„In zahlreichen Streifen war am Molkenrainweg die
französische Postenaufstellung erkundet; neue Fliegeraufnahmen hatten ein
genaues Bild der stark ausgebauten franzö-sischen Stellung an dieser Stelle mit
ihren Maschinengewehr- und Minenwerferständen ergeben. Sie nachzuprüfen und
dabei Gefangene einzubringen, war die Aufgabe, die dem I. Bataillon für den 22.
April gestellt war. Die eben zu Ende gehenden Kämpfe an der Scarpe und an der
Aisne, in denen Nivelle und Haig die deutsche Front zu zertrümmern suchten,
heischten dringend Auskunft über die Truppenverhältnisse beim Gegner. Das
Deckwort für die Unternehmung war „Duma“. Zwei Abteilungen unter dem durch
seine Sturmlehrgänge in Ollweiler vielbewährten Leutnant Schmid und
Vizefeldwebel (Offiziersaspirant) Kienhöfer der 2. Kompagnie sollten je in
Stärke von 3 Unteroffizieren und 25 Mann nördlich und südlich des
Molkenrainwegs in die feindliche Stellung einbrechen. In Ollweiler werden die
Abteilungen vorgeschult für ihre Aufgabe.
Am Abend des besonderen Tages eröffnen 7.12 Uhr die eigene
Artillerie und die Minenwerfer ihr Ablenkungsfeuer auf die Stellungen bei St.
Antoni, 7.15 Uhr beginnt das Riegel- und Wirkungsfeuer auf die Einbruchsstelle,
das der Minenwerfer des Regi-ments und der Minenwerfer-Komp. 326 legt sich auf
die französischen Drahthindernisse und Unterstände. Die Maschinengewehre
rattern und senden ihre indirekt gezielten Garben dem Gegner zu, die
Granatwerfer und Revolverkanonen feuern mit. Seit 7.20 Uhr leitet ein eigener
Flieger das Minenfeuer. Bis 8.45 Uhr decken die Granaten und Minen die
feindliche Stellung zu, da brechen die Stoßtrupps aus ihren Unterschlüpfen in
der 1. Linie. Sie haben’s nicht leicht. Seit 7.45 Uhr setzt feindliches
Artilleriefeuer gegen die Uffholzer Stellung ein, seit 8.20 Uhr liegt es auf
der Ausgangsstellung der Patrouille, wohin es zwei französische Flieger lenken,
die zwei Minuten zuvor erschie-nen waren. Rote und grüne Leuchtkugeln gehen bei
den Franzosen hoch, zuerst 200 Meter südlich des Molkenrainwegs, dann an diesem
selbst. Haben die Franzosen rechtzeitig die Absicht gemerkt? Die beiden
Patrouillen finden bei ihrem Vorstoß die Stellung leer. Das feindliche
Drahtverhau ist zerschossen, das Astverhau weggefegt, die Unterstände sind
meist eingedrückt. Ihre Holzdecke konnte dem Minenfeuer nicht standhalten, ein
Betonklotz hinter der 2. Linie ist umgestürzt. Aber nirgends ein Fran-zose. Aus
weiter hinten liegenden Linien setzt Maschinengewehr- und Gewehrfeuer ein und
verwundete einige Leute. Leutnant Schmid stürmt über sein gesetztes Ziel weiter
vor, umsonst, nirgends ein Franzose zu sehen. Sind sie rechtzeitig
verschwunden? Die Stellung macht einen verwahrlosten Eindruck, man gewinnt den
Eindruck, daß die Unterstände nicht mehr bewohnt sind. Die Franzosen haben
allem Anschein nach ihre Unterkunftsräume weiter nach hinten gelegt und lassen
von ihnen aus die einzelnen Posten aufziehen. Eine schmerzliche Entdeckung für
die Tapferen. Da bleibt keine Wahl, die vorgeschriebene Zeit ist abgelaufen,
der Pfiff gellt zur Rückkehr. Aber einer kommt nicht mehr; der tapfere
Unteroffizier Klandt fehlt. Er hatte mit ein paar Leuten den Vorstoß in der
feindlichen Linie nordwärts zu sichern. Da schlägt seiner Truppe
Maschinengewehrfeuer aus den rückwärtigen Linien entgegen, ein Mann sinkt
schwer-verwundet nieder. Klandt sorgt dafür, daß er durch seinen Nebenmann
zurückgeschleppt wird. Er eilt seiner Abteilung nach, Aber die sehen und hören
nichts mehr von ihm. Auf dem Rückweg müssen sie dem feindlichen Maschinengewehrfeuer
ausweichen und merken erst im Graben, daß der in so vielen Streifzügen
ausgezeichnet bewährte Klandt fehlt. Leutnant Schmid stößt sofort mit neuen Patrouillen
ins Vorgelände vor, aber alle Bemühungen sind umsonst. Der hingebungsvollen,
todesmutigen Haltung aller Betei-ligten mit ihren tatkräftigen Führern war
diesmal kein Erfolg beschieden, so sehr auch das schneidige Verhalten bei allen
Vorgesetzten gerne anerkannt wurde.“
aus:
„Das Württembergische Landwehr-Inf.-Regiment Nr. 119 im Weltkrieg 1914–1918“,
Stuttgart 1923
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen