Samstag, 29. April 2017

29. April 1917


„Das Gelände war stark gewellt. Von der Straße Hendecourt / Cagnicourt an fiel es der vorderen Linie zu ab, erreichte beim B. T. K. etwa den tiefsten Punkt und stieg dann wieder an, um bei Bullecourt und den anschließenden Stellungsteilen den Kamm eines ziemlich breiten Rückens zu erreichen. Konnte sich der Gegner dort festsetzen, so stand ihm die Beobachtung bis weit ins Hintergelände offen und der Besitz Bullecourts entschied über das Schicksal dieses Frontabschnitts, weshalb seit Wochen dort ein Brennpunkt feindlichen Artillerie- und Minenfeuers gewesen war. Die Stellung, in die das Kampfbataillon einrückte, war daher stark mitgenommen und hatte teilweise schon muldenartigen Charakter; von den Grabenwänden war nicht mehr viel zu sehen. Der Abschnitt b 4 (4 Kompagnieabschnitte von rechts nach links waren eingeteilt) bildete bereits eine regelrechte Trichterstellung, wie sie das Regiment in dem Sommekämpfen im August und November 1916 kennen gelernt hatte, und das ehemals gute Drahthindernis bestand nur noch als unentwirrbarer Drahtknäuel, in dem die Granaten breite Löcher herausgerissen hatten. Vor b 4 war es am meisten beschädigt und bot nicht den geringsten Schutz mehr.
Das Wichtigste der Stellung war aber in Ordnung, und das waren geräumige, völlig schußsichere Unterstände in ausreichender Zahl, welche der Arbeit der 26. R. D. zu danken waren, so daß 2/3 des Kampfbataillons in vorderer Linie untergebracht werden konnten. In Bullecourt selbst war eine Stellung, die Dorfstellung, zwar geplant, aber des anhaltenden Feuers wegen nicht zur Ausführung gekommen. Hier lag also die ganze Verteidigung in der vorderen Linie; war diese verloren, mußte auch Bullecourt fallen, in dem weder Katakomben noch Keller Schutz gegen schwere Kaliber boten. Dagegen lief nördlich von Bullecourt und östlich davon, hinter Abschnitt b 3 und b 4 eine zweite Linie, in deren Stollen der Rest des Kampfbataillons lag; einer, der den Namen Kaserne trug, mochte wohl gegen 80 Mann völlig sicher aufnehmen. Von den Maschinengeweh-ren der Kampf-M. G. Kompagnie waren 4 in erster, 4 in zweiter Linie und eins beim K. T. K. eingesetzt; die Bereitschafts-M. G. Kompagnie hatte je 2 Maschinengewehre in der Artillerieschutzstellung, beim B. T. K., bei einem Stützpunkt südöstlich Hendecourt und beim Regimentsgefechtsstand bereitgestellt. Auch Minenwerfer und eine Musketen-kompagnie, die von 2 Mann bediente Schnelladegewehre mit sich führte, waren dem Kampfbataillon zugeteilt, das von Übernahme der Stellung ab tagtäglich schwerstes Feuer aller Kaliber über sich ergehen lassen mußte. So verwandelte sich die ganze Kampfzone allmählich immer mehr in eine einförmige braune Masse, in der nur noch die Unterstände als rettende Inseln unversehrt sich erhielten. Bullecourt, die Mulde nach Hendecourt, dieses selbst und Riencourt erhielten gleichfalls wachsende Beschießung und vor der Stellung der 124er, die vor Riencourt lagen, wollte das schwere Feuer über-haupt nicht mehr weichen. Ende April setzte auch eine nie erwartete Fliegertätigkeit, sowie planmäßige Bekämpfung unserer Batteriestellungen ein, unter denen besonders die in Hendecourt liegenden starke Verluste an Menschen und Material erlitten. All das deutete auf kommende Ereignisse hin, währenddem die Großangriffe in unserer rechten Flanke im letzten Drittel des Aprils in großer Heftigkeit aufs neue entbrannt waren. Scharf lugten auf den Flanken der Schlacht die Posten ins Vorgelände hinaus, während die Masse der Infanterie in den Stollen saß und trotz Granaten und Minen ihre Stärke und Frische behielt.“


aus: „Die Ulmer Grenadiere an der Westfront“, Stuttgart 1920

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen