„Unter
dem Befehl des Leutnants Jeuther gehen Offizier-Stellvertreter Schild mit 8
Gruppen der 5. Geb.-Komp., Leutnant Staiger mit 3 Gruppen der 1. Geb.-Komp.
über Deal Negru – 1082, und Leutnant Luckscheiter mit 2 Gruppen der 4.
Geb.-Komp., 8 Karabinerschützen und 4 Reitern der 2./K. u. K. Hus. 4 auf dem
Wege von Nekulele gegen Nereju vor und besetzen abends nach Kampf mit Kosaken
Nereju.
Vizefeldwebel
Creyaufmüller berichtet: „Mit Sicherung, allgemeine Richtung Norden,
durchstoßen wir ein über den ganzen Höhenrücken ost- und westwärts breit
ausgedehn-tes Waldstück und gelangen gegen Mittag auf eine freie, nur mit
verkrüppeltem Unter-gestrüpp bewachsene Bergkuppe. Von dieser Kuppe können wir
feststellen, daß um die im Tal 1500 – 2000 m vor uns liegende Ortschaft Nereju
Stellungen gezogen sind, welche die Russen besetzt halten.“
Leutnant
Staiger: „Noch während wir uns mit den russischen Vorposten herumschossen,
waren aus Nereju zahlreiche kleine russische Trupps von wenigen Mann (3 – 5)
hervor-gebrochen und hatten sich über das ganze Vorgelände verteilt. Das Gelände
bot in zahlreichen, regellos zerstreuten Mulden, Sand- oder Erdlöchern der
verschiedensten Größen ideale natürliche Deckungen. In solchen Löchern lagen
nun über das ganze unübersichtliche Gelände verstreut immer wieder ein paar
Russen, so daß wir zu gleicher Zeit aus Entfernungen von 400 – 1800 m
beschossen wurden. Die Russen hatten wohl weniger die Absicht, Nereju um jeden
Preis zu halten, als uns bei unvor-sichtigem Vorgehen durch unerwartetes Feuer
aus einer Deckung heraus möglichst große Verluste beizubringen. Diese
Kampfweise der Russen führte dazu, daß meine zwei Gruppen eine Frontbreite von
1200 – 1500 m einnahmen. Da eine einheitliche Führung nicht mehr möglich war,
ging ich auf den rechten Flügel, um mit Leutnant Luckscheiter Verbindung
aufzunehmen.“
Vizefeldwebel
Creyaufmüller: „Als erster Verwundeter wird ein Schütze der 5. Kom-pagnie
gemeldet (Oberschenkelschuß). Neben mir liegt Unteroffizier Hartmann, ein
gebürtiger Isnyer und einstmals stolzer Flügelmann der 1. Kompagnie, der
gleichfalls mit seinem Fernglas die russischen Gräben absucht und seine Freude
über die Erkennung der gegnerischen Bewegungen dadurch Ausdruck verleiht, daß
er in seiner biederen Art als guter Allgäuer sagt: „Eich wemmer no denn scho
saaga, blutige Henneköpf“, und zu mir gewandt, ich soll seine
Geschoß-Einschläge bei den Russen beobachten, die er mit seinem
Zielfernrohr-Gewehr aufs Korn nimmt. Daß er ein guter Schütze ist und seine
Munition nicht unnütz, auch bei der großen Entfernung, veraus-gabt, hat er in
dieser Stunde bewiesen. Die schwarze Pelzmütze im Sandloch gegenüber flog
rücklings hoch. Aber das Strauchwerk vor uns erwies sich bald als ungenügende
Deckung. Die wenigen Schüsse aus dem deutschen Zielfernrohr-Gewehr mußte der
tapfere Schütze und mutige Beobachter mit seinem Leben bezahlen. Durch die
Brust getroffen, den zerschossenen Gewehrschaft fest umfassend, ist
Unteroffizier Karl Hartmann den Heldentod gestorben. Nicht Schmerz, nicht Wut,
der Ruf nach der fernen Mutter waren seine letzten Worte. Auf ferner Berghöhe
haben wir ihn eingebettet und mit Tannenreis schmückten wir das Heldengrab unseres
gefallenen Kameraden. Die Bewohner des nahegelegenen Nereju werden diese Stätte
aus großer Zeit nicht unbe-achtet lassen. Inzwischen ist Mittag vorüber und
Leutnant Staiger tritt zum Abstieg mit zwei Gruppen der 1./Württ. Geb.-Batl. in
west-nordwestlicher Richtung an. Ihm folgt Offizier-Stellvertreter Schild mit
einer Abteilung der 5./Württ. Geb.-Batl. Die dritte Gruppe der 1./Württ.
Geb.-Batl. hält die Höhe noch besetzt und hält dadurch den Gegner davon ab, das
Vorgehen der Umgehungsgruppen zu vereiteln. Am Ostabhang des von uns besetzten
Höhenrückens liegen die zwei Gruppen der 4./Württ. Geb.-Batl. und unterstützen
unser Vorgehen durch ihr überraschendes Feuer auf die russischen
Schützengräben. Von Mulde zu Mulde, von Hügel zu Hügel gewinnen wir im
feind-lichen Feuer Gelände und liegen jetzt auf Wurfweite von den russischen
Stellungen entfernt. Abgesessene Kosaken halten Nereju besetzt. In heldenhaftem
Nahkampf fällt der freiwillige Schütze Mayer vom 2. Zug der 1./Württ.
Geb.-Batl. Unsere Sanitäter betten den zweiten Toten des Tages in einer
Talmulde nahe der ersten Wohnstätte von Nereju zur letzten Ruhe und das Birkenkreuz
auf seinem einsamen Heldengrab grüßt hinauf zur Ruhestätte unseres vor Stunden
gefallenen Kameraden. Die noch rückwärts liegenden Teile der 1. und 4./Württ.
Geb.-Batl. rücken jetzt über den freien
Nordhang nach und füllen unsere Reihen auf. Dies gibt den Russen Veranlassung,
zurückzugehen, soweit sie es überhaupt noch können.“
Leutnant
Staiger; „Unter glänzender Ausnützung des Geländes! Auch sonst habe ich die
Russen an diesem Nachmittag immer wieder bewundern müssen, wie hervorragend sie
sich dem Gelände anzupassen verstanden, ganz besonders wenn sie eine Stellung
aufgaben. Ich hatte einige Leute bei mir auf dem rechten Flügel und wir
schossen uns mit den Russen herum. Schließlich hatte ich noch einen Mann vorne
bei mir. Wir lagen uns auf 60 m gegenüber und schossen, was das Rohr hergab, in
der Aufregung hüben wie drüben gleich schlecht. Ein Zurück gab es jetzt nicht
mehr, das sah jeder ein. Ich brüllte: „Hurra!“ und „Vorwärts!“ und rannte vor
und spürte nach zwanzig Schritt, daß ich allein war, stand da und sah, wie
drüben auch ein Kosakenoffizier stand und mit der blanken Klinge auf seine
Leute einhieb und sie nicht vorwärtsbrachte. Sinnlos vor Wut und Erregung schoß
ich meine ganze Pistole auf den Mann drüben ab. Allmählich kam mir das Zwecklose
meiner augenblicklichen Lage zum Bewußtsein, daß ich so mit leergeschossener
Pistole als Zielscheibe für die in der Aufregung ganz miserabel schies-senden Kosaken
dastand, und mit einem Seitensatz verschwand ich in einer Vertiefung.“
In
den Russen haben die Gebirgsschützen vortreffliche Soldaten und sehr ernst zu
nehmende Feinde kennengelernt. Russen, Österreicher und Deutsche in einer Front
mit Türken und Bulgaren – was wäre da aus der Entente geworden!“
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