Samstag, 22. April 2017

22. April 1917


„In zahlreichen Streifen war am Molkenrainweg die französische Postenaufstellung erkundet; neue Fliegeraufnahmen hatten ein genaues Bild der stark ausgebauten franzö-sischen Stellung an dieser Stelle mit ihren Maschinengewehr- und Minenwerferständen ergeben. Sie nachzuprüfen und dabei Gefangene einzubringen, war die Aufgabe, die dem I. Bataillon für den 22. April gestellt war. Die eben zu Ende gehenden Kämpfe an der Scarpe und an der Aisne, in denen Nivelle und Haig die deutsche Front zu zertrümmern suchten, heischten dringend Auskunft über die Truppenverhältnisse beim Gegner. Das Deckwort für die Unternehmung war „Duma“. Zwei Abteilungen unter dem durch seine Sturmlehrgänge in Ollweiler vielbewährten Leutnant Schmid und Vizefeldwebel (Offiziersaspirant) Kienhöfer der 2. Kompagnie sollten je in Stärke von 3 Unteroffizieren und 25 Mann nördlich und südlich des Molkenrainwegs in die feindliche Stellung einbrechen. In Ollweiler werden die Abteilungen vorgeschult für ihre Aufgabe.
Am Abend des besonderen Tages eröffnen 7.12 Uhr die eigene Artillerie und die Minenwerfer ihr Ablenkungsfeuer auf die Stellungen bei St. Antoni, 7.15 Uhr beginnt das Riegel- und Wirkungsfeuer auf die Einbruchsstelle, das der Minenwerfer des Regi-ments und der Minenwerfer-Komp. 326 legt sich auf die französischen Drahthindernisse und Unterstände. Die Maschinengewehre rattern und senden ihre indirekt gezielten Garben dem Gegner zu, die Granatwerfer und Revolverkanonen feuern mit. Seit 7.20 Uhr leitet ein eigener Flieger das Minenfeuer. Bis 8.45 Uhr decken die Granaten und Minen die feindliche Stellung zu, da brechen die Stoßtrupps aus ihren Unterschlüpfen in der 1. Linie. Sie haben’s nicht leicht. Seit 7.45 Uhr setzt feindliches Artilleriefeuer gegen die Uffholzer Stellung ein, seit 8.20 Uhr liegt es auf der Ausgangsstellung der Patrouille, wohin es zwei französische Flieger lenken, die zwei Minuten zuvor erschie-nen waren. Rote und grüne Leuchtkugeln gehen bei den Franzosen hoch, zuerst 200 Meter südlich des Molkenrainwegs, dann an diesem selbst. Haben die Franzosen rechtzeitig die Absicht gemerkt? Die beiden Patrouillen finden bei ihrem Vorstoß die Stellung leer. Das feindliche Drahtverhau ist zerschossen, das Astverhau weggefegt, die Unterstände sind meist eingedrückt. Ihre Holzdecke konnte dem Minenfeuer nicht standhalten, ein Betonklotz hinter der 2. Linie ist umgestürzt. Aber nirgends ein Fran-zose. Aus weiter hinten liegenden Linien setzt Maschinengewehr- und Gewehrfeuer ein und verwundete einige Leute. Leutnant Schmid stürmt über sein gesetztes Ziel weiter vor, umsonst, nirgends ein Franzose zu sehen. Sind sie rechtzeitig verschwunden? Die Stellung macht einen verwahrlosten Eindruck, man gewinnt den Eindruck, daß die Unterstände nicht mehr bewohnt sind. Die Franzosen haben allem Anschein nach ihre Unterkunftsräume weiter nach hinten gelegt und lassen von ihnen aus die einzelnen Posten aufziehen. Eine schmerzliche Entdeckung für die Tapferen. Da bleibt keine Wahl, die vorgeschriebene Zeit ist abgelaufen, der Pfiff gellt zur Rückkehr. Aber einer kommt nicht mehr; der tapfere Unteroffizier Klandt fehlt. Er hatte mit ein paar Leuten den Vorstoß in der feindlichen Linie nordwärts zu sichern. Da schlägt seiner Truppe Maschinengewehrfeuer aus den rückwärtigen Linien entgegen, ein Mann sinkt schwer-verwundet nieder. Klandt sorgt dafür, daß er durch seinen Nebenmann zurückgeschleppt wird. Er eilt seiner Abteilung nach, Aber die sehen und hören nichts mehr von ihm. Auf dem Rückweg müssen sie dem feindlichen Maschinengewehrfeuer ausweichen und merken erst im Graben, daß der in so vielen Streifzügen ausgezeichnet bewährte Klandt fehlt. Leutnant Schmid stößt sofort mit neuen Patrouillen ins Vorgelände vor, aber alle Bemühungen sind umsonst. Der hingebungsvollen, todesmutigen Haltung aller Betei-ligten mit ihren tatkräftigen Führern war diesmal kein Erfolg beschieden, so sehr auch das schneidige Verhalten bei allen Vorgesetzten gerne anerkannt wurde.


aus: „Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“, Stuttgart 1923

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