„Am
17. Dezember hatten wir noch Ruhe, aber in der starken Kälte so recht keinen
Aufenthalt, zudem mahnte der Donner von der Front her.
Am
nächsten Tage gegen Mittag kam eine Autokolonne und brachte das I. Bataillon
über Arrancy und Mangiennes in den Thilwald nördlich von Azannes. Als es dunkel
war und der Mond blendend weiß schien, stiegen II. und III. Bataillon in die
überfüllten Lastwagen und rumpelten unter fürchterlichem Stoßen und Wackeln bei
klirrender Kälte dieselbe Straße und kamen im Mont Aubéwald und Neuenwald
unter, sofern man den Aufenthalt dort Unterkommen nennen konnte. Unheizbare
Baracken, durch deren Ritzen der Wind pfiff, waren unsere Wohnung.
Hier
erfuhren wir die ersten brauchbaren Nachrichten von vorne. Artillerieoffiziere
sagten uns, die eigentliche Gefechtshandlung sei vorbei, aber es herrsche auf
beiden Seiten noch die nach Großkämpfen übliche Nervosität. Besonders auf
unserer Seite sei sie groß. Die Oberste Leitung sei natürlich gerade in diesem
Augenblick von einer solchen Niederlage sehr empfindlich getroffen gewesen und
habe böse aufgeräumt unter den höheren Führern. Nun herrsche allgemeine Angst
vor weiteren Angriffen der Franzosen. Sie hätten aber sicher nichts weiter vor.
Nachmittags
kam Ablösungsbefehl: II. Bataillon vordere Linie, I. Bereitschaft, III.
Reserve.
Gegen
10 Uhr abends setzte sich das II. Bataillon in Bewegung. Der Vollmond schien
etwas trüber, Glatteis machte den Weg unsäglich beschwerlich. Vor uns
wetterleuchtete es von Abschüssen und Einschlägen.
Über
Soumazannes wurde Herbebois-Nord erreicht, wo der Brigadegefechtsstand mit
einer ganzen Kolonie von Blockhäusern malerisch am waldigen Berghang lag. Hier
wurden Nahkampfmittel gefaßt, sowie dreifache eiserne Portion. Wir sahen da
eine neue Möglichkeit, die Zufuhr nach vorne zu bringen: Ponnys waren schwer
bepackt und zogen in langer Kolonne vorüber.
Als
die Kompagnien mit dem Nötigen ausgestattet waren, begann der beschwerliche
Marsch den Ostrand von Herbebois entlang nach Süden. Auf dem schlüpfrigen Boden
ging es mehrmals bergauf und bergab. Oft glitten die schwerbepackten Leute aus
und fielen hin. Als der Südrand des Waldes erreicht war, machte sich in
frischen Granatlöchern Gasgeruch bemerkbar, und bald heulten auch Granaten
heran. Dann kam der Abstieg in die verrufene Ornesschlucht, in der im
aufgeweichten Boden Leichen, Munition und Trümmer aller Sorten lagen. Die
Schlucht war fast dauernd unter Feuer, und man konnte aufatmen, wenn man sie
hinter sich hatte. Am andern Rand begann der gerade von Norden nach Süden
laufende Bayerngraben, durch den man die Stellung erreichte.
Das
II./247 löste das II. Bataillon des Leibregiments Nr. 8 ab. Die Stellung
verlief südlich des sogenannten Vauxkreuzes, von dem aber nichts mehr vorhanden
War, in östlicher Richtung. Der rechte Flügel stieß an den Chaumeswald Drei
Kompagnien waren in vorderer Linie, eine etwa 800 Meter dahinter. Der
Bataillonsunterstand war in der Gegend der Ornesquelle hinter dem nördlichsten
Zipfel des Chaumeswaldes.
Wir
hatten von einer ausgebauten Stellung gehört und waren nun enttäuscht, nichts
davon zu finden. Ein kaum knietiefer, schlammiger Graben zog sich über die
kahle granatendurchfurchte Hochfläche. Einige angefangene Erdlöcher dienten als
Unter-schlüpfe. Einige schlechte Stollen waren vorhanden. Das Ganze war eine
ehemalige Artilleriestellung, daher lag sie großenteils hinter dem Hang.
Wir
stellten sogleich fest, daß die Karten, die wir bekommen hatten, falsche
Einzeich-nungen der Stellung trugen; nach ihnen lag das Vauxkreuz vor der Linie.
Das wurde sofort gemeldet und mit Skizze nach hinten gesandt. Dort war man aber
nicht geneigt, unserer Skizze zu trauen. Jedenfalls befeuerte die Artillerie
weiter unsere eigenen Linien. Es begann nun dasselbe Elend wie bei der
Sommeschlacht, und alle Meldungen darüber nützten nichts. Es gab Kompagnien,
die durch eigene Artillerie schwerere Verluste hatten, als durch die feindliche.
Überhaupt
war der Gegner nicht übermäßig tätig. Wir merkten vorne bald, daß dem Beschuß
nur wenige Batterien und dem Kaliber nach die üblichen Stellungsbatterien
entsprachen. Der ganze Charakter des Feuers hatte nichts ausgeklügelt
Feindseliges. Die Franzosen schossen, weil wir schossen, und streuten ziemlich
planlos mit meist harmlosen Kalibern die Gegend ab. Auch ihre Infanterie war
wenig aktiv. Sie fühlte sich noch unsicher und tastete das Gelände ab, wo sie
am besten Stellung suchen könnte.
Dagegen
herrschte bei unserer Artillerie ausgesprochene Nervosität. Alle Augenblicke
kamen rasende Feuerüberfälle, weil französische Leuchtkugeln als das
Sperrfeuerleucht-zeichen angesehen wurden. Die Franzosen setzten dann meistens
auch mit Sperrfeuer ein, und so kam es mehrfach vor, daß eine Stunde lang ein Orkan
von Geschossen die Hochfläche zerwühlte. Glücklicherweise gingen die meisten
doch dahin, wo sie hin sollten, ins Niemandsland.“
aus:
„Das Württembergische Reserve-Inf.-Regiment Nr. 247 im Weltkrieg 1914–1918“
Stuttgart, 1924
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