugehen und die Engländer, die dort etwa noch saßen, hinauszuwerfen. Als er mit seinen Leuten ankam, fand er K 5 schon frei von Engländern. Er ließ seine Leute wieder abrücken, denn die 5. Kompagnie hatte schon die 8. Kompagnie abgelöst und K 5 besetzt. Auf dem Rückweg beobachtete er in einem Wassergraben noch einige Engländer. Er ging auf sie zu und rief sie an. Da sie nicht herauskamen, ging er näher auf sie zu. Leutnant Schumann und Leutnant Lang, sowie zwei Mann, die zufällig des Weges kamen, schlossen sich ihm an. Die Engländer legten auf sie an und drohten zu schießen, sahen aber bald die Aussichtslosigkeit ein. Als sie keine Rettung sahen, warf erst einer, dann alle andern, die Gewehre weg und hoben die Hände hoch. Ohne Kampf wurden sie gefangen genommen und abgeführt. Der Kampf war zu Ende.“


aus: „Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 248 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1924

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