Sonntag, 25. November 2018

25. November 1918



„In der Nacht vom 28. auf 29. September ging Unteroffizier Knaus mit 8 Mann (darun-ter Gefreiter Herrmann, Lieb, Gahn, Höschele, Ilg, Bauser) gegen die französische Stellung am Südhang der Höhe 425 vor und brachte zwei Gefangene ein. Robert Lieb, der dabei verwundet wurde, schreibt über diese Patrouille:
„Zu der Zeit, als ich früher in dieser Stellung lag, verlief der feindliche Graben etwa 350 Meter vor uns im Tal. Er war in der Zwischenzeit aufgegeben und unge-fähr 150 Meter zurückverlegt worden. Eine Sappe trat hervor, und unsere Aufgabe bestand nun darin, die Besatzung dieses vorspringenden Grabenstücks auszuhe-ben.
Nachdem wir am Abend des 28. September nach Sandozweiler bei Sennheim in einen Unterstand vorgezogen worden waren, bahnten wir uns um Mitternacht mühsam einen Weg durch die alten feindlichen Drahtverhaue. 15 Mann vom Landwehr-Infanterieregiment 123 sollten uns später folgen. In dem verlassenen französischen Graben blieben wir liegen, um gegen das Artillerie- und Minenfeuer geschützt zu sein, das bald darauf begann. Innerhalb einer Minute wurden drei Minen auf die Sappe geworfen, während zur gleichen Zeit unsere Artillerie ihr Feuer auf die rückwärtigen Linien des Feindes legte.
Beim Aufschlagen der dritten Mine springen wir auf und stürmen vor. An der Sappe stoßen wir auf einen außergewöhnlich starken Drahtverhau. Nur eine Minute hemmt er unsern Lauf, dann geht es weiter – inzwischen nun allerdings vom Feinde bemerkt. Ein Franzose in der Sappe hat die Geistesgegenwart nicht verloren, er wirft uns aus nächster Entfernung eine Handgranate entgegen. Ilg fällt, Höschele und Gahn werden schwer verwundet. Ich erhalte einige Splitter in den linken Oberschenkel und in die linke Hand. Auch ein 123er, der uns inzwi-schen mit seinen Kameraden aufgeholt hat, wird schwer verwundet.
Hinein in die Sappe, los auf den Franzosen, der die Handgranate warf und auf einen zweiten, der bei ihm steht; sie wehren sich, werden gefaßt und rausgezerrt. Nun sind wir auch im feindlichen Hauptgraben bemerkt worden, denn schon setzt starkes Infanteriefeuer ein. Also eiligst zurück. Ich als Vorletzter, Gahn hinter mir als Letzter. Er kann sich selbst nur noch 60 Meter weit zurückschleppen, bricht dann zusammen. Ich nehme ihn unter den rechten Arm und schleppe ihn zurück, was besonders schwierig ist, da die Franzosen wie verrückt schießen. Zum Sprung mit Gahn über den alten feindlichen Graben reichen meine Kräfte nicht mehr, wir stürzen beide hinein. Vergebens bemühe ich mich, Gahn auf der anderen Seite hochzuziehen. Ich breche erschöpft zusammen.“
Gahn und Lieb wurden, nachdem sich das Feuer der Franzosen etwas gelegt hatte, von Sanitätsmannschaften geborgen. Sie kamen sechs Wochen später im Lazarett in Freiburg wieder zusammen. Ein trauriges Wiedersehen, denn Paul Gahn war inzwischen ein Bein amputiert worden. Die Ärzte hofften, ihn am Leben erhalten zu können. Aufopfernd pflegte ihn seine Schwester, eine geprüfte Krankenpflegerin; sie wich nicht von des Bruders schwerem Krankenlager. Nach einiger Zeit mußte eine weitere Operation aus-geführt werden, an deren Folgen Paul Gahn starb. Als er auf dem Pragfriedhof in Stuttgart beigesetzt wurde, legten Rittmeister Henke im Nahmen des Sturmbataillons 16 und Hauptmann Nagel für die Kompagnie Kränze am Grabe dieses jungen Kriegsfrei-willigen nieder, der den ganzen Krieg mitgemacht hat und kurz vor dem Waffen-stillstand von einem so tragischen Geschick ereilt wurde. Auch die Kameraden David Ilg und Jakob Höschele sind ihren schweren Verletzungen erlegen.“

aus: „Württembergische Sturm-Kompagnie im großen Krieg“, Stuttgart 1930


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